Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101083/8/Br/La/

Linz, 05.04.1993

VwSen - 101083/8/Br/La/ Linz, am 5. April 1993 DVR. 0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn M. H., vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. K.F. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft..,Zl.: VerkR/96/3839/1992, vom 28. Jänner 1993, nach der am 5. April 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. a) Das angefochtene Straferkenntnis wird zu Punkt 1) dem Grunde nach bestätigt; das Strafausmaß wird in diesem Punkt jedoch auf 5.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Stunden ermäßigt; der Spruchbestandteil "obwohl zu dieser Zeit viele Fußgänger unterwegs waren" hat zu entfallen.

b) Hinsichtlich des Punktes 2) wird der Berufung keine Folge gegeben; die Tatortumschreibung hat jedoch zu lauten: "....... im Bereich Strkm.. 1,3 bis vor Strkm. 2,192 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h gelenkt......".

c) Hinsichtlich des Punktes 3) wird der Berufung Folge gegeben und es wird die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt eingestellt.

d) Hinsichtlich des Punktes 4) wird der Berfung keine Folge gegeben.

Rechtsgrundlage:

§ 99 Abs.2 lit.c iVm § 20 Abs.2, § 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991; § 41 Abs.4 iVm § 134 des Kraftfahrgesetzes 1967 - KFG, BGBl.Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 695/1991; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z 1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992; II. a) Hinsichtlich des Punktes 1) entfällt der Kos- tenbeitrag für das Berufungsverfahren; zu Punkt 1) ermäßigt sich der erstinstanzliche Kostenbeitrag auf 500 S; zu Punkt 3) entfallen sämtliche Kostenbeiträge.

b) Zu Punkt 2) wird für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 200 S und zu Punkt 4) von 60 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

a) § 65, b) § 64 Abs.1 u.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.Die Bezirkshauptmannschaft ..hat mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. VerkR96/3839/1992/Stei/He, über den Berufungswerber wegen der eingangs zitierten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes, Geldstrafen von 1) 7.000 S und für den Nichteinbringungsfall von 168 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, 2) von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall von 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, 3) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall von 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und 4) 300 S und für den Nichteinbringungsfall von 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sowie gemäß § 64 VStG 930 S an Verfahrenskosten verhängt, weil er am 19. Juli 1992 um ca. 15.10 Uhr bis 15.15 Uhr das Motorrad, Kennzeichen .., auf der W.-Bezirksstraße von der B 127 kommend Richtung G.gelenkt und dabei 1) im Ortsgebiet W. von Strkm. 0,9 bis 1,3 unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 verstoßen habe, da er trotz des Ortsgebietes mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf der kurvenreichen und vollkommen unübersichtlichen Fahrbahn mit mehreren Ausfahrten eine Geschwindigkeit von 110 km/h gefahren sei, obwohl zu dieser Zeit viele Fußgänger unterwegs gewesen seien, 2) weiters habe er das Motorrad bis Strkm. 2,5 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h gelenkt und habe dadurch die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 30 km/h überschritten, sowie habe er 3) im Ortsgebiet von G. bis Strkm. 5,8 das Motorrad mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gelenkt und dadurch die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h überschritten und 4) habe er es unterlassen, die Ausstellung eines neuen Zulassungsscheines bei der Behörde zu beantragen, obwohl der Zulassungsschein wegen Unlesbarkeit ungültig gewesen sei; hiedurch seien folgende Rechtsvorschriften verletzt worden: 1) § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, 2) und 3) je § 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 StVO 1960 und 4) § 41 Abs.4 iVm § 134 KFG 1967.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Meldungsleger die angeführten Fahrgeschwindigkeiten im Zuge der Nachfahrt im gleichbleibenden Abstand feststellen habe können.

2. Dagegen wendet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

2.1. Darin wird in den wesentlichen Punkten ausgeführt, daß hinsichtlich des Punktes 1) des Straferkenntnisses eine Geschwindigkeitsüberschreitung zugestanden werde, die Fahrgeschwindigkeit jedoch maximal 80 bis 90 km/h betragen hätte. Insbesonders wende er sich in diesem Punkt dagegen, daß besonders gefährliche Verhältnisse vorgelegen hätten. Ferner führe er aus, daß im Beweisverfahren auf seine Beweisanträge laut Stellungnahmen vom 14.9. und 6.11.1992 nicht eingegangen worden, sondern nur die Einvernahme des Meldungslegers durchgeführt worden sei. Es sei weder ein Sachverständiger beigezogen noch ein Lokalaugenschein durchgeführt worden. Wenigstens hätte im Straferkenntnis auf die Gründe der Nichtbefolgung der Beweisanträge eingegangen werden müssen. Hierüber habe die Erstbehörde jedoch kein Wort verloren, sodaß er darin die Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblicke. Die Begründung des Straferkenntnisses stelle nur eine Scheinbegründung dar. Die Behörde hätte darzulegen gehabt, warum sie seinen logischen Ausführungen nicht gefolgt sei. Hätte die Behörde die Beweisanträge befolgt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, in welchem Ausmaß die Übertretungen zugestanden worden seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise er auf das Vorbringen in den genannten Stellungnahmen. Insbesondere wäre es dem Meldungsleger nicht möglich gewesen derartige Feststellungen hinsichtlich der angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen zu treffen. Bei der Nachfahrt sei es nämlich zu erheblichen Tiefenabständen gekommen. Es könne zB schon begrifflich, bei einer zugegebenen Differenz in der Abstandsschwankung während der Nachfahrt von 50 bis 80 Meter, ein gleichbleibender Abstand nicht unterstellt werden. Ein verläßliches Beweisergebnis betreffend die Fahrgeschwindigkeit liege daher diesbezüglich nicht vor. Aus der Beschaffenheit des Straßenzuges ließen sich auch keine gefährlichen Verhältnisse ableiten, da sich zum Vorfallszeitpunkt kein einziger Fußgänger auf der Straße befunden habe. Der Meldungsleger habe nämlich keine Angaben zu angeblichen Fußgängern gemacht. Erst anläßlich seiner Einvernahme am 18.8.1992 habe er plötzlich die Fußgänger "aus dem Ärmel geschüttelt". Seinen Angaben sei daher schon aus diesem Grund Skepsis entgegenzubringen. Schon aus dem Umstand, daß an diesem Tag zu dieser Tageszeit hochsommerliche Temperaturen von ca. 30 Grad/C geherrscht haben, erschiene wenig wahrscheinlich, daß Fußgänger an der Asphaltstraße unterweges gewesen seien. Letztlich bestreite er, daß der Zulassungsschein unleserlich gewesen sei. Diesbezüglich treffe ihn jedenfalls kein Verschulden. Er stelle daher den Antrag auf Verfahrenseinstellung bzw. hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet von W. im Ausmaß von 80 bis 90 km/h um angemessene Bestrafung. An Beweisanträgen stellte der Bw (sinngemäße verkürzte Zitierung): 1) Auf Vorlage des Radarprüfberichtes des Tachometers des zur Nachfahrt verwendeten Fahrzeuges; 2) auf Beischaffung eines maßstabgetreuen Planes des befahrenen Straßenzuges; 3) auf Einholung eines Kraftfahrzeugsachverständigen- gutachtens zum Beweis dafür, daß schon aus technischen Gründen in Hinblick auf die Besonderheit der gegenständlichen Straße die Fahrgeschwindigkeit von 130 km/h nicht eingehalten werden konnte; 4) die Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung des Beschuldigten und seines ag. Vertreters; 5) die Einholung der Wetterdaten von der Zentralanstalt zum Beweis dafür, daß damals bis plus 30 Grad/C geherrscht haben.

4. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine einzelne 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Da die Berufung sich gegen Schuld und Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und durchzuführen gewesen (§ 51e Z1 VStG).

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft .., Zl.:VerkR/96/3839/1992, und der Darlegung des bisherigen Ganges des Verfahrens am Beginn der Verhandlung durch Beweisaufnahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rahmen eines durchgeführten Lokalaugenscheines, wobei die Fahrstrecke befahren und auf Video dokumentiert wurde, durch Vernehmung des Berufungswerbers und der zeugenschaftlichen Vernehmung des (Meldungslegers) Bez.Insp. A., sowie durch die im Rahmen des Lokalaugenscheines getätigte Befundaufnahme und der folgenden Erstellung eines Gutachtens durch den Amtssachverständigen für das Fachgebiet der Fahrzeug- und Verkehrstechnik, Ing. A.

5. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens gilt folgender Sachverhalt als erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber (im folgenden kurz genannt: Bw) lenkte am 19. Juli 1992 um ca. 15.10 Uhr sein Motorrad der Marke Honda VF 500, mit einer Motorleistung von 70 PS, von der R.Straße kommend in Richtung W. und in weiterer Folge in Richtung G. Im Ortsgebiet von W. im Bereich von Strkm. 0,9 hatte der Bw sein Fahrzeug bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von mindestens 110 km/h beschleunigt.

5.1.1. Im Ortsgebiet von W. befindet sich bei Strkm. 0,674 rechtsseitig auf der ansteigenden Strecke das Gefahrenzeichen "Achtung Kinder" und bei Strkm. 0,706 ein durch Straßenverkehrszeichen gekennzeichneter Schutzweg. Auf Höhe des Strkm. 0,880 mündet rechts im Sinne der Kilometrierung der K. in die W. Bezirksstraße ein. Dieser ist durch das Vorrangzeichen "HALT" abgewertet. Im Anschluß daran verläuft die W. Bezirksstraße weiterhin innerhalb einer Steigungsstrecke. Das Hinweiszeichen "Ortsende W." befindet sich bei Strkm. 1,270. Unmittelbar davor auf Höhe des Strkm. 1,258 mündet links im Sinne der Kilometrierung ein Ortschaftsweg in die W.Bezirksstraße ein. Dieser ist durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben" gegenüber der W. B. abgewertet. Die Anfahrsichtweite (jener Punkt, wo ein aus dem Ortschaftsweg in die Bezirksstraße einbiegender Fahrzeuglenker einen von rechts kommenden Verkehr in seinen Sichtbereich bekommt) nach rechts wird durch die Einfriedung und durch Strauchwerk auf der angrenzenden Liegenschaft eingeschränkt, wobei sich vom 3 m Sehpunkt eine "Sichtweite" von 58 Meter ergibt. Diese Sichtweite stellt die günstigste Sichtweite auf ein sich am rechten Fahrbahnrand der W. Bezirksstraße fortbewegenden Fahrzeuges dar. Im Herantasten an die Kreuzung erreicht man unter Berücksichtigung eines Augpunktes von 1,2 m vom Fahrbahnrand eine Anfahrsichtweite von 71 m. Dieser Augpunkt ist als jener Punkt anzusehen, an dem mit einem PKW spätestens in die bevorrangte Straße eingefahren wird. Legt man nunmehr einen Annäherungspunkt unter Zugrundelegung einer Annäherungsgeschwindigkeit von 110 km/h zugrunde, so ist festzustellen, daß dem herannahenden Fahrzeuglenker mit einer mittleren Bremsverzögerung von 6,5 m/sek/2 bei Berücksichtigung einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 1 sek. ein Anhalten vor der einmündenden Straße nicht mehr möglich ist (Seite 6/7 des Protokolls). Die W. Bezirksstraße ist im Bereich der Örtlichkeit Strkm. 0,9 bis 1,3 etwa 6 Meter breit.

5.1.2.Im Bereich von Strkm. 1,3 bis vor dem Kurvenscheitelpunkt 2,192 betrug die Fahrgeschwindigkeit des Bw 130 km/h. In weiterer Folge lenkte der Bw sein Fahrzeug bis zum Ortsgebiet G., wo im Bereich der Ortstafel der Meldungsleger bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 100 km/h auf 20 Meter auf das Fahrzeug des Bw aufschloß und den Bw schließlich etwa 200 Meter nach dem Ortsbeginn von G., im Bereich des Strkm. 5,8 anhalten konnte. Der Meldungsleger konnte bei der anschließenden Kontrolle der "Fahrzeugpapiere" feststellen, daß die Eintragungen im Zulassungsschein nicht mehr leserlich gewesen sind.

6. Dieses Beweisergebnis stützt sich in erster Linie auf die Angaben des Meldungslegers, welcher die eingangs umschriebenen Geschwindigkeiten (Geschwindigkeitsüber- schreitungen) im Zuge einer Nachfahrt mit einem Dienstkraftrad der Marke .., wobei der Tacho dieses Dienstfahrzeuges "radargeeicht" war und keine Abweichungen aufgewiesen hatte, festgestellt hat. Der Meldungsleger vermochte in überzeugender und den Denkgesetzen entsprechender Weise darzulegen, daß ihm das Angezeigtenfahrzeug bereits auf der R. Bundesstraße "etwas zu schnell vorgekommen" sei und er aus diesem Grunde die Nachfahrt aufgenommen habe. Im Ortsgebiet von W. sei vorerst die Fahrgeschwindigkeit des Angezeigtenfahrezeuges "normal" dh etwa 50 km/h gewesen. Im Bereich der Engstelle, beim Verkehrszeichen "Achtung Kinder" habe der Angezeigte schließlich seine Fahrgeschwindigkeit auf 80 bis 90 km/h erhöht. Während vorerst sein Abstand zum Angezeigtenfahrzeug bei 50 Meter annähernd gleichbleibend war, habe sich bis zum Bereich des Ortsendes von W. der Abstand auf 200 bis 300 m vergrößert gehabt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Meldungsleger bereits das Blaulicht eingeschaltet gehabt. Bei der Beschleunigung des Fahrzeuges des Bw habe es sich um eine konstante gehandelt. Die Fahrgeschwindigkeit von 110 km/h könne er aus diesem Grund mit Sicherheit sagen, weil er selbst diese Geschwindigkeit am Tacho abzulesen vermocht habe und der Abstand zum Angezeigtenfahrzeug sich dabei noch eher vergrößert habe. Der Rückschluß auf eine Fahrgeschwindigkeit von mindestens 110 km/h konnte daher für den Bereich des Ortsendes von Walding zuverlässig gezogen werden. Ebenfalls konnte er dies auch für die Strecke nach dem Ortsende von W. bis vor die Kurve bei Strkm. 2,192 sagen, weil er während dieser Phase 130 km/h von seinem Tacho ablesen habe können. Von den von der Erstbehörde angenommenen "Fußgängern", welche im Bereich des Ortsgebietes von W. zur Tatzeit unterwegs gewesen sein sollen, konnte in diesem Verfahren nicht ausgegangen werden. Diesbezüglich hat der Meldungsleger weder in seiner Anzeige eine Erwähnung gemacht noch konnte er sich im Zuge seiner Vernehmung vor dem Verwaltungssenat an solche erinnern.

6.1.Diese Angaben finden auch in den ausführlichen gutächtlichen Äußerungen des Sachverständigen ihre Deckung. So ergibt das Gutachten grundsätzlich, daß die vom Meldungsleger angegebene Fahrgeschwindigkeit an den jeweiligen Stellen aus technischer Sicht sehr wohl erreichbar gewesen sind. Die Angaben betreffend den jeweils eingehaltenen Abstand zum Vorderfahrzeug sind so gestaltet, daß diese aus der Dynamik des geschilderten Fahrverlaufes realistisch erscheinen. Der Sachverständige führt diesbezüglich aus, daß bei einer Nachfahrstrecke von ca. 200 m in konstantem Abstand eine exakte Geschwindigkeitsfeststellung möglich ist. Hinsichtlich der gutächtlichen Ausführungen zum Ortsgebiet von W. wird auf die Feststellungen des Sachverständigen (5.1.1.) verwiesen. Lediglich hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit im bzw. vor dem Ortsbereich von G.befand sich der Meldungsleger in einer "Aufschließungsphase" mit einer Differenzgeschwindigkeit von 5 m/sec zum Lenker des Angezeigtenfahrzeuges bis zur Ortstafel. Die Anhaltung erfolgte bereits 200 Meter nach der Ortstafel, wobei der Meldungsleger sich mit seinem Fahrzeug bis auf die Höhe des Bw bewegt hatte und diesen sodann anhielt. In diesem Punkt erscheint es nicht für die für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen, ob bzw. auf welcher Wegstrecke im Ortsgebiet die Fahrgeschwindigkeit des Bw noch überhöht gewesen ist. Diese könnte sich, wenn überhaupt, nur mehr auf eine vernachlässigbare Wegstrecke bezogen haben. Nicht zuletzt lassen hinsichtlich des Punktes 1) und 2) die Angaben des Bw selbst den Schluß auf die ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen zu. Während der Bw zu 1) selbst eine Fahrgeschwindigkeit von maximal 90 km/h im Ortsgebiet von W. einräumt, so ergibt sich aus der Tatsache, daß der Bw als bereits routinierter Zweiradfahrer, die über mehrere Kilometer währende Nachfahrt mit Blaulicht nicht bemerkt hatte, daß er "im Grenzbereich" unterwegs war, sodaß die gesamte Aufmerksamkeit nur dem Fahren an sich zugewendet werden mußte. Bei normaler Fahrweise wäre es nur plausibel, daß der Bw auch einmal in den Rückspiegel geblickt und dabei das Blaulicht wahrgenommen hätte. Seiner Angabe nach hatte er den Meldungsleger tatsächlich erst in G. - bei seiner Anhaltung - bemerkt. Schließlich hat der Bw anläßlich seiner Vernehmung vor der Erstbehörde am 12. August 1992 noch sämtliche Übertretungspunkte (den 1. mit der Einschränkung nur 90 km/h gefahren zu sein) zugegeben. Zu diesem Zeitpunkt war er laut Aktenlage noch nicht rechtsfreundlich vertreten.

7. Rechtlich ist zu erwägen:

7.1.Sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren (§ 20 Abs.2 StVO).

7.1.1. Besonders gefährliche Verhältnisse sind dann gegeben, wenn zur Verletzung einer bestimmten Verkehrsvorschrift noch ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse begründendes Sachverhalts- element hinzutritt. Als solches kommen bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ua. ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen sowie der Verlauf und die Breite der Straße hinzu. Diese Sachverhaltselemente sind aber nicht losgelöst vom konkreten Fahrverhalten, insbesondere der Fahrgeschwindigkeit, zu beurteilen. Die Fahrgeschwindigkeit ist zu den genannten zusätzlichen Sachverhaltselementen in Beziehung zu setzen. Es kann somit nicht ohne weiters gesagt werden, daß ein bestimmtes Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - prozentuell oder absolut - allein schon den Tatbestand der besonders gefährlichen Verhältnisse erfüllt; es ist jedoch in der geschilderten Gesamtbewertung der Begleitumstände einer Geschwindigkeitsüberschreitung von großer Bedeutung (VwGH 23.1.1990, Zl. 89/11/0210 und 13.6.1989, Zl. 89/11/0061).

7.2. Konkret ergibt sich daher folgendes:

7.2.1.Die die besondere Gefährlichkeit begründenden Begleitumstände finden sich in den unter (5.1.1.) getroffenen Feststellungen. Insbesondere im Faktum, daß ein allenfalls aus dem Ortschaftsweg in den vom Bw befahrenen Straßenzug einbiegender Fahrzeuglenker, unvermeidlich in einen Verkehrsunfall verwickelt worden wäre, zumal dort die "Anfahrsichtweite" nur 58 Meter beträgt. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 110 km/h wird in einer Sekunde eine Wegstrecke von etwas über 30 m pro Sekunde durchfahren. Dies bedingt aus fahrtechnischer Sicht, daß der Lenker gezwungen ist seine Fahrlinie in Richtung Fahrbahnmitte zu verlegen und die Kurven möglichst geradlinig zu durchfahren. Eine sechs Meter breite, kurvenreiche Straße im Ortsgebiet ist daher, mit dieser Fahrgeschwindigkeit in Beziehung gesetzt, als geradezu extrem schmal und unübersichtlich zu beurteilen. In diesem Zusammenhang ist aber nicht nur der punktförmige Ort der Geschwindigkeitsfeststellung zu sehen, sondern es ist auch der durch die Verkehrsübertretung kommende "Gefährdungsbereich" in die Beurteilung miteinzubeziehen. Der Beurteilung, ob eine Verkehrsübertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen worden ist, hat der Fahrablauf einbezogen zu werden. Die tatsächliche Anwesenheit von Personen ist im gegenständlichen Fall für die Qualifizierung der "besonders gefährlichen Verhältnisse" als weiteres (zusätzliches) Element nicht mehr relevant.

7.2.2.Von keinem anderen Straßenbenützer könnte in zumutbarer Weise erwartet werden, daß er sein Verhalten auf ein derartig gravierendes Fehlverhalten abzustellen in der Lage ist. Ein aus dem Ortschaftsweg einbiegender Fahrzeuglenker hätte bei einer freien Sicht von 58 m nach rechts seinen Abbiegevorgang ausgeführt, wohl im Vertrauen darauf, daß ein auf dem bevorrangten Straßenzug vor dem "Sichtpunkt" befindliches Fahrzeug sich nicht mit mehr als der doppelten, als der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, der Kreuzung nähert. Das Fahrverhalten des Bw hatte daher angesichts der objektiv vorliegenden Umstände eine grobe Gefährdung der Verkehrssicherheit herbeigeführt gehabt. Der Bw hat gleichsam "besonders geschützte Verkehrsbereiche" völlig ignoriert, sodaß von ihm jedes andere Verkehrsgeschehen de facto als nicht existent unterstellt worden ist, wenngleich, insbesonders in einem Ortsgebiet, mit einem plötzlichen Auftreten eines solchen immer gerechnet werden muß (hätte müssen). Der Bw hatte es "nur mehr dem Zufall überlassen gehabt", daß aus seinem Fahrverhalten im Ortsgebiet von W.kein Unfall resultierte.

7.2.3. Die zu Punkt 1. u. 2. vorgenommene Berichtigung des Spruches dient der genaueren Tatumschreibung bzw. Präzisierung des Tatortes und der Anpassung an die nunmehr feststehende Beweislage. Im Sinne des § 44a iVm § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die von der Erstbehörde vorgenommene Tatortbezeichnung "bis Strkm. 2,5" - so geringfügig von der nunmehr festgelegten diesbezüglichen Tatörtlichkeit entfernt bzw. liegt der Bereich der nunmehr feststehenden Übertretungshandlung innerhalb des Bereiches der erstbehördlichen Tatanlastung. Dies ist den gesetzlichen Erfordernissen genügend zu erachten. Der Gefahr einer Doppelbestrafung war der Bw durch diese Diskrepanz nicht ausgesetzt (VwGH verst.Sen. 13.6.1984, Slg 11466 A). Ebenfalls war der Bw hiedurch in seinen Verteidigungsrechten nicht eingeschränkt. Das an die Tatzeit und Tatortumschreibung zu stellende Erfordernis ist anhand der von Delikt zu Delikt verschiedenen Begleitumstände zu messen und diesen anzupassen (VwGH 14.2.1985, 85/02/0013). Aus der Sicht des Verkehrsgeschehens liegt eine nicht relevante entfernungsmäßige Größe vor (siehe hiezu auch VwGH 5.12.1983, 82/10/125). Durch die von der Erstbehörde vorgenommene Tatortbezeichnung stand die Vorfallsörtlich- keit als solche für den Bw nie in Zweifel. Die im Sinne des § 44a VStG zu tolerierenden Wegdimensionen haben sich daher mindestens innerhalb eines realistischen Bereiches zu bewegen, welcher gleichsam innerhalb "der Bandbreite, welche für eine Rekonstruktion eines derartigen Vorfallsablaufes typisch ist", liegt. Bei Durchführung eines Ortsaugenscheines ist es realistisch, daß es im Zuge einer unmittelbaren Beweisaufnahme, welche zu einer umfassenderen Wahrheitsfindung besser geeignet ist, zu einer geringfügig anderen Tatortfestlegung kommt. Würde in diesem Bereich am Erfordernis der "punktmäßigen" Tatortbezeichnung angeknüpft, wäre dies einer lebens- und praxisnahen Gesetzesanwendung fremd.

7.2.4. Gemäß § 41 Abs.4, 1. Satz KFG ist ein Zulassungs- schein ungültig, wenn behördliche Eintragungen, Unterschriften oder Stempel unkenntlich geworden sind oder Beschädigungen oder Merkmale seine Vollständigkeit, Einheit oder Echtheit in Frage stellen. Vom Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges ist zu erwarten, daß er für die ordnungsgemäße Beschaffenheit seiner Fahrzeugpapiere sorgt. Die Unlesbarkeit des Zulassungsscheines läuft daher ohne Zweifel dem gesetzlichen Erfordernis zuwider.

8. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs.1 u. 2 VStG Grundlage stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

8.1. Grundsätzlich ist hinsichtlich des Schnellfahrens in Verbindung mit der Strafzumessung jedoch auszuführen, daß dieser Übertretung, schon ohne die Begehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen, ein erheblicher Unwertgehalt zugrunde liegt. Es gilt als gesicherte Tatsache, daß diese Art der Übertretung eine der häufigsten Unfallursachen darstellt. Die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 60 km/h im Ortsgebiet stellt, wie oben bereits dargelegt, eine schwerwiegende Rechtsgutbeeinträchtigung dar. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem so eklatantem Ausmaß, kann nicht mehr "unbewußt", sozusagen auf bloß leichter Fahrlässigkeit beruhend, begangen worden sein. Die Tatschuld ist aber insbesondere gerade darin zu erblicken, daß die mit dem Schnellfahren sich gleichsam "potenzierende Gefahr" einfach in Kauf genommen wird, wobei es den Lenkern eines Kraftfahrzeuges häufig nicht hinsichtlich der Verbotsnorm, jedoch hinsichtlich der erhöhten abstrakten Gefährdung und Unfallneigung, am Unrechtsbewußtsein mangelt. Aus diesem Grund ist insbesonders hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschrei- tung im Ortsgebiet die verhängte Strafe auch aus Gründen der Generalprävention erforderlich, um den Unwertgehalt derartiger Verhaltensweisen generell zu verdeutlichen und entsprechend zu pönalisieren.

Diese Strafe scheint darüber hinaus auch noch erforderlich, um beim Bw künftighin als Impuls zu einem höheren Verantwortungsbewußtsein und einer größeren Gewissenhaftigkeit gegenüber den gesetzlich geschützten Werten im Straßenverkehr zu wirken. Hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Freilandstraße im Ausmaß von 80 km/h und für die mangelnde Beschaffenheit des Zulassungsscheines, sind, selbst bei den derzeit eher ungünstigen Einkommensverhältnissen, die von der Erstbehörde verhängten Strafen durchaus als angemessen anzusehen.

Hinsichtlich des Punktes 1) war angesichts der Tatsache, daß der Bw eben erst seinen ordentlichen Präsenzdienst abgeleistet hat, trotz des in diesem Punkt bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens und der bereits einschlägigen Vormerkung, welche wohl erschwerend zu werten gewesen ist, die Strafe zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat Dr. B l e i e r 6

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