Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101043/20/Bi/Ka

Linz, 07.04.1993

VwSen - 101043/20/Bi/Ka Linz, am 7. April 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Mag. A. A., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W. L. vom 25. Jänner 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .. vom 7. Jänner 1993, VerkR96.., aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 7. April 1993 zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG, § 16 Abs.2 lit.b iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960. zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft .. hat mit Straferkenntnis vom 7. Jänner 1993, VerkR96.., über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs.2 lit.b iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 9. Februar 1992, um 16.45 Uhr den Kombi Toyota Starlet, Kennzeichen .., auf der R.straße 127 von S. in Richtung O. gelenkt und dabei trotz der unübersichtlichen Linkskurve vor Strkm.21,7 und starken Nebels einen PKW überholt hat. Gleichzeitig wurde er zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 200 S verpflichtet.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ohne Berufungsvorentscheidung vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Am 7. April 1993 wurde in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines ausgewiesenen Vertreters sowie der Zeugen H.A., Rev.Insp. J.R. und Insp. G.B. sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. H. L. an Ort und Stelle eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe eine Geschwindigkeit von 80 km/h eingehalten, während das überholte Fahrzeug nur etwa 40 km/h fuhr. Die Sichtstrecke habe daher infolge der Differenzgeschwindigkeiten für ein gefahrloses Überholen ausgereicht. Die Flugwetterwarte H. habe für den Raum L. am Tag der Übertretung Nebel mit Sichtweiten von nicht mehr als 100 m bestätigt, wobei im Bereich des km 21,7 der B 127, der sich in einer größeren Entfernung zur Donau befindet, von besseren Sichtverhältnissen als im Raum L. auszugehen sei. Diesbezüglich wurde eine Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik beantragt. Die Erstinstanz habe die Aussage seiner Gattin H.A. übergangen, obwohl auch diese die Auskunft der Flugwetterwarte H. bestätige.

Die Sichtstrecke von wenigstens 100 m beziehe sich auf unbeleuchtete Gegenstände, während die Fahrzeuge zum Vorfallszeitpunkt infolge Nebels mit Abblendlicht unterwegs waren, sodaß die Sicht auf entgegenkommende Fahrzeuge mindestens doppelt so groß war. Die Erstinstanz habe weder einen Kraftfahrzeugsachverständigen beigezogen noch den Fahrbahnbereich vermessen oder fotographiert, sodaß diesbezüglich gravierende Mängel im Verfahren vorgelegen hätten, die eine Beurteilung der behaupteten Verwaltungsübertretung gar nicht zulassen. Seiner Wahrnehmung nach hätten die Meldungsleger nicht von einer Standposition aus sein Überholen bemerkt, sondern seien ihm am Ende seines Überholmanövers fahrend entgegengekommen. Sie seien ihm nachgefahren und konnten ihn erst in W. anhalten, wobei sie im Bereich des Saurüssels mehrere Fahrzeuge überholen mußten - Blaulicht wurde nicht verwendet. Schon daraus lasse sich ersehen, daß bei den gegebenen Sichtverhältnissen ein Überholen möglich gewesen sein muß. Er beantrage daher, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstinstanz sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unter Miteinbeziehung eines kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen und Besichtigung der angeführten Örtlichkeit samt zeugenschaftlicher Einvernahme der beiden Gendarmeriebeamten sowie Insp. R. und Insp. B. sowie der damaligen Beifahrerin H.A.

4.1. Für den unabhängigen Verwaltungssenat stellt sich der Vorfall so dar, daß der Rechtsmittelwerber am 9. Februar 1992 gegen 16.45 Uhr als Lenker des Kombi .. auf der R.Bundesstraße von S. kommend Richtung O. unterwegs war, wobei er im Bereich der Linkskurve bei km 21,7 einen in gleicher Richtung fahrenden PKW überholte. Die beiden Gendarmeriebeamten Rev.Insp. R. und Insp. B. befanden sich im in der in Fahrtrichtung des Berufungswerbers gesehen auf der rechten Seite nach der Kurve befindlichen Einfahrt zur Firma Z. abgestellten Gendarmeriefahrzeug. Laut Schilderung der beiden Gendarmeriebeamten herrschte zum Zeitpunkt des Überholvorganges Nebel, sodaß von ihrem Standort lediglich der Bereich bis zur auf der Innenseite der Kurve gelegenen und am Beginn einer Steinmauer befindlichen Stiege einzusehen war. Sowohl am Fahrzeug des Rechtsmittelwerbers als auch am überholten PKW war Abblendlicht eingeschaltet, sodaß beide Fahrzeuge trotz des Nebels bereits beim Einfahren in die Kurve sichtbar waren.

Die Zeugin H.A. hat angegeben, der Lenker des überholten Fahrzeuges (vermutlich ein Fiat) sei ein älterer Herr gewesen, der mit ca. 40 km/h Richtung L. gefahren sei. Ihr Gatte habe den Lenker vor dem Überholvorgang angehupt und dieser sei daraufhin langsam äußerst rechts weitergefahren. Ihrer Erinnerung nach habe ihr Gatte den PKW sicher nicht über die Fahrbahnhälfte gelenkt, und nach Abschluß des Überholvorganges sei ihnen ein Gendarmeriefahrzeug entgegengekommen.

Aufgrund der Aussagen der beiden Meldungsleger sowie nach Vermessung der angegebenen Sichtweiten und der in Rede stehenden Kurve führte der Amtssachverständige Ing. L. folgendes aus:

"Legt man eine Geschwindigkeit des Überholenden von 80 km/h und des Überholten von 40 km/h zugrunde, ergibt sich ein Überholweg von 88 m. Aus den Aussagen der Meldungsleger ergibt sich eine Sichtweite vom Dienstfahrzeug bis zur Stiege am rechten Fahrbahnrand von 87 m. In einer Entfernung von 66 m von ihrer Position entfernt wurde der Überholvorgang beendet. Im Bereich des Überholvorganges beträgt die Fahrbahnbreite 11 m, was eine Fahrstreifenbreite von 5,5 m ergibt. Es ist möglich, daß der Beschuldigte die Fahrbahnmitte nicht überschritten hat, wenn man davon ausgeht, daß zwei Fahrzeuge eine Breite von jeweils 1,7 m haben und ein Abstand von 1 m zwischen den beiden Fahrzeugen eingehalten wird. Hat der Beschuldigte jedoch die Fahrbahnmitte überschritten, ergibt sich eine gesamte Überholsichtweite von 168 m. Die Sichtweite aus der Position des Beschuldigten bei Beginn des Überholweges mit Einsicht auf die Gegenfahrbahn und damit die Erkennbarkeit sämtlicher Hindernisse oder des Gegenverkehrs beträgt bei klarer Sicht 167 m. Laut Angaben des Meldungslegers wurden die Lichter des überholenden und des überholten Fahrzeuges bei Einfahrt in die Kurve bereits gesehen, nämlich in einer Entfernung von ca. 220 m bis 240 m. Aufgrund dessen kann man dem Beschuldigten zumuten, daß er im Falle eines Gegenverkehrs diesen aus einer ähnlichen Distanz aufgrund der Beleuchtung erkennen hätte können. Diese Kurve kann aus Sicht des Verkehrstechnikers bei diesem Überholvorgang und bei den angegebenen Geschwindigkeiten nicht als unübersichtlich bezeichnet werden, da die für den Überholvorgang nötigen Sichtweiten gegeben sind. Aufgrund des Blinkwinkels vom Gendarmeriefahrzeug und der Leitschiene am linken Fahrbahnrand im Sinne der Kilometrierung ist es sehr schwer möglich, aus einer Entfernung von ca. 100 m bei schlechter Sicht das Überragen der Fahrbahnmitte zu erkennen." 4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß sich im Rahmen des Ortsaugenscheines ergeben hat, daß der Rechtsmittelwerber nicht schon als Überholender in die Kurve eingefahren ist, sondern bereits nach Beginn der Kurvenkrümmung - dieser Punkt war aus der Position der beiden Gendarmeriebeamten schon erkennbar und ist mit einem in der Kurve befindlichen und sichtbar gekennzeichneten Vermessungspunkt beinahe identisch - zum Überholen angesetzt hat. Zur Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges konnten die Meldungsleger keine Aussagen machen, sodaß im Zweifel von der Richtigkeit der Angaben des Rechtsmittelwerbers, nämlich von einer Geschwindigkeitsdifferenz von 40 km/h, auszugehen ist. Den Angaben des Amtssachverständigen im Hinblick auf die Einsichtmöglichkeit auf die die beiden Fahrstreifen teilende Leitlinie wird insofern geteilt, als Zweifel hinsichtlich der Einsichtmöglichkeit auf die dort befindliche Leitlinie bestehen. Diese ist aufgrund der Sichtbehinderung durch Nebel einerseits und der Tatsache, daß die am äußeren Kurvenrand befindliche Leitschiene aus der Sicht der Meldungsleger weitgehend die Fahrbahn verdeckt, nur kurz sichtbar.

Einzuräumen ist außerdem, daß gerade bei Nebel zwei hintereinander fahrende Fahrzeuge mit eingeschalteten Abblendlicht für einen in ca. 220 m entfernten Beobachter den Eindruck entstehen lassen, daß das hinten fahrende Fahrzeug das vorne fahrende Fahrzeug zu überholen im Begriff ist, sodaß der tatsächliche Beginn des Überholmanövers aus der Position des Meldungslegers nicht zweifelsfrei örtlich zu bestimmen ist.

Geht man davon aus, daß die beiden Meldungsleger beide Fahrzeuge am Abblendlicht schon beim Einfahren in die Kurve erkannt haben, so ist dem Rechtsmittelwerber jedenfalls zuzumuten, einen eventuellen beleuchteten Gegenverkehr auf ebensolche Distanz zu erkennen. Vom im Rahmen der mündlichen Verhandlung errechneten Beginn des Überholmanövers aus, war eine Entfernung von 167 m einsehbar und der Überholweg betrug aufgrund der großen Geschwindigkeitsdifferenz maximal 90 m.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zu der Auffassung, daß aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sowie der Sichtverhältnisse nicht von "ungenügender Sicht" oder von einer "unübersichtlichen Straßenstelle" auszugehen ist. Ein Überschreiten der Fahrbahnmitte ist nicht zweifelsfrei nachweisbar und im gegenständlichen Fall auch nicht relevant, da auf den nachfolgenden Straßenabschnitt ausreichend Sicht bestand.

Aus all diesen Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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