Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401160/6/AB/Ba

Linz, 26.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Beschwerde des A O, geb., StA von T, derzeit angehalten im Polizeilichen Anhaltezentrum W, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. C S und Dr. T L, M, L, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft seit 15. März 2012 durch den Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Wels, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I 100/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II 456.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Wels vom 15.3.2012, Z  1-1036555/FP/12, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Grundlage des § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG

         "zur Sicherung

-         der Abschiebung (§ 46 FPG)

-         des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. §§ 52 iVm 53 FPG"

die Schubhaft angeordnet und durch Überstellung in das PAZ W vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen zum Sachverhalt – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:

 

Der Bf sei am 14.3.2012 um 14:30 Uhr in L auf der M-autobahn als Lenker eines Kraftfahrzeuges im Zuge einer SDÜ-Kontrolle betreten worden und habe sich nicht ausweisen können. Zur Klärung des genauen Sachverhaltes sei der Bf daher zur API W gebracht worden. Nach Klärung der Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung und nachdem festgestanden sei, dass sich der Bf illegal in Österreich befinde, sei dieser festgenommen und in das PAZ W eingeliefert worden.

 

Weiters sei festgestellt worden, dass von der Staatsanwaltschaft Linz zwei Aufenthaltsermittlungen wegen Verbrechens und Vergehens in der Personenfahndung des Bundesministeriums aufscheinen würden.

 

Der Bf habe vor den einschreitenden Beamten angegeben, dass er sich von 1990 bis 2005 legal in Österreich aufgehalten habe. Im Jahr 2005 sei er aufgrund eines Abschiebebescheides nach T ausgereist. Im Jahr 2007 sei er illegal nach Österreich gereist – im Jahr 2008 sei er wieder nach T zurückgekehrt. Im Jahr 2009 sei er legal mit einem - zum jetzigen Datum schon lange abgelaufenen – Reisevisum nach Frankreich gereist, wo er eine T geheiratet habe. Ca. am 5.3.2012 sei der Bf illegal mit dem Zug nach Österreich eingereist. Sein Reisepass liege nicht in Österreich; er sage nicht, wo sich sein Reisepass befinde.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass sich der Bf seit zumindest 5.3.2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte (Rückkehrentscheidungstatbestand § 52 Abs. 1 FPG). Der Bf sei daher in Schubhaft genommen worden, um ihn in seine Heimat abzuschieben.

 

Ein Sicherungserfordernis iSd § 76 FPG liege im Wesentlichen in den Umständen begründet, dass der Bf in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge und eine soziale Verankerung im Inland nicht vorhanden sei. Auch eine berufliche Verankerung sei nicht gegeben.

 

Der Bf würde sich daher nach Auffassung der belangten Behörde für die Durchführung der Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung der Behörde halten.

 

Der Zweck der – angemessenen und verhältnismäßigen – Schubhaft kann auch nicht durch ein gelinderes Mittel gesichert werden, da der Bf keinen Wohnsitz habe und über kein Reisedokument verfüge.

 

1.2. Gegen diesen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine bevollmächtigten Vertreter mit Fax vom 20.3.2012 (außerhalb der Amtsstunden) Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte die Aufhebung des Schubhaftbescheides wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung; weiters wurde ein Antrag auf Anordnung der Enthaftung sowie auf Kostenersatz (Schriftsatzaufwand) gestellt.

 

Der Bf bringt im Wesentlichen vor, dass er sich im Zeitraum von 1990 bis 2005 legal in Österreich befunden habe und die deutsche Sprache perfekt beherrsche.

 

Der namentlich genannte Bruder des Bf wohne in H und halte sich seit vielen Jahren legal im Bundesgebiet auf. Somit sei ein familiärer Anknüpfungspunkt vorhanden, der ein Untertauchen des Bf verhindern würde, da dieser letztendlich bei seinem Bruder Wohnung nehmen würde.

 

Weiters könne der Bf einen langjährigen Aufenthalt in Österreich aufweisen. Auch habe er einen namentlich genannten 16-jährigen Sohn in K, den er vor seiner nunmehrigen Einreise drei Jahre nicht gesehen habe.

 

Es sei daher sowohl eine Wohnsitznahme problemlos möglich, als auch eine soziale Verankerung im Inland gegeben.

 

Als gelinderes Mittel iSd § 77 FPG sei etwa vorstellbar, dass der Bf bei seinem Bruder Unterkunft zu nehmen hätte und sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden hätte.

 

Überdies würde eine Abschiebung gegen Art. 3 EMRK verstoßen, da diese wieder zu einer dauerhaften Trennung von seinem noch minderjährigen Sohn führen würde.

 

Abschließend wird eine Kopie des Reisepasses des Bf vorgelegt, dem nach Auffassung des Bf zu entnehmen sei, dass der Bf rechtmäßig in den Schengenraum eingereist sei.

 

2.1. Mit E-Mail vom 21.3.2012 übermittelte die belangte Behörde eine Kopie des Verwaltungsaktes. Weiters wird angemerkt, dass der bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zum Bf aufliegende Akt angefordert wurde und bei Eintreffen umgehend übermittelt werde. Dieser Akt langte am 26.3.2012 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

In einer kurzen Gegenschrift führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Bf – der sich in aufrechter Schubhaft befinde – anlässlich der SDÜ-Kontrolle angegeben habe, illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein, dass sein Reisepass nicht in Österreich liege und er nicht sage, wo sich der Pass befinde. Er habe nicht angegeben, Verwandte im Bundesgebiet zu haben. Der Bf befinde sich illegal im Bundesgebiet.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Übrigen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Punkte auch vom Bf nicht bestritten wird.

 

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Einreisen des Bf in das Bundesgebiet ergibt sich nicht zuletzt auch aus der vom Bf vorgelegten Visum-Kopie (gültig von 20.04.2009 bis 31.05.2009), dass der Bf 2009 zwar legal in Frankreich eingereist ist, dass das Visum allerdings bereits längere Zeit abgelaufen ist.

 

Weiters steht unstreitig fest, dass der Bf – wie er selbst in seiner Einvernahme angab – Anfang März 2012 illegal nach Österreich eingereist ist.

 

Nach Rücksprache mit der Mutter des vom Bf angeführten gemeinsamen Sohnes hat zwischen Vater und Sohn während der langjährigen Abwesenheit des Bf nur insofern gelegentlicher Kontakt bestanden, als sich der Bf sporadisch telefonisch gemeldet hat. Erst seit März 2012 versucht der Bf den Kontakt zu intensivieren, was die Mutter unterstütze, wenngleich sie eine Eheschließung bzw. ein künftiges Zusammenleben mit dem Bf ausschließt.

 

Anzumerken ist weiters, dass der Bf laut Strafregisterauszug in den Jahren 1997 und 2000 zweimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde (u.a. auch wegen Körperverletzung und Nötigung der Mutter des gemeinsamen Sohnes), weswegen über den Bf auch ein – vom Verwaltungsgerichtshof bestätigtes – befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde (VwGH 30.11.2004, 2001/18/0200).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 126 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) BGBl. I Nr. 38/2011 (ausgegeben am 23. Mai 2011), treten ua. die Bestimmungen des § 76, § 77 Abs. 1, 3, 6 und 7 sowie § 80 in der Fassung des genannten Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 38/2011) mit 1. Juli 2011 in Kraft. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist demnach die aktuelle Rechtslage anzuwenden. Die Änderungen durch BGBl. I 112/2011 dienten lediglich der Bereinigung von Redaktionsversehen und sind für den gegenständlichen Fall ohne Entscheidungsrelevanz.

 

 Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion W vom 15.3.2012, Z 1-1036555/FP/12, seit 15.3.2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat gem. § 83 Abs. 1 FPG zur Entscheidung berufen ist. Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich dabei aus § 6 Abs. 4a FPG, richtet sich diese doch nach dem Aufenthalt des Bf. Der Bf war zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung im Sprengel der belangten Behörde aufhältig.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 leg.cit. genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Ein gelinderes Mittel ist gem. Abs. 3 leg.cit. insbesondere die Anordnung

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.4. Zu den Schubhaftgründen:

3.4.1. Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass sich der Bf, der Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG ist, aufgrund des nunmehr bekämpften Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 15.3.2012 bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der BPD W befindet.  

 

3.4.2. Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 15.3.2012 zu Recht § 76 Abs. 1 FPG zugrunde. Nach dieser Bestimmung können Fremde u.a. festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gem. § 52 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen grundsätzlich mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet grundsätzlich zur unverzüglichen Ausreise. § 46 Abs. 1 FPG normiert die näheren Voraussetzungen, unter denen Fremde, gegen die u.a. eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung) sind.

Da sich der Bf nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist gegen ihn als Drittstaatsangehörigen ein Bescheidverfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu führen, zu dessen Sicherung die Verhängung der Schubhaft gem. § 76 Abs. 1 FPG grundsätzlich möglich ist.

 

Die belangte Behörde gründete ihren Schubhaftbescheid daher zu Recht auf die Bestimmung des § 76 Abs. 1 FPG.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" sowohl des Abs. 1 als auch des Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 bzw. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.1. Vorweg ist anzumerken, dass die belangte Behörde eine hinreichend fundierte einzelfallbezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf – unter Hinweis auf die aktuellen Aufenthaltsermittlungen der Staatsanwaltschaft Linz gegen den Bf – durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates im Ergebnis durchaus zu folgen ist.

 

3.5.2. Der Bf, der Anfang März 2012 illegal ins Bundesgebiet eingereist ist, verfügt in Österreich über keinen eigenen Wohnsitz und ist in Österreich weder sozial noch sonstig in besonderem Maß integriert; diesbezüglich bringt der Bf – abgesehen von dem Umstand, dass er perfekt Deutsch spreche – selbst nur ganz allgemein vor, dass "eine soziale Verankerung der Person im Inland vorhanden ist". Nähere Ausführungen, wie sich diese soziale Verankerung konkret darstellt, werden vom Bf nicht dargelegt. Hinsichtlich der familiären Verankerung in Österreich führt der Bf erstmals im Beschwerdeverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat aus, einen legal im Bundesgebiet aufhältigen Bruder in H zu haben, bei dem er Wohnsitz nehmen könnte. Dass zu diesem eine intensive familiäre Bindung bestehe, bringt der Bf dabei selbst in keiner Weise vor. Vielmehr vermeint der Bf lediglich, bei seinem Bruder grundsätzlich Wohnsitz nehmen zu können – was er allerdings bis zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft nicht gemacht hat –, weshalb seinen Ausführungen zufolge ein Untertauchen verhindert werden würde.

 

Diesbezüglich ist dem Bf aber entgegenzuhalten, dass gegen diesen aktuell zwei Aufenthaltsermittlungen wegen Vergehens und Verbrechens seitens der Staatsanwaltschaft Linz (Verdacht auf [gewerbsmäßigen] Betrug und Verdacht auf Verletzung der Unterhaltspflicht) laufen. Schon daraus ergibt sich aber ein erheblicher Sicherungsbedarf, ist und war im Rahmen einer Prognoseentscheidung doch davon auszugehen, dass der Bf allein deswegen auf freiem Fuß belassen jedenfalls in die Anonymität abtauchen würde; dies umso mehr, als er nun jedenfalls tatsächlich um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen seine Person weiß. Es ist daher auch im fremdenrechtlichen Verfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Bf auf freiem Fuß belassen der Fremdenrechtsbehörde nicht freiwillig zur Verfügung halten würde. Im Übrigen zeigt auch die Tatsache, dass der Bf seit seiner Einreise keinen Wohnsitz bei seinem Bruder in H begründet hat und auch seinen melderechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation die Anonymität bevorzugt.

Auch hinsichtlich seines 16-jährigen Sohnes hat der Bf vor der Erstbehörde keinerlei Angaben gemacht, was allein schon keine besondere Beziehung zu diesem indiziert. Erst im Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat macht der Bf Angaben zu seinem Sohn und führt selbst aus, dass er diesen (zumindest) die letzten drei Jahre nicht gesehen hat; dass zu diesem aber auf andere Art und Weise ein besonders bemerkenswerter Kontakt bestanden hätte, bringt der Bf aber selbst nicht ins Treffen. Schon allein aufgrund dieser langen Zeit ergibt sich, dass ein bemerkenswertes Verhältnis zwischen den beiden sich erst gar nicht entwickeln konnte und daher auch zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegt. Auch den Angaben der Mutter des gemeinsamen Sohnes zu Folge hat in den letzten Jahren nur sporadischer telefonischer Kontakt zwischen Vater und Sohn bestanden; erst seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im März dieses Jahres versucht der Bf, den Kontakt zu intensivieren. Dies stellt allerdings kein entsprechendes verfahrensrelevantes Privat- und Familienleben dar.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall daher nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf in Österreich ein solches weder zu seinem Bruder noch zu seinem Sohn innerhalb des bloß kurzen illegalen Aufenthalts in Österreich (illegale Einreise: ca. 5.3.2012; Schubhaft: 15.3.2012) begründet haben kann. Wie der Bf weiters in seiner Beschwerde selbst ausführt, hatte er seinen Sohn vor seiner nunmehrigen Einreise drei Jahre nicht gesehen. Andere Familienmitglieder oder Bekannte gibt der Bf aber selbst nicht an.

 

Abschließend ist hinsichtlich der Integration des Bf noch auf seinen derzeitigen, erst ausgesprochen kurzen Aufenthalt in Österreich hinzuweisen (seit Anfang März 2012); in diesem kurzen Zeitraum konnte eine entsprechende soziale Integration des Bf jedenfalls nicht erfolgen. Im Übrigen ist zu bemerken, dass der Bf nach eigenen Angaben bereits 2008 nach T zurückkehrte (vgl. diesbezüglich auch den aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister, demzufolge der Bf seit Jänner 2008 nicht mehr in Österreich gemeldet war). Eine Integration in Österreich während dieser Zeit ist daher schon allein aus faktischen Gründen ausgeschlossen.

 

Der Bf ist demzufolge zusammengefasst weder im sozialen noch im familiären Bereich in besonders bemerkenswerter Weise integriert.

 

In diesem Zusammenhang ist abschließend zu bemerken, dass eine vom Bf behauptete Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinne einer unmenschlichen Behandlung durch eine neuerliche "dauerhafte Trennung seines noch minderjährigen Sohnes" im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mangels Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs – ohne der Fremdenrechtsbehörde in ihrer fremdenrechtlichen Entscheidung vorzugreifen – wohl zu verneinen sein dürfte (vgl. Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1394 mwN).

 

3.5.3. Weiters ist in diesem Zusammenhang besonders zu würdigen, dass der Bf offensichtlich keinesfalls dazu bereit ist, in seine Heimat zurückzukehren. Dies zeigt schon der Umstand, dass er im Rahmen der Einvernahme vor den einschreitenden Beamten am 14.3.2012 ausführte, dass er keinen Reisepass in Österreich habe und er auch nicht sage, wo sich dieser befinde. Erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde eine Kopie des Reisepasses des Bf vorgelegt. Auch das mehrmalige – größtenteils illegale – Einreisen in das Bundesgebiet nach erfolgter Abschiebung im Jahr 2005 zeigt die grundsätzliche Intention des Bf, unter allen Umständen in Österreich bleiben zu wollen. Dass der Bf diesbezüglich jegliche Mittel in Kauf nimmt, ergibt sich eindeutig aus seinem bisherigen Verhalten.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ist auch im weiteren Verfahren nichts hervorgekommen, was eine diesbezüglich abweichende Auffassung rechtfertigen könnte. Durch sein bisheriges Verhalten – mehrmalige (illegale Rückkehr) nach Österreich, Nicht-Vorlage seines Reisepasses, Unterlassen melderechtlicher Verpflichtungen – gibt der Bf ein Beispiel dafür, dass er alles daran setzt, einer Rückkehrentscheidung und in der Folge einer Abschiebung in sein Heimatland zu entgehen. Ferner lassen die dokumentierten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Bf im aktuellen fremdenrechtlichen Verfahren darauf schließen, dass der Bf wohl auch den Weg in die Illegalität nicht scheute, nur um einer Außerlandesbringung zu entgehen; auch sie indizieren die grundsätzliche Haltung des Bf, mit allen Mitteln eine Ausreise zu verhindern.

 

3.5.4. Wenn auch eine fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung nicht rechtfertigen kann, so ergibt sich im Rahmen einer Gesamtschau des konkreten Einzelfalles doch eindeutig, dass – der belangten Behörde folgend – im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen ist. Der Bf hätte sich – auf freiem Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiterhin dem Zugriff der Fremdenrechtsbehörde entzogen. Dieses Indiz ist aktuell umso tragkräftiger, als dem Bf nunmehr jedenfalls auch die staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit gegen seine Person bewusst ist.

 

Im Zusammenhang mit der Ausreiseunwilligkeit des Bf ist – neben seiner grundsätzlichen Absicht, in der Anonymität zu bleiben – erneut auch die vom Bf während seiner Aufenthalte in Österreich veranschaulichte kriminelle Neigung von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des weiterhin bestehenden ausgeprägten Sicherungsbedarfs, der allerdings zweifellos auch schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme in entsprechendem Ausmaß bestand. Auch zeigt der Umstand, dass der Bf erst im Beschwerdeverfahren seine privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet – die zuvor in keiner Weise thematisiert wurden – vorbringt sowie seine Weigerung, der Erstbehörde gegenüber seinen Reisepass vorzulegen, die grundsätzliche Haltung des Bf, unter allen Umständen in Österreich bleiben zu wollen. Dabei ist das Motiv des Bf klar: Der Bf will auf diese Weise einer Außerlandesschaffung in sein Heimatland entgehen.

 

3.5.5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein erheblicher Sicherungsbedarf seit Verhängung der Schubhaft bis dato jedenfalls zu bejahen war und im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung auch weiterhin ist.

 

3.5.6. Dass die Verhängung der Schubhaft auch im Entscheidungszeitpunkt nach wie vor von einem erheblichen Sicherungsbedarf getragen wird, ergibt sich insbesondere auch aus dem Umstand, dass dem Bf nunmehr jedenfalls die staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit gegen seine Person bewusst ist. Die Gefahr, dass er sich auf freiem Fuß belassen durch erneutes Untertauchen in die Anonymität dem Zugriff der Behörden entziehen würde, ist daher im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung an Sicherheit grenzend wahrscheinlich. Diese Annahme wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass dem Bf wohl auch bewusst ist, dass eine allfällige positive fremdenrechtliche behördliche Erledigung seinen Aufenthalt in Österreich betreffend zunehmend unwahrscheinlich wird.

 

3.6. Damit scheidet auch die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise im konkreten Fall grundsätzlich aus. Eine tägliche Meldepflicht unter Wohnsitznahme bei dem Bruder des Bf etwa würde den Zweck der Schubhaft aufgrund der erheblichen Gefahr, dass der Bf auf freiem Fuß belassen in die Anonymität untertaucht, nicht gewährleisten können. Dass er in der Vergangenheit bereits mehrmals kriminell auftrat, aktuell staatsanwaltschaftlich gegen ihn ermittelt wird und er sich im Übrigen seit seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet in der Anonymität abgetaucht aufhielt, indiziert dabei die eindeutige Grundhaltung des Bf, dass er sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden unter keinen Umständen zur Verfügung halten würde. Diese Annahme ist durch das bisherige Verhalten des Bf im Bundesgebiet ausreichend dokumentiert.

 

Eine etwaige Wohnsitznahme des Bf bei seinem Bruder stellte daher kein geeignetes gelinderes Mittel iSd § 77 FPG dar, besteht doch kein Grund zur Annahme, dass auch dadurch das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. schließlich eine Abschiebung des Bf in seinen Heimatstaat entsprechend gesichert wäre: Denn ab dem Zeitpunkt, ab dem dem Bf bewusst war, dass gegen ihn staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass dieser sich – erneut – durch Abtauchen in die Anonymität dem Zugriff durch die Behörden entziehen werde.

 

Ein künftiges tatsächliches Zusammenleben mit seinem Sohn und dessen Mutter ist von vornherein schon allein aufgrund der Ausführungen der Mutter ausgeschlossen.

 

Sowohl die belangte Behörde als auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates hatte bzw. hat im Rahmen einer Prognoseentscheidung daher keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft auch durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft und die weitere Anhaltung ist demnach zweifellos auch weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war und ist der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.8.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Gemäß Abs. 2 leg.cit. darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

Der Bf befindet sich seit 15.3.2012 in Schubhaft. Auch ist das Ziel der Schubhaft, die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw. zur Sicherung der Abschiebung, zum Entscheidungszeitpunkt allein der Aktenlage zufolge durchaus in naher Zeit erreichbar.

 

3.9. Derzeit sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden. Daher war die Beschwerde vom 20.3.2012 (eingelangt beim Oö. UVS am selben Tag außerhalb der Amtsstunden) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Dr.  B e r g e r

 

 

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