Linz, 03.04.2012
E r k e n n t n i s
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.5 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 111/2010 VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat über den Berufungswerber mit dem o.a. Straferkenntnis wegen der Übertretung nach § 26 Abs.5 StVO 1960, iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro, und für den Nicht-einbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 48 Stunden verhängt, wobei wider ihn der Tatvorwurf erhoben wurde, er habe einem Einsatzfahrzeug, welches sich im Einsatz befand (mit eingeschaltetem Folgetonhorn und Blaulicht), nicht Platz gemacht.
Tatort: Gemeinde Ansfelden, Autobahn Freiland, Westautobahn, A1 bei km 171.500.
Tatzeit: 04.06.2011, 09:00 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 26 Abs. 5 StVO
Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Land Rover Freelander 2, schwarz."
2. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht per E-Mail am 23.2.2012 eingebrachten Berufung.
Sinngemäß beruft er sich darin eingangs auf vermeintliche Formalfehler auf die er von einem namentlich genannten Polizeijuristen hingewiesen worden sei. Wenngleich damit nicht eine Verfolgungsverjährung aufgezeigt werden könnte, lässt der Spruch des Straferkenntnisses rein sprachlich "einem Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht zu haben" nur im kontextlosen Hinweis auf die angebliche Behinderung durch ein gelenktes KFZ mit dem Kennzeichen x am Ende des Spruches schließen. Dass dieses vom Berufungswerber gelenkt wurde und dabei die Behinderung folgte, lässt sich im sprachlichen Kontext eher nur vermuten als dies im Spruch klar zum Ausdruck käme.
Der Berufungswerber hob auch hervor in keinem Fall eine Behinderung beabsichtigt gehabt zu haben. Allenfalls habe er vermutlich durch die Sonnenblendung die Annäherung des Zivilfahrzeuges mit Blaulicht nicht wahrgenommen. Ebenfalls erhebe sich für ihn die Frage warum das Einsatzfahrzeug nicht rechts überholt oder zumindest die Lichthupe eingesetzt habe. Niemals würde er ein Blaulicht ignorieren. Abschließend verweist er auf sein Gerechtigkeitsempfinden als Begründung diesem Schuldspruch mit allen Mitteln entgegen zu treten.
Schon am 22.2.2012 um 16:43 Uhr übermittelte er das nachstehende E-Mail an die Behörde erster Instanz:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war angesichts der bestreitenden Verantwortung des Berufungswerbers in Wahrung der durch Art.6 EMRK zu wahrenden Verfahrensgarantien erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Akteninhalte sowie durch die Beischaffung eines Fotos vom 4.6.2011, 09:00 Uhr aus dem Archiv einer Wetterkamera im Raum Linz, sowie durch Einvernahme des Berufungswerbers anlässlich der Berufungsverhandlung.
Der Meldungsleger konnte krankheitsbedingt zur Berufungsverhandlung nicht erscheinen, wobei er jedoch im Wege seiner Dienststelle dem Unabhängigen Verwaltungssenat eine neuerliche Stellungnahme zukommen ließ.
6. Sachverhalt:
Der Berufungswerber war am Samstag 4. Juni 2011 um 09:00 Uhr auf dem linken Fahrstreifen der A1 in Fahrtrichtung Wien unterwegs. Es herrschte wolkenloses Wetter, wobei davon auszugehen ist, dass in östlicher Fahrtrichtung die Sonne etwa im Winkel von 50 Grad von rechts und im ähnlichen Winkel von oben auf die Frontscheibe des Fahrzeuges des Berufungswerbers strahlte.
Auch gilt es festzuhalten, dass es sich bei diesem Tag um einen Samstag handelte, was auf ein zu üblichen Werktagen unterdurchschnittliches Verkehrsaufkommen schließen lässt. Darauf deuten nicht nur die Angaben des Meldungslegers hin, welcher selbst sagt der Berufungswerber hätte mehrmals nach rechts umspuren können. Daraus folgt aber auch, dass die Behinderung nicht wirklich nachhaltig gewesen sein kann, wenn der Einsatzzweck ein Rechtsüberholen offenbar doch nicht geboten erscheinen ließ.
Aus der Anzeige lässt sich lediglich feststellen, dass der Berufungswerber einem sich mit Blaulicht und Folgetonhorn annähernden Einsatzfahrzeug auf einer Wegstrecke von mindestens 500 m nicht Platz gemacht hätte.
Bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 100 km/h entspricht diese Wegstrecke einer Zeitspanne von ca. fünfzehn Sekunden.
Der zur Berufungsverhandlung geladene Meldungsleger konnte laut Mitteilung seiner Dienststelle vom 2.4.2012 krankheitsbedingt an der Berufungsverhandlung nicht teilnehmen. Es wurde jedoch in seinem Auftrag eine mit seiner bisherigen Darstellung in Einklang stehende Stellungnahme übermittelt, der zur Folge das Angezeigtenfahrzeug die Möglichkeit gehabt hätte nach rechts umzuspuren. Daher konnte auf eine Terminverschiebung verzichtet werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich jedoch die Frage, warum – falls die Dringlichkeit es erfordert hätte – diese Gelegenheit des Umspuren nach rechts nicht vom Meldungsleger selbst ergriffen wurde. Dies wäre angesichts der Einsatzfahrt für den Lenker doch rechtlich zulässig gewesen, wenngleich dies nichts an der Rechtswidrigkeit des Verweilens auf der Spur des Einsatzfahrzeuges seitens des Vorderfahrzeuges ändern würde.
Der Berufungswerber hält dem jedoch entgegen von einem Einsatzfahrzeug hinter ihm bis zum tatsächlichen Umspuren seinerseits nichts bemerkt zu haben.
In der Zeugenaussage des Meldungslegers (Insp. R) vor der Behörde erster Instanz ist jedoch in gewissem Widerspruch zur Vorfallsschilderung von einer "erheblichen Behinderung" des Einsatzfahrzeuges die Rede, wobei der Meldungsleger andererseits zu keinem Zeitpunkt darlegt, was etwa dem Vorbeifahren am angeblichen Hindernis auf der linken Fahrspur durch einen Spurwechsel seinerseits entgegen gestanden wäre.
6.1. Der Berufungswerber verantwortet sich von Anbeginn stets gleichförmig indem er stets beteuert er habe das Einsatzfahrzeug nicht früher wahrgenommen, habe jedoch sofort ab der Wahrnehmung desselben umgespurt.
Dies tat er auch anlässlich der Berufungsverhandlung, wobei er im Ergebnis plausibel verdeutlichte in keiner Weise in Kauf genommen gehabt zu haben ein Einsatzfahrzeug zu behindern. Die Glaubwürdigkeit des Berufungswerbers wird insbesondere auch durch seine Mitwirkung am Verfahren beider Instanzen untermauert. Sein Auftreten war seriös, sodass ihm nicht zugesonnen wird grundlos ein Einsatzfahrzeug zu behindern um dann nach fünfzehn Sekunden doch die Fahrspur zu wechseln.
6.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat folgt daher im Rahmen der Beweiswürdigung dem Berufungswerber auch darin, dass er vor dem Hintergrund der offenkundig starken Sonneneinstrahlung die Annäherung des Einsatzfahrzeuges in der Zeitdauer von fünfzehn Sekunden nicht bemerkte. Dies vermag ihm daher nicht als schuldhaftes Verhalten zur Last fallen. Das bloß im Fahrzeuginneren angebrachte LED-Blaulicht ist empirisch besehen wohl auch durchaus weniger augenfällig als es für ein am Fahrzeugdach montiertes Blaulicht eines üblichen Einsatzfahrzeuges zutrifft. Da der Berufungswerber letztlich sofort ab der Wahrnehmung des sich schließlich knapp ihm angenäherten Fahrzeuges umspurte kann in dieser kurzfristigen Nichtfreigabe der Fahrspur (noch) kein strafwürdiges schuldhaftes Verhalten erblickt werden. Eher noch wäre dahinter ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot (§ 7 Abs.1 StVO 1960) zu orten gewesen. Nachteilige Auswirkungen dieser kurzfristigen Spurblockade für das Einsatzfahrzeug – welches wie oben schon gesagt wohl auch rechts vorbeifahren hätte können – zeigte selbst der Meldungsleger im gesamten Verfahren nicht auf.
Ob diese Anzeige mit dem erklärten Ziel einer ökonomischen Verwaltungs- und Gesetzesvollzugspraxis in Einklang steht muss auf sich bewenden bleiben.
7. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Das Gebot des § 26 Abs.5 StVO, wonach alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen haben, kommt etwa dann in Betracht, wenn nach dem vorhersehbaren Fortbewegungsweg die anderen Verkehrsteilnehmer für den bevorzugten Straßenbenützer ein Hindernis bilden (vgl. OGH 26.9.1972, 8 Ob 187/22 u.a.). Es ist in jedem Einzelfall anhand der vorliegenden Verkehrs-, Straßen- und Fahrbahnverhältnisse zu beurteilen, ob ein Fahrzeuglenker durch ein bestimmtes Fahrverhalten ein Einsatzfahrzeug in der Fortbewegung behindert bzw. durch welche unterlassene Verhaltensweise er seiner Verpflichtung zum „Platz machen" nicht entsprochen hat (vgl. KUVS-963-964/4/2003, 28.7.2003 sowie h. Erk. h. v. 19.12.1991, VwSen-100126/10/Fra/Ka).
7.1. Die Regelungen des § 26 Abs.2 und Abs.3 StVO stellen jedenfalls einen Rechtswidrigkeitsausschluss in Bezug auf den Lenker eines Einsatzfahrzeuges dar. Der Lenker eines den äußersten linken Fahrstreifen verwendenden, die Fahrt eines Einsatzfahrzeuges behindernden Fahrzeuges kann sich wohl auf diese Normen nicht berufen, vielmehr trifft ihn gemäß § 26 Abs.5 StVO die Pflicht, entsprechend dem vorhersehbaren Fortbewegungsweg des Einsatzfahrzeuges, auf den rechten (freien) Fahrstreifen wechselnd Platz zu machen (das Einsatzfahrzeug muss nicht rechts überholen (VwGH 19.10.1988, 88/02/0074).
Da letztlich der Berufungswerber dieser Pflicht sofort nach Wahrnehmung des fünfzehn Sekunden lang unbemerkt gebliebenen Einsatzfahrzeuges hinter ihm nachgekommen ist, vermag angesichts der glaubhaft dargestellten widrigen Umstände, ein schuldhafter Regelverstoß darin noch nicht erblickt werden. Im Übrigen lassen selbst die an sich dürftigen Anzeigeangaben keine wie immer gearteten faktischen nachteiligen Auswirkungen auf die Einsatzfahrt erkennen.
Demnach war nach sorgfältiger und objektiver Würdigung der Beweislage das Verwaltungsstrafverfahren auf § 45 Abs.1 Z1 VStG gestützt einzustellen.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss ‑ von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen ‑ jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r