Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102796/13/Ki/Ka

Linz, 13.03.2001

VwSen-102796/13/Ki/Ka Linz, am 13. März 2001 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Bleier, Beisitzer Dr. Leitgeb, Berichter Mag. Kisch) über die Berufung des WZ, vom 11.4.1995, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 22.3.1995, VerkR96-7936-1995-Shw, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zufolge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.1.2001, Zl.96/02/0232-7, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens-kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 VStG.

Zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 22.3.1995, VerkR96-7936-1995-Shw, dem Berufungswerber (Bw) vorgeworfen, dass er am 7.1.1995 über einen Zeitraum von ca. 04.15 Uhr bis zumindest 06.40 Uhr den PKW, Marke Toyota, Kz: , auf dem öffentlichen Parkplatz des Gasthauses P in , in Betrieb genommen habe, indem er zum Zwecke der Beheizung des Fahrgastraumes den Motor am Stand laufen ließ. Weiters habe er sich am 7.1.1995 um 07.00 Uhr am Gendarmerieposten Friedburg gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert, seine Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, dass er sich während der Inbetriebnahme seines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Er habe dadurch § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 verletzt und es wurde über ihn gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 13.973 S (abzüglich anrechenbarer Vorhaft) bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Tagen, 23 Stunden und 27 Minuten (abzüglich anrechenbarer Vorhaft) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.397,30 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Bw erhob gegen dieses Straferkenntnis am 11.4.1995 Berufung mit dem Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau aufheben und das Verfahren einstellen.

In seiner umfangreichen Argumentation führte der Bw ua sinngemäß aus, dass nach der geltenden Rechtslage die Gendarmeriebeamten nicht berechtigt gewesen wären, ihn zum Alkotest aufzufordern, weil diese Berechtigung nur gegenüber Personen bestehe, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, nicht aber dann, wenn eine Person (nur) verdächtig ist, in einem solchen Zustand ein Fahrzeug in Betrieb genommen zu haben.

Bereits in einer Stellungnahme vom 3.3.1995 im erstbehördlichen Verfahren führte der Bw aus, dass er den Motor nicht selbst in Gang gesetzt habe, schon gar nicht um 04.15 Uhr.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die laut Geschäftsordnung zuständige 9. Kammer zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, da sich bereits aus der Aktenlage eindeutige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat der Berufung im ersten Rechtsgang mit Bescheid (Erkenntnis) vom 9.5.1995, VwSen-102796/2/Ki/Shn, Folge gegeben, dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass im vorliegenden Falle lediglich ein Verdacht der Inbetriebnahme des Fahrzeuges bestanden hat. Mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut der Bestimmung des § 5 Abs.2 StVO 1960 (in der Fassung der 19. StVO Novelle), welche in Entsprechung des Grundsatzes "nullum crimen sine lege" im vorliegenden Fall eine subtile Gesetzesauslegung verbiete, sowie bei Berücksichtigung des systematischen Hinweises auf Abs.4 letzter Halbsatz, wo gleichfalls nur auf die Zeit des Lenkens abgestellt wird, verbiete sich die Annahme einer Gesetzeslücke. Die Gendarmeriebeamten wären sohin im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage nicht berechtigt gewesen, den Bw auf den bloßen Verdacht der Inbetriebnahme hin zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt aufzufordern und es stelle somit die verfahrensgegenständliche Verweigerung keine Verwaltungsübertretung dar.

I.5. Über eine Amtsbeschwerde des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) hat der VwGH mit Erkenntnis vom 26.1.2001, Zl. 96/02/0232-7, die oben bezeichnete Berufungsentscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In den Entscheidungsgründen führte der VwGH aus, dass von einem "bloßen Verdacht" der Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Beschuldigten nicht auszugehen gewesen sei.

Unter dem "Inbetriebnehmen" eines Fahrzeuges sei eine Tätigkeit zu verstehen, die der Lenkung desselben vorausgeht. Zum Begriff des "Inbetriebnehmens" gehören Handlungen, die notwendig seien, "um durch Einwirkung der motorischen Kräfte das Fahrzeug zur Fortbewegung zu verwenden, vor allem die Ingangsetzung des Verbrennungsmotors".

Davon ausgehend vertrete der VwGH den Standpunkt, dass derjenige, welcher bei laufendem Motor den Fahrersitz einnimmt, das Fahrzeug "in Betrieb genommen" hat. Unerheblich sei daher, ob diese Person selbst oder eine andere den Motor in Gang gesetzt hat.

Bei dem gegenständlichen Sachverhalt habe der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher nicht davon ausgehen können, dass der Beschuldigte "beim Einschreiten der Gendarmeriebeamten" im "bloßen Verdacht" der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges gestanden sei.

Der Bw hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7.3.2001 eine Berufungsergänzung vorgelegt und in dieser ua. wiederum dargelegt, dass eine andere Person das Fahrzeug gestartet habe.

I.6. Nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO Novelle sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.) ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.) als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, begeht gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO Novelle eine Verwaltungsübertretung.

Dazu wird nachstehender für die Entscheidung relevanter Sachverhalt festgestellt:

Zufolge eines anonymen Anrufes am 7.1.1995 um 06.25 Uhr, wonach der Lenker des PKW, seit 04.15 Uhr mit laufendem Motor auf dem verfahrensgegenständlichen Gasthausparkplatz stehe, fanden Gendarmeriebeamte den Bw um etwa 6.50 Uhr im bezeichneten Fahrzeug schlafend vor. Der PKW stand etwas abseits am Gasthausparkplatz mit laufendem Motor, welcher eine überhöhte Drehzahl aufwies. Die Motorhaube war heiß. Der Bw befand sich auf dem Fahrersitz und hatte einen Pullover über den Kopf gezogen. Im Rahmen einer Amtshandlung wurde er von den Gendarmeriebeamten um 6.50 Uhr an Ort und Stelle zum Alkotest aufgefordert und zur Vornahme dieses Alkotestes zum Gendarmerieposten Friedburg verbracht. Dort verweigerte er um 07.00 Uhr ohne Angaben von Gründen den Alkotest. In der Anzeige des Gendarmeriepostens Mattighofen ist nicht die Rede davon, dass der Bw von den Gendarmeriebeamten verdächtigt worden wäre, das Fahrzeug in einem alkoholisierten Zustand gelenkt zu haben.

Nicht erwiesen konnte werden, dass der Beschuldigte selbst den Motor des PKW in Gang gesetzt hat und es ist daher dieser Umstand der Entscheidung zugrunde zu legen.

Bei der rechtlichen Beurteilung des dargelegten Sachverhaltes ist der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nunmehr an die Rechtsauffassung des VwGH, welche im zitierten Erkenntnis dargelegt wurde, gebunden. Der VwGH unterlegt der oben zitierten Bestimmung des § 5 Abs.2 StVO 1960 (in der Fassung der 19. StVO Novelle) die Vermutung, dass derjenige, welcher bei laufendem Motor den Fahrersitz einnimmt, das Fahrzeug in Betrieb genommen hat und es daher unerheblich sei, ob diese Person selbst oder eine andere den Motor in Gang gesetzt habe. In Anbetracht dieser höchstinstanzlichen Vermutung ist daher davon auszugehen, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

Die Begehung einer Verwaltungsübertretung ist aber nur dann zu bestrafen, wenn der Beschuldigte sein Verhalten auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten hat.

Gemäß § 5 Abs.2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwider gehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Aus dieser zuletzt zitierten Bestimmung ist abzuleiten, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren in subjektiver Hinsicht zu prüfen ist, ob der Beschuldigte allenfalls einem Rechtsirrtum erlegen sein könnte bzw ob dieser Rechtsirrtum erwiesenermaßen unverschuldet ist und er das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat der Bw sich sinngemäß dahingehend verteidigt, er habe nicht gewusst, dass er sich auf den bloßen "Verdacht der Inbetriebnahme des KFZ" hin einem Alkotest unterziehen müsse.

Der VwGH hat den Umstand einer irrigen Gesetzesauslegung nicht schlechthin als möglichen entschuldigenden Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. etwa VwGH 96/09/0364 vom 17.12.1998). Voraussetzung für einen entschuldigenden Rechtsirrtum ist nach diesem Erkenntnis jedoch, dass nach dem ganzen Verhalten des Beschuldigten angenommen werden muss, dass der Irrtum unverschuldet war und dass er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte.

Geht man nun, wie bereits im ersten Rechtsgang dargelegt wurde und letztlich auch im Erkenntnis des VwGH vom 26.1.2001 nicht widersprochen wurde, davon aus, dass dem Wortlaut der verfahrensrelevanten Gesetzesbestimmungen nach tatsächlich auf den bloßen Verdacht der Inbetriebnahme hin kein Alkotest vorgesehen ist, so stellt sich nun die Frage, inwieweit ein mit den rechtlichen Werten verbundener Durchschnittsbürger erkennen muss, dass das bloße Einnehmen des Fahrersitzes bei laufendem Motor bereits bedeutet, dass er dann selbst ein Fahrzeug in Betrieb genommen habe und es unerheblich sei, ob er selbst oder eine andere Person den Motor in Gang gesetzt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen (vgl. etwa VfSlg. 3130/1956 und 12420/1990) in Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlich statuierten Legalitätsprinzip ausgesprochen, dass der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen hat, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspreche weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß von Nöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben erforderlich sind.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass die dem Verfahren zugrundeliegenden Gesetzesvorschriften zwar nicht in dem Maße unbestimmt sind, um darin eine Verfassungswidrigkeit zu erblicken und einen diesbezüglichen Antrag zu stellen, dennoch ist es dem normalen Durchschnittsbürger, welchem eine qualifizierte juristische Befähigung nicht abzuverlangen ist, nicht zumutbar, dass er entsprechende in den Bereich der Rechtswissenschaften gehende Überlegungen im Alltagsleben anstellt. Es wäre daher jedenfalls zu verlangen, dass seitens des einschreitenden Organs der Straßenaufsicht eine entsprechende Belehrung vorgenommen wird und zwar - erforderlichenfalls - auch punktgenau dahingehend, dass das bloße Einnehmen des Fahrersitzes bei laufendem Motor ex lege eine "Inbetriebnahme" des Fahrzeuges darstellt. Dass eine solche Belehrung im vorliegenden Falle konkret stattgefunden hätte, ist aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen nicht zu ersehen und sicherlich im Hinblick auf den bisher verstrichenen Zeitraum auch nicht mehr zu recherchieren.

Ausgehend von den dargelegten Überlegungen vertritt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Auffassung, dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung im vorliegenden Falle durchaus denkmöglich ist, dass der Beschuldigte, bezogen auf die Aufforderung zum Alkotest, sich in einem entschuldigenden Rechtsirrtum befunden hat und er überdies das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der - eher subtilen - Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Nachdem sohin ein Umstand vorliegt, welcher die Strafbarkeit des Verhaltens des Beschuldigten ausschließt, war nun gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde zurückgewiesen;

VwGH vom 19.10.2001, Zl.: 2001/02/0160,0215-5

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