Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730605/4/Sr/ER/WU

Linz, 19.04.2012

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, StA Nigeria, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 28. Jänner 2010, AZ 1033198/FRB, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

          I.     Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

      II.     Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 28. Jänner 2010, AZ 1033198/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis von § 53 Abs. 1 iVm. § 31 Abs. 1 und 1a sowie § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Bw, ein nigerianischer Staatsangehöriger, erstmalig im September 2002 illegal nach Österreich eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, der mit 21. Mai 2003 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 1. August 2003 habe der Bw abermals einen Asylantrag gestellt, der mit 19. Oktober 2009 gemäß § 68 AVG rechtskräftig zurückgewiesen worden sei.

Nachdem dem Bw während des 2. Asylverfahrens keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei, halte er sich seit 21. Mai 2003 ohne jegliche fremden- bzw. asylrechtliche Bewilligung und somit unrechtmäßig in Österreich auf.

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen zitiert die belangte Behörde die Stellungnahme des Bw zur beabsichtigten Ausweisung, in der er im Wesentlichen angibt, sich seit seiner Einreise durchgehend in Österreich aufgehalten zu haben. In Nigeria habe er die Grundschule besucht. Außer seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern habe er keine Angehörigen in Österreich. Derzeit gehe er keiner Beschäftigung nach, verfüge aber über zwei schriftliche Einstellungszusagen. Er sei nicht versichert und vom Karenzgeld seiner Frau und der finanziellen Unterstützung der Schwiegereltern abhängig. Er lebe mit seiner Frau und den beiden Kindern an gemeinsamer Adresse.

Aus Nigeria sei er aus politischen Gründen geflohen und pflege keine Kontakte im Herkunftsland, er könne sich auch eine Rückkehr aufgrund seiner in Österreich lebenden Familie und seiner Integration nicht vorstellen.

 

Darüber hat die belangte Behörde erwogen, dass angesichts seines langjährigen Aufenthalts und der Tatsache, dass der Bw mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und er mit dieser zwei Kinder habe, durch die Ausweisung erheblich in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde.

Dem stehe gegenüber, dass der 1. Asylantrag bereits mit Bescheid vom 29. April 2003 rechtskräftig negativ entschieden worden sei, was der Bw bereits als eindeutiges Indiz werten hätte müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich begrenzt sein könne.

Auch der zweite Asylantrag sei zurückgewiesen worden. Seine Eheschließung und die Geburten seiner Kinder hätten in einem Zeitraum stattgefunden, in dem dem Bw sein ungewisser Aufenthalt bekannt gewesen sei.

Die Einstellungszusagen könnten nicht als gelungene berufliche Integration gewertet werden, da diese ein in der Zukunft gelegenes ungewisses – von einer allfälligen Aufenthaltbewilligung abhängiges – Ereignis bedeuten würden. 

Zu dem vom Bw gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 3 NAG (in der damals geltenden Fassung) sei von der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich eine negative Stellungnahme abgegeben worden, weshalb eine Erteilung unwahrscheinlich sei.

Bei seiner Einreise nach Österreich sei der Bw 24 Jahre alt gewesen und habe somit den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens in Nigeria verbracht. Auch habe er in Nigeria die Schule besucht und sei dort als selbstständiger Vogelzüchter tätig gewesen. Eine Reintegration in den Herkunftsstaat sei daher zumutbar.

Zudem stelle laut ständiger Judikatur des VwGH die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Durch seinen Verbleib in Österreich nach Abschluss seines Asylverfahrens habe der Bw die öffentliche Ordnung schwer beeinträchtigt.

Zusammenfassend stellt die belangte Behörde fest, dass die Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten und im Lichte des § 66 FPG (in der damals geltenden Fassung) zulässig sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 1. Februar 2010, erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010. Darin werden die Anträge gestellt, den Bescheid aufzuheben; in eventu die Rechtssache an die Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung zurück zu verweisen; eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

Begründend bringt der Bw im Wesentlichen vor, er habe deshalb einen zweiten Asylantrag gestellt, da seine Berufung als verspätet zurückgewiesen worden sei. Durch das Vorbringen neuer glaubwürdiger Umstände sei der zweite Antrag auch inhaltlich geprüft worden. Dass das Asylverfahren so lange gedauert habe, könne ihm nicht vorgeworfen werden Er habe erst drei Jahre nach seinem zweiten Antrag bzw. vier Jahre nach dem ersten sein Familienleben begründet und sei zu diesem Zeitpunkt auch selbstständig erwerbstätig gewesen.

Er sei unbescholten und seit 2006 mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die er 2005 kennen gelernt habe, verheiratet. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger seien. Dass er nach drei Jahren Aufenthalt in Österreich eine Familie gegründet habe, entspreche einem Menschenrecht des Bw und könne ihm nicht vorgeworfen werden.

Eine Ausweisung würde ihn entwurzeln, indem sie ihn von seiner Kernfamilie trennen, seiner Frau den Ehemann und seinen Kindern den Vater nehmen würde. Seine Frau würde dadurch zu einer von finanziellen Unterstützungen des Staates abhängigen Alleinerzieherin, er selbst würde keine Steuern mehr in Österreich bezahlen und bei seinen Kindern seien psychische Spätfolgen nicht auszuschließen, weshalb er ein psychiatrisches Gutachten zur Frage, welche Schäden eine zwangsweise Trennung vom Vater bei Kindern im Alter von zwei und drei Jahren auslösen könne, beantrage.

Seiner Familie könne es weder finanziell noch kulturell zugemutet werden, mit dem Bw auszureisen. Ein Familienleben außerhalb Österreichs sei nicht möglich, da der Bw weder über die finanziellen noch die rechtlichen Mittel verfüge, um seine Familie regelmäßig in Österreich zu besuchen.

Zum Beweis des aufrechten Familienlebens beantragt der Bw die Einvernahme seiner Frau.

Er rügt weiters, dass weder seine Unbescholtenheit noch der Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben ausreichend berücksichtigt worden sei, andernfalls hätte eine Interessenabwägung im Sinne des Art 8 EMRK zum Ergebnis geführt, dass eine Ausweisung des Bw unzulässig sei.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

3.1. Mit Bescheid vom 24. September 2010 gab die Sicherheitsdirektion Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde.

 

Begründend führt die Sicherheitsdirektion nach Wiedergabe des bekämpften Bescheids und der Berufung des Bw dazu aus, dass durch die Ausweisung erheblich in das Privat- und Familienleben des Bw eingegriffen werde, zumal er beinahe 8 Jahre in Österreich aufhältig sei, mit seiner Gattin und den beiden gemeinsamen Kindern an einer Adresse wohne, zwei Einstellungszusagen habe und er nach eigenen Angaben unbescholten und selbstständig erwerbstätig gewesen sei, weshalb ihm eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzusprechen sei.

 

Dieser Integration sei jedoch gegenüber zu stellen, dass der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrags, der sich letztendlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Sein Familienleben habe er in einem Zeitraum geschaffen, während dessen er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe, was ihm aufgrund der negativen Entscheidung über seinen ersten Antrag und der erstinstanzlichen negativen Entscheidung über seinen zweiten Antrag bewusst gewesen sein hätte müssen.

Aus dem selben Grund relativiere sich auch seine berufliche Integration.

Derzeit sei er ohne Beschäftigung und nicht versichert. Die Einstellungszusagen, die ein Bemühen um eine Beschäftigung ersichtlich machen würden, könnten jedoch nur in geringem Ausmaß als integrationsbegründend gewertet werden, zumal es sich dabei um ein zukünftiges, ungewisses Ereignis handle, das nicht auf eine Daueranstellung nach dem Probemonat schließen lasse.

Auch der Hinweis, dass es durch die Ausweisung des Bw einen Steuerzahler weniger gäbe, veranlasse die Sicherheitsdirektion nicht, zugunsten des Bw von ihrem Ermessen Gebrauch zu machen.

Zudem sei der Bw teilweise durch die Grundversorgung des Landes Oberösterreich unterstützt worden, was der VwGH als stark integrationsmindern werte, zumal es sich dabei um Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen handle.

Auch die Unbescholtenheit des Bw vermöge nicht zu seinen Gunsten auszuschlagen.

 

Darüber hinaus sei die familiäre Integration des Bw zu relativieren, da das Familienleben nicht während einer rechtmäßigen Niederlassung des Bw gegründet worden sei. Der Bw habe zu einem Zeitpunkt, als bereits sein zweites Asylverfahren erstinstanzlich negativ beendet worden war, die Ehe mit seiner österreichischen Gattin eingegangen. Auch die Geburten der Kinder hätten nach diesem Zeitpunkt stattgefunden. Dem Bw hätte bewusst sein müssen, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich zu diesem Zeitpunkt ungewiss gewesen sei, zumal er zu diesem Zeitpunkt nur über einen, sich aus dem Asylrecht ergebenden, faktischen Abschiebeschutz für die Dauer seines zweiten Asylverfahrens verfügt habe.

In weiterer Folge zitiert die Sicherheitsdirektion Judikatur des EGMR, wonach eine Ausweisung unter derartigen Konstellationen nur in besonderen Ausnahmefällen eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstelle.

Dem Bw bleibe es unbenommen, mit seiner Familie per Telefon oder Email in Kontakt zu bleiben und unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erwirken.

Auch der Hinweis, dass im Falle der Ausweisung des Bw seine Frau als Alleinerzieherin staatlich unterstützungsbedürftig werde, stelle ein künftiges, ungewisses Ereignis dar und könne nicht ein aus Art. 8 EMRK ableitbares Bleiberecht für den Bw bewirken. Das treffe auch auf die Vermutung zu, seine Frau werden nach der Karenz nicht in der Lage sein, ein ausreichendes Einkommen zu verdienen, mit dem sie die nach dem NAG erforderliche Zuverdienstgrenze (für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Bw) erreichen könne.

Die Anträge auf Einvernahme der Gattin und Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens wies die Sicherheitsdirektion mit der – auf die Judikatur des VwGH gestützten – Begründung ab, dass Beweisanträge abgelehnt werden dürften, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden. Die Sicherheitsdirektion unterstellt sowohl das Bestehen eines aufrechten Familienlebens als auch die Möglichkeit, dass Kinder unter der Trennung von ihrem Vater leiden können, als wahr. Außerdem könne aufgrund eines Gutachtens zur allgemeinen Frage, welche Schäden die zwangsweise Trennung vom Vater bei Kindern im Alter der Kinder des Bw auslösen könne, nicht auf die Umstände des den Bw betreffenden Einzelfalls geschlossen werden.

 

Zu berücksichtigen sei aber, dass der Bw im Alter von 24 Jahren nach Österreich eingereist sei, in seinem Herkunftsstaat die Schule absolviert und gearbeitet habe. Folglich bestehe in Nigeria ein soziales Netzwerk und es könne davon ausgegangen werden, dass eine Reintegration zumutbar sei.

 

Auch die Tatsache, dass der Bw einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt habe, stehe der Ausweisung nicht entgegen.

 

Die Sicherheitsdirektion zitiert Judikatur des VwGH, wonach der Verbleib eines Fremden trotz negativ abgeschlossenem Asylverfahren eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstelle bzw. die illegale Einreise eines Fremden als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht in die Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG (in der damals geltenden Fassung) einzubeziehen sei.

 

Seine lange Aufenthaltsdauer begründe kein individuelles Bleiberecht. Der Bw halte sich zumindest seit 19. Oktober 2009 illegal in Österreich auf, da zu diesem Zeitpunkt der faktische Abschiebeschutz weggefallen sei. Nach weiteren Zitaten höchstgerichtlicher Judikatur kommt die Sicherheitsdirektion zum Schluss, dass das dem Bw vorwerfbare Fehlverhalten im Verhältnis zur vorgebrachten Integration überwiege und keine besonderen Umstände ersichtlich seien, die eine Ermessensausübung zu seinen Gunsten begründen würden.

 

Mit Begründungen betreffend die vom Bw gestellten Eventualanträge schließt die Sicherheitsdirektion den Bescheid.

 

3.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0420-9, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine Ausweisung, mit der in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen werde, nur dann zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Bei dieser Beurteilung sei unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG (in der damals geltenden Fassung) ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtwertung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung sei der Behörde Ermessen eingeräumt.

 

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) beziehe sich neben der Dauer seines Aufenthalts und der früheren selbstständigen Berufstätigkeit vor allem auf seine Ehe mit einer Österreicherin und die gemeinsamen Kinder, die beide österreichische Staatsbürger seien. Der persönliche, unmittelbare Kontakt wäre von besonderer Wichtigkeit und Kontakte mittels Telefon oder Email nicht ausreichend. Die Einstellungszusagen wären nicht als ausreichend angesehen worden, und seine geltend gemachten guten Deutschkenntnisse wären unberücksichtigt gelassen worden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof folgt der Argumentation des Bf, in dem er feststellt, dass die Sicherheitsdirektion der seit mehreren Jahren bestehenden Haushaltsgemeinschaft des Bf mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern, die aufgrund ihres Alters einer besonderen unmittelbaren Betreuung bedürften, kein ausreichendes Gewicht beigemessen habe. Der von der Sicherheitsdirektion vorgebrachte Beginn der Beziehung zwischen dem Bf und seiner Frau zu einem Zeitpunkt, als dem Bf sein unsicherer Aufenthalt bewusst sein hätte müssen, und die Betonung des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen würden für eine zum Nachteil des Bf ausgehende  Interessenabwägung nicht ausreichen. Darüber hinaus berücksichtige die Sicherheitsdirektion nicht, dass der Kontakt mittels Telefon und Email mit Kleinkinder nicht möglich sei und einem Vater grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt mit seinem Kind zukomme. Dem Verweis auf Besuchsmöglichkeiten in Nigeria bis zur allfälligen Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels durch den Bf fehle es an Tatsachensubstrat. Außerdem sei nicht absehbar, ob und wann dem Bf ein solcher Titel erteilt würde.

Die Sicherheitsdirektion habe zwar auf die Lage des Bf selbst Bezug genommen, jedoch die Lebenssituation seiner Familie vernachlässigt. Gewichte man die Interessen der Ehefrau als – dann – alleinerziehende, bereits derzeit nicht berufstätige Mutter von zwei Kleinkindern und deren Interessen an bestmöglicher Betreuung und Pflege auch durch den Vater mit, erwiesen sich die in diesem Zusammenhang angestellten, oben wiedergegebenen Überlegungen der belangten Behörde als nicht nachvollziehbar.

Ferner habe die Sicherheitsdirektion die aus der Aktenlage abzuleitenden guten Deutschkenntnisse des Bf ebenfalls unberücksichtigt gelassen.

 

Diese – vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte – teilweise unvollständige Auseinandersetzung mit den persönlichen Interessen des Bf und seiner Familie an seinem Verbleib in Österreich könne nicht dadurch aufgewogen werden, dass die Sicherheitsdirektion den Umstand, dass den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung des öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme, wiederholt formelhaft hervorhebe.

 

4. Gemäß § 42 Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofsgesetz 1985 – VwGG idF BGBl. I Nr. 111/2010 tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich am 3. April 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, in einen aktuellen Auszug des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems und des Zentralen Melderegisters.

 

4.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt und bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung vom unter 1. und 2. dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Ergänzend stellt der Oö. Verwaltungssenat fest, dass der Bw über Deutschkenntnisse auf dem Niveau "A2" verfügt und seit 17. Jänner 2006 mit seiner nunmehrigen Gattin an gemeinsamer Adresse wohnt.

 

Darüber hinaus steht fest, dass der Bw mit Urteil vom 9. Februar 2009, 19 U 155/2008m (rechtskräftig seit 13. Februar 2009), wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Wochen, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt wurde.

 

4.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

5.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

5.1.2. Im vorliegenden Fall wurde die Ausweisung auf Basis des § 53 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

 

5.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

5.2.2. Im vorliegenden Fall ist auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist.

 

5.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der           bisherige      Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.       der Grad der Integration;

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des           Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem           Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren           Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden           zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

5.3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

In Anbetracht des rund 9 1/2 Jahre währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet ist dem Bw eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatte, geschaffen hat, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Im Hinblick auf den rund 9 1/2 Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen.

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

5.4. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob wegen eines besonders stark ausgeprägten persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich akzeptiert werden muss, dass der Bw mit seinem Verhalten (illegale Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) im Ergebnis versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (Hinweis E 24. Oktober 2007, 2007/21/0361), vgl. 2007/21/0074 17.07.2008.

 

Mit rund 9 1/2 Jahren Dauer kann der Bw auf einen relativ langen Aufenthalt in Österreich verweisen, wobei der größte Teil davon aufgrund der insgesamt rund sieben Jahre andauernden Asylverfahren rechtmäßig bzw. geduldet war.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 Z.2 FPG ist bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen, ob tatsächlich ein Familienleben besteht.

 

Der Bw ist seit X – also seit etwa sechs Jahren – mit seiner Gattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, verheiratet. Seit 17. Jänner 2006 wohnt der Bw mit seiner Gattin an gemeinsamer Adresse. Am X kam das erste gemeinsame Kind zur Welt, am X das zweite. Beide Kinder sind österreichische Staatsbürger. Es steht somit zweifelsfrei fest, dass tatsächlich ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0420-9 zum gegenständlichen Fall festgestellt hat, ist auch die Lebenssituation der – nach Ausreise des Bw – in Österreich verbleibenden Familie zu berücksichtigen. Abgesehen vom Recht der Kinder, persönlichen Kontakt zum Vater zu pflegen, würde durch die Ausreise des Bw in das Interesse der Ehefrau an Unterstützung - sowohl finanzieller als auch persönlicher Natur – durch den Ehemann erheblich eingegriffen. Dies insbesondere, da der Bw, entsprechend den beiden Einstellungszusagen, ab Erteilung eines Aufenthaltstitels sofort zum Familienunterhalt beitragen könnte.

 

Bezüglich des von der belangten Behörde ins Treffen geführten unsicheren Aufenthalts des Bw zum Zeitpunkt des Entstehens des Privat- und Familienlebens ist insbesondere auf die og. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

 

Es kann dem Bw wohl nach einem rund 9 1/2 Aufenthalt ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür sprechen auch die vom Bw glaubhaft vorgebrachten, mittels Zertifikat über den Abschluss der "Bildungsveranstaltung Deutsch – Integrationskurs Stufe 4" dokumentierten und Deutschkenntnisse auf Niveau "A2".

 

Weiters genießt im vorliegenden Fall die soziale Integration einen hohen Stellenwert. Belegt ist dies durch die frühere selbstständige Erwerbstätigkeit des Bw sowie durch die beiden Einstellungszusagen, die der Bw gemeinsam mit seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Ausweisung vom 23. November 2009 vorgelegt hat. Zwar sind diese Zusagen, wie die belangte Behörde festgestellt hat, an die aufschiebende Bedingung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gebunden, alleine die Tatsache, dass es dem Bw gelungen ist, zwei Einstellungszusagen vorzulegen, zeugt von einem zu berücksichtigenden Grad an Integration. Der Bw hat dadurch bewiesen, dass er einerseits über die nötigen Kontakte auf dem Arbeitsmarkt verfügt, um Einstellungszusagen zu erlangen, andererseits auch über die nötigen persönlichen Voraussetzungen, dass ihm gleich zwei unabhängige Unternehmer dieses Vertrauen entgegenbringen. 

 

Nach dem in Rede stehenden Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat keine relevante Ausprägung erreicht hat. Demgegenüber ist nicht unerheblich, dass der Bw 24 Jahre in Nigeria gelebt und dort eine Ausbildung absolviert hat. Die Tatsache, dass seine Kernfamilie aus österreichischen Staatsbürgern besteht, denen aufgrund ihrer Verwurzelung in Österreich eine Integration in Nigeria, einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen und mit dessen Kultur sie nicht vertraut sind, nicht zugemutet werden kann, lässt allfällige noch bestehende Kontakte des Bw zu Personen in seinem Herkunftsstaat im Rahmen der Interessenabwägung als nicht relevant erscheinen. Ein Familienleben ist der Kernfamilie des Bw nur in Österreich zumutbar. Dem oben zitierten Erkenntnis des VwGH zum gegenständlichen Fall entsprechend, ist überdies – abgesehen vom Recht des Vaters auf persönlichen Kontakt mit seinen Kindern – festzustellen, dass ein Kontakthalten mittels Telefon oder Email aufgrund des Alters der Kinder nicht zumutbar ist.

 

Der Bw gibt an, strafgerichtlich unbescholten zu sein.

 

Aufgrund des aktuellen Auszugs aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems steht fest, dass der Bw mit Urteil vom 9. Februar 2009, 19 U 155/2008m (rechtskräftig seit 13. Februar 2009), wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Wochen, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt wurde.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Auch wenn – wie unter 5.1.1. – dargestellt, im gegenständlichen Fall auch bei Erlassung eines Rückkehrverbots kein Einreiseverbot zu erlassen wäre, so sind die Bestimmungen des § 53 FPG zur Bemessung der Dauer eines allfälligen Einreiseverbots zur Beurteilung der Relevanz der og. Verurteilung im Sinne des § 61 Abs. 2 FPG heranzuziehen.

 

Für ein gemäß § 53 Abs. 2 FPG für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassendes Einreiseverbot werden exemplarisch bestimmte Verwaltungsübertretungen genannt.

 

Für ein höchstens auf zehn Jahre bzw. auch unbefristet zu erlassendes Aufenthaltsverbot werden in § 53 Abs. 3 FPG Tatbestände genannt, denen zumindest gerichtliche Verurteilungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe  von mehr als drei Monaten oder zu bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von mehr als sechst Monaten zugrunde liegen.

 

Da der Bw weder wegen einer in § 53 Abs. 2 FPG genannten Verwaltungsstrafe belangt wurde, noch die über ihn verhängte bedingte Freiheitsstrafe die Untergrenze der in § 53 Abs. 3 FPG genannten Strafen erreicht, stellt die Verurteilung vom 9. Februar 2009 wohl keinen Grund dar, der die Integration des Bw in dem Ausmaß zu mindern vermag, dass dadurch die Beendigung seines Aufenthalts zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des Art. 8 EMRK erforderlich wäre. 

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH und VfGH ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten und familiären Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig überwiegen.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Die dargelegten Umstände verleihen sowohl dem persönlichen Interesse des Bw als auch dem seiner Kernfamilie an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig ist.

 

5.5. Im Ergebnis ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Bw auf Dauer unzulässig.

 

5.6. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Da der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

 

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