Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730074/10/Wg/Jo

Linz, 08.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwältin X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 24. Juni 2010, AZ: 1049496/FRB, verhängte Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 24. Juni 2010, AZ: 1049496/FRB, gem. § 53 Abs. 1 iVm § 31 Abs.1 und 1a sowie § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Es wurde festgestellt, dass seine Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art.8 Abs.2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs.1 FPG 2006 zulässig scheint, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs.2 und 3 FPG zulässig ist.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 2. Juli 2010. Der Bw beantragt darin, die Bundespolizeidirektion Linz möge den angefochtenen Bescheid vom 24. Juni 2010 ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde I. Instanz verweisen; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Ausweisung unzulässig ist; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend ergänzen, dass dem Berufungswerber ein Durchsetzungsaufschub gemäß § 67 FPG im maximaler Dauer gewährt wird.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechts­änderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt dem Verwaltungssenat zuständig­keitshalber übermittelt.

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Nigeria.

 

Er reiste am 7. Februar 2000 illegal in das Bundesgebiet ein, seitdem hält er sich im Bundesgebiet auf. Seit 28.02.2001 ist der Bw durchgehend im Bundesgebiet gemeldet.

Seit 9. Oktober 2009 ist er an der Adresse X  mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er lebt dort in einer Mietwohnung und bezahlt ein monatliches Nutzungsentgelt in der Höhe von 268,15 Euro inkl. Betriebskosten.

 

Am  X heiratete er die österreichische Staatsbürgerin X, geb. am X. Die Ehe wurde jedoch am X beim Bezirksgericht Linz geschieden.

 

Seine Mutter X, seine Cousine X und sein Onkel X halten sich in der Heimat auf, sein Vater wurde 1999 getötet. Der Zwillingsbruder des Bw, X, studiert in X.

 

Der Bw ist "Oberhaupt", dh, Pastor und Finanzbeauftragter der christlichen Gemeinschaft "X" in Österreich.

 

Zur Ausbildung und beruflichen Laufbahn des Bw ist Folgendes festzustellen:

o        In der Heimat besuchte er die Grundschule von 1981 bis 1986, von 1986 bis 1992 die Hauptschule und von 1993 bis 1997 die Universität.

o        Von 1998 bis 1999 arbeitete er im elterlichen Betrieb als Landwirt.

o        Er spricht Englisch und Ishan.

o        Im Bundesgebiet hat er als außerordentlicher Studierer an der Uni X studiert.

o        Derzeit absolviert er eine Ausbildung bei der X.

 

Bezüglich dem Bw scheinen laut Versicherungsdatenauszug vom 4. Jänner 2012 folgende Versicherungszeiten auf:

 

von                  bis                   Art der Monate / meldende Stelle

06.07.2001      12.12.2001      Arbeiter, X

13.12.2001      31.07.2005      Arbeiter

01.08.2005      21.09.2005      Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung, X

22.09.2005      11.10.2005      Arbeitslosengeldbezug

12.10.2005      12.10.2005      Arbeiter, X

13.10.2005      17.10.2005      Arbeitslosengeldbezug

18.10.2005      19.10.2005      Arbeiter, X

20.10.2005      06.11.2005      Arbeitslosengeldbezug

07.11.2005      18.11.2005      Arbeiter

19.11.2005      19.11.2005      Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X

20.11.2005      04.12.2005      Arbeitslosengeldbezug

05.12.2005      30.06.2006      Arbeiter

01.07.2006      10.07.2006      Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

11.07.2006      08.08.2006      Arbeiter X

09.08.2006      20.08.2006      Arbeitslosengeldbezug

21.08.2006      08.09.2006      Arbeiter, X

09.09.2006      15.10.2006      Arbeitslosengeldbezug

16.10.2006      24.03.2007      Arbeiter

25.03.2007      27.03.2007      Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X

28.03.2007      02.09.2007      Arbeitslosengeldbezug

03.09.2007      laufend            Arbeiter, X     

 

Er ist zur Zeit sozialversichert und arbeitet bei der Fa. X, wo er ca. 1100 Euro monatlich netto erhält.

 

Der Bw ist in strafrechlicher Hinsicht unbescholten.

 

Er stellte am 8. Februar 2000 einen Asylantrag. Dieses Asylverfahren ist am 1. Dezember 2009 in 2. Instanz rechtskräftig negativ entschieden worden. Dem Bw wurde kein Asyl gewährt. Gegen dieses Urteil wurde Beschwerde iVm einem Antrag auf aufschiebende Wirkung an den VfGH erhoben. Es wurde im Asylverfahren aber keine Ausweisung ausgesprochen und er verfügte während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG.

Beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz wurde am 11. Dezember 2009 ein Antrag auf "Niederlassungsbewilligung unbeschränkt" gestellt, diese Entscheidung ist noch ausständig.

 

Diese Feststellungen stützen sich auf den Verfahrensakt der Erstbehörde. Da bereits nach der Aktenlage feststeht, dass der bekämpfte Bescheid zu beheben ist, konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gem. § 53 gelten dem. § 125 Abs. 14 FPG als Rückkehrentscheidungen gem. § 52 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gem. § 53 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

Der Bw hält sich nach rechtkräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Somit ist der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG i.d.F. BGBl. I Nr. 38/2011 dem Grunde nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die illegale Einreise des Bw sowie der unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet stellen zweifelsohne eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar.

 

Dem gegenüber steht das persönliche Interesse des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.

 

Der Bw verfügte während des Asylverfahrens lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und musste sich daher seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Dessen ungeachtet begründet der seit dem 7. Februar 2000 aufrechte Aufenthalt im Bundesgebiet ein nicht unerhebliches persönliches Interesse des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Äußerst positiv zu werten ist der Umstand, dass er seit dem 6. Juli 2001 bis dato de facto durchgehend in sozialversicherungspflichtigen Verhältnissen stand.

 

Der Bw ist geschieden und hat keine Kinder. In vergleichbaren Fällen hat der VwGH (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, GZ. 2010/22/0158) bei einer mehr als 10-jährigen Aufenthaltsdauer angenommen, dass das persönliche Interesse des Fremden an der Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

 

Im vorliegenden Fall hält sich der Bw seit über zwölf Jahren im Bundesgebiet auf. Mittlerweile ist er von seiner österreichischen Ehegattin geschieden. Er hat einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich und ist Oberhaupt einer christlichen Gemeinschaft.

 

Bei einer Gesamtwertung des festgestellten Sachverhaltes überwiegen daher bereits schon jetzt die persönlichen Interessen des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30  Euro angefallen.

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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