Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523096/6/Bi/Kr

Linz, 03.04.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J P, F G S, V, vertreten durch Herrn RA Dr. G H, G, B, vom 22. Februar 2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. Februar 2012, VerkR21-391-2011, wegen der Anordnung der Vorlage einer FA-Stellungnahme, aufgrund des Ergebnisses der am 2. April 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 iVm 8 Abs.2 FSG aufgefordert, der Erstinstanz innerhalb von drei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde, nämlich einen Facharztbefund für Psychiatrie, vorzulegen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 17. Februar 2012.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Auf ausdrücklichen Antrag wurde am 2. April 2012 eine  öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA Dr. G H, der Vertreterin der Erstinstanz Frau U P und der Amtsärztin der Erstinstanz Frau Dr. I A durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht der Erstinstanz liege kein "gehäufter Missbrauch" vor. Er habe im 1. Halbjahr 2011 einige Male Kokain konsumiert, habe aber den Konsum einige Wochen vor der polizeilichen Intervention am 6.7.2011 eingestellt. Der Harntest bei der PI S sei auch negativ gewesen.

Auch die Amtsärztin sei bei der Untersuchung am 23.8.2011 der Meinung gewesen, dass es keiner psychiatrischen Stellungnahme bedürfe; sie beab­sichtigte eine Befristung zu verfügen. Sie habe bei ihm Puls und Blutdruck gemessen und gesagt, er brauche nichts zu sagen, er sei "Kokainist", sie glaube ihm sowieso kein Wort. Der Führerschein sei befristet worden mit kurzfristig telefonisch angekündigten Harnkontrollen. Seither sei er 5 oder 6x telefonisch kurzfristig zur Amtsärztin zur Harnkontrolle beordert worden; alle seien negativ gewesen. Er habe eine Stunde warten dürfen, obwohl sonst niemand gewartet habe, sei wie ein Aussätziger angeschaut und sehr unfreundlich behandelt worden. Es stelle sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die telefonisch angekündigten Harnkontrollen stattgefunden haben. Die nun bescheidförmig angeordnete Vorlage einer psychiatrischen Stellungnahme sei nicht haltbar.

Beantragt wird eine mündliche Berufungsverhandlung und Bescheidbehebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und die Amtsärztin der Erstinstanz einvernommen wurde.

 

Grundlage für das ggst Verfahren ist der Umstand, dass der Bw anlässlich einer Beschuldigtenvernehmung bei der PI S am 5. Juli 2011 selbst aussagte, er sei vor etwa 3 Jahren wegen Erwerb, Besitz und Konsum von Kokain angezeigt worden, das Verfahren sei aber eingestellt worden. Er habe ein Jahr lang Harnproben abgeben müssen, die negativ gewesen seien; er habe in dieser Zeit kein Suchtgift konsumiert. Vor drei Monaten – also ab April 2011 – habe er begonnen wieder Kokain zu konsumieren, habe 4 oder 5x Kokain gekauft, 6 oder 7 oder 8 g, zuletzt vor einem Monat und ausschließlich für den Eigenkonsum. Außer Kokain habe er keine anderen Sucht­mittel konsumiert. Ein Suchtgift­schnelltest am 5. Juli 2011 war auf THC positiv. Dazu gab der Bw an, er konsumiere bei Möglichkeit Cannabiskraut in Form von Joints, in den letzten 5 oder 6 Jahren einen "Ofen" im Monat. Er habe letzte Woche in Italien drei Joints geraucht, den letzten am Samstag, also drei Tage vor dieser Einvernahme.

 

Am 23. August 2011  erschien der Bw zur amtsärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2, ausgenommen D – er besitzt Lenkberechtigungen der Klassen A, B, C1, C, BE, C1E, CE und F – bei der Erstinstanz. In der Berufungs­verhandlung hat sich ergeben, dass im Rahmen der aä Untersuchung am
23. August 2011 beim Bw eine Drogenharnuntersuchung gemacht wurde, die "schwach positiv" auf THC war, aber negativ auf Kokain. Daraufhin hat der Bw den Test wiederholt und laut den beiden Befunden vom 7. und vom 12. September 2011 war der THC-Befund jeweils negativ.

Laut GA vom 16. September 2011 ist der Bw befristet geeignet auf 1 Jahr mit der Auflage kurzfristig angekündigter Harnproben auf Kokain, Begründung: "Zustand nach wiederholten Anzeigen nach dem SMG, Missbrauch von Kokain, einer Droge mit hohem Abhängigkeits­potential und kurzfristiger Nachweisbarkeit; daher unregelmäßige, kurzfristig angekündigte Harnproben erforderlich."

Der Ladung zur Erstinstanz folgte der Bw am 13. Oktober 2011, wobei ihm nach eigenen Angaben ca 2 bis 3 Wochen vor dem 13. Oktober 2011 das aä Gutachten Dris A vom 16. September 2011 in der Abteilung Sanitätsdienst schon ausgehändigt worden war, dh dieses Gutachten war ihm am 13. Oktober 2011 bereits bekannt. Er erbat sich Bedenkzeit und verlangte am 14. Oktober 2011 telefonisch einen schriftlichen Bescheid.

 

Laut Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Erstinstanz vom 13. Jänner 2012 wurden mit der Amtsärztin 4 Harnkontrollen (1/4jährlich) nach telefonischer Ankündigung vereinbart.

Mit (formlosem) Schreiben der Amtsärztin vom 3. November 2011 wurde der Bw erstmals zur Vorlage einer psychiatrischen FA-Stellungnahme aufgefordert.

Frau Dr. A teilte dazu in der Berufungsverhandlung mit, sie sei von der BH-Sachbearbeiterin auf § 14 Abs.2 FSG-GV hingewiesen worden und habe daher, obwohl sie das Gutachten gemäß § 8 FSG bereits am 16. September 2011 erstellt hatte, nachträglich noch eine FA-Stellungnahme für Psychiatrie verlangt. Dabei hätte sie besonderen Wert auf die Klärung der beim Bw gegebenen Rückfall­gefahr gelegt. Nach ihrer Meinung sei beim Bw ein gehäufter Missbrauch schon aufgrund seiner eigenen Angaben vor der PI S am 5. Juli 2011 gegeben gewesen – das habe er selbst bestätigt, in der Zeit von April 2011 bis Anfang Juni 2011 Kokain konsumiert zu haben; das wurde vom Bw auch in der Berufungsverhandlung nicht bestritten.

 

Laut Bw sei er im November 2011 telefonisch zum Drogentest bestellt worden – laut Frau Dr. A war dieser Test negativ auf Kokain. Einen Test auf THC habe sie nicht mehr angefordert, weil beide Tests vom September bereits negativ gewesen seien.

 

Am 10. Jänner 2012 teilte die Amtsärztin der Erstinstanz mit, dass eine Ergänzung des Gutachtens vom 16.9.2011 leider nicht möglich sei, weil der Bw den geforderten Befund eines FA für Psychiatrie nicht erbracht habe.

Am 27. Jänner 2012 teilte die Amtsärztin der Erstinstanz mit, der Bw habe den FA-Befund noch immer nicht erbracht. Es komme immer wieder zu Problemen mit der Harnabgabe; der Bw erscheine wie vereinbart, gehe zur Toilette und erkläre nach einigen Minuten, eine Harnabgabe sei ihm nicht möglich. Er verlasse die Abteilung und verspreche, am nächsten Tag zu erscheinen, was er nicht tue. Daher sei auch kein verwertbarer Harnbefund vorhanden. 

Mit Schreiben vom 20. Jänner 2012, das er laut eigenen Angaben am 23. Jänner 2012 erhielt, wurde der Bw zum Harntest aufgefordert; nach seinem Erscheinen in der Sanitätsabteilung war ihm eine Harnabgabe nicht möglich, sodass er die BH mit der Erklärung, er komme morgen wieder, die BH verließ; er kam aber nicht. Die Harnabgabe erfolgte schließlich am 31. Jänner 2012. Da der Bw bis dahin keine FA-Stellungnahme vorgelegt hatte, erging der nunmehr angefochtene Bescheid.

 

In der Berufungsverhandlung hat die Amtsärztin ausgeführt, die Nachweisbarkeit von Kokain im Harn sei höchstens 2 Tage gegeben, wenn nicht (zB bei unsachgemäßer Lagerung der Probe) überhaupt nur auf nur wenige Stunden beschränkt. Daher habe sie wie sie in der Berufungsverhandlung schlüssig ausführte, diesen (negativen) Kokaintest vom 31. Jänner 2012 im Sinne einer  Erfüllung der Auflage für nicht verwertbar angesehen, weil der Test vom Bw  selbst organisiert war, dh er hätte sich auch entsprechend vorbereiten können.

 

Frau Dr. A hat ausgehend vom Gutachten vom 16. September 2011 und den bislang allesamt negativen THC-Laborbefunden des Bw in der Berufungs­verhandlung ausdrücklich von weiteren THC-Proben Abstand genommen, weil der letzte "schwach positive" Laborbefund vom 23. August 2011 stammte und nachher über ein halbes Jahr alle Proben negativ waren. Bei Kokain hat sie nur den vom Bw erbrachten Laborbefund vom November 2011 als Erfüllung der Auflage angesehen, nicht aber den vom 31. Jänner 2012, eben wegen der "Selbstorganisation" des Bw. Letztlich hat sie jedoch eingeräumt, der dabei erzielte Wert sei auch möglich, wenn der Bw tatsächlich kein Kokain konsumiert habe.

Im Ergebnis sind daher nur mehr zwei Laborbefunde auf Kokain im nächsten halben Jahr (ausgehend vom Gutachten vom 16. September 2011) erforderlich, allerdings mit kurzfristiger telefonischer Aufforderung wegen der kurzen Nachweisbarkeit. Damit hat sich der Bw in der Berufungsverhandlung einver­standen erklärt, auch wenn er angesichts der seit Inkrafttreten der 5. FSG-GV-Novelle mit 1. Oktober 2011 in Verbindung mit der Vorschreibung von Kontroll­untersuchungen verbundenen Befristung Zweifel hegt.

Von der Vorlage einer psychiatrischen FA-Stellungnahme hat die Amtsärztin abgesehen, weil die von der Erstinstanz anzuordnenden Laborbefunde im Sinne einer "Beobachtung" des Konsumverhaltens des Bw ausreichend seien.   

Damit war in rechtlicher Hinsicht von der genannten Vorschreibung abzusehen und der angefochten Bescheid aufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

GA von psych. Stellungnahme – nicht mehr erforderlich -> Aufhebung

 

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