Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730377/24/Wg/Gru

Linz, 05.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 14. Jänner 2005, Sich41-123-2004, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat mit Bescheid vom 14. Jänner 2005, Zl. Sich41-123-2004, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gem. § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 iVm den §§ 35, 37, 38 und 39 Fremdengesetz (FRG), BGBl. I Nr. 75/1997 idgF, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ. gab der Berufung mit Bescheid vom 8. Jänner 2008 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0131-7, den Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 8. Jänner 2008, Zl. St. 50/05, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses geht Folgendes hervor:

 

"Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis erließ gegen den X geborenen, seit 1991 in Österreich aufhältigen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 14. Jänner 2005 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 und 5 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2008 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung ging die belangte Behörde unter erkennbarer Übernahme des im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Inhalts des erstinstanzlichen Bescheides davon aus, der Beschwerdeführer sei am 7. November 1991 "sichtvermerksfrei" nach Österreich eingereist und habe am 20. Februar 1992 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Im Hinblick darauf seien ihm beginnend mit 23. Juni 1992 Aufenthaltstitel - zuletzt befristet bis 27. April 1999 - erteilt worden. Die erwähnte Ehe sei mit Gerichtsurteil vom 27. Oktober 1997 für nichtig erklärt worden, weil sie gegen Leistung eines Betrages von ATS 20.000,-- nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer eine "Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung" zu verschaffen. Der Sachverhaltswiedergabe ist weiters zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer in der Folge beginnend ab 10. Mai 1999 dreimal Niederlassungsbewilligungen erteilt wurden, zuletzt für den Zeitraum 29. April 2003 bis 5. Mai 2004. Er habe bis zum 5. Mai 2004 auch über einen Befreiungsschein verfügt und in Österreich "insgesamt mindestens 10 Jahre in verschiedenen Berufen gearbeitet", wobei das letzte Arbeitsverhältnis "ca. im März 2003" geendet habe.

Das Aufenthaltsverbot gründete die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer mit Urteil vom 8. September 2003 wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Diese Bestrafung gehe auf eine Auseinandersetzung mit einem türkischen Staatsangehörigen zurück, dem der Beschwerdeführer eine Ohrfeige versetzt habe. Weiters sei über den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. August 2004 wegen "gewerbsmäßiger Schlepperei" gemäß § 104 Abs. 1 und 3 erster und zweiter Fall FrG eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden. Ihm sei "die gewerbsmäßige Schleusung von ca. 120 Personen in etwa 30 Fahrten" zur Last gelegt worden. Schließlich berücksichtigte die belangte Behörde dann noch die (nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ergangene) Verurteilung vom 6. Juni 2005, womit der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen der (Beteiligung an einer) kriminellen Organisation nach § 287a StGB und der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 3 erster und zweiter Fall FrG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt wurde. Er sei für schuldig befunden worden, "in einer unternehmensähnlichen Verbindung eine große Zahl von Personen geschleppt (zu haben) bzw. an diesen Schleppungen beteiligt gewesen zu sein".

In der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG sei "schon insofern erfüllt, als (der Beschwerdeführer) bereits mehrmals von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurde". Gegenteiliges sei vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers eine enorme kriminelle Energie feststellbar sei. So habe er nicht nur "ca. 120 Personen in etwa 30 Fahrten geschleppt", sondern sich auch an einer kriminellen Organisation beteiligt. In den weiteren Ausführungen legte die belangte Behörde näher dar, dass an der Unterbindung von Schlepperei ein großes öffentliches Interesse bestehe. Daher käme es geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleich, würde man dem Beschwerdeführer den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gestatten. Es sei zwar zu beachten, dass ihm eine der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich von 16 Jahren entsprechende Integration zuzubilligen und dass er bereits über mehrere Jahre einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, dass er hier mit seiner Lebensgefährtin und den drei (minderjährigen) Kindern lebe und dass sich auch sein Bruder und seine Schwester im Bundesgebiet aufhielten. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen würden jedoch die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die für den Beschwerdeführer zu stellende negative Zukunftsprognose wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Aus den angeführten Gründen sei auch das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Das Aufenthaltsverbot sei - so die belangte Behörde abschließend - auf unbefristete Dauer zu erlassen, weil derzeit nicht abgeschätzt werden könne, wann die Gründe für seine Erlassung wieder wegfallen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde nach der Übergangsvorschrift des § 125 Abs. 1 FPG zu Recht die Bestimmungen des genannten Gesetzes - in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011 - angewendet hat.

2. Gemäß § 9 Abs. 1 FPG entscheiden - als im Verfassungsrang normierte Ausnahme zur grundsätzlichen Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen - über Berufungen gegen nach dem FPG ergangene Bescheide im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die unabhängigen Verwaltungssenate - vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 2. Juni 2005, Rs C-136/03 (Dörr/Ünal) - aber auch in Berufungssachen nach dem FPG im Falle von türkischen Staatsangehörigen zuständig, sofern diese die Voraussetzungen nach Art. 6 oder nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) erfüllen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2008/21/0072, mwN).

Mit der demnach maßgeblichen Frage, ob dem Beschwerdeführer Rechte nach dem ARB zukommen, hat sich die belangte Behörde aber überhaupt nicht auseinander gesetzt. Die Erstbehörde vertrat dazu zwar noch die (im angefochtenen Bescheid wiedergegebene) Auffassung, der Anwendung des Art. 6 ARB stehe die vom Beschwerdeführer eingegangene Scheinehe, die zur Erteilung der bis 27. April 1999 gültigen Aufenthaltsberechtigungen und eines Befreiungsscheines geführt habe, entgegen, weil dadurch kein "ordnungsgemäßer Wohnsitz" geschaffen worden sei. Das steht zwar mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2005/18/0555) im Einklang, doch wäre im vorliegenden Fall zu beachten gewesen, dass dem Beschwerdeführer auch noch nach der Nichtigerklärung der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin Niederlassungsbewilligungen und ein Befreiungsschein erteilt wurden. Angesichts der von den Verwaltungsbehörden angenommenen (erlaubten) Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich hätte es somit schon unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit der belangten Behörde einer näheren Befassung mit der (nicht von vornherein zu verneinenden) Frage einer möglichen ARB-Berechtigung des Beschwerdeführers bedurft

3. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen türkischen Staatsangehörigen, der über eine ARB-Berechtigung verfügt, bedarf - worauf in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen ist - im Hinblick auf Art. 14 ARB und die insoweit gebotene Gleichbehandlung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit EWR-Bürgern in materiell-rechtlicher Hinsicht des Vorliegens der im § 86 Abs. 1 FPG, mit dem die Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt wurde, umschriebenen Voraussetzungen. Dabei wäre fallbezogen zu beachten, dass der Beschwerdeführer im Sinn des fünften Satzes dieser Bestimmung vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte. Diesfalls wäre auf die besonderen, im fünften Satz des § 86 Abs. 1 FPG normierten - auch gegenüber den Anforderungen im ersten und zweiten Satz strengeren - Voraussetzungen (nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit) Bedacht zu nehmen (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 2008/21/0072).

4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Für diese Beurteilung ist demnach nicht das Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen oder Verurteilungen, sondern das diesen zu Grunde liegende Verhalten des Fremden maßgeblich. Dabei ist also - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 86 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht im Übrigen schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. zum Ganzen neuerlich das Erkenntnis Zl. 2008/21/0072, mwN).

Die belangte Behörde hat diesen Anforderungen (auch in Verbindung mit den im angefochtenen Bescheid wiedergegeben Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid) - wie sich schon aus der obigen Wiedergabe der Bescheidbegründung ersehen lässt - nicht ausreichend entsprochen. Die dem zusammengefassten Urteilstenor folgenden Feststellungen zu den Straftaten reichen im vorliegenden Fall - wie die Beschwerde zu Recht bemängelt - nicht für eine nachvollziehbare Darstellung der individuellen Gefährdungsprognose, für die es vor allem einer Beschreibung der vom Beschwerdeführer gesetzten Tathandlungen bedarf, um seine Rolle im Rahmen der durchgeführten Schleppungen und innerhalb der kriminellen Organisation beurteilen zu können. Im Übrigen hätte in die diesbezüglichen Überlegungen auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Wohlverhalten seit der Haftentlassung im Februar 2005 einbezogen werden müssen.

Außerdem ist - soweit die belangte Behörde davon ausgeht, der Beschwerdeführer sei bereits "mehrmals" von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden - darauf hinzuweisen, dass die beiden Verurteilungen vom 25. August 2004 und vom 6. Juni 2005 zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen und daher als Einheit zu werten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0050); sie können nur als eine rechtskräftige Verurteilung angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 2000/21/0216, mwN; siehe darauf verweisend zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2006/18/0411).

5. Unter dem Gesichtspunkt der nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG vorzunehmenden Interessenabwägung ist schließlich noch zu bemängeln, dass unklar bleibt, ob der Beschwerdeführer mit seiner "Lebensgefährtin" und den gemeinsamen Kindern aktuell zusammenlebt. Während die Erstbehörde dies offenbar verneint - sie spricht von Kindern "aus" einer Lebensgemeinschaft mit einer türkischen Staatsangehörigen - und nach dem Vorbringen in der Berufungsergänzung sich diese Angehörigen in der Türkei aufzuhalten scheinen, geht die belangte Behörde nämlich im angefochtenen Bescheid von einem Zusammenleben der genannten Familienangehörigen in Österreich aus.

6. Schon angesichts dieser (weitgehend sekundären) Begründungsmängel war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."

 

Die Sicherheitsdirektion übermittelte daraufhin dem Unabhängigen Verwaltungssenat zuständigkeitshalber den bezughabenden Akt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Das Erkenntnis des VwGH beschränkt sich auf die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Sicherheitsdirektion vom 8. Jänner 2008 vorhandene Sachlage. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich legte ihrer Entscheidung die strafrechtlichen Verurteilungen durch das Bezirksgericht Wien Liesing vom 12. Juni 1992, U 492/92, des Bezirksgerichtes Wien-Leopoldstadt vom 8. September 2003, 28 U 149/2003z sowie des Landesgerichtes Ried i.I. vom 25. August 2004, 10 Hv 10/04m, zu Grunde. Weiters angeführt wird das Urteil des LG Korneuburg vom 6. Juni 2005, Zl. 612 Hv10/05k, das auf Grund der am 6. Juni 2005 durchgeführten Hauptverhandlung erlassen wurde.

 

Der Bw wurde darüber hinaus mit Urteil des LG Korneuburg vom 24. November 2006, Zl. 513 Hv 190/06d, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 Jahr verurteilt, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. So hat das Landesgericht Korneuburg in diesem Urteil zu Recht erkannt:

 

"X und X sind schuldig, sie haben am 28.11.2005 in Korneuburg

I. vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes Korneuburg in der öffentlichen Hauptverhandlung in der Strafsache gegen X als Zeugen bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und zwar

1. X durch die Behauptung, dass er nicht gesehen habe, dass X irgend eine Schleppertätigkeit gemacht, dass dieser keine Schuld und nichts mit den Schleppungen zu tun und dass er mit diesem niemals Telefonate über Schlepperei geführt habe;

2. X durch die Behauptung, dass X nichts mit der Schlepperaktion zu tun habe;

II. durch die zu Punkt I getätigten Aussagen X, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, nämlich

das Verbrechen der Schlepperei nach § 104 Absatz 1 und 3 1. und 2. Fall FrG, indem er zumindest am 21.3.2004 im Raum Kittsee und Neusiedl am See im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den abgesondert verfolgten und rechtskräftig verurteilten X und X die rechtswidrige Einreise von Fremden nach Österreich gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit dem Vorsatz gefördert hat, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteii für ihn oder einen anderen geschehe, indem er als Lenker des PKW Marke X, Type X, Kennzeichen X die Illegalen X, X und X in der Slowakei gemeinsam mit X in den Nahbereich der österreichischen Grenze brachte, wobei X den Illegalen den Fußweg über die grüne Grenze nach Österreich erklärte (Kittsee, Nahe Grenzstein XII/6) sodann er und X wieder legal über den Grenzübergang nach Österreich einreisten, um die Illegalen wieder im PKW aufzunehmen, wobei ihm für die Schleppung von Bratislava nach Wien ein nicht feststellbarer Bargeldbetrag pro Person zugesagt wurde.

und das Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 Absatz 1 StGB, indem er sich vor dem 21.3.2004 an einem nicht feststellbaren Ort in Österreich mit X und X mit dem Vorsatz verbunden hat, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt nach dem § 104 Absatz 1 und 3 FrG strafbare Handlungen begangen werden,

der Verfolgung absichtlich zu entziehen versucht, der Genannte aber dennoch verurteilt werden konnte.

X und X haben hiedurch jeweils

zu I. das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Absatz 1 StGB und

zu II. das Vergehen der versuchten Begünstigung nach den §§ 15, 299 Absatz 1 StGB

begangen.

Es werden hiefür nach dem Strafsatz des § 288 Absatz 1 StGB unter Anwendung des § 28 Absatz 1 StGB

 

X zu einer

Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 (acht) Monaten

und

X zu einer

Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 (ein) Jahr

sowie gemäß § 389 Absatz 1 StPO beide jeweils zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

 

Gemäß § 43 Absatz 1 StGB wird hinsichtlich beider Beschuldigten der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafen jeweils unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen."

Erschwerend war das Zusammentreffen zweier Vergehen und das getrübte Vorleben; mildernd, dass es hinsichtlich des Begünstigungsfaktums beim Versuch geblieben ist. Das unterschiedliche Strafausmaß resultierte aus der besonderen Gewichtung des Geständnisses als Milderungsgrund beim Erstbeschuldigten.

 

Festzuhalten ist, dass sich der Bw mit 15. Jänner 2010 an seiner damaligen Adresse X, abmeldete und seither nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist. Im Zentralen Melderegister ist vermerkt, dass er in die Türkei verzogen ist.

 

Sein rechtsanwaltlicher Vertreter bestätigte mit Mail vom 1. März 2012, dass der Bw das Bundesgebiet freiwillig verlassen hat.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Verwaltungssenat stützt sich bei seinen ergänzenden Feststellungen auf das angeführte strafrechtliche Urteil und eine Auskunft aus dem Melderegister.

 

Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits nach der Aktenlage feststeht, war eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof bemängelte insbesondere, dass im Rahmen der Gefährdungsprognose das vom Bw ins Treffen geführte Wohlverhalten seit der Haftentlassung im Februar 2005 einbezogen werden hätte müssen. Festzuhalten ist, dass der Bw am 28. November 2005 neuerlich straffällig wurde und am 24. November 2006 vom LG Korneuburg wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht und des Vergehens der versuchten Begünstigung nach den §§ 15, 299 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 Jahr verurteilt wurde. Seither hat sich der Bw wohl verhalten. Es scheinen keine strafrechtlichen Verurteilungen mehr auf.

 

Ausgehend von der seither vergangenen Zeit kann – im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes – eine individuelle Gefährdungsprognose, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde, nicht aufrecht erhalten werden.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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