Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166466/21/Bi/Kr

Linz, 16.04.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F O, B, W, vom 3. November 2011 gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 28. Oktober 2011,  VerkR96-5890-2011, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 23. und 29. März 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatort von "ca km 255" auf "Bereich nach der Raststätte Mondsee bis kurz vor der Ausfahrt Oberwang" abgeändert wird.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 16 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro (60 Stunden EFS) verhängt, weil er am 30. Jänner 2011, 17.15 Uhr als Lenker des Pkw x auf der A1 Westautobahn, Gemeindegebiet Oberwang, ca Strkm 255, Fahrtrichtung Wien, ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet worden seien.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 29. März 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Erstinstanz Frau R B, der Zeugen DI(FH) R L (L) und P A (A) sowie des kfztechnischen Amtssachver­ständigen Dipl.HTL-Ing. R H (SV) durchgeführt. Da der Bw und die Zeugin B O (O) in W leben und an diesem Tag am Erscheinen verhindert waren, erfolgte die Zeugenein­vernahme der Gattin des Bw und seine eigene Einvernahme bereits am 23. März 2011 mit der Vereinbarung, die Berufungs­verhandlung in Abwesenheit des Bw durchzuführen und anschließend schriftlich Parteiengehör zu wahren. Der Bw hat sich mit Schreiben vom 5. April 2012 geäußert und Verfahrenseinstellung beantragt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungs­entscheidung wurde verzichtet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei zwar am genannten Tag auf der Westautobahn unterwegs gewesen, habe aber bereits in Oberwang die Autobahn verlassen, um zu ihrem Feriendomizil in X. zu fahren. Es sei daher sinnlos, einen Kilometer vor der Ausfahrt Oberwang ein derartiges Überhol­manöver, wie der Anzeiger beschrieben habe, durchzuführen. Er könne sich auch nicht an ein Fahrmanöver erinnern, das auch nur Ähnlichkeit mit dem vom Anzeiger beschriebenen Fahrverhalten gehabt habe. Er habe keinesfalls einen Pkw rechts überholt oder jemanden geschnitten oder gar gefährdet. Er könne sich nur vorstellen, dass der Zeuge L seinen mit einem anderen Pkw verwechselt habe, zumal nicht nur sein gesamter Pkw sondern auch die Kennzeichentafeln derart verschmutzt gewesen seien, dass er am nächsten Tag bei der Heimfahrt nach W sogar von einem Beamten der Autobahnpolizei St. Valentin ange­halten und aufgefordert wurde, die Kennzeichen zu reinigen. Es könne sich nur um einen Ablesefehler handeln bzw habe der Anzeiger, der selbst von einem "Tumult" in seinem Fahrzeug nach dem Vorfall gesprochen habe und dadurch möglicherweise abgelenkt gewesen sei, seinen Pkw gesehen und für den Überholer gehalten. Das beschriebene Manöver entspreche absolut nicht seinem üblichen Fahrverhalten, er fahre 39 Jahre unfallfrei und sei unbescholten. Er fahre oft lange Strecken, auch bei Nacht, und er nehme auch oft Kollegen mit, von denen sich noch nie jemand über seinen Fahrstil beschwert habe. Er halte auch die unabsichtliche Durch­führung eines derartig verkehrsgefährdenden Überholmanövers für gänzlich ausgeschlossen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die Zeugen L, A und O unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB, die Zeugin O auch unter Hinweis auf ihr Entschlagungsrecht als Gattin des Bw, einvernommen und ein kfztechnisches SV-Gutachten zur technischen Nachvollziehbarkeit des beschriebenen Fahrmanövers erstellt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge L fuhr am Abend des 30. Jänner 2011 gegen 17.15 Uhr mit seiner Lebensgefährtin A und den beiden Kindern auf der Westautobahn vom Schifahren nach Hause. Er war bei Thalgau auf die A1, RFB Wien, aufgefahren und wollte bei St. Georgen die Autobahn verlassen. Er erstattete bei der PI St. Georgen/A. Anzeige gegen den ihm unbekannten Lenker des Pkw x, weil ihn dieser ca einen Kilometer vor der Ausfahrt Oberwang mit hoher Geschwindigkeit auf der Überholspur eingeholt, anschließend rechts überholt und beim sofortigen Spurwechsel auf die Überholspur geschnitten und dabei zum abrupten Bremsen und Verreißen des Lenkrades genötigt und damit gefährdet habe. Er selbst schilderte den Vorfall so, dass er, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass niemand nachgekommen sei, auf die Überholspur gewechselt habe, um zwei vor ihm fahrende Pkw zu überholen. Auf der Überholspur fahrend habe er plötzlich Lichtspiegelungen an der Mittelleitschiene bemerkt, die er nach einem Blick in den Spiegel nicht zuordnen habe können. Er habe dann aber plötzlich einen Pkw ganz knapp hinter sich bemerkt, und die Spiegelungen auf ein Aufblenden zurückgeführt. Da er aber gerade im Begriff gewesen sei, zum Über­holen des zweiten Pkw anzusetzen, sei er links geblieben. Daraufhin habe ihn dieser Pkw mit enormer Beschleunigung rechts überholt und sich dann in die Lücke zwischen seinem Pkw und dem auf der rechten Spur fahrenden Pkw hineingedrängt, obwohl er persönlich solches aus seinem Blickwinkel zunächst für gar nicht möglich gehalten habe. Er habe daraufhin eine kurze starke (Not-)Bremsung durch­geführt und sei nach links ausgewichen, habe aber sofort gesehen, dass der Pkw vor ihm rasch wieder beschleunigt und sich mit hoher Geschwindigkeit von ihm entfernt habe. Er habe aber das Kennzeichen ablesen können, das er mit x angegeben habe. Zur Marke konnte er nichts sagen, nur dass dieser Pkw stark verschmutzt gewesen sei. Vermutlich sei er silbergrau gewesen, aber er habe darauf nicht geachtet, sondern nur auf das Kennzeichen. Er habe die Zeugin A schon auf den Pkw hingewiesen, als er den geringen Abstand bemerkt habe; diese habe dann das Kennzeichen aufge­schrieben. Durch die Bremsung und das abrupte Auslenken hätten sich die Kinder geschreckt und zu weinen begonnen. Die Zeugin A und er hätten das Kennzeichen im Scheinwerferlicht ablesen können und die Zeugin A habe es notiert. Das Kennzeichen sei nicht so verschmutzt gewesen, dass es gar nicht mehr ablesbar gewesen wäre. Eine Ziffernunsicherheit oder -verwechslung schloss der Zeuge dezidiert aus.

 

In der Berufungsverhandlung beschrieb der Zeuge L das Fahrverhalten des überholenden Pkw-Lenkers weiterhin so wie in der Anzeige, wobei er seine eigene Geschwindigkeit mit 130 bis 140 km/h und die der beiden von ihm überholten Fahrzeuge mit etwa 120 km/h angab. Der überholende Pkw müsse eine hohe PS-Zahl haben, weil er mit enormer Geschwindigkeit nachgekommen sein müsse und ihn mit hoher Beschleunigung rechts überholt habe. Er sei so nah hinter ihm gewesen, dass er die Scheinwerferkegel nicht mehr gesehen habe. Erst im linken Außenspiegel habe er den Pkw gesehen, der etwas versetzt hinter ihm gefahren sei. Die beiden von ihm überholten Pkw seien im Abstand im Ausmaß von etwa 2 Leitpflöcken zueinander gefahren. Der Abstand beim Spurwechsel des ihn überholenden Pkw von rechts auf die Überholspur sei so gering gewesen, dass er sich gedacht habe, "der spinnt leicht". Die Lücke zwischen seinem und dem rechts langsamer fahrenden Pkw habe geschätzt etwa 3 Pkw-Längen umfasst und der Abstand zwischen seinem und dem überholenden Pkw bei dessen Fahrstreifen­wechsel habe nur etwa 2-3 m betragen. Er habe sich geschreckt und in Form einer Notbremsung gebremst, allerdings habe der Pkw nach dem Hineindrängen sofort enorm beschleunigt und sich entfernt. Der Pkw sei dann nicht mehr zu sehen gewesen und er könne daher auch nicht sagen, ob dieser in Oberwang die Autobahn verlassen habe. Er habe bei der Anzeigeerstattung den Vorfall mit "ca einen Kilometer vor der Ausfahrt Oberwang" angegeben, weil diese Ausfahrt die nächste gewesen sei. In der Berufungsverhandlung hat der Zeuge L ausgeführt, der Vorfall habe sich im Bereich nach der Raststätte Mondsee ereignet.

 

Die Zeugin A bestätigte, nach hinweisenden Äußerungen des Zeugen L den dunklen Pkw beim Rechts­überholen wahrgenommen zu haben. Der Pkw habe sich noch vor ihnen und dem rechts fahrenden Pkw auf die Überholspur herübergedrängt und der Zeuge L habe gebremst, sonst wäre es vermutlich zu einer Kollision gekommen. Der Pkw habe dann aber sofort beschleunigt. Sie habe das Kennzeichen trotz Verschmutzung eindeutig und ohne jeden Zweifel ablesen können bzw hätten der Zeuge L und sie das gemeinsam gemacht, sie habe es notiert. Es sei nicht stockfinster gewesen, eher dämmrig.

 

Die Zeugin O hat, ebenso wie der Bw, einen derartigen Vorfall nicht bemerkt und ein Verlassen der Autobahn in Oberwang bestätigt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates  sind die Aussagen des Bw und seiner Gattin, die von einem derartigen Vorfall nichts bemerkt haben und daher sachlich nicht in der Lage waren, sich im Einzelnen zu äußern, vom Grundsätzlichen her insofern glaubhaft, als der Bw offenbar unbescholten ist und auch im FSR nichts Nachtteiliges über ihn aufscheint.  

Zur Schilderung des Privatanzeigers L ist zu sagen, dass zum einen außer seinen Aussagen nichts objektivierbares – es gibt kein Bildmaterial und keine "amtliche Wahrnehmung" – vorliegt, wobei allerdings auch zu bedenken ist, dass gerade derartige Vorfälle wie der zur Anzeige gebrachte verständlicherweise erheblichen Ärger auslösen und daher auch verständlich ist, wenn ein Lenker danach, obwohl Sonntag Abend ist, er kleine Kinder hat und vom Schifahren müde ist, im Bewusstsein, dass er jemandem anderen Schwierigkeiten und sich selbst jedenfalls Unannehmlichkeiten bereiten wird, von sich aus die nächste Polizei­inspektion aufsucht und einen ihm völlig unbekannten Lenker zur Anzeige bringt. Der Zeuge L hat das von ihm subjektiv so wahrgenommene Fahrmanöver in der mündlichen Verhandlung völlig emotionslos und auch in technischer Hinsicht nachvollziehbar geschildert. Er hat mit Sicherheit nicht den Eindruck hinterlassen, als würde er übertreiben, überempfindlich auf das Fahrverhalten anderer reagieren oder irgendwelchen Rachegelüsten nachgeben. Durch ihn erstattete Privatanzeigen in anderen Fällen sind im Sprengel der Erstinstanz nicht bekannt, obwohl der Zeuge dort wohnt. Das von ihm angezeigte Fahrverhalten des ihm unbekannten Lenkers wurde in der Verhandlung zusammen mit dem technischen SV im Einzelnen penibel durchgegangen und der Zeuge hat dabei einen absolut glaubwürdigen und seriösen persönlichen Eindruck hinterlassen. Am Zutreffen seiner Wahrnehmungen besteht daher kein Zweifel. Der SV hat seine Schilderung des geringen Abstandes zu seinem Fahrzeug beim Wechsel des angezeigten Pkw auf die Überholspur und seine sofortige Reaktion im Sinne einer Notbremsung samt Auslenken nach links, zugleich aber das Erkennen, dass trotz Notbremsung eine Fahrzeugberührung nicht mehr verhinderbar sein würde, aber auch das gleichzeitige Registrieren, dass sich der überholende Pkw mit hoher Geschwindigkeit von ihm wegbewegt und daher keine Gefahr mehr besteht, mit der logischen Reaktion eines Lenkers  beim "Geschitten-Werden" in einem Abstand von weniger als 5 m aus der kfztechnischen Fachliteratur nachvollzogen. Dabei spielt keine Rolle, ob dieses Fahrmanöver bei 130 oder bei 100 km/h bei starkem oder mittlerem Verkehrs­aufkommen erfolgte; ausschlaggebend war die Tatsache, dass es auf der Überholspur einer Autobahn im Zuge eines Rechts- Links-Überholens stattfand.

 

Der Zeuge L hat seinen Entschluss, die beiden Pkw vor ihm zu überholen, in der Verhandlung so dargelegt, dass er beim Blick in den Rückspiegel in großem Abstand – bei der Anzeige hat er von ca 300 m gesprochen, in der Verhandlung räumte er ein, dass ihm eine Einschätzung des Abstandes nach Metern unmöglich war, er aber keinerlei Zweifel hatte, dass der Abstand seinen Überholbeginn nicht tangieren werde – Scheinwerferlicht wahrgenommen hat. Er begann daher zu überholen und beobachtete offenbar nicht, wie der Pkw sich von hinten auf der Überholspur an seinen annäherte, zumal er diesen nach eigenen Worten zunächst nur aufgrund der Lichtreflexe an der Mittelleitschiene "erahnte" und erst bei genauerem Blick in die Rückspiegel erkannte, dass dieser Pkw mit sehr geringem Abstand – ein Erkennen der Scheinwerfer war dem Zeuge L im Rückspiegel nicht möglich – nachfuhr und schließlich nach rechts wechselte, dann aber gleich stark beschleunigte und sich in die Lücke zwischen dem überholten Pkw rechts und dem Pkw des Zeugen L drängte. Vor dem vom Zeugen gelenkten Pkw befand sich kein weiteres Fahrzeug; L hat nach eigenen Schilderungen nur die beiden auf der rechten Spur langsamer fahrenden Pkw überholt. Der Zeuge hatte inzwischen die Zeugin A auf den rechts überholenden Pkw aufmerksam gemacht. Wenn sich daher dieser Pkw nach dem knappen Spurwechsel – nur dieser ist Gegenstand der Tatanlastung – knapp schräg vor dem Pkw L befand und sonst kein Fahrzeug auf der Überholspur vor dem Zeuge L war, ist zum einen jegliche Verwechslung mit einem anderen Pkw vor dem Pkw L ausgeschlossen und zum anderen war auch ein Ablesen des Kennzeichens im Schweinwerferlicht durchaus möglich, selbst wenn der Pkw sich rasch beschleunigend vom Pkw L entfernte. Sowohl L als auch A haben übereinstimmend bestätigt, das Fahrzeug sei zwar verschmutzt gewesen, jedoch sei trotzdem ein Ablesen der Ziffern-Buchstaben-Kombination ohne jeden Zweifel eindeutig möglich gewesen. Beide Zeugen haben sich das Kennzeichen eingeprägt. Der Zeuge L hat betont, er habe sich auf das Ablesen des Kennzeichens konzentriert, weniger auf die Marke – die Farbe hat der Bw mit "silber" und die Zeugin A mit "dunkel" angegeben. L hat aber betont, er habe schon  bei der Polizei gesagt, er könne die Marke nicht angeben. Er hat aber in der Verhandlung erneut betont, es habe bei den einzelnen Ziffern keinen Zweifel gegeben, diese seien trotz der allgemeinen Verschmutzung des Pkw eindeutig zuzuordnen gewesen.

Damit ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates auszu­schließen, dass, wie der Bw ausführt, eine schlechte, Irrtümer geradezu veranlassende Ablesbarkeit des Kennzeichens vorlag oder eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug stattgefunden hat. Zum einen befanden sich beim benannten Vorgang überhaupt nur zwei Pkw im Blickwinkel der beiden Zeugen, wobei der auf der rechten Spur fahrende in dieser Situation uninteressant war. Zum anderen war der Bw zur angegebenen Zeit dort unbestritten unterwegs und es ist wenig wahrscheinlich, dass sich im genannten Autobahnabschnitt überhaupt auch nur ein weiterer Pkw mit ähnli­chem Kennzeichen wie das des Pkw des Bw befunden hat. Beide Zeugen waren sich in der Berufungs­verhandlung – ebenso wie der Zeuge L bei der Anzeige­erstattung – absolut sicher, das Kennzeichen hinsichtlich aller Ziffern vollständig richtig abgelesen zu haben. Der Bw hat erstmals im Berufungsver­fahren geltend gemacht, sein Kennzeichen sei am Abend des nächsten Tages so verschmutzt gewesen, dass er von der Autobahnpolizei zur Reinigung veranlasst worden wäre. Eine zur Unlesbarkeit des Kennzeichens führende Verschmutzung zur Vorfallszeit ist damit nicht zwingend anzunehmen.

Dass die Kinder der Zeugen L und A durch das abrupte Bremsen und Auslenken erschreckt zu weinen begannen, ist zum einen nicht abwegig und stellt zum anderen für beide Zeugen keine völlig neue und ungewohnte Situation dar. Es ist daher auch auszuschließen, dass beide davon so abgelenkt worden wären, dass ihnen die sofortige Konzentration auf das direkt vor ihnen im Scheinwerferlicht sichtbare Kennzeichen des sich rasch entfernenden Pkw unmöglich geworden wäre. Der Zeuge L hat in der Berufungsverhandlung sicher nicht den Eindruck erweckt, als lasse er sich von seinen Kindern so leicht ablenken.      

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher in freier Beweiswürdigung zur Auffassung, dass die Angaben der Zeugen L und A aufgrund ihrer Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit als Grundlage für den Tatvorwurf geeignet sind und dass ein einwandfreies Ablesen des Kennzeichens am Pkw des Bw aus dem Ablauf der Geschehnisse beim beschriebenen Überholmanöver möglich war und auch erfolgt ist. Dass der Zeuge L das Kennzeichen willkürlich benannt hätte, weil er den dort vor der Ausfahrt Oberwang rechts fahrenden Pkw des Bw gesehen hätte, ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, insbesondere der Beschreibung der Ablese-Situation auf der Überholspur, und der vom Zeugen L dargelegten Begründung seines Entschlusses für die Anzeigeerstattung nicht anzunehmen. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat war daher nach sorgfältiger Abwägung aller Aussagen und Argumente sowohl des Bw als auch aller beteiligten Zeugen davon auszugehen, dass der Bw der Lenker des vom Zeugen L im Zuge der Privatanzeige benannten Pkw war. 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 ergebende Tatbild darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, so lange dies noch möglich ist. Es kommt daher bei dieser Bestimmung auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden-Können anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges (bzw was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges) an (vgl E 10.5.1993, 93/02/0003; 20.3.1996, 94/03/0103; 6.9.2001, 98/03/0247).

 

Im ggst Fall hat der Bw, nachdem er den Zeugen L (mangels Vorliegens zweier Fahrzeugreihen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Sinne des § 2 Abs.1 Z29 StVO) verbotenerweise rechts überholt hatte, vom rechten Fahrstreifen aus links zu Überholen begonnen und dazu auf die Überholspur gewechselt, obwohl ihm nicht nur der geringe Abstand zwischen ihm und dem vor ihm auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Pkw, sondern auch zwischen ihm und dem links versetzt hinter ihm auf der Überholspur fahrenden Pkw des Zeugen L bewusst sein musste. Er hat nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen L und A den Fahrstreifenwechsel nach links so knapp vor dem Pkw L durchgeführt, dass er nach den von beiden Fahrzeugen eingehaltenen Geschwindigkeiten und deren Abständen zueinander nicht nur erkennen musste, dass er diesen beim Fahrstreifenwechsel behindern oder gefährden könnte, sondern er musste aufgrund der engen Verhältnisse sogar damit rechnen, dass er den überholten Pkw "schneiden" würde, wenn er vor dem links fahrenden Pkw auf den Überholstreifen wechseln würde. Er hat sein Vorhaben trotzdem ausgeführt und den Zeugen L, wie auch der SV in technische Hinsicht einwandfrei nachvollzogen hat,  ohne jeden Zweifel tatsächlich behindert und gefährdet – dieser war zu einer reflexartigen Reaktion in Form einer Notbremsung sowie eines Auslenkens nach links gezwungen, um den vom Bw plötzlich drastisch verkürzten Abstand von sich aus zu vergrößern.

Damit hat der Bw – eine Verwechslung mit dem Lenker eines anderen Pkw ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens auszuschließen – nicht nur das Tatbild des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 verwirklicht, sondern war ihm auch die tatsächliche Gefährdung und Behinderung des von ihm überholten Fahrzeuges im Spruch des angefochtenen Straf­erkenntnisses anzulasten.

 

Die Tatortkonkretisierung war gegenüber der im Straferkenntnis insofern abzuändern, als sich der Zeuge L nie auf eine Kilometerangabe eingelassen hat – die Formulierung "ca km 255" stammt von der Erstinstanz und ließ sich im Berufungsverfahren nicht verifizieren. Der Bw hat von der Anzeigeerstattung an keinen Zweifel gelassen, dass die Ausfahrt Oberwang die nächste vom ihm passierte im Verlauf der A1 war – bei Dunkelheit ist ein Ablesen von Kilometrierungstafeln nahezu unmöglich – und er hat in der Berufungs­ver­handlung das von ihm nachvollziehbar begründet angezeigte Geschehen auf den Bereich "nach der Raststätte Mondsee bis zur Ausfahrt Oberwang" bezogen. Damit war der Tatvorwurf in örtlicher Hinsicht auf diesen Bereich zu beziehen, wobei sich derartige Überhol­manöver mit Geschwindigkeiten um die 130 km/h naturgemäß über eine längere Strecke hinziehen, sodass eine "punktgenaue" Umschreibung des Übertretungsorts nicht möglich ist. Der Tatvorwurf ist aber insofern ausreichend konkretisiert, als der Bw im gesamten Verfahren in der Lage war, sich konkret darauf bezogen zu verteidigen und es  besteht auch nicht die Gefahr einer Doppelbestrafung. 

Der Bw hat damit den ihm (nunmehr gemäß § 44a Z1 VStG örtlich abgeändert) zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungs­übertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat die bisherige Unbescholtenheit des Bw – in ihrem Sprengel, Auskünfte über Vormerkungen in W wurden nicht eingeholt – als mildernd und straf­erschwerende Umstände nicht gewertet. Zugrundegelegt wurde ein geschätztes Einkommen von 1.800 Euro netto monatlich bei fehlenden Sorgepflichten und Vermögen. Dem ist vonseiten des Unabhängigen Verwaltungs­senates nichts entge­gen­zusetzen, zumal der Bw sich dazu nicht geäußert hat. Zu erwähnen ist nur, dass von der Erstinstanz weder der vom Zeugen L detailliert beschriebene geringe Nachfahrabstand noch das verbotene Rechts-Überholen verfolgt wurde und diesbezüglich bereits Verfolgungs­verjährung einge­treten ist.  

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nach all diesen Überlegungen nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Abgesehen davon, dass sogar ein Vorliegen besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem von Zeugen L gelenkten Pkw, in dem sich eine vierköpfige Familie mit zwei kleinen Kindern befand, im Raum gestanden wäre, war zweifellos erschwerend, dass im konkreten Fall nicht nur die Möglichkeit einer Behinderung oder Gefährdung bestand, sondern durch die situationsbedingte Brems- und Auslenkreaktion des Zeugen L eine tatsächliche Behinderung und Gefährdung erfolgt ist.

Die von der Erstinstanz eher niedrig festgesetzte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw, an dessen grundsätzlichem Fahrstil nicht gezweifelt werden soll, in Zukunft von derartigen Manövern abhalten. Die Ersatzfreiheits­strafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe bemessen. Mangels jeglicher Ansätze bleibt für eine Strafherab­setzung kein Raum. Eine Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG war ausgeschlossen. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Überholmanöver - Privatanzeige

 

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