Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730260/6/Sr/ER/Wu

Linz, 08.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, StA von Bosnien-Herzegowina, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Steyr-Land vom 4. Februar 2010, GZ.: Sich05-36-1990, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und § 63 iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG

 

 

Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptfrau von Steyr-Land vom 4. Februar 2010, GZ.: Sich05-36-1990, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 Z 1 iVm § 55 Abs. 3 iVm. § 64 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Zugleich wurde gemäß § 64 FPG 2005 in der damals geltenden Fassung die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen den genannten Bescheid ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen zunächst zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass der Bw nach seiner Einreise aus Bosnien-Herzegowina seit dem 30. Jänner 1990 im Bezirk Steyr-Land gemeldet sei und seine letzte Niederlassungsbewilligung, für die er am 26. März 2009 rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung gestellt habe, am 7. November 2008 abgelaufen sei. Von 18. August 1989 bis 7. November 2008 habe der Bw durchgehend über gültige Aufenthaltstitel verfügt.

 

Er habe am X geheiratet, aus der Ehe entstamme ein am X geborener Sohn, die Ehe sei mittlerweile geschieden.

 

Im Jahr 2002 habe der Bw einen Antrag auf Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt, den er am 6. Juni 2003 wieder zurückgezogen habe.

 

Mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 5. Mai 2003, 10 Hv 22/03p, sei der Bw wegen §§ 146, 147 und 148 StGB sowie § 164 Abs. 2 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Er sei schuldig gesprochen worden, zwischen 16. September 2002 und 21. Oktober 2002 insgesamt elf Mal Personen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig durch Verwendung einer nicht gedeckten Bankkarte zu bereichern, getäuscht und teils verleitet, teils zu verleiten versucht zu haben, Waren im Wert von einem € 2.000,-- übersteigenden Betrag auszufolgen.

 

Mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 8. Jänner 2009, 13 Hv 141/08t, sei er wegen § 232 StGB zu einer unbedingten Haftstrafe von 24 Monaten verurteilt worden. Er sei schuldig gesprochen worden, gefälschte Euro-Banknoten mit einem an der Fälschung beteiligten oder einem Mittelsmann mit dem Vorsatz übernommen zu haben, sie als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen.

 

Diese Haftstrafe habe er von 28. Juli 2008 bis 30. November 2009 in der Justizanstalt X verbüßt.

 

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 sei der Bw von der belangten Behörde in Kenntnis gesetzt worden, dass gemäß § 11 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG (in der damals geltenden Fassung) allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung eines (weiteren) Aufenthaltstitels fehlen würden. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Bw würden den öffentlichen Interessen der Republik Österreich widerstreiten, weshalb die belangte Behörde eine Aufenthaltsbeendigung gemäß § 52 FPG durchzuführen beabsichtige, die unter Bedachtnahme auf den Schutz des Privat- und Familienlebens des Bw zulässig und zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.

 

Dem Bw sei die Möglichkeit gegeben worden, dazu binnen zwei Wochen schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen.

 

Am 13. Oktober 2009 habe der Bw persönlich bei der belangten Behörde vorgesprochen und um Verlängerung seines Aufenthaltstitels angesucht, wobei er betont habe, sich in Hinkunft an die Gesetze zu halten. Am 30. November 2009 werde er bedingt aus der Haft entlassen, und er werde danach – einer gerichtlichen Weisung entsprechend – einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einer bestimmten Firma nachgehen. Er beabsichtige, bei seinem Bruder zu wohnen. Die belangte Behörde habe den Bw informiert, dass sein Anbringen in die Entscheidung über die Aufenthaltsbeendigung einfließen und er eine Verständigung über den Ausgang des Verfahrens erhalten werde.

 

Tatsächlich sei der Bw am 30. November 2009 bedingt aus der Haft entlassen worden, der gerichtlichen Weisung widersprechend wohne er aber nicht bei seinem Bruder und arbeite auch nicht in der vereinbarten Firma.

 

Ein Antrag auf Sozialhilfe sei wegen des nicht vorhandenen Aufenthaltstitels abgelehnt und dem Bw von der Fremdenpolizei mitgeteilt worden, dass sein Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels aufgrund seines fehlenden Einkommens abgewiesen werde.

 

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde dazu erwogen, dass durch die Verurteilungen des Bw der Sachverhalt des § 60 Abs. 1 und 2 FPG in der damals geltenden Fassung erfüllt sei, da er innerhalb relativ kurzer Zeit zweimal straffällig geworden sei und dabei nicht unerhebliche Vermögensdelikte begangen und Dritte erheblich geschädigt habe. Die Anzahl der begangenen Straftaten bzw. die kurze Abfolge zwischen den einzelnen Taten zeige, dass der Bw trotz gegenteiliger Beteuerungen an der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung kein Interesse zu haben scheine.

 

Aus diesen Gründen sei ein Aufenthaltsverbot erforderlich, um eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

 

Das Aufenthaltsverbot greife in das Privat- und Familienleben des Bw ein, zumal seiner geschiedenen Ehe ein Sohn entstamme. Seine strafrechtlichen Verurteilungen und seine kriminelle Energie bewirken aber eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und sei derart schwerwiegend, dass nicht von einem Überwiegen der privaten Interessen des Bw auszugehen sei, zumal er von seiner Familie getrennt lebe und zu seinem Sohn nur losen Kontakt pflege.

 

Das Aufenthaltsverbot sei also zulässig und aufgrund der Anwendbarkeit von § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG in der damals geltenden Fassung unbefristet auszusprechen.

 

Die aufschiebende Wirkung einer Berufung sei auszuschließen, da die sofortige Ausreise des Bw aufgrund seines Fehlverhaltens und seiner Rücksichtslosigkeit gegenüber der österreichischen Rechtsordnung im Interesse des öffentlichen Wohls und der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 8. Februar 2010 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung beim Postamt X zugestellt wurde, erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 19. Februar 2010 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Darin stellt der Bw den Antrag, das Aufenthaltsverbot aufzuheben und das Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen.

 

Im Wesentlichen wird in der Berufung dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt nicht entgegen getreten, aber die Würdigung – insbesondere hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsverfestigung und seines Familienlebens – gerügt und angeführt, dass der Bw 2003 zu einer bedingten Haftstrafe – nicht zu einer unbedingten – verurteilt worden sei.

 

Zur Aufenthaltsverfestigung gibt der Bw an, dass er im April 1989 nach Österreich eingereist sei und sich seither rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Wenn er 1999 einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt hätte, wäre diesem stattgegeben worden, da er sich zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre rechtmäßig aufgehalten und sich bis dahin nichts zu Schulden kommen lassen habe.

 

Tatsächlich habe er am 6. Juni 2003 einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft aufgrund seiner Verurteilung vom 5. Mai 2003 zurückgezogen, vor diesem Zeitpunkt hätte ihm die Staatsbürgerschaft aber bereits verliehen werden können.

 

Zu seinem Familienleben gibt er an, dass er zwar mittlerweile geschieden sei, er aber regelmäßigen und intensiven Kontakt zu seinem Sohn, der österreichischer Staatsbürger sei, pflege.  

 

Sein Verhalten nach der Haftentlassung, das zwar aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des vereinbarten Arbeitgebers nicht der gerichtlichen Weisung entsprochen habe, lasse darauf schließen, dass der Bw nach Verbüßung seiner Haftstrafe keine Gefahr mehr darstelle, zumal er sich aus Eigenem um einen neuen Arbeitsplatz bemüht und diesen auch gefunden habe und dadurch dem Staat nicht zur Last falle. Auch seine alte Wohnung habe er wieder angemietet, um seinem Bruder, bei dem er laut gerichtlicher Weisung wohnen hätte sollen, nicht zur Last zu fallen.

 

Bei ordnungsgemäßer, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechender Interessenabwägung und bei richtiger rechtliche Beurteilung im Sinne des Art. 8 EMRK hätte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht geboten sei.

 

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bringt der Bw vor, dass er vorzeitig bedingt von seiner Haftstrafe entlassen worden sei, da das Strafgericht eine potenzielle Gefährdung verneint hätte. Unter diesem Blickwinkel hätte auch die Verwaltungsbehörde keine Notwendigkeit annehmen dürfen, den gegenständlichen Bescheid sofort zu vollziehen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei somit in rechtswidriger Weise erfolgt.  

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

Von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich wurde der gegenständliche Akt daher nunmehr dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem, das Zentrale Melderegister und in einen aktuellen Versicherungsdatenauszug des Bw.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67 d Abs. 1 Z. 1 AVG).

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich stellt der Unabhängige Verwaltungssenat Oö. fest, dass der Bw vom Landesgericht Steyr am 6. September 2011 zu 13 Hv 141/2008t wegen §§ 127 und 129 Z. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt wurde.

 

Seit 29. Februar 2012 ist der Bw an der Adresse der Männerstrafanstalt X polizeilich gemeldet.

 

Der Bw war seit seiner Enthaftung am 30. November 2009 nur knapp vier Monate sozialversicherungspflichtig erwerbstätig.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde das Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 38/2011) erlassen, weshalb dieses Aufenthaltsverbot im Sinne des § 63 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist. 

4.2.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.         die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.         anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen           zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.2.2. Gemäß § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG ist ein Einreiseverbot unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

4.3. Aus verfahrensökonomischer Sicht ist es aufgrund des rund 23-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet zweckmäßig, nicht erst zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach gerechtfertigt ist, sondern erst die Frage zu klären, ob eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG gegeben ist, weil der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte erwerben können. Liegt ein Fall der Aufenthaltsverfestigung vor, darf ein Aufenthaltsverbot, mag es vor dem Hintergrund des § 63 auch berechtigt sein, ohnehin nicht erlassen werden.

 

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

4.3.1. Vorab ist bezüglich der hierbei heranzuziehenden Fassung des § 10 Abs. 1 StbG festzustellen:

 

Der unter der Überschrift "Verweisungen" stehende § 124 FPG normiert, dass, soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.

 

Die Kompetenzgrundlage für das Staatsbürgerschaftsgesetz stellt Art. 11 Abs. 1 Z 1 B-VG dar. Demnach obliegt die Gesetzgebung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft dem Bund. § 124 FPG ist daher grundsätzlich bei Verweisungen auf das Staatsbürgerschaftsgesetz anzuwenden.

 

§ 64 Abs. 1 Z 1 FPG verweist jedoch ausdrücklich auf § 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311. Es ist daher vom Vorliegen einer lex specialis auszugehen und § 10 Abs. 1 leg cit in der explizit verwiesenen Fassung anzuwenden. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Wortlaut der beiden widersprüchlichen Bestimmungen seit der Stammfassung des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr. 100/2005, unverändert geblieben ist und die Bestimmungen zeitgleich in Kraft getreten sind.

 

4.3.2. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. Nr. 311 lautet:

 

"Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat;

2. er durch ein inländisches Gericht

a) weder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

b) noch wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist;

hiebei stehen der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch Verurteilungen wegen einer strafbaren Handlung entgegen, die der Fremde vor der Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

3. gegen ihn nicht

a) wegen des Verdachtes einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht sind, noch

b) wegen des Verdachtes eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

4. er nicht von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, die strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen ist; (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 6)

5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht; (BGBl. Nr. 703/1974, Art. I Z 1)

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde."

 

4.3.3. Abstellend auf § 64 Abs. 1 Z 1 FPG ist somit zu prüfen, ob eine Aufenthaltsverfestigung stattgefunden hat.

 

4.3.3.1. Aus dem Verwaltungsakt, der auch den Erstantrag auf Bewilligung einer Aufenthaltsberechtigung sowie sämtliche Folgeanträge samt den dafür erforderlichen Unterlagen – darunter auch Meldebestätigungen – enthält, ergibt sich, dass sich der Bw seit 11. Mai 1989 ununterbrochen in Bundesgebiet aufhält und während der gesamten Aufenthaltsdauer seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatte.

 

4.3.3.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes und der EKIS-Abfrage steht fest, dass der Bw während des gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraums von 11. Mai 1989 bis 11. Mai 1999 durch kein inländisches Gericht verurteilt wurde und gegen ihn in diesem Zeitraum bei keinem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

 

4.3.3.3. Dass der Bw im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten rechtskräftig verurteilt worden wäre oder gemäß Z 5 leg cit ein Aufenthaltsverbot bestanden hätte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

4.3.3.4. Im relevanten Beurteilungszeitpunkt scheidet auch der in § 10 Abs. 1 Z und 8 StbG enthaltene Tatbestand offensichtlich aus.

 

4.3.3.5. Aus dem aktuellen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw während des gesamten maßgeblichen Zeitraums größtenteils einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist, in einem zeitlichen Umfang von ca. neun Monaten hat er im maßgeblichen Zeitraum Arbeitslosengeld bezogen. Daher war zu diesem Zeitpunkt sein Lebensunterhalt hinreichend im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG gesichert.

 

4.3.3.6. Wie sich aus dem Vorlageakt ergibt, wurden im zu beurteilenden Zeitraum über den Bw folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

Am 11. Juni 1992 wegen § 24 Abs. 1 lit. a StVo (Nichtbeachtung eines Halteverbots) zu einer Geldstrafe von ATS 300,--.

Am 1. September 1993 und am 27. Dezember 1993 wegen § 64 Abs. 1 1. Halbsatz KFG (Fahren ohne Führerschein) zu Geldstrafen von ATS 1.000,-- bzw. ATS 3.000,--.

Am 2. Juni 1998 wegen § 102 Abs. 2 3. Satz KFG (Betätigung der Warnblinkanlage) zu einer Geldstrafe von ATS 300,--.

Am 1. Juli 1998 wegen § 52 lit. a Z. 2 StVo (Nichtbeachtung eines Verkehrsschildes "Einfahrt verboten") zu einer Geldstrafe von ATS 800,--.

Am 8. Februar 1999 wegen § 20 Abs. 2 StVo (Geschwindigkeitsübertretung) zu einer Geldstrafe von ATS 500,--.

 

Über Sachverhalte, die zur Gerichtsanhängigkeit eines Strafverfahrens oder zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hätten, geht aus dem Verwaltungsakt und dem EKIS nichts hervor.

 

Vielmehr ergibt sich aufgrund einer im Verwaltungsakt befindlichen Information der fremdenpolizeilichen Abteilung an die Staatsbürgerschaftsabteilung der Bezirkhauptmannschaft Steyr-Land vom 25. September 2001, dass die fremdenpolizeiliche Abteilung eine positive Stellungnahme zum Antrag des Bw auf Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgegeben hat.

Auch einer Mitteilung der Abteilung Sicherheitswesen an die Staatsbürgerschaftsabteilung der Bezirkhauptmannschaft Steyr-Land vom 8. August 2002 ist zu entnehmen, dass damals keine Vormerkungen vorgelegen sind, die gegen die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft gesprochen hätten.

 

Erst nach der ersten gerichtlichen Verurteilung des Bw am 23. Februar 2003 wurde dem Bw – wie sich aus der Berufung ergibt – seitens des Amtes der Oö. Landesregierung nahegelegt, seinen Antrag auf Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft zurückzuziehen. Diesem Ersuchen hat er am 6. Juni 2003 letztendlich entsprochen.

 

Aufgrund dieses Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass das Verhalten des Bw im Beurteilungszeitraum (in dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft erstmalig möglich gewesen wäre) auch keinen Anlass im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG bietet. Im angesprochenen Zeitabschnitt hat der Bw keine gerichtlich relevanten Taten gesetzt und die Verwaltungsübertretungen sind als geringfügig anzusehen. Der Bw stellte somit keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten nicht Gewähr dafür geboten hätte, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt gewesen ist.

4.4. Da dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, darf ein Aufenthaltsverbots gegen ihn nicht erlassen werden.

 

Der Berufung war stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

4.5. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Falle einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid zu Recht erfolgt ist.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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