Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281311/17/Py/Hu

Linz, 15.03.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. Februar 2011, GZ: 0011206/2010, wegen Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 800 Euro herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 23 Stunden bleibt unverändert.

 

II.        Der Kostenbeitrag des Berufungswerbers zum Verfahren vor der belangten Behörde verringert sich auf 80 Euro. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom         3. Februar 2011, GZ: 0011206/2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Übertretung nach § 130 Abs.1 Z19 iVm § 61 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine  Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 23 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 100 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Der Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, hat folgende Verwaltungsübertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit dem Sitz in x zu vertreten:

Am 21.12.2009 war auf der auswärtigen Arbeitsstelle 'Tischlerei x', ein Arbeitnehmer der x, Herr x, auf einem Arbeitsplatz im Dachboden der Tischlerei bei einer Absturzhöhe von 4 m mit dem Anschluss der neu aufgestellten Breitbandschleifmaschine an die bestehende Absauganlage beschäftigt, ohne dass der Arbeitsplatz mit einer Einrichtung zum Schutz gegen Absturz versehen war. Der Bodenbelag des Dachbodens war eine in Leichtbauweise hergestellte Akustikdecke (Faserplatten ca. 50 cm x 50 cm in Leichtbauweise eingelegt, Leichtbaurahmen an Bretterbinder des Dachstuhles abgehängt) und daher nicht durchbruchsicher. Die vom Arbeitnehmer über die Montagestelle gelegte Holzfaserplatte war kein geeignetes Mittel gegen Absturz, da auch sie nicht durchbruchsicher war."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass der im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses festgestellte Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt ist. Einen Schuldentlastungsbeweis konnte der Bw mit seiner Rechtfertigung nicht erbringen. Dass einem Arbeitnehmer ein Foto des Dachbodens übergeben wurde und er vom Auftraggeber auf die abgehängte, nicht durchbruchsichere Decke hingewiesen wurde, kann eine konkrete Anweisung, welche Schutzmaßnahmen bei den Arbeiten auf der nicht durchbruchsicheren Decke zu treffen wären, nicht ersetzen.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird festgehalten, dass unter Zugrundelegung des geschätzten monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 3.000 Euro und dem Nichtvorliegen von Sorgepflichten die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Bw angemessen erscheint. Strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet, straferschwerende Umstände lägen nicht vor.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 2. März 2011. Darin bringt der Bw vor, dass die belangte Behörde ihre Feststellungen ausschließlich auf den Bericht des Arbeitsinspektorates vom 8. März 2010 stützt und die vom Bw eingebrachte Stellungnahme vom 26. April 2010 gänzlich unberücksichtigt lässt. In dieser Rechtfertigung hat der Bw darauf hingewiesen, dass die Montagearbeiten nicht an den ursprünglich geplanten und vereinbarten Platz durchzuführen waren, sondern etwa 1 m entfernt von der ursprünglich bezeichneten Stelle. Der Arbeitnehmer entschied vor Ort, die Leitung nach Kundenwunsch zu montieren, wofür die Überbrückung des Zwischenraums zwischen zwei Laufbrücken im Dachboden notwendig war. Bei dieser Überbrückung wurde – offenbar aus einer Verwechslung heraus – ein nicht durchbruchsicheres Brett verwendet, was zu dem Unfall führte. Entgegen der Ansicht der erstinstanzlichen Behörde gab es auch seitens des Kunden, in dessen Werkstatt die Maschine angeschlossen werden sollte, eine konkrete Anweisung, welche Schutzmaßnahmen bei der Arbeit auf der nicht durchbruchsicheren Decke zu treffen sind, indem dieser darauf hingewiesen hat, dass nur auf den Laufbrücken gefahrlos gegangen werden kann und die abgehängte Decke nicht betreten werden darf. Hätte die Behörde erster Instanz berücksichtigt, dass eine entsprechende Unterweisung stattgefunden hat, sowie dass aufgrund der örtlichen Gegebenheiten das Aufstellen eines Gerüstes nicht möglich war, so hätte es zur Einstellung des Strafverfahrens kommen müssen, allenfalls die Strafe erheblich herabzusetzen gehabt. Die belangte Behörde übersieht, dass oftmals erst vor Ort entschieden wird, wo genau die bestellte Maschine aufgestellt und angeschlossen werden soll. Es kann vom Bw bzw. den direkten Vorgesetzten der Techniker nicht verlangt werden, jede einzelne Arbeitsstätte auf potentielle Gefahren hin persönlich zu untersuchen und erst dann bei einem weiteren Termin den Techniker mit der Montage beginnen zu lassen, insbesondere da sich die auswärtigen Arbeitsstätten in ganz Österreich befinden. Fahrlässiges Verhalten ist dem Bw sohin nicht vorwerfbar. Zudem begründet      § 8 ASchG für Arbeitsstätten, in der betriebsfremde Arbeiter tätig sind, eine Verpflichtung der jeweiligen Verantwortlichen, für die Information über die Gefahren an der Arbeitstätte und eine entsprechende Unterweisung zu sorgen, Schutzmaßnahmen festzulegen sowie für deren Durchführung zu sorgen. Zudem hat sich die Behörde nicht damit auseinander gesetzt, dass die Techniker in Sicherheitsfragen jährlich geschult werden und diese vor Ort mit dem Auftraggeber die Gefahrensituation einschätzen und die geeigneten Schutzmaßnahmen ergreifen. Aufgrund der Vielzahl der gänzlich unterschiedlichen Einsätze der Techniker ist es dem Beschuldigten unmöglich, für jeden Auftrag konkret eine Sicherheitsanweisung durchzuführen,  zumal auch oftmals – wie auch in dem hier vorliegenden Fall – erst bei Durchführung des Montageeinsatzes vom Kunden der genaue Standort bestimmt oder gar geändert wird. Der Bw hat daher die vom § 130 ASchG geforderten Maßnahmen rechtzeitig in die Wege geleitet.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass das Strafausmaß unverhältnismäßig und von der belangten Behörde viel zu hoch bemessen wurde. Die Milderungsgründe wurden eindeutig zu wenig gewichtet und das Verschulden zu hoch angenommen.

 

3. Mit Schreiben vom 4. März 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, Einsicht in den Verfahrensakt 54 BAZ 607/10i der Staatsanwaltschaft Eisenstadt sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Februar 2012. Aufgrund des dem Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhangs wurde diese gemeinsam mit der im Verfahren zu VwSen-281312 anberaumten Berufungsverhandlung gegen den Mitgeschäftsführer des vom Bw vertretenen Unternehmens durchgeführt (vgl. § 51e Abs.7 VStG). An dieser Berufungsverhandlung haben die Rechtsvertreterin der Bw sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates als Parteien teilgenommen. Als Zeugen wurden Herr x und Herr x einvernommen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x (in der Folge: Firma x).  

 

Am 21. Dezember 2009 führten die beiden Arbeitnehmer der Firma x, Herr x und Herr x, im Auftrag der Firma x in der Tischlerei x, Arbeiten zur Montage einer Absauganlage an einer neuen Breitbandschleifmaschine durch. Es war erforderlich, die bereits bestehende Rohrleitung mit der darunter liegenden Maschine durch neue Verrohrungen zu verbinden. Dafür waren - unüblicherweise – die Arbeiten auf dem Dachboden der Tischlerei zu verrichten. Der Vorgesetzte der beiden Arbeitnehmer, Herr x, übergab dazu Herrn x eine von der Herstellerfirma der Absauganlage angefertigte Handskizze, aus der die Montageanleitungen hervorgingen. Sicherheitsunterweisungen, wie sich die Arbeitnehmer bei der Ausführung des Auftrages auf dem Dachboden zu verhalten hatten, wurden ihnen seitens der Firma x nicht erteilt. Der nur geringfügig ausgeleuchtete Dachboden wies starke Staubablagerungen und schlechte Lichtverhältnisse auf. Seitens des Tischlereibetreibers wurde Herr x darauf aufmerksam gemacht, dass der Bodenbelag des Dachbodens, eine in Leichtbauweise hergestellte Akustikdecke, nur im Bereich der aufgelegten Laufbrücke aus Bretter, nicht jedoch außerhalb dieses Bereiches trittsicher ist. Um die Montagestelle zu erreichen, war jedoch auch ein Begehen des nicht trittsicheren Bereiches erforderlich. Zur Herstellung dieser Standfläche verwendeten die beiden Arbeitnehmer der Firma x daher eines der auf dem Dachboden aufliegenden Bretter, eine 28 mm starke und ca. 30 cm breite Holzfaserplatte, in der Annahme, ein trittsicheres und tragfähiges Brett zu verwenden. Als Herr x auf dieser Holzplatte kniete, brach sie unter seinem Körpergewicht durch und er stürzte ca. 4m tief durch die abgehängte Decke auf den Boden der darunter liegende Tischlereiwerkstätte. Herr x riss sich dabei die Finger aus den Gelenken und war ca. 6 Monate im Krankenstand.

 

Anweisungen, wie sich die Arbeitnehmer in Situationen, in denen die Gefahr eines Absturzes besteht, zu verhalten haben, gab es zum damaligen Zeitpunkt im Unternehmen keine.

 

Am kommenden Tag wurde der Fußboden des Dachbodens entsprechend verschallt, um ein trittsicheres Betreten zur Ausführung der Absaugleitungen zu ermöglichen, und die Arbeiten durch die Firma x fertig gestellt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen x und x. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Umstand, dass von den beiden Arbeitnehmern der Firma x Arbeiten in einer Absturzhöhe von 4 m ohne geeignete Mittel gegen Absturz durchgeführt werden mussten, unbestritten ist und zudem aus dem Beweisverfahren eindeutig hervorging, dass die beiden Arbeitnehmer keinerlei Anweisungen hatten, wie sie sich in einer Situation, in der die Gefahr eines Absturzes besteht, zu verhalten haben. Aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der beiden Arbeitnehmer der Firma x geht hervor, dass es sich bei den Arbeiten auf dem Dachboden um eine für sie eher ungewöhnliche Situation gehandelt hat und ihnen für derartige Arbeitsplätze keinerlei Sicherheitsanweisungen gegeben wurden (vgl. Tonbandprotokoll Seite 3, Zeuge x: "Wenn ich gefragt werde, ob mir Herr x zuvor Anweisungen gegeben hat, sicherheitstechnisch, wie wir uns auf dem Dachboden zu verhalten haben, so gebe ich dazu an, dass ich glaube, dass er das selbst nicht einmal gewusst hat.  ...  Sicherheitsthemen wurden davor bezüglich dieses Vorhabens nicht in der Firma angesprochen, weil es ja derartige Betriebsstätten für uns auch noch nie davor gegeben hat"). Ebenso der Zeuge x, TBP S. 5: "Anweisungen seitens der Firma x hinsichtlich der sicherheitstechnischen Vorkehrungen habe ich nicht bekommen, ich nehme an, dass die Firma x auch nicht wusste, wie es dort aussieht"). Offenkundig waren die Arbeitnehmer dazu angehalten, bei Gefahrensituationen selbst nach entsprechenden Lösungen zu suchen (vgl. TBP S. 3, Zeuge x "Ich hatte in diesem Zusammenhang schon ein etwas mulmiges Gefühl, aber es ist meine Arbeit und ich hätte ja nicht sagen können, das mag ich nicht machen, nur weil ich mir unsicher bin"); ebenso der Zeuge x in der mündlichen Berufungsverhandlung: "Zu diesem Zeitpunkt, als der Unfall passierte, wäre es vielleicht ein Problem gewesen oder auch nicht, aber es wäre jedenfalls ungewöhnlich gewesen, wenn wir in der Firma angerufen hätten und gesagt hätten, das machen wir nicht, weil es Sicherheitsprobleme geben könnte" (vgl. TBP S. 5).

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragenen Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Seitens des Bw wird nicht bestritten, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x für die Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.

 

5.2. Gemäß § 130 Abs.1 Z19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtung betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt.

 

Gemäß § 61 Abs.3 ASchG müssen Arbeitsplätze und Zugänge zu den Arbeitsplätzen erforderlichenfalls mit Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz oder herab fallende Gegenstände versehen sein.

 

Gemäß § 2 Abs.4 ASchG ist Arbeitsplatz im Sinn dieses Bundesgesetzes der räumliche Bereich, in dem sich Arbeitnehmer bei der von ihnen auszuübenden Tätigkeit aufhalten.

 

Unbestritten blieb, dass im gegenständlichen Fall die Arbeitnehmer der Firma x am 21. Dezember 2009 Arbeiten auf dem Dachboden einer Tischlerei zu verrichten hatten, dessen Bodenbelag nicht durchbruchsicher war, wodurch die Gefahr des Absturzes auf den ca. 4 m darunter liegenden Boden der Werkstätte bestand und keine ausreichenden Einrichtungen zum Schutz gegen Absturz vorhanden waren.

 

Der objektive Sachverhalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.

 

5.3. Vom Bw wird der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht bestritten. Er führt jedoch aus, dass ihn an der ihm zur Last gelegten Übertretung der Arbeitnehmerschutzvorschriften kein Verschulden trifft.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch im gegenständlichen Fall handelte es sich um ein Ungehorsamsdelikt, da zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Im Fall eines Ungehorsamsdelikts tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern eine Umkehr der Beweislast ein, als die Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (VwGH vom 14. September 2001, Zl. 2000/02/0181). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Eine solche Glaubhaftmachung bedarf der Dartuung, dass der Beschuldigte trotz Entfaltung zumutbarer Maßnahmen nicht die Möglichkeit hatte, die angelastete Verwaltungsübertretung hintan zu halten (vgl. VwGH vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0135). Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Das Vorbringen des Bw sowie das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens war jedoch nicht geeignet darzutun, dass der Bw durch die Einrichtung geeigneter organisatorischer Maßnahmen und Kontrollen die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes zum Tatzeitpunkt ausreichend sichergestellt hat.

 

Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässig, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, sondern wird ihm zugebilligt, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer daher dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

 

Der dem Bw nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn treffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (vgl. VwGH vom 18. September 1991, Zl. 90/19/0177, vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus. Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgt. Im Erkenntnis vom 20. Dezember 2002, Zl. 99/02/0220, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen hat.

 

Im gegenständlichen Beweisverfahren stellte sich heraus, dass entsprechende Sicherheitsanweisungen, wie sich die Arbeitnehmer der Firma x bei Gefahrensituationen, bei denen die Gefahr des Absturzes am Arbeitsplatz vorlag, nicht vorhanden waren. Vielmehr waren die Arbeitnehmer diesbezüglich hinsichtlich der sie treffenden Schutzmaßnahmen völlig auf sich alleine gestellt. Gerade im gegenständlichen Fall, bei dem Arbeiten zu verrichten waren, die sich von den sonstigen Verrichtungen der Arbeitnehmer unterschieden, da diese einerseits auf einem Dachboden durchzuführen waren, andererseits Arbeiten betrafen, die üblicherweise nicht in ihren normalen Arbeitsablauf fielen, wäre es erforderlich gewesen, die Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers ausführlich über die vorhandenen Gefahren und die zu treffenden Schutzmaßnahmen zu informieren. Im Beweisverfahren stellte sich jedoch heraus, dass der Arbeitgeber über diese Gefahrensituation, auf die die Arbeitnehmer bei ihrer Tätigkeit trafen, nicht informiert war, sondern die Abschätzung der Lage und das Ergreifen allfälliger Maßnahmen zur Gänze seinen Arbeitnehmern übertrug. Deshalb kann dem Bw auch der Umstand, dass – zumindest einer seiner Arbeitnehmer – vom Kunden darauf aufmerksam gemacht wurde, dass der Boden des Dachbodens nicht zur Gänze betretbar ist, nicht entlasten, da den Bw die gesetzliche Pflicht zur sicheren Gestaltung der Arbeitsplätze seiner Arbeitnehmer/innen trifft. Zudem zeigte sich, dass durch die trittsichere Verschalung des Bodens am kommenden Tag ein entsprechender Schutz gegen Absturz hergestellt werden konnte.

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist dem Bw daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen und ist von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Neben der bereits von der belangten Behörde bei ihrer Strafbemessung gewerteten Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt dem Bw als weiterer zu berücksichtigender Milderungsgrund die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zugute. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates nahezu zweieinhalb Jahre vergangen, sodass von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund iSd § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten.

 

Hinsichtlich des Verschuldens ist festzustellen, dass vor dem Arbeitsunfall vom Bw offenbar eine erhebliche Sorglosigkeit im Umgang mit den gegenständlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften an den Tag gelegt wurde. Der Oö. Verwaltungssenat verkennt zudem nicht, dass als erschwerend zu werten ist, dass durch das fahrlässige Verhalten des Bw einer seiner Arbeitnehmer erheblich verletzt wurde. Jedoch erscheint nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auch mit der nunmehr verhängten Strafhöhe eine ausreichende Sanktion gesetzt, um dem Bw die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und ihn künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten. Gleichzeitig wird er jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass bei künftigen Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften mit empfindlich höheren Strafen zu rechnen ist.

 

Zur Nichtherabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe ist zunächst auf § 16 Abs.2 VStG zu verweisen, wonach die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Die belangte Behörde hat eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro festgelegt, welche 13% der vorgesehenen Höchststrafe in Geld beträgt. Auch wenn ein fester Umrechnungsschlüssel nicht besteht, ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates die Festlegung der belangten Behörde der Ersatzfreiheitsstrafe mit 23 Stunden nicht schlüssig, wenn diese angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe wesentlich geringer als 13% (rd. 7%) der vorgesehenen Höchstgrenze für die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt. Durch die Nichtherabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde dieses Missverhältnis zur verhängten Geldstrafe gemindert.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum