Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401157/5/WEI/Ba

Linz, 12.03.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des U B, geb. X, Staatsangehöriger der Türkei, dzt in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Wels, Dragonerstraße 29, 4600 Wels, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Wels zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

II. Der Antrag auf Befreiung von Verfahrenskosten wird als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei BPD Wels) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 24. Februar 2012, Zl. 1-1036396/FP/12, ordnete die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 3 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Der Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung ins Türkische und damit in eine für den Bf verständlichen Sprache übersetzt wurde, wurde dem Bf am 24. Februar 2012 um 10:00 Uhr übergeben, er verweigerte aber die Unterschrift auf der Zustellbestätigung. In der Folge kam er zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Wels.

 

1.2. Der Bf brachte am 3. Juni 2011 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Im Zuge von Dublin-Konsultationen mit Rumänien und Bulgarien teilten diese Staaten mit, dass der Bf in Datenbanken nicht aufscheine, weswegen die Dublin II Verordnung nicht anzuwenden wäre. In weiterer Folge wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. September 2011, Zl. 11 05.391-EASt West, der Antrag des Bf abgewiesen und ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Türkei nicht zugesprochen. Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 ASylG 2005 wurde die Ausweisung in die Türkei verfügt.

 

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. E11 421.742-1/2011/8E, gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung enthält auch einen Hinweis (in einer dem Bf verständliche Sprache) auf die Durchsetzbarkeit der Ausweisung und die Verpflichtung des Bf gemäß § 10 Abs 7 erster Satz AsylG 2005, innerhalb von 14 Tagen auszureisen. Außerdem wird er auf die Möglichkeit nach § 55a Fremdenpolizeigesetz aufmerksam gemacht, binnen drei Tagen ab Durchsetzbarkeit der Ausweisung bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise persönlich einzubringen.

 

Nach dem Bericht der Polizeiinspektion (PI) Lackenbach AGM vom 30. Jänner 2012 an den Asylgerichtshof wurde dem Bf die Entscheidung des Asylgerichtshofs am 27. Jänner 2012 um 17:45 Uhr persönlich ausgefolgt bzw zugestellt, die Aufenthaltsberechtigungskarte abgenommen und dem Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, übermittelt.

 

1.3. Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde stellte der Bf bei der Erstbefragung am 23. Februar 2012 auf der PI Dragonerstraße 29 in Wels (vgl Niederschrift über EB samt Beilagen) einen Asylantrag unter dem Namen K H, geb. X in K/Syrien. Nach AFIS-Abgleich (Vergleich der Fingerabdrücke) stellte sich heraus, dass es sich im Wahrheit um den Bf U B, geb. X in K/Türkei, handelte und dass ein Folgeantrag vorlag, weil das erste Asylverfahren zu Zl. 11 05.391 schon rechtskräftig negativ mit Ausweisung in die Türkei entschieden worden war.

 

Bei der Erstbefragung gab der Bf an, dass er zuletzt in H, H, seinen Hauptwohnsitz hatte. Er habe sich dort aber seit mindestens zwei Wochen nicht mehr aufgehalten, sondern am Bahnhof oder bei Freunden übernachtet. Über Vorhalt der negativen Asylentscheidung im ersten Asylverfahren, räumte der Bf ein, dass untergetaucht sei, weil er Angst vor Abschiebung hatte. Er gab ferner an, dass er außer Bekannte aus dem Flüchtlingsheim keine Bezugspersonen oder Verwandte in Österreich habe.

 

Am 7. Februar 2012 stellte der Bf einen Antrag auf Wiederaufnahme seines ersten Asylverfahrens. Dazu erhob die belangte Behörde am 24. Februar 2012 beim Journaldienst des Bundesasylamts, dass dadurch kein Abschiebeschutz begründet werde. Sie verhängte in der Folge die Schubhaft und führte begründend aus, dass diese zur Sicherung des asylrechtlichen Verfahrens und der Abschiebung notwendig sei. Da der Bf auch nach eigenen Angaben unter seiner Meldeadresse in H nicht mehr wohnhaft war und am Bahnhof oder bei Freunden übernachtete, sei auch die Abstandnahme von einem gelinderen Mittel notwendig gewesen. Der Bf habe sich nach der rechtskräftigen Asylentscheidung aus dem Burgenland abgesetzt, weil er Angst vor Abschiebung hatte. Die Fremdenpolizei könne demnach auf ihn nicht zugreifen, sollte er in Freiheit belassen werden.

 

1.4. Mit Verfahrenanordnung vom 29. Februar 2012, Zl. 12 02.225 gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 teilte das Bundesasylamt (BAA), Erstaufnahmestelle (EASt) West, dem Bf mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht (Hinweis auf § 28 Abs 2 AsylG). Die Mitteilung gelte auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren.

 

Für den 6. März 2012 hat das BAA EASt West den Bf zur behördlichen Einvernahme über den Folgeantrag geladen.

 

1.5. Am 6. März 2012 wurde per Telefax vom Verein Menschenrechte Österreich eine Schubhaftbeschwerde vom 6. März 2012 übermittelt, wobei dieser Verein aber nicht als Vertreter auftrat, sondern einen handschriftlichen und vom Bf am 27. Februar 2012 unterfertigten Anhang anschloss, der auf die Gründe in der Telefaxeingabe verweist. Somit geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass die per Telefax erhobene Beschwerde vom Bf stammt.

 

Abschließend werden gestellt folgende

 

"Anträge

 

1.       UVS des Landes Oberösterreich möge meine Anhaltung in der Schubhaft ab 24.02.2012 für rechtswidrig erklären;

2.       mich von Verfahrenskosten befreien."

 

2.1. In der Beschwerde wird nach Darstellung von unstrittigen Tatsachen die Ansicht vertreten, dass der Bf durch seine Meldung bei der Behörde großes Interesse an der Weiterführung seines Asylverfahrens gezeigt hätte. Wenn ihm die Entfernung aus seiner Unterkunft im Burgenland vorgeworfen werde, könne er dazu sagen, dass er sich nach weiterer Überlegung doch entschlossen hätte, sich der Behörde zu stellen und wieder um Asyl anzusuchen. Damit hätte er gezeigt, dass er nicht in die Illegalität untertauchen wollte, sondern bereit gewesen wäre, der Behörde zur Verfügung zu stehen. Deshalb wäre die Schubhaft schon zum Zeitpunkt der Verhängung als rechtswidrig zu betrachten. Die Behörde hätte nicht einschätzen können, wann und ob es überhaupt zur Abschiebung des Bf kommen werde.

 

2.2. Mit Telefaxschreiben vom 6. März 2012 hat die belangte Behörde vorweg den Schubhaftbescheid sowie die asylbehördliche Verfahrensanordnung übermittelt, auf die wesentlichen Tatsachen im gegenständlichen Verfahren hingewiesen und die Übermittlung des Originalaktes im Postweg angekündigt. Dieser langte am 8. März 2012 ein. Im Vorlageschreiben wird beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen und die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft festzustellen.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat die Bundespolizeidirektion Wels den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf wird noch in Schubhaft angehalten, seine Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 1a FPG dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

 

  1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
  2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall des Abs 3 und 4 vorliegt.

 

§ 80 Abs 3 FPG erlaubt die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

 

§ 80 Abs 4 FPG enthält weitere Verlängerungsgründe. Kann oder darf der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden,

 

  1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
  2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
  3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten  nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängte wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrecht erhalten werden.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 FPG vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von 10 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im gegenständlichen Fall konnte die belangte Behörde die Schubhaft auf den § 76 Abs 2 Z 3 FPG stützen, weil gegen den Bf vor der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung erlassen worden ist. Dieser Schubhafttatbestand hat vor allem den Zweck, der missbräuchlichen Stellung von Asylanträgen (insbesondere auch Folgeanträgen) kurz nach dem Vorliegen durchsetzbarer Ausreiseentscheidungen entgegenzuwirken. Gemäß § 10 Abs 7 Satz 1 AsylG 2005 gilt eine durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen.

 

Dem Bf wurde am 27. Jänner 2012 die abweisende Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 24. Jänner 2012 zugestellt. Damit wurde die damit verbundene und gegen ihn erlassene Ausweisung in die Türkei rechtskräftig und verbindlich. Dementsprechend wurde er auch vom Asylgerichtshof auf seine Ausreiseverpflichtung gemäß § 10 Abs 7 Satz 1 AsylG 2005 ausdrücklich hingewiesen.

 

Der Bf ist dieser Verpflichtung nicht nur nicht nachgekommen, sondern er verließ auch seine gemeldete Unterkunft im Burgenland, um unterzutauchen und sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden aus Angst vor Abschiebung zu entziehen. Wie er selbst bei der Erstbefragung zum Folgeantrag am 23. Februar 2012 angab, verhielt er sich schon seit mindestens zwei Wochen unstet und übernachtete am Bahnhof oder bei Freunden.

 

4.7. Die Beschwerde versucht nun die Vorsprache des Bf zur Stellung des Folgeantrags als Gesinnungswandel des Bf darzustellen, der sich damit der Behörde (welcher?) wieder hätte stellen wollen. Diese Deutung des Verhaltens des Bf kann das erkennende Mitglied des UVS Oberösterreich in keiner Weise teilen. Tatsächlich hatte der Bf das Burgenland verlassen und wechselte in ein anderes Bundesland und in den Zuständigkeitsbereich anderer Fremdenpolizeibehörden, weil er sich davon offenbar den Vorteil versprach, einen aussichtsreichen Asylantrag unter falscher Identität stellen zu können, ohne als der Fremde erkannt zu werden, dessen erstes Asylverfahren gerade erst rechtkräftig negativ abgeschlossen worden war. Wie sonst sollte man - angesichts der derzeit aus den Medien bekannten bürgerkriegsähnlichen Situation in Syrien mit massiven Menschenrechtsverletzungen - den Versuch des Bf deuten, sich bei der Erstbefragung unter falschem Namen als syrischer Staatsangehöriger auszugeben. Offenbar hat der Bf nur nicht damit gerechnet, dass der Schwindel nach erkennungsdienstlicher Behandlung durch den AFIS-Abgleich mit gespeicherten Daten schon sehr bald auffliegen musste. Es kann daher keine Rede davon sein, dass sich der Bf stellen und ganz offiziell einen Folgeantrag einbringen wollte. Vielmehr wollte er offenbar durch Stellung eines Asylantrags unter falscher Identität nach rechtskräftiger Ablehnung seines früheren Asylantrags abermals ein zumindest vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich erlangen.

 

Bereits am 29. Februar 2012 teilte das BAA EASt West dem Bf mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mit, das beabsichtigt sei, seinen zur Zahl 12 02.225 gestellten Asylantrag wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen. Diese Bekanntgabe im Zulassungsverfahren gilt gemäß § 27 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 auch als Einleitung eines (weiteren) Ausweisungsverfahrens, worauf die Asylbehörde den Bf auch ausdrücklich hinwies. Damit lag durch das Fortschreiten des zweiten Asylverfahrens ab diesem Zeitpunkt der Schubhafttatbestand des § 76 Abs 2 Z 2 FPG (Einleitung eines Ausweisungsverfahrens) vor.

 

Erfahrungsgemäß entscheidet die Asylbehörde nach einer solchen Mitteilung und nach Einvernahme des Asylwerbers rasch über den Folgeantrag. Der Bf muss im nunmehrigen Stadium schon bald mit der Zurückweisung seines Folgeantrags rechnen. In diesem Verfahrensstadium droht ihm demnach ganz zeitnah die Abschiebung.

 

Die belangte Behörde hat der Sache nach zutreffend argumentiert, dass ein erhöhter Sicherungsbedarf angenommen werden muss, bei dem ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht in Betracht kommt, weil der Zweck der Schubhaft damit voraussichtlich nicht erreichbar wäre. Durch sein oben dargelegtes Fehlverhaltens hat sich der Bf als vertrauensunwürdig erwiesen. Dazu kommt seine ausgeprägte Ausreiseunwilligkeit, seine Mittellosigkeit und die mangelnde soziale Verankerung in Österreich. Da er binnen kurzer Zeit mit seiner Abschiebung in die Türkei rechnen muss, der er auf jeden Fall entgehen will, würde er sich auf freiem Fuße dem fremdenpolizeilichen Zugriff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei erster Gelegenheit entziehen.

 

Im Ergebnis war aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die Verhängung der Schubhaft und deren Aufrechterhaltung notwendig und verhältnismäßig, weil im überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens, erscheint. Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen. Gemäß § 83 Abs 4 FPG hatte der UVS Oberösterreich daher auch festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt vorliegen.

 

5. Eine Befreiung des Bf von Verfahrenskosten ist gesetzlich nicht vorgesehen und deshalb von vorneherein nicht möglich. Der darauf abzielende Antrag des Bf war daher als unzulässig zurückzuweisen.

 

Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum