Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222583/6/Bm/Kr

Linz, 04.04.2012

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4.1.2012, UR96-28-2011, wegen Übertretungen nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4.1.2012, UR96-28-2011, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) zwei Geldstrafen in der Höhe von 1. 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 140 Stunden, und 2. 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 154 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z.3 iVm § 74 Abs.2 Z.1 und 2 GewO 1994 und § 368 iVm § 81 Abs.2 Z.9 und § 81 Abs.3 der GewO 1994 iVm dem Bescheid vom 23.8.2007, Ge20-50-14-2007, verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

"Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X in X, welche im Besitz des Fleischergewerbes ist, folgende Verwaltungsübertretungen, welche im Zuge eines Lokalaugenscheines am 20.06.2011 festgestellt wurden, zu verantworten:

 

1. Die Änderung - Errichtung eines Heizraumes samt darin aufgestellten Dampfkessel - der auf dem Grundstück Nr. X, bestehenden Betriebsanlage zur Produktion einer sogenannten "Süßen Linie" (Mohnnudeln) im Erdgeschoß ohne Vorliegen der gesetzlich vorgeschriebenen gewerbebehördlichen Genehmigung, da diese jedenfalls zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 normierten geschützten Interessen erforderlich ist.

 

2. Die Einrichtung eines Tiefkühlraumes sowie die Durchführung der Raumtrennung ohne

Vornahme der in § 81 Abs 3 GewO 1994 verpflichtenden Anzeige dieser Änderungen."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist durch seinen anwaltlichen Vertreter Berufung eingebracht und in dieser im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde gebe an, dass die Anlage zur Produktion von Mohnnudeln nicht in Betrieb gewesen sei. Dementsprechend seien auch jene Anlagen, die dafür erforderlich seien zum behaupteten Tatzeitpunkt nicht in Betrieb gewesen.

Überhaupt enthalte das Erkenntnis keinen Tatzeitpunkt. Die Terminisierung einer Feststellung am 20.6.2011 sage über den Tatzeitpunkt selbst nichts aus. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Tatvorwurf 1. tatsächlich einer Betriebsanlagenbewilligung bedürfe oder nicht eine Anzeige ausreichend sei, weil es sich um eine Änderung ohne Änderung des Emissionsverhaltens der Anlage handle.

Zum Tatvorwurf 1. würden überhaupt keine Feststellungen darüber vorliegen, was konkret errichtet worden und ob diese Anlage genehmigungspflichtig sei.

Auch betreffend des Tatvorwurfes 2. sei nicht nachgewiesen, warum es sich dabei um eine genehmigungs- oder anzeigepflichtige Änderung gehandelt habe. Maßgeblich sei, dass die Anlage nicht in Betrieb gewesen sei und in der Zwischenzeit sämtliche Bewilligungen vorliegen würden, sodass ein allfälliges Verschulden gering wäre.

Betreffend der Strafhöhe sei in den auf Seite 5 angeführten Vorstrafen nicht konkret dargelegt, warum es sich im Einzelfall gehandelt habe und warum es sich dabei um einen Erschwerungsgrund handeln solle. Es würden jedenfalls die Voraussetzungen des § 21 VStG vorliegen, weil keinerlei Folgen aus der vorgeworfenen Tat entstanden seien.

Die Strafhöhe wäre auch überhöht.

Aus diesen Gründen werden die Berufungsanträge gestellt,

1.      eine mündliche Berufungsverhandlung vor dem UVS anzuberaumen,

2.      der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren betreffend beider Spruchpunkte eingestellt wird, in eventu

3.      gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird, in eventu

4.      die verhängte Strafe herabgesetzt wird.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung an der der Rechtsvertreter des Bw teilgenommen hat.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z.1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.      die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.      die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, zu § 44a Z1 VStG).

 

5.2.1. Die Behörde hat im Strafverfahren nach § 366 Abs.1 Z.3 GewO 1994 die Genehmigungspflicht selbständig auf Grundlage des § 74 Abs.2 GewO 1994 zu beurteilen (VwGH 30.1.1996, 95/04/0139).

 

Ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Z.3 GewO 1994 muss um das Erfordernis des § 44a Z.1 VStG zu erfüllen, somit auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorliegende Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs.2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (VwGH 22.12.1992, 91/04/0199).

 

Eine solche konkretisierte Umschreibung der Interessen, die durch die vorliegende Änderung der Betriebsanlage beeinträchtigt werden können, ist gegenständlich dem Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen. Es wird zwar angeführt, dass das Vorliegen einer gewerbebehördlichen Genehmigung zur Wahrung in der § 74 Abs.2 GewO 1994 normierten geschützten Interessen erforderlich ist, welche konkreten Interessen durch die Änderung der Betriebsanlage jedoch beeinträchtigt werden könnten, ist im Spruch nicht enthalten.

Der Tatvorwurf entspricht somit nicht dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z.1 VStG.

 

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass § 366 Abs.1 Z.3 GewO 1994 zwei voneinander unabhängige Straftatbestände enthält (arg.: "ändert oder nach der Änderung betreibt"). Es ist somit derjenige, der eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert, wegen der Änderung dieser Anlage nach § 366 Abs.1 Z.3 1. Alt. zu bestrafen. Wer während der Zeitspanne der Änderung der Betriebsanlage diese Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betreibt, ist sowohl wegen der Änderung als auch wegen des Betriebes einer nicht genehmigten Betriebsanlage jeweils nach § 366 Abs.1 Z.3 zu bestrafen.

 

Aufzuzeigen ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH v. 4.9.2002, 2002/04/0077) der Tatbestand des genehmigungslosen Änderns einer derartigen Betriebsanlage mit der Herbeiführung eines solcherart zu qualifizierenden Sachverhaltes abgeschlossen ist (Zustandsdelikt). Ist im Tatvorwurf kein Zeitraum angegeben, in welchem die Begehung der Verwaltungsübertretung des genehmigungslosen Änderns einer Betriebsanlage stattgefunden hat, so fällt es an einer Feststellung der Tatzeit.

 

Ein Mangel dieser Art betrifft im gegenständlichen Fall die angelastete genehmigungslose Änderung, da der Spruch lediglich den Zeitpunkt des Lokalaugenscheines enthält, an dem die vorgenommene Änderung festgestellt wurde, jedoch nicht den Tatzeitpunkt der durchgeführten Änderung.

 

Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass im Falle des Vorwurfes einer konsenslosen Änderung dem Spruch auch zu entnehmen sein muss, dass es sich bei der Änderung um die einer gewerberechtlich genehmigten Betriebsanlage handelt.

 

5.2.2. Ebenso wenig erfüllt Spruchpunkt 2. das Erfordernis des oben zitierten
§ 44a Z.1 VStG.

 

§ 81 Abs.3 GewO 1994 enthält die Verpflichtung, der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde zum einen den Ersatz gleichartiger Maschinen, Geräte oder Ausstattungen, wegen deren Verwendung die Anlage einer Genehmigung bedurfte und zum anderen Änderungen einer genehmigten Betriebsanlage, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen, vorher anzuzeigen.

Die Anzeigepflicht bezieht sich sohin auf zwei verschiedene Änderungstatbestände. Das bedeutet, dass im Spruch – um das Konkretisierungsgebot des § 44a Z.1 VStG zu erfüllen – auch enthalten sein muss, ob es sich bei der vorgeworfenen Änderung eben um einen Austausch einer Maschine etc. oder um eine Änderung handelt, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflusst; eine solche Bezugnahme fehlt dem Spruch.

 

5.3. Da sohin weder Tatvorwurf 1. noch Tatvorwurf 2. dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z.1 VStG entspricht, war das Straferkenntnis gemäß § 45 Abs.1 Z.3 VStG aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Auf Grund dieses Verfahrensergebnisses entfällt für den Berufungswerber die Verpflichtung zur Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

 

 

 

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