Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730065/11/Wg/Wu

Linz, 13.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwältin X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 28. Mai 2010, Zahl: 1-1016189/FP/10, verhängte Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bundespolizeidirektion Wels hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 28. Mai 2010, Zahl: 1-1016189/FP/10, gemäß § 53 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 15. Juni 2010. Der Bw beantragt darin, die Berufungsbehörde möge den gegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass das gegen ihn eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt und die ausgesprochene Ausweisung aufgehoben wird, in eventu den gegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen wird.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.

 

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

X wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Vietnam. Nach seiner ersten Einreise am 20. Juni 2002 stellte er noch am selben Tag einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde am 28. August 2002 eingestellt.

Am 1. September 2002 reiste er erneut ein und stellte am 2. September 2002 einen weiteren Asylantrag. Dieses Asylverfahren ist seit 26. Februar 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Der Bw ist seit 11. Juli 2002, abgesehen von einer Unterbrechung im Zeitraum von 25. Juli 2002 bis 8. Oktober 2002, durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Zur Zeit ist er an der Adresse X mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Er hat dort 2 Räume eines Einfamilienhauses gemietet, Eigentümer ist Herr X, der Besitzer des Chinarestaurants "X". Der Bw bezahlt eine Miete von 150,- Euro monatlich.

 

Der Bw ist ledig und es leben keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Seine Eltern und 2 Geschwister halten sich in seinem Heimatland auf.

 

Zur Ausbildung und beruflichen Laufbahn des Bw ist festzustellen, dass er die Grundschule in X besuchte und von 1994 bis 1997 Militärdienst leistete. Seit 12. November 2004 ist er Gesellschafter des Chinarestaurant "X" in X. Er erhält einen Bruttolohn von 1.100,- Euro monatlich, wobei Kost und Quartier dabei bereits abgezogen sind.

 

Im Versicherungsdatenauszug vom 27. Februar 2012 scheinen folgende Versicherungszeiten auf:

 

Von

Bis

Art der Monate/meldende Stelle

26.06.2002

24.07.2002

Asylwerber bzw. Flüchtlinge

02.01.2004

15.01.2004

Arbeiter; X

01.11.2004

Laufend

Gewerbl. selbstständig Erwerbstätiger

01.12.2011

31.12.2011

Nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG

 

Weiters gibt der Bw an, dass er von November 2003 bis Mai 2004 als Saisonarbeiter im Chinarestaurant "X" beschäftigt gewesen sei.

 

Der Bw ist im Besitz eines A2-Detsuch-Zertifikates, ausgestellt am 19.11.2011.

Über den Bw scheinen folgende Verwaltungsstrafvormerkungen auf:

-          § 38/5 iVm. § 38/1a StVO - € 100,-

-          § 8/4 StVO - € 49,-

 

Ansonsten ist er strafrechtlich unbescholten.

 

Am 29. April 2009 stellte der Bw erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Quotenfreie Erst-NB - erwerbstätig". Das Verfahren über diesen Antrag ist noch anhängig.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, aus FI- und AI-Auszügen, Auszügen aus dem Strafregister und ZMR-Abfragen.

 

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

X verfügt seit rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet der Republik Österreich. Somit ist zweifelsohne der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 dem Grunde nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die illegale Einreise des Bw stellt genauso wie der unrechtmäßige Aufenthalt eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar.

 

Eine Aufenthaltsbeendigung würde im vorliegenden Fall aber eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens des Bw darstellen. So kann grundsätzlich auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden (vgl VwGH vom 4.9.2003, GZ 2000/21/0102). Die sich aus dem langjährigen Aufenthalt und der langjährigen Berufstätigkeit ergebende Integration des Bw begründet ein erhebliches persönliches Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.

Insgesamt überwiegen daher die persönlichen Interessen des X an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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