Linz, 25.04.2012
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H K, geb. x, F, L, vertreten durch Y, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 22.3.2012, Zl. S-4392/12-3, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben als unter Anwendung des § 21 VStG von einer Bestrafung abgesehen wird.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 21, § 24 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
2. In der fristgerecht durch den auch im Verwaltungsstrafverfahren ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird die Behebung des Straferkenntnisses, in eventu eine schuldangemessene Bestrafung beantragt. Inhaltlich wird die nicht unverzügliche Ablieferung des Führerscheins eingeräumt. Vermeint wird jedoch der Entzug der Lenkberechtigung sei rechtswidrig, wenn nicht überhaupt amtsmissbräuchlich ergangen. Auf Grund der Aktenlage sei nämlich von vornherein klar gewesen, dass dem Berufungswerber keine Alkoholisierung nachgewiesen werden könne und das Entzugsverfahren hätte daher eingestellt werden müssen. Die Behörde erster Instanz habe sich mit seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht auseinander gesetzt und das Verfahren sei daher mangelhaft geblieben. Der Berufungswerber begehrt vom Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. die Feststellung, wonach der rechtswidrige und allenfalls amtsmissbräuchlich erlassene Entzugsbescheid niemals Rechtswirkungen entfachen habe können und daher keine Ablieferungsverpflichtung bestanden habe.
3. Der Verfahrensakt gelangte dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 23.4.2012 ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Vorlage. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§51c VStG).
Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte angesichts der unstrittigen Faktenlage unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Wie im h. Erkenntnis vom 6.3.2012, VwSen-523087/8/Br/Th festgestellt wurde war die vom Gerichtsmediziner Dr. L unter Grundlegung des Unfallereignisses um 00:10 Uhr vorgenommene Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes zum Lenkende mit 0,77 Promillen überzeugender als die Rückrechnung des Amtsarztes, welche vom Alkoholisierungsgrad im günstigsten Fall von 0,406 mg/l ausging. Die im h. Auftrag von Dr. L unter Annahme des Unfallereignisses um 00:05 Uhr vorgenommene Rückrechnung führte ebenfalls nur zu einem rechnerischen Ergebnis von 0,7783 Promillen. Die Messung des Atemalkohols führte um 01:05 Uhr zu einem Ergebnis von 0,34 mg/l.
Die Berufungsbehörde sah daher keine Veranlassung nicht von der für den Rechtsmittelwerber günstigeren Rückrechnungsvariante auszugehen.
Der von einem Gerichtsmediziner auf dem Promillewert basierenden Rückrechnung wurde eine höhere fachliche Validität zuerkannt als der vom Amtsarzt auf mg/l-Basis vorgenommenen Rückrechnung.
Hingewiesen wurde im h. Erkenntnis auch auf die Tatsache, dass selbst die abtretende Behörde von einer Qualifikation der Alkofahrt iSd § 14 Abs.8 FSG (Minderalkoholisierung) ausgegangen war.
Eine inhaltliche Stellungnahme zur Ergänzung der Rückrechnung durch den Gerichtsmediziner Dr. L wurde nicht erstattet.
Das demnach mit der unterbliebenen Ablieferung des sich im Berufungsverfahren als zu Unrecht entzogen erweisenden Führerscheins keine nachteiligen Folgen verbunden waren liegt sohin auf der Hand. Ebenfalls kann vor dem Hintergrund der subjektiven Überzeugung des Berufungswerbers über einen nicht den Grenzwert von 0,8 Promillen übersteigenden Blutalkoholgehalt, eine vertretbare Rechtsauffassung und demnach auch ein bloß geringes Verschulden in der unterbliebenen Ablieferung des Führerscheins erblickt werden.
5. Rechtlich besteht mit Blick auf § 29 Abs.3 FSG die Ablieferungspflicht grundsätzlich alleine schon im Fall des bloß vorläufig vollstreckbaren Entzuges einer Lenkberechtigung im Fall der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs.2 AVG.
Ob diese Aberkennung sachgerecht ausgesprochen wird steht wohl nicht in der rechtlichen Disposition des Betroffenen, vielmehr besteht Bindung selbst an eine – sich im Nachhinein als unzutreffend erweisende – erstinstanzliche Entscheidung (vgl. unter vielen VwGH 05.09.2008, 2007/02/0353).
Der Ablieferungspflicht nicht entgegen steht auch die Rechtsauffassung, wonach "ab der rechtskräftigen Aufhebung des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides durch die Berufungsbehörde auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs 2 AVG zufolge seines akzessorischen Charakters und seines durch § 64 Abs 2 AVG gegebenen Inhaltes - insbesondere für bereits anhängige Verfahren - für die Zukunft und auch für den Zeitraum des Berufungsverfahrens, also für die Vergangenheit, nicht mehr der Rechtsordnung an gehört. Von der Beseitigungswirkung werden lediglich die behördlichen Maßnahmen, die aufgrund des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheides iVm dem nach § 64 Abs 2 AVG getroffenen Ausspruch während der Dauer des Berufungsverfahrens rechtskräftig (zB rechtskräftiger Abschluss eines Verwaltungsstrafverfahrens) bzw abschließend (zB eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung) getroffen wurden, nicht berührt. Erst mit Eintritt der Rechtskraft des Berufungsbescheides, mit dem der erstinstanzliche Entziehungsbescheid aufgehoben wurde, ist etwa das Lenken eines Pkws durch einen Betroffenen aufgrund der ihm früher erteilten Lenkerberechtigung zur Tatzeit iSd § 1 Abs 3 FSG 1997 zulässig" (VwGH 24.2.2012, 2011/02/0142 mwN).
5.1. Die Behörde kann jedoch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.
Wenn beide in § 21 Abs. 1 VStG genannten Kriterien vorliegen, hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung (VwGH 29.11.2007, 2007/09/0229 mit Hinweis auf VwGH 21. 10. 1998, 96/09/0163).
Hinsichtlich des sonstigen Feststellungsbegehrens des Berufungswerbers genügt es auf die auch oben zum Teil zitierten Ausführungen im Führerscheinentzugsbescheid hinzuweisen.
Einem allfälligen Zivilverfahren darf durch die Abgabe von dort vorzunehmenden Wertungen nicht vorgegriffen werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r