Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730547/4/BP/Wu

Linz, 22.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Bosnien, vertreten durch X, Rechtsanwältin in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 25. Oktober 2011, GZ.: Sich40-11636, betreffend die Verhängung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 25. Oktober 2011, GZ: Sich40-11636, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 63 Abs. 1 und 3 iVm. § 53 Abs. 3 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger von Bosnien, seit dem 11. Oktober 1999 in Österreich polizeilich gemeldet und hier rechtmäßig aufhältig sei. Mit Bescheid des BMI vom 2. September 1999, Zl. 300.707/42-III/11/99, sei dem Bw eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft – ausgenommen Erwerbstätigkeit" bis 20. März 2001 erteilt worden. Diese sei von der belangten Behörde mehrmals verlängert worden, zuletzt am 4. Dezember 2009, gültig bis unbefristet.

 

Der Bw sei während seines Aufenthalts mehrfach straffällig und darüber hinaus vielfach von der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden (insgesamt 17 Anzeigen vorwiegend wegen Verdachts der Übertretungen des § 27 SMG sowie Körperverletzung).

 

Der Bw sei wie folgt verurteilt worden:

1.      Urteil des LG Ried vom 10. Oktober 2008, zu 20 Hv 45/2008p, wegen § 27        Abs. 1 Z. 1 1., 2., 4., 5., 6. und 8. Fall, § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall SMG, §         12 2. Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, wobei diese zunächst für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Die Probezeit sei in der      Folge mit Urteil des LG Ried vom 22. Oktober 2009, zu 23 Hv 66/2009z    auf 5 Jahre verlängert worden;

 

Darin sei der Bw für schuldig erkannt worden,

1.) von April 2006 bis Ende September 2007 in Raume X, X und X in wiederholten Angriffen verschiedene Suchtgifte wie Cannabisharz und –kraut, Speed (Amphetamine) sowie Kokain erworben, besessen, zum Teil von Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt, befördert sowie überlassen zu haben;

 

2.) in X Suchtgifte in einer die Grenzmenge (§ 28b) zumindest 6-fach übersteigenden Menge, rund 670 Gramm Amphetamin, brutto zumindest mehr als 60 Gramm Amphetamin, Reinsubstanz, von Deutschland aus und nach Österreich eingeführt zu haben.

2.      Urteil des LG Ried vom 18. November 2008, zu 20 Hv 57/2008b, wegen §          83 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 2. Fall StGB, zu einer Geldstrafe von 100      Tagessätzen zu je 10 Euro;

 

         Darin sei der Bw für schuldig erkannt worden, weil er im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung am 26. April 2008 in X in verabredeter Verbindung mit anderen eine Person durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten und gegen das Gesicht und den Körper verletzt habe, wodurch diese Abschürfungen im Gesicht und am rechten Daumen erlitten habe. Als mildernd sei dabei gewertet worden, dass der Bw zum Tatzeitpunkt unbescholten gewesen sei und ein reumütiges Geständnis abgelegt habe.

 

3.      Urteil des LG Ried vom 22. Oktober 2009, zu 23 Hv 66/2009z, wegen §§ 83 Abs. 1, 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 5   Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, wobei die Probezeit mit         Urteil des BG Mattighofen vom 7. Juli 2011, zu 4 U 10/2011g/b, auf   insgesamt 5 Jahre verlängert worden sei;

 

         Darin sei der Bw für schuldig erkannt worden, am 13. Juni 2009, in der Diskothek X anwesende, Personen mit dem Erschlagen bzw. Zusammenschlagen bedroht und diese Drohung dadurch verstärkt zu haben, indem er eindeutige Gesten mit der Hand gemacht habe, um die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen. Weiters habe er diese Personen auf dem Parkplatz der Diskothek verletzt, indem er diese mit einem Besenstiel gegen deren Körper und Köpfe geschlagen habe, wobei eine Person eine Rissquetschwunde am Kopf, eine Person einen Bluterguss am Hinterkopf und eine dritte Person eine Prellung am Rücken und am Unterarm sowie eine Schwellung am Unterarm erlitten hätten.

 

4.      Urteil des BG Mattighofen vom 6. Juli 2010, zu 1 U 12/2008z, wegen § 27         Abs. 1 Z. 1 1., 2. und i. Fall SMG, Schuldspruch – ohne dass eine   Zusatzstrafe verhängt worden sei;

 

         Darin sei der Bw für schuldig erkannt worden,

         1.) vorschriftswidrig im Zeitraum von 1. Juli 2008 bis Dezember 2008 in   X eine nicht näher bekannte Menge Cannabis erworben, besessen und      konsumiert sowie anderen Personen überlassen zu haben,

 

         2.) vorschriftswidrig am 30. September 2005 im Ortsgebiet von X ein        Stück Klemmsäckchen mit Marihuanaanhaftungen, welches er ca. 2          Monate davor in Deutschland erworben habe, besessen sowie im Juni      2005 in Simbach am Inn 2 Gramm Haschisch erworben und besessen zu      haben.

 

5.      Urteil des BG Mattighofen vom 7. Juli 2011, zu 4 U 10/2011g, wegen § 27        Abs. 1 Z. 1 SMG, zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, zu je 17 Euro,        wobei die Hälfte der Geldstrafe für 3 Jahre Probezeit ausgesetzt worden       sei.

 

         Darin sei der Bw für schuldig erkannt worden, weil er im Zeitraum von 1. März 2010 bis 29. November 2010 in X und anderen Orten Suchtgifte       (Cannabisprodukte und Kokain) erworben, besessen, befördert und einem         anderen angeboten, überlassen bzw. verschafft habe.

 

Weiters schienen über den Bw aktuell 7 Verwaltungsvorstrafen wegen verschiedener Verkehrsdelikte auf. 

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. September 2011 sei der Bw über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes informiert und zur Stellungnahme aufgefordert worden.

 

Dieser Aufforderung sei er fristgerecht im Schreiben vom 7. Oktober 2011 nachgekommen. Er machte im Wesentlichen geltend, dass er zugebe als Jugendlicher einige Fehler gemacht habe, die er mittlerweile bedauere. Auch der Umgang mit falschen Freunden sei schuld an seinem Fehlverhalten gewesen. Mittlerweile habe er sich von diesen Leuten losgesagt. Er sei für die von ihm begangenen Taten zurecht verurteilt worden. Trotzdem betone er, dass er in Österreich bis auf 6 Wochen Arbeitslosigkeit wegen eines Stellenwechsels immer erwerbstätig gewesen sei und so den steuerlichen Beitrag in Österreich geleistet habe. Da er bei seinen Eltern wohne und er sich dem österreichischen Arbeitsprozess angepasst habe, wäre eine Abschiebung für ihn existenzbedrohend. Er liebe Österreich und es sei inzwischen zu seiner Heimat geworden. Er bitte Gnade vor Recht ergehen zu lassen und von einer drohenden Ausweisung abzusehen. Er verspreche auch, alles zu unternehmen, um in Zukunft ein guter Mitbürger zu sein.

 

Der Stellungnahme seien eine Arbeitsbestätigung sowie ein negatives Drogenscreening für den Zeitraum zwischen 25. Jänner 2011 und 2. August 2011 beigefügt.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus, dass – entgegen seiner Darstellung – der Bw nicht nur als Jugendlicher Fehler begangen habe, sondern ab dem Jahr 2004 (aufgrund der damaligen Strafanzeigen) straffällig geworden sei. Der Bw sei am 5. November 2009 bei der belangten Behörde anlässlich seines Verlängerungsantrages des Aufenthaltstitels niederschriftlich befragt und ihm seine Straffälligkeit vor Augen geführt worden. Ungeachtet dessen habe er sein inkriminiertes Verhalten fortgesetzt und sei in der Folge wiederum verurteilt worden.

 

Zumindest seit dem Jahr 2006 habe er laufend Umgang mit Suchtgiften gehabt. Er verfüge aber auch über eine hohe Gewaltbereitschaft, wie sich aus den diesbezüglichen Verurteilungen ersehen lasse.

 

Weder polizeiliche Anzeigen, gerichtliche Verurteilungen noch die Vorsprache bei der belangten Behörde hätten den Bw von der weiteren Begehung von Strafdelikten abhalten können. Wenn er auch noch nicht im Bereich der Hochkriminalität anzusiedeln sei, was den unerlaubten Umgang mit Suchtgiften betreffe, so lasse das Verhalten schon darauf schließen, dass der Bw ein gespanntes Verhältnis zur österreichischen Rechtsordnung habe. Er habe neben gerichtlich strafbaren Handlungen auch Verwaltungsübertretungen in Bezug auf Verfehlungen im Straßenverkehr begangen, die dieses Charakterbild abrunden würden.

 

Der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG sei fraglos erfüllt. Nach Erwägungen zur besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität kommt die belangte  Behörde zum Schluss, dass dem Bw eine negative Zukunftsprognose auszustellen sei.

 

Hinsichtlich der Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK und § 61 FPG stellt die belangte Behörde fest, dass der Bw erst im Alter von 11 Jahren nach Österreich gekommen sei und hier nur einen Teil seiner Schulausbildung absolviert habe. Die berufliche Integration wird ihm zwar zugestanden, doch sei die soziale Integration aufgrund des langen Zeitraums der Straffälligkeit des Bw seit dem Jahr 2004 maßgeblich gemindert.

 

Die Brücken zum Herkunftsland seien nicht völlig abgebrochen, zumal seine Großmutter noch in Bosnien lebe. Aufgrund seines Alters und dem Umstand, dass er weiterhin Kontakte nach Bosnien unterhalte, sei ihm auch eine Integration in seinem Heimatstaat zumutbar. Die Großmutter sei - nach den Angaben des Bw – nicht mittellos und betreibe eine kleine Landwirtschaft.

 

Den privaten familiären und beruflichen Interessen des Bw am Verbleib in Österreich stehe das besonders hoch ausgeprägte öffentliche Interesse an der Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes entgegen.

 

Wenn der Bw nunmehr auch dokumentiere, selbst nicht mehr Drogen zu konsumieren, so sei jedenfalls auf die hohe Rückfallsquote bei Suchtgiftdelikten hinzuweisen. Die Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes sei somit geboten.

 

Es bedürfe eines langen Zeitraumes der Bewährung, um von einem Wegfall der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehen zu können. Daraus resultiere die 5-jährige Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes. 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertreterin rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 8. November 2011.

 

Zunächst wird gerügt, dass die belangte Behörde die bloßen Anzeigen der PI in die Erwägungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes miteinbezog. Die jeweiligen Verurteilungen (wegen Verstöße gegen das SMG und damit einhergehender Kriminalität) würden nicht beschönigt, rechtfertigten aber nicht die Erlassung eines – wenn auch auf 5 Jahre befristet – Aufenthaltsverbotes.

 

Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Bw sein Verhalten trotz ihrer Mahnung im Rahmen der Antragsverlängerung nicht geändert habe, übersehe sie, dass die der späteren Verurteilung zugrundeliegende strafrechtlich relevanten Sachverhalte vom Bw schon davor gesetzt worden seien.

 

Er habe den früheren Kontakt zum Drogenmilieu völlig abgebrochen, nehme auch keine Drogen mehr und sei sich bewusst, dass er durch den Drogenkonsum seine Existenz und seine Familie gefährden würde.

 

Der Bw gibt an, nunmehr seit einem Jahr clean zu sein, einer geregelten Arbeit nachzugehen und in einer aufrechten Beziehung zu leben. Er besuche regelmäßig die Therapie mit seinem Bewährungshelfer und es sei nachgewiesen, dass er zumindest seit Jänner 2011 keine Drogen mehr konsumiert habe.

 

Die belangte Behörde habe verabsäumt, im Rahmen der Prognoseentscheidung das Hauptaugenmerk auf die gegenwärtigen Verhältnisse zu legen, die keinesfalls – wie auch nicht die angeführten Verwaltungsdelikte – eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit annehmen ließen.

 

Die Erlassung eines Einreiseverbotes würde zudem einen massiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw bedeuten.

 

Er sei zusammen mit seinem Bruder und seinen Eltern bereits im Jahr 1992 nach Österreich gekommen. Aus dem Bw nicht bekannten Gründen habe er 1996 wieder ausreisen müssen, sei jedoch 1999 wieder eingereist und seitdem in Österreich aufhältig. Der Bw habe sogar die österreichische Vorlkschule in den Jahren 1994/1995 besucht und später auch die Hauptschule sowie den Polytechnischen Lehrgang. Er spreche perfekt Deutsch und habe auch Sprachkurse absolviert. Er sei in Österreich total integriert und verfüge über einen großen Freundeskreis. Mit Ausnahme der Großmutter väterlicherseits sei die gesamte Familie hier aufhältig. Der Bw sei bei der Freiwilligen Feuerwehr und im örtlichen Fußballverein engagiert gewesen. Eine Abschiebung würde daher die in Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte verletzen.

 

Abschließend wird der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben und den in Rede stehenden Bescheid ersatzlos aufzuheben.  

 

 

2.1.  Mit Schreiben vom 28. November 2011 übermittelte die belangte Behörde den in Rede stehenden Verwaltungsakt zuständigkeitshalber dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

Mit Schreiben vom 20. Jänner 2012 übermittelte der Bw Laborberichte betreffend die völlige Drogenabstinenz des Bw.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Auch wurde

kein darauf gerichteter Parteienantrag gestellt.

 

Die Vorgangsweise entspricht auch voll der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte, zumal den sachverhaltsbezogenen Vorbringen des Bw ohnehin völlige Glaubwürdigkeit zugemessen wird.

 

Abschließend ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen ua. vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0528 und vom 5. Juli 2011; Zl. 2008/21/0671-6, explizit ausgeführt hat, dass im fremdenpolizeilichen Administrativverfahren ein Recht des Fremden, von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht.

 

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 112/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass sich der Bw aufgrund der zuletzt am 4. Dezember 2009 erteilten Verlängerung des Aufenthaltstitels  derzeit formal rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Einschlägig ist hier vor allem § 64 Abs. 4 FPG.

 

3.2.1. Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

1.      wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe    zum   unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von        Aufenthaltsehen oder          Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer   Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption,      wegen eines mit mehr als einjähriger          Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens   nach dem SMG oder nach einem       Tatbestand des 16. oder 20.    Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

2.      wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71       StGB)          beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare         Handlung, deren          Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten        Freiheitsstrafe von         mehr als sechs Monaten

          rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

3.2.2. Aufgrund des unbefristeten Niederlassungstitels der einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" gleichzuhalten ist, fällt der Bw in den Begünstigtenkreis des § 64 Abs. 4 FPG.

 

Wenn auch diese Bestimmung lediglich vom Verbot der Ausweisung gegen jenen Adressatenkreis spricht, muss sie dennoch aufgrund eines Größenschlusses auch für Aufenthaltsverbote gelten. Ein Aufenthaltsverbot besteht aus 2 Komponenten: aus dem Landesverweis bzw. der Ausweisung und aus dem - sei es befristeten oder unbefristeten – Verbot der Wiedereinreise in das Bundesgebiet. Wenn also § 64 Abs. 4 FPG Schutz vor Ausweisung gewährt, muss dies um so mehr den Schutz auch vor der schwerwiegenderen, die Ausweisung mitumfassenden, Maßnahme des Aufenthaltsverbotes gelten.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes demnach nur dann zulässig, wenn der weitere Aufenthalt des Bw eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Als Fiktion dieser Gefährdung enthält Abs. 5 leg. cit. verschiedene strafrechtsrelevante Tatbestände, die jedoch durch das Wort insbesondere eingeleitet werden. Wenn es sich dabei also nicht um eine taxative Aufzählung handelt, ist doch der Wille des Gesetzgebers, welche Straftaten ihrer Natur nach und welche nach der, durch das Ausmaß der Verurteilung zum Ausdruck gebrachten Verwerflichkeit, bei der Beurteilung heranzuziehen sind, klar ersichtlich. Eine Ausdehnung kann somit wohl nur sehr restriktiv und nicht gegen den Wortlaut erfolgen.

 

3.2.4. § 64 Abs. 5 Z. 1 StGB nennt zu allererst generell Verbrechen. Gemäß § 17 Abs. 1 StGB sind Verbrechen vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

 

Der vom Bw im Bereich des Suchtgifthandels begangenen Straftat ist ein Strafausmaß bis zu 5 Jahren zugemessen, was angesichts der Definition des § 17 Abs. 1 StGB zur Annahme eines Verbrechens und nicht eines bloßen Vergehens führt.

 

3.2.5. Daraus folgt aber, dass sich der Bw nicht auf den Ausschließungsgrund des § 64 Abs. 4 FPG stützen kann, da laut der gesetzlich vorgenommenen Interpretation der schwerwiegenden Gefahr nach Abs. 5 leg. cit. die Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Auch die weiteren Alternativen des § 64 FPG finden mangels Einschlägigkeit auf den in Rede stehenden Fall keine Anwendung. Der Bw kann sich sohin auch nicht auf § 64 Abs. 1 FPG stützen, da er zum Einen nicht von klein auf im Inland aufwuchs (er reiste erstmals im Jahr 1992, im Alter von 4 Jahren ein und kehrte – mangels entsprechendem Aufenthaltstitels in den Folgejahren – erst im Jahr 1999 wieder ein), zum Anderen erfüllt er nicht den 10-jährigen ununterbrochenen straffreien Aufenthalt nach dem § 10 StBG, der für die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft erforderlich gewesen wäre.

 

3.3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG bedarf es zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die dort genannte Personengruppe, dass aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass deren Aufenthalt entweder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Betreffend der Auslegung der oa. bestimmten Tatsachen, verweist § 63 Abs. 2 FPG auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG.

 

3.3.2. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten      Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder       teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten          oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung          beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.      ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von   drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt     worden ist;

3.      ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden       ist;

4.      ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder gerichtlich          strafbaren Handlung im sinne dieses Bundesgesetzes oder des     Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder       verurteilt worden ist;

5.      ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten          Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.      aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der          Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat,   terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB),           Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person   für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7.      aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der          Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die         öffentliche          Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen       Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder      Aufreizungen, die nationale     Sicherheit gefährdet oder

8.      ein Drittstaatsangehöriger öffentlich in einer Versammlung oder durch      Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein           Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG einschlägig, da nach dem Sachverhalt zweifelsfrei von einem Strafgericht eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr, bedingt rechtskräftig, gegeben ist.

 

Es ist – schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit schwerwiegend zu gefährden.

 

3.3.4. Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Suchtgiftkriminalität, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden der gehandelten Menge nach massiven Form gegeben ist, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert. Zu den von der Suchtgiftkriminalität ausgehenden und diese begleitenden Gefährdungen darf – um Wiederholungen zu vermeiden – diesbezüglich auf die völlig zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde, verwiesen werden.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.3.5. Es zeugt fraglos von evidenter krimineller Energie, Suchtgifthandel in einem hohen Umfang oder über Jahre hinweg Missbrauch mit Suchtgiften zu betreiben. Allein schon die Tatsache, dass der Bw am Handel von einer besonders großen Menge Kokain profitieren wollte, zeigt einen im Grunde menschenverachtenden und unverantwortlichen Zugang des Bw zu den Werten der Gesellschaft.

 

Der Berufung ist zwar absolut zu folgen, dass für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose nicht bloße polizeiliche Anzeigen herangezogen werden können, sondern lediglich tatsächliche Verurteilungen, allerdings ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die Präsenz des Bw im Drogenmilieu im Jahr 2005 dokumentiert ist und bis ins Jahr 2010 reicht, also einen 5-jährigen Zeitraum umfasst.

 

Daneben ist noch auf die beim Bw offensichtlich vorhandene Gewaltbereitschaft zu verweisen, die sich auch durch mehrere Verurteilungen manifestierte.

 

Gewalt- und Drogendelikte – sei es isoliert von einander, sei es in Kombination – bedingen somit eine jedenfalls kriminelle Disposition, deren Grad bei der Beurteilung der Gefährdung öffentlicher Interessen sehr hoch anzusetzen ist.

 

Das nachträgliche Wohlverhalten des Bw steht genau wie der Umstand, dass er nun seit über einem Jahr drogenabstinent ist, bislang außer Zweifel, allerdings ist der Zeitraum für diese Beobachtung jedenfalls noch zu kurz, um einen Wegfall der kriminellen Energie  tatsächlich annehmen zu können. Die maßgeblichen Straftaten endeten vor erst knapp 1,5 Jahren. Gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität, mit besonders hohen Rückfallquoten, bedarf es – der belangten Behörde folgend – eines ausgedehnteren Beobachtungszeitraums, um vom Wegfall der kriminellen Energie, die über den beschriebenen 5-jährigen Zeitraum eine unbestrittene Verfestigung erfuhr, annehmen zu lassen.

 

Es kann somit – angesichts der vorher doch gefestigten kriminellen Verhaltensweisen des Bw – zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass nunmehr das oben beschriebene Gefährdungspotential von ihm nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt. Die nunmehr vom Bw vorgebrachte und durchaus als glaubwürdig einzustufende Intention eines geänderten Lebenswandels, wie auch besonders die Abkehr von seinem früheren Freundeskreis, muss sich erst nach einem gewissen Beobachtungszeitraum beweisen, um eine positive Zukunftsprognose erstellen zu können.

 

Ohne den Grundsatz in dubio pro reo außer Acht zu lassen, folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates im Grunde der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Wiederum wird zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf Punkt 1.1.2. und 3.3. dieses Erkenntnisses verwiesen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.5.2. Es ist nun festzustellen, dass im Fall des Bw primär das Privatleben hinsichtlich der Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG zu erörtern ist, da der volljährige Bw glaubhaft vermittelte, in einer aufrechten Beziehung zu leben, jedoch nicht angab, mit seiner Freundin im gemeinsamen Haushalt zu leben. Auch, wenn man von letzterem ausgehen würde, hätte es nur marginale Auswirkungen auf die Abwägung, da ein solcher Umstand im Sinn des § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG erst während eines aufenthaltsrechtlich äußerst unsicheren Status entstanden wäre. Schon vorweg sei aber festgestellt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw jedenfalls massiv in sein Privatleben eingreift, da er nicht nur über zahlreiche Familienangehörige, sondern auch über verschiedene Elemente der Integration verfügt.

 

3.5.3.1. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw seit knapp 13  Jahren im Bundesgebiet, wobei der Aufenthalt durchgängig rechtmäßig war. Er war offensichtlich von 1992 bis 1995 ebenfalls hier aufhältig, wobei der Status dieses Aufenthalts wohl nicht als durchgängig rechtmäßig anzusehen ist, was wohl auch zur Versagung der damaligen Aufenthaltsberechtigung führte (vgl. auch dazu den Bescheid der belangten Behörde).

 

Zahlreiche Familienangehörigen des Bw befinden sich rechtmäßig in Österreich. Laut Aktenlage besteht auch ein guter familiärer Kontakt, und der Bw lebt bis dato in der elterlichen Wohnung. Dieses Privatleben erscheint auch grundsätzlich als schützenswert, wenn dennoch festgestellt werden muss, dass das familiäre Netz in der Vergangenheit keine Gewähr dafür bot, den Bw von der Begehung von Straftaten abzuhalten.

 

Der Bw ist fraglos beruflich integriert, krankenversichert und wohl auch selbsterhaltungsfähig. Er hat einen guten Teil seiner Ausbildung im Bundesgebiet absolviert und spricht perfekt Deutsch. Auch seine soziale Integration kann als vorliegend anerkannt werden, da er nicht nur lange hier aufhältig ist, sondern zudem in der Freiwilligen Feuerwehr und beim örtlichen Fußballverein engagiert war.

 

Demgegenüber ist aber festzuhalten, dass der mittlerweile volljährige Bw den Kontakt zu seinem Herkunftsland, in dem er auch Teile der Volksschule absolvierte und wo noch eine Großmutter aufhältig ist, über die Jahre hindurch nicht abbrach. Er ist in Bosnien fraglos sowohl sprachlich als auch kulturell sozialisiert. Eine Rückkehr in sein Herkunftsland scheint demnach als durchaus zumutbar.

 

3.5.3.2. Im Fall des Bw muss nun besonders auf den längeren Zeitraum der von ihm verübten Straftaten, wie auch zum Teil auf deren Schwere hingewiesen werden, wobei auf die vorigen Bemerkungen verwiesen wird. Jedenfalls ist die Suchtgifthandelsdelinquenz als besonders gravierend in der Interessensabwägung zu gewichten. Darüber hinaus sind aber die Gewaltdelikte nicht zu vernachlässigen. Den mehrfachen Verwaltungsdelikten im Verkehrsbereich kommt jedoch eine untergeordnete Rolle in der Abwägung zu.

 

Das Privatleben des Bw entstand nicht erst in einem aufenthaltsrechtlich unsicherem Status. Auch sind keine besonderen, den Behörden anzulastenden, Verzögerungen im Verfahren festzustellen.

 

3.5.4. Insgesamt ist der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Diese Annahme stützt sich auf die besondere Sensibilität der Suchtgiftkriminalität, ohne jedoch die ebenfalls besonders stark ausgeprägte Integration des Bw außer Acht zu lassen.

 

Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.6. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes erachtet das erkennende Mitglied des UVS Oberösterreich im Hinblick auf die im Ansatz zu erkennende Intention, sich zukünftig rechtskonform zu verhalten, und die besonders hohe Integration des Bw im Bundesgebiet eine 30-monatige Gültigkeitsdauer für angemessen. Es kann wohl nach diesem Zeitraum erwartet werden, dass das vom Bw ausgehende Gefährdungspotential nicht mehr in der nunmehrigen Intensität bestehen wird.

 

3.7.1. Es war daher der Berufung hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes stattzugeben und eine entsprechende Reduktion auf 30 Monate festzusetzen, im Übrigen aber der angefochtene Bescheid zu bestätigen. 

 

3.7.2. Da der Bw offenbar der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte die Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides gemäß § 59 Abs. 1 FPG unterbleiben. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VfGH vom 11.06.2012, Zl. B 398/12-4

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 16. November 2012, Zl.: 2012/21/0154-10

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