Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252837/9/Py/Hu

Linz, 28.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 11. April 2011, GZ: SV96-87-2010, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 11. April 2011, GZ: SV96-87-2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs.1 Z1 iVm § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 189/1955 idF BGBl.I.Nr. 83/2009 eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 36,50 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben, wie im Zuge einer Kontrolle nach AuslBG und ASVG auf der Baustelle Krankenhaus Melk, Nordtrakt, 3. Stock in Melk am 17.08.2010 um 09.15 Uhr durch Organe des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs, Team KIAB festgestellt wurde, die Dienstnehmer x, geb. x und x, geb. x, zumindest in der Zeit vom 11.06.2010 bis 17.08.2010 als Fliesenleger in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt. Sie haben die vorgenannten in der Krankenversicherung pflichtversicherten (vollversicherten) Dienstnehmer, bei denen keine Ausnahme von der Meldepflicht gemäß § 5 ASVG gegeben war und die Höhe des Entgeltes über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs.2 ASVG gelegen ist, vor Arbeitsantritt nicht bei der Oö. Gebietskrankenkasse in Linz, Gruberstraße 77, dem zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass der in der Anzeige des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs dargestellte Sachverhalt durch die Beweismittel sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren als erwiesen anzusehen ist. Da sich der Bw zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vollkommen verschwiegen hat, ist dies als Geständnis zu werten und der im Spruch bezeichnete Tatbestand in objektiver wie subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen. Da es sich um eine erstmalige Ordnungswidrigkeit handelt, konnte in Anwendung der Bestimmung des § 111 Abs.2 letzter Satz ASVG die Mindeststrafe auf die Hälfte herabgesetzt werden.

 

2. Dagegen richtet sich die gegenständliche Berufung vom 28. April 2011, in der der Bw zusammengefasst vorbringt, dass Herr x und Herr x – wie aus den vorgelegten Formularen hervorgeht – in Tschechien als selbstständige Unternehmer sozialversichert sind. Im Rahmen ihrer tschechischen Gewerbescheine hatten sie Inkassowerkverträge mit den tschechischen Unternehmen x abgeschlossen und sind für dieses auf der gegenständlichen Baustelle beim Krankenhaus Melk tätig geworden. Es handelte sich somit um tschechische Werkunternehmer, die zu keinem Zeitpunkt als Arbeitnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Bw tätig wurden.  

 

3. Mit Schreiben vom 2. Mai 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

4.1. Anlässlich einer Kontrolle durch das Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs am 17. August 2010 auf der Baustelle Krankenhaus Melk wurden die tschechischen Staatsangehörigen Herr x, geb. am x, und Herr x, geb. am x, bei Fliesenlegearbeiten angetroffen. Laut der für Herrn x vom tschechischen Sozialversicherungsträger am 23.11.2010 ausgestellten Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften (Formular E101) übt dieser seit 1. Juli 1993 eine selbstständige Tätigkeit aus, wird voraussichtlich für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 17. August 2010 für die Firma x tätig sein und unterliegt den Sozialversicherungsrechtsvorschriften des Landes Tschechien. Herrn x wurde mit Bescheinigung vom 6. Jänner 2011 über die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, die auf den Inhaber anzuwenden sind (Formular A1) vom tschechischen Sozialversicherungsträger bescheinigt, dass für ihn in der Zeit vom 17. Mai 2010 bis 16. Mai 2012 die Sozialversicherungsvorschriften des Staates Tschechien anzuwenden sind.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

5.2. Den beiden im gegenständlichen Straferkenntnis angeführten tschechischen Staatsangehörigen wurde vom tschechischen Sozialversicherungsträger eine Bescheinigung ausgestellt, dass die Betreffenden zum Tatzeitpunkt den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften dieses Mitgliedsstaates unterworfen waren. Im Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2010/08/0231, hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass für den Fall, dass in einem Mitgliedsstaat ein Formular E101 ausgestellt wurde, wonach eine Person den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften dieses Mitgliedsstaates unterworfen ist, der zuständige Träger eines anderen Mitgliedsstaates an die Angaben in der Bescheinigung gebunden ist und den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen kann, so lange die Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird. Das entsprechende Formular ist ein die anderen Mitgliedsstaaten bindendes Instrument zur Feststellung der Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften jenes Staates, der eine solche Bescheinigung ausgestellt hat. Bei Zweifel über die Richtigkeit der Anwendung der EG-Verordnungen durch den Entsendestaat kann die "Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer" um Vermittlung angerufen werden. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Jänner 2006 in der Rechtssache C-2-05 (Herbosch Kiere NV) zur Vorlagefrage, ob und in wie weit eine Bescheinigung E101 die innerstaatliche Rechtsordnung des Gaststaates (auch) im Hinblick auf das Bestehen einer arbeitsrechtlichen Bindung zwischen entsendendem Unternehmen und entsandten Arbeitnehmer während der Dauer der Entsendung bindet, ausgeführt, dass es für die Anwendung von Art. 14 Abs.1 A der Verordnung Nr. 1408/71 erforderlich ist, dass zwischen dem Unternehmen mit einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat und den Arbeitnehmern, die dieses Unternehmen in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates entsandt hat, während der Dauer ihrer Entsendung weiterhin eine arbeitsrechtliche Bindung besteht. In der Bescheinigung erklärt der zuständige Träger des Mitgliedsstaates, dass sein eigenes System der sozialen Sicherheit auf die entsandten Arbeitnehmer während der Dauer der Entsendung anwendbar bleibt. Wegen des Grundsatzes, dass die Arbeitnehmer einem einzigen System der sozialen Sicherheit angeschlossen werden sollen, hat diese Bescheinigung damit notwendig zur Folge, dass das System der sozialen Sicherheit des anderen Mitgliedsstaates nicht angewandt werden kann.

 

§ 1 ASVG knüpft den Geltungsbereich des ASVG an sich bloß an den Beschäftigungsort im Inland an (vgl. VwGH vom 4. Juli 1989, VwSlg. 1294/A). Die vom zuständigen tschechischen Sozialversicherungsträger für die beiden gegenständlichen slowakischen Personen gültig ausgestellten Bescheinigungen – auch wenn diese Bescheinigungen erst nach dem Kontrolltag ausgestellt wurden, solange der Zeitraum, in dem die tschechischen Sozialversicherungsvorschriften für sie anwendbar bleiben, den Kontrolltag umfassen – stellen bindend fest, dass in den vorliegenden Fällen österreichisches Sozialversicherungsrecht nicht zur Anwendung kommt.

 

Im Hinblick auf die vorliegenden Bescheinigungen für die gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse der beiden im Spruch angeführten tschechischen Staatsangehörigen  kann daher dem Bw die Übertretung österreichischer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der genannten Personen nicht zur Last gelegt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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