Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222509/6/Bm/Th

Linz, 03.04.2012

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn Ing. A P, S, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31.05.2011, Zl. Ge96-18-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.11.2011, zu Recht erkannt:

 

 

       I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

    II.      Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31.05.2011, Ge96-18-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag, wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 Abs.1 GewO 1994 verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 24. November 1993, Ge-0105/56/1992, wurden die Errichtung und der Betrieb eines Elektrounternehmens (Verkaufslokal, Materiallager), sowie eine Anlage zur Lagerung oder Speicherung brennbarer Gase (Propangas - Lagertank in Kugelausführung) mit einem Füllgewicht von 1070 kg auf Parz. Nr. der KG. H im Standort S, P, gewerbebehördlich genehmigt.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 7. Dezember 2007, Ge20-35-2007, wurde der P B+ I GmbH mit Sitz in H, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der gewerbebehördlich genehmigten Anlage durch

·      den Neubau eines Heizwerkes,

·      der Errichtung einer Werkstätte mit Nebenräumen

·      den Neubau einer Einstellhalle,

·      die Änderung der Situierung der Kiesboxen, sowie

·      die Verlegung der Tankstelle einschließlich des Waschplatzes im oben genannten Standort erteilt.

 

Sie haben es in Ihrer Eigenschaft als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P B + I G.m.b.H., mit Sitz in H, die die Gewerbeberechtigung "Sammeln und Verwerten von Abfällen" im Standort H, S, besitzt, zu verantworten, dass die genehmigte Betriebsanlage im Standort H, S, zumindest am 10. März 2011 ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung nach einer Änderung betrieben wurde, nämlich durch den Betrieb eines gewerbebehördlich nicht genehmigten Baurestmassenzwischenlagers (mineralische Abbruchrestmassen als auch recycelte Baurestmassen) sowie einer Brechanlage (des Typs STE 90-60, Maschinennummer 07 354 31, Baujahr 2007).

 

Die gewerbebehördliche Genehmigung ist insbesondere auch aus dem Grund erforderlich, da der Betrieb der geänderten Anlage geeignet ist, die Nachbarn durch Lärm, Staub und Erschütterung zu belästigen, sowie eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeiführen kann.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und darin ausgeführt, er sei davon ausgegangen, dass das Baurestmassenzwischenlager als solches sowie der Betrieb der mobilen Brechanlage bereits gewerbebehördlich genehmigt worden sei. Diesbezüglich würden noch Unterlagen vorgelegt werden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat als Berufungsbehörde vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.11.2011, an der der Bw teilgenommen hat.

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 23.04.1999, Ge20-14-1999, wurde der P B und I GmbH, deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Bw ist, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Werkstätte samt Eigentankanlage, eines Waschplatzes, eines Lagerplatzes für diverse Baumaterialien mit Kiesboxen und für Abstellflächen für Pkw und Lkw sowie Baugeräte erteilt.

Mit weiterem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 07.12.2007, Ge20-35-2007 wurde die Änderung dieser gewerbebehördlichen Betriebsanlage durch den Neubau eines Heizwerkes, die Errichtung einer Werkstätte mit Nebenräumen, den Neubau einer Einstellhalle, die geänderte Situierung der Kiesboxen sowie die Verlegung der Tankstelle im genannten Standort gewerbebehördlich genehmigt.

Am selben Standort wird von der P B und I GmbH ein Baurestmassenlager (dabei handelt es sich um mineralische Abbruchrestmaßen als auch um recycelte Baurestmassen) sowie eine technisch mobile Brechanlage des Typs STE90-60, Maschinennummer 0735431, Baujahr 2007, betrieben. Festgestellt wurde dieser Betrieb bei einer behördlichen Überprüfung am 20.03.2011.

Im konkreten werden die Baurestmassen mittels Container von Kleinbaustellen auf das Betriebsgrundstück der P B und I GmbH verfrachtet und am Lagerplatz getrennt nach Fraktionen gelagert und in weiterer Folge mittels der genannten Brechanlage gebrochen.

Das gebrochene Material wird entweder für Verfüllungen zB. im Straßenbau verwendet oder weiterverkauft. In der Regel wird jährlich ca. über die Dauer von 4 Wochen gebrochen.

 

Das hier entscheidungswesentliche Beweisergebnis ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Vorbringen des Bw in der mündlichen Verhandlung.

 

 

 

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.      das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.      die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.      die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.      die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.      eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 37 Abs.1 AWG 2002 bedarf die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen der Genehmigung der Behörde.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung unterliegen der Genehmigungspflicht gemäß Abs.1 nicht

1.      Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

2.      Behandlungsanlagen zur Vorbehandlung (Vorbereitung für die stoffliche Verwertung) von nicht gefährlichen Abfällen, sofern diese Behandlungsanlagen im unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit einer in Z 1 genannten Behandlungsanlage stehen und der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,

3.      Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von im eigenen Betrieb anfallenden Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen.

 

 

Nach  § 38 Abs. 1a AWG sind im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen

 

Vorweg ist auszuführen, dass bei den in Rede stehenden Baurestmassen entsprechend dem subjektiven Abfallbegriff unzweifelhaft von Abfall iSd AWG  auszugehen ist; damit ist die bei der P B und I GmbH auf dem Betriebsgrundstück Nr. in Verwendung stehende Brechanlage auch als Abfallbehandlungsanlage zu qualifizieren, die im funktionalen und räumlichen Zusammenhang mit dem Baurestmassenlager steht (für den Betrieb der Brechanlage ist die vorangehende Lagerung der Baurestmassen erforderlich; ein Betrieb der Brechanlage ohne Lager ist somit nicht denkbar). Sohin sind die Brechanlage und das Baurestmassenlager auch als einheitliche Anlage zu sehen.

Gegenständlich ist auch die Ortsfestigkeit dieser Brechanlage zu bejahen, da die Anlage ihrer physischen Natur nach zwar beweglich ist, allerdings diese Anlage regelmäßig für eine bestimmte Zeit am in Rede stehenden Standort betrieben wird. Dadurch unterscheidet sie sich von einer mobilen Anlage, die nach der Bestimmung des § 52 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist.

Aus § 52 iVm § 53 Abs.1 AWG 2002 ergibt sich nämlich, dass von einer mobilen Anlage nur dann gesprochen werden kann, wenn sie einmalig und nicht länger als 6 Monate an einen bestimmten Standort aufgestellt und betrieben wird (Arg: ... längstens 6 Monate ...). Wird eine Anlage nach der Absicht des Betreibers für einen bestimmten Zeitraum immer wieder am gleichen Standort aufgestellt und betrieben, ist von einer ortsfesten Anlage auszugehen, die nach § 37 AWG 2002 einer Genehmigung bedarf.

 

Der Oö. Verwaltungssenat übersieht nicht, dass § 37 Abs.2 AWG Ausnahmen vom Bestehen der abfallrechtlichen Genehmigungspflicht bei bestimmten Behandlungsanlagen vorsieht. Nach dem oben genannten § 37 Abs.2 Z1 handelt es sich dabei um Behandlungsanlagen zur ausschließlichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen sowie Behandlungsanlagen zur Vorbehandlung (Vorbereitung für die stoffliche Verwertung) von nicht gefährlichen Abfällen, sofern diese Behandlungsanlagen in unmittelbarem örtlichen Zusammenhang mit einer in Z1 genannten Behandlungsanlage stehen und der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen.

 

Mit Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung sind allerdings nur jene Anlagen gemeint, die der Herstellung eines nach bestimmten Qualitätskriterien definierten Endproduktes dienen. Dies ist gegenständlich nicht der Fall, da mit der in Rede stehenden Brechanlage lediglich die Baurestmassen gebrochen werden sollen, aber keine stoffliche Verwertung im Sinne von Herstellung eines weiteren Produktes erfolgt.

Ausgehend von dem Begriffsverständnis von Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung kann auch Z2 und Z3 des § 37 Abs.2 AWG 2002 nicht zur Anwendung gelangten.

 

Da sohin die Ausnahmetatbestände des § 37 Abs.2 AWG 2002 gegenständlich nicht vorliegen, ist für die gegenständliche Behandlungsanlage und im Sinne des Grundsatzes der Einheit der Anlage auch der im Zusammenhang mit der Behandlungsanlage zu sehende Lagerplatz nicht nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtig, sondern unterliegt diese Anlage vielmehr dem Genehmigungsregime des Abfallwirtschaftsgesetzes, das in Auslegung des § 38 als lex specialis zur GewO zu sehen ist.

 

Dementsprechend liegt dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit dem Vorhalt des konsenslosen Betriebes einer geänderten Betriebsanlage nach der Gewerbeordnung auch ein unrichtiger Tatvorwurf zugrunde, weshalb das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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