Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401175/5/BP/WU VwSen-420735/2/BP/WU

Linz, 26.04.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA der DR Kongo, vertreten durch X, 1.) wegen Anhaltung in Schubhaft seit 17. April 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, 2.) wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Polizeiorgane im Zusammenhang mit dem Abschiebungsversuch am 16. und 17. April 2012, zu Recht erkannt:

 

I.            Der Beschwerde wegen der Anhaltung in Schubhaft wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 17. April 2012 bis dato für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Bw in Schubhaft nicht vorliegen.

 

II.        Die weiteren Beschwerdeanträge im Zusammenhang mit der Schubhaftbeschwerde (auf Aufhebung des in Rede stehenden Schubhaftbescheides, auf Enthaftung des Beschwerdeführers, auf Haftentschädigung, auf Freigabe der Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 Euro sowie auf Anordnung des gelinderen Mittels) werden als unzulässig zurückgewiesen.

 

III.    Der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Polizeiorgane wird insofern stattgegeben, als die Festnahme des Beschwerdeführers am 16. April 2012, die weitere Anhaltung und Verbringung nach X sowie die versuchte Abschiebung als rechtswidrig erkannt werden. 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 112/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 17. April 2012, GZ.: Sich40-3004-2010, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm. 53 FPG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Kernfamilie des Bf aus folgenden Familienmitgliedern bestehe:

X, StA. DR Kongo

X, StA. DR Kongo

X; StA. DR Kongo

 

Weitere Familienangehörige oder Bezugspunkte habe der Bf nach seinen Angaben im Bundesgebiet der Republik Österreich oder anderen europäischen Mitgliedstaaten nicht.

 

Frau X sei am 31.05.2009 gemeinsam mit ihrer mj. Tochter X am Luftweg über unbekannt in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist.

Der Bf sei am 03.09.2010 am Landweg über Italien kommend in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist.

 

Jeweils nach erfolgter Einreise hätten der Bf und seine Familienangehörigen einen Asylantrag in Österreich gestellt und dabei einen gültigen Personalausweis zur Vorlage gebracht, in dem auch die mj. Tochter eingetragen sei. Die Identität gelte daher als gesichert. Der Personalausweis stelle ein Reisedokument in die Demokratische Republik Kongo dar, weswegen nach dem Fremdenpolizeigesetz die vorliegenden Dokumente sichergestellt worden seien.

Mit Bescheiden des BAA Außenstelle Linz seien diese Asylbegehren mit Wirkung vom 07.12.2010 gem. §3 AsylG 2005 abgewiesen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die DR Kongo gem. §8 AsylG 2005 festgestellt und der Bf  gemeinsam mit seiner Familie gem. §10 AsylG 2005 in die DR Kongo ausgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 20.03.2012 abgewiesen und die Ausweisungen in den Kongo bestätigt worden. Diese Erkenntnisse seien nachweislich am 16.04.2012 zugestellt worden. Der Bf habe sich zu diesem Zeitpunkt in der zugewiesenen landesbetreuten Unterkunft in der X aufgehalten.

 

1.1.2. Mit der Zustellung der zitierten Rechtsprechung sei die vorliegende Ausweisung rechtskräftig und durchsetzbar. §10 Abs. 7 AsylG 2005 spreche von einer Durchsetzbarkeit und Durchführbarkeit, ein Vorliegen einer Durchsetzbarkeit vorliegender Ausweisung sei auch hinsichtlich einer durch den Asylgerichtshof zu gewährenden 14-tägigen Ausreiseverpflichtung nicht bestreitbar. Gemäß §10 Abs. 7 AsylG 2005 gelte eine durchsetzbare Ausweisung nach dem Asylgesetz als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz. Die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung sei hiermit als Rückkehrentscheidung anzusehen.

Die Gesetzgebung des §55 Abs. 5 FPG verpflichte die Fremdenpolizeibehörde mit einer "Ist-Bestimmung" die zu erteilende Ausreisefrist bei bestehender Gefährdung der Öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, oder der bestehenden Fluchtgefahr zu widerrufen.

Unmissverständlich gehe durch die Verknüpfung des Asylgesetzes mit dem Fremdenpolizeigesetz hervor, dass es nicht Aufgabe und Fachkompetenz der Asylbehörden sei, Fluchtgefahr und Sicherheitsgefährdung zu beurteilen, sondern dass dies in den Aufgabenbereich der Sicherheitsbehörde falle.

 

Der Bf habe im Asylverfahren unverkennbar angeführt, nicht in den Herkunftsstaat rückkehren zu können oder zu werden.

 

Nachdem der Bf Staatsangehöriger des Kongo sei, sei davon auszugehen, dass er in Kenntnis dessen sei, mit dem vorliegenden Personalausweis in den Kongo einreisen zu können. Folgend der Sicherstellung dieses Dokumentes, sei der Bf in Kenntnis darüber, dass die Behörde jederzeit eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung in den Kongo vollziehen könne.

 

Dass der Bf bislang zu jeder Zeit eine Rückkehr in den Kongo ausgeschlossen und sich dazu entschieden dagegen ausgesprochen habe, sei nicht zu bezweifeln.

 

1.1.3. In vorliegender Sachlage sei der Bf im Auftrag der BH Vöcklabruck durch die Polizeiinspektion X am 16.04.2012 festgenommen worden. Dabei sei zunächst in Erfahrung gebracht worden, dass er die besagte Nacht getrennt von seiner Gattin verbracht hätte. Hierbei sei nur die Frau mit der minderjährigen Tochter in der betreuten Unterkunft in X angetroffen worden, er selbst habe sich in Vöcklabruck bei einem Freund aufgehalten. Den Namen des Freundes habe die Gattin mit "X" angegeben, dessen Name aber im Bezirk nicht habe aufgefunden werden können. Den Nachnamen oder den genauen Aufenthaltsort, geschweige denn die Adresse habe sie angegeben nicht zu kennen. Befragungen der Tochter hätten hervorgebracht, dass der Bf selbst kaum in X wäre, die Tochter habe ihn schon Tage lang nicht gesehen. Nach mehrfachem Einwirken und Einreden der Ehefrau auf die Tochter, habe das Kind die Äußerung revidiert und irreführend angegeben, den Bf am Vortag doch gesehen zu haben. Anhand des nervösen Vorgehens der Mutter sei aber unübersehbar zu erkennen gewesen, dass sie vehement habe verhindern wollen, dass zum Einen die oftmalige Abwesenheit und zum Anderen der Aufenthaltsort den Behörden bekannt werde. Erst nach mehr als zwei Stunden habe der Bf im Ort X durch die Polizeiinspektion aufgefunden werden können. In einem gesamt mehr als zweieinhalbstündigen Gespräch habe sich dabei die BH Vöcklabruck mittels Dolmetscher der Sprache Lingala und Französisch vor Ort ein Bild zur besseren Beurteilung der bestehenden Fluchtgefahr gemacht.

 

Im Zuge der Ausfolgung der negativen Entscheidung des Asylgerichtshofs habe der Bf klar angeführt, nicht in den Kongo ausreisen zu werden, er habe Probleme im Kongo, welche er bereits im Asylverfahren angeführt habe. Darüber hinaus habe der Bf weiters nach einem längeren Gespräch angeführt, dass es ihm klar sei, Österreich verlassen zu müssen. In den Kongo würde er aber nicht zurück können, er würde aber sofort in ein anderes angrenzendes Land reisen. Erläuterungen und Erklärungen ihm gegenüber, dass er zu einer Einreise in einen anderen Mitgliedstaat ebenso wenig berechtigt sei, hätten nicht zum Ergebnis der Einsicht oder Verständnis geführt.

 

Eine im Rahmen der Festnahme erfolgte Überprüfung der Barmittel habe ergeben, dass der Bf über einen beträchtlichen Bargeldbetrag, nämlich in der Gesamthöhe (gemeinsam mit seiner Ehegattin) von 2.122,30 Euro verfüge.

 

1.1.4. In Abwägung einer Gesamtschau des vorliegenden Sachverhaltes – der Bf  sei rechtskräftig ausgewiesen, habe eine Verpflichtung der Ausweisung nachzukommen, habe keine Aussicht auf ein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, zeige keine Bereitschaft die Europäische Union zu verlassen, spreche dagegen mehrmals unverkennbar an, in die Anonymität abzutauchen und illegal in einen weiteren Mitgliedstaat reisen zu werden, sich somit einer drohenden Abschiebung und Ausreise in den Kongo zu entziehen, verfüge dazu auch noch über die reale Möglichkeit sich einen Aufenthalt in der Anonymität für einen längeren Zeitraum und eine Reise in ein benachbartes EU-Ausland zu finanzieren, habe keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, habe keine Bezugspersonen in Österreich, zu denen er eine engere Bindung habe, gehe keiner Beschäftigung nach, habe keine eigene Unterkunft, an die er gebunden wäre, spreche die deutsche Sprache nur ansatzweise, sei in Österreich nicht integriert, sei selbst mit der minderjährigen Tochter relativ flexibel in der Lebensgestaltung, halte sich auch erst seit nicht all zu langer Zeit in landesbetreuter Unterkunft im Bundesgebiet auf, nächtige oftmals getrennt von seiner Ehefrau zum einen Teil in der betreuten Unterkunft, zum anderen Teil bei Fremden im Raum Vöcklabruck, gebe dazu den Aufenthaltsort den Behörden nicht bekannt -  müsse von einer bestehenden Fluchtgefahr in jenem Ausmaß gesprochen werden, weshalb mit Anordnung einer fremdenpolizeilichen Sicherungsmaßnahme abseits freiheitsentziehender Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr das Auslangen gefunden werden könne.

 

Der Bf habe bereits in der Vergangenheit durch die Art der illegalen Einreise und der Vernichtung von Beweismitteln wie Flugticket und Einreisedokument und Bekanntgabe der Reiseroute in und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einer unmissverständlichen Art und Weise zu erkennen gegeben, dass er in gar keiner Weise gewillt sei die Rechtsordnung seines Gastlandes Österreich bzw. die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren.

 

Nachdem aufgrund der Gesamtheit des geschilderten Sachverhaltes sowie infolge dessen, dass ihm auch das Bundesasylamt die Hoffnung auf eine Legalisierung des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht erfüllt habe und gegen ihn bereits eine rechtskräftige Ausweisung gemäß § 10 AsylG. erlassen worden sei, sei in Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls davon auszugehen, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich – und ohne eine drohende Abschiebung in den Herkunftsstaat abzuwarten - entziehen werde. Demzufolge seien entsprechende Maßnahmen der Sicherung der Abschiebung unbedingt erforderlich.

 

1.1.5. Im Stande der Festnahme sei der Bf sodann gemeinsam mit seiner Tochter und Ehefrau in die Familienunterkunft X überstellt und dort gemäß §39 FPG angehalten worden.

 

Mit vorliegendem Sachverhalt sei betreffend den Bf und seine Familienangehörigen wegen drohender Fluchtgefahr im Einzelfall die Frist der freiwilligen Ausreise gem. §55 Abs. 5 FPG 2005 widerrufen worden. In weiterer Folge sei die begleitete Abschiebung beauftragt, und ein Rückführungsgespräch durch den Kommandant des Begleitteams am 16.04.2012 um 18:00 Uhr mit dem Bf geführt worden.

 

Am 17.04.2012 habe der Bf wie auch seine Angehörigen am Flugfeld die begleitete Abschiebung verweigert. Im vorliegenden Bericht werde Folgendes durch die Begleitbeamten festgehalten:

 

"Folgendes konnte erhoben werden:

 

X; (Staatsbürgerschaft Kongo)

X; (Staatsbürgerschaft Kongo)

wurden am 16.04.2012 festgenommen.

Der Vater X; (Staatsbürgerschaft Kongo) konnte vorerst nicht festgenommen werden. L. konnte im Zuge einer Großfahndung in Oberösterreich festgenommen werden.

Alle Schubhäftlinge wurden in die FamU X überstellt.

Landung aus Bern erfolgte planmäßig um 17.15 Uhr. Führungsstelle WEGA wurde in Kenntnis gesetzt.

Das Kontaktgespräch erfolgte am 16.04.2012, ab    17.45   Uhr, in der FamU X.

Absprache mit der Schubhaftbetreuung erfolgte.

Die Schubhaftbetreuung (X) führte vor dem Kontaktgespräch eine Rechtsberatung durch. Rücksprache mit dem zuständigen Schubhaftbetreuer Hr. X erfolgte telefonisch.

Die Familie wurde von mir informiert,  beruhigt und gab an nicht in den KONGO zurückzukehren.

Die Mutter sowie die Tochter waren bereits 3 Jahre in Österreich, die Tochter geht in Oberösterreich in die Volksschule. Beide sprechen sehr gut Deutsch. Die Deutschkenntnisse des Vaters waren ebenfalls gut.

 

Ausfahrt RK am 17.04.2012, um 03.40 Uhr, mit BP 90762, Lenker RvI X.

Übernahme  der Amtsbescheinigung, Abschiebeauftrag, Laufzettel, ärztliche Untersuchung, Flugtauglichkeitsbescheinigung, 2 Personalausweise und die persönlichen Effekten (Bargeld) in der

FamU X.

Die Schubhäftlinge waren beim Eintreffen bereits vorbereitet, hatten alle persönlichen Sachen

gepackt. Die Familie hatte über 200 kg Gepäck.

Ausfahrt FamU X   um  04.45       Uhr.

Kontaktaufnahme mit Einsatzabteilung Flughafen, Terminal 240.

Die gesamte Kleidung sowie die Schubhäftlinge wurden auftragsgemäß im SOT – Schwechat einer Sicherheitskontrolle unterzogen.

Boarding sowie  Kontaktaufnahme mit dem Kapitän erfolgte.

Um 06.35 Uhr wurde nach Rücksprache mit dem Kapitän mit dem Einsteigen begonnen.

Der Vater gab an, sicher nicht aus dem Fahrzeug auszusteigen. Nach Zureden stieg er aus dem Kombi aus. Er fing an zu weinen, zu gestikulieren und gab an lieber in Österreich zu sterben als in den KONGO zu fliegen. Die Mutter und die 7 jährige Tochter fingen ebenfalls an zu weinen.

Die Mutter ließ sich nach dem sie ihre Schuhe ausgezogen hatte,  auf den Boden fallen und versuchte die ganze Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Sie schrie ebenfalls lieber in Österreich zu sterben, als in den Kongo zu fliegen. Die 7 jährige Tochter, die durch die Mutter und den Vater beunruhigt war, hielt sich am Sitz im Kombi fest und weinte ebenfalls bitterlich.

 

Da die Familie nur mit Anwendung massiver Körperkraft in das Flugzeug getragen werden hätte können bzw. eine Abschiebung mit einer Linienmaschine am heutigen Tage sicherlich nicht möglich war, wurde die Abschiebung nach Rücksprache mit dem Kapitän der Austrian Airlines, um 06.40 Uhr, durch den Kapitän und den Kommandanten des Abschiebeteams abgebrochen.

 

Nach dem Abbruch wurden die Schubhäftlinge zurück zum Terminal 240 gebracht.

Verständigung des BMI II/2, GrI F, Fremdenpolizei BH Vöcklabruck, Hr. X,

Terminal 240, Führungsstelle WEGA und PAZ X Dienstführung erfolgte.

Durch den Bearbeiter Hr. X, wurde folgendes verfügt:

Rückführung der Mutter und der Tochter in die FamU X.

Erfolgte durch die Kollegen der FamU X mittels Kombi.

Rückführung des Vaters in das PAZ X. Erfolgte durch den Frosch.

Das gesamte Gepäck (über 200 kg) wurde in den Frosch verladen. Das Bargeld, sowie die Dokumente und die persönlichen Sachen (Effekten) der Familie wurden ebenfalls der Besatzung des FROSCH übergeben."

 

Der Bf habe damit die Abschiebung vereitelt. Es werde daher eine gesonderte Abschiebung ohne Linienflug, sprich Charterabschiebung oder eigene Linienmaschine durchzuführen sein.

 

1.1.6. Aufgrund des gegebenen Sachverhaltes sei ansich gegenüber der Ehefrau in Anwendung der Mutter-Kind-Zelle mit deren Einverständnis, oder in Übernahme der Obsorge der minderjährigen Tochter durch die Jugendwohlfahrt Schubhaft über jene zu verhängen gewesen.

 

In besonderer Bedachtnahme auf das minderjährige Kind und dessen, dass ein konkreter neuerlicher Abschiebetermin noch nicht habe festgelegt werden können, ergehe die Entscheidung aus Rücksicht auf die minderjährige Tochter – um zumindest einen vertrauten Elternteil dem minderjährigen Kind zu belassen – dahin, dass gegenüber der Ehefrau gelindere Mittel mit höheren Auflagen anstelle der Schubhaft angeordnet worden seien.

 

Aufgrund der hohen Fluchtgefahr habe jedoch dem Bf gegenüber kein gelinderes Mittel in Anwendung gebracht werden können.

 

Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, sei der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge von der Alternative der Anordnung eines gelinderen Mittels Abstand zu nehmen gewesen.

 

Diese Tatsachen rechtfertigten nicht nur sondern veranlassten vielmehr die bescheiderlassende Behörde im Übrigen eine Ermessensentscheidung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

 

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf – durch seinen ausgewiesenen Vertreter - per Telefax am Samstag, 21. April 2012, beim UVS eingelangt am 23. April 2012, Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

Darin wird ausgeführt, dass der Bf am 03.09.2010 in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Am 07.12.2012 sei dieser Antrag mit Bescheid des BAA Linz abgewiesen worden. Dagegen sei Beschwerde beim Asylgerichtshof erhoben worden. Mit Erkenntnis vom 20.03.2012 sei der Antrag abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 7 AsylG 2005 eine Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen festgestellt worden.

Am 16.04.2012 sei der Bf in X an einer Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe seiner Asylanten-Unterkunft von in zivil gekleideten Polizeibeamten kontrolliert worden. Der Bf habe sich den Polizeibeamten mit seiner „weißen Karte" ausgewiesen. Daraufhin sei er von den Polizeibeamten festgenommen und anschließend mittels KFZ in seine Asylunterkunft gebracht worden, wo seine Frau und seine Tochter in völligem Schockzustand auf ihn gewartet hätten, zum Zeitpunkt der Festnahme sei der Bf laut Aktenlage zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Für die Festnahme hätten die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen. Erst in der Asylunterkunft sei dem Bf das negative Erkenntnis des Asylgerichtshofs zugestellt worden. Dem Bf sei zugleich mitgeteilt worden, dass er bereits am nächsten Tag, dem 17.04.2012, samt seiner Familie in den Kongo abgeschoben werde.

Vor Eintreffen des Bf in der Asylunterkunft sei seine Ehefrau, als sie gerade ihre gemeinsame Tochter zur Schule habe bringen wollen, von der Polizei aufgesucht und angehalten worden, ihre Koffer unverzüglich zu packen.

Am 17.04.2012 hätten sich der Bf und seine Frau mit friedlichen Mitteln geweigert, in den Flieger einzusteigen.

Vorgebracht werde, dass durch die Vorgangsweise der BH Vöcklabruck die in § 10 Abs. 7 AsylG 2005 normierte Ausreiseverpflichtung binnen 14 Tagen verletzt worden sei. Dem Bf sei die Möglichkeit verweigert worden, freiwillig und ohne Anwendung staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Herkunftsstaat auszureisen. Die Behörde unterliege bei der Anwendung des § 55 Abs. 5 FPG einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung, da vom Bf weder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehe, noch Fluchtgefahr bestehe und eine derartige Anwendung die asylrechtliche Bestimmung regelmäßig unterlaufen würde. Die Argumentation, der Bf habe bereits im Asylverfahren angeführt, nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren zu können, sei nicht nachvollziehbar, da ein Asylwerber im Asylverfahren angehalten sei, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, andernfalls sein Antrag abgewiesen werde. Eine derartige Glaubhaftmachung würde folglich scheitern, wenn Asylwerber im Asylverfahren angeben würden, zurück in ihre Heimat reisen zu können. Der Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft sei daher fehlerhaft, da die Frist zur freiwilligen Ausreise bei Verhängung erst zu laufen begonnen habe.

Vorgebracht werde, das die im Bescheid angesprochene Fluchtgefahr, die sich nach einem „langen Gespräch" in den Ausführungen des Bf geäußert habe, ein reines Konstrukt sei, da die Vorbereitungen zur Abschiebung in den Kongo bereits abgeschlossen gewesen seien, noch bevor dem Bf das Erkenntnis zugestellt worden sei. Laut Aktenlage wäre die Abschiebung am 12.04.2012 vorgesehen gewesen. Es dürfte daher viel eher der Realität entsprechen, dass die Behörde, der bereits Ende März 2012 das Erkenntnis des AGH zur Zustellung gem. § 23 Abs. 3 AsylG 2005 zugegangen sei, unverzüglich Maßnahmen zur zwangsweisen Abschiebung der Familie getroffen habe und erst dann dem Bf das Erkenntnis zugestellt worden sei.

Vorgebracht werde, dass sowohl der Abschiebeversuch als auch die Sicherheitsleistung iHv € 2000,- rechtsgrundlos erfolgt seien.

Vorgebracht werde weiters, dass der Bf niemals behauptet habe, in einen anderen Mitgliedsstaat ausreisen zu wollen. Die entsprechende Passage im Schubhaftbescheid des Bf finde sich auch im Bescheid über die Verhängung des gelinderen Mittels über die Ehegattin wieder, weshalb anzunehmen sei, dass keine entsprechende Zuteilung der Aussagen vorgenommen worden sei. Selbst wenn diese Aussage durch den Bf gefallen wäre, wäre dies in seiner Situation vollkommen nachvollziehbar, da er sich - auch in Anbetracht seines langen Aufenthalts in Österreich - in einer völlig überraschenden Situation befunden habe. Durch die unmittelbar anstehende Abschiebung sei ihm nicht die Möglichkeit gegeben worden, mit dieser Situation psychisch fertig zu werden. Auch sei ihm erst nach Verhängung der Schubhaft in der X ein objektiver Rechtsberater zur Seite gestellt worden. Nach erfolgter Rechtsberatung sei dem Bf bewusst, dass er Österreich verlassen müsse. Er habe keinesfalls vor, unterzutauchen bzw. illegal in ein Nachbarland auszureisen, wolle aber die Frist bis zur Ausreiseverpflichtung nützen, um alle ihm noch zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel, auch unter Einschaltung eines Rechtsanwalts, auszuschöpfen. An dieser Stelle werde festgehalten, dass der Bf stets sämtliche Mitwirkungspflichten erfüllt habe, indem er zur Feststellung seiner Identität beigetragen, sich ununterbrochen in seiner Asylunterkunft, in der er auch aufgegriffen worden sei, aufgehalten habe und niemals in die Kriminalität abgetaucht sei.

Zusammenfassend lasse sich sagen, dass durch die Vorgangsweise der BH rechtswidrig in das Erkenntnis des AGH eingegriffen werde und im Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft der Bf sich noch am Beginn der 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 10 AsylG 2005 befunden habe. Der Abschiebeversuch am 17.04.2012 werde von der Rechtswidrigkeit mitumfasst.

Mit obiger Begründung werden folgende Anträge gestellt:

I.     den angefochtenen Schubhaftbescheid als gesetzwidrig aufzuheben,

II.   festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Erfassung des Schubhaftbescheides die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben,

III. den Beschwerdeführer unverzüglich zu enthaften,

IV. die Sicherheitsleistung iHv. € 2000,- freizugeben sowie

V. den Beschwerdeführer für die Dauer der Haft zu entschädigen;

VI. in eventu möge der Unabhängige Verwaltungssenat gegen den Beschwerdeführer das gelindere Mittel anordnen, da Grund zur Annahme besteht, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann.

 

2.1.1. Mit E-Mail vom  24. April 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1.2. Am 25. April 2012 langte zudem eine Gegenschrift der belangten Behörde sowohl zur vorliegenden Schubhaft- als auch zur (vom UVS des Landes OÖ. als solche qualifizierte) Maßnahmenbeschwerde per E-Mail ein.

 

Zunächst verweist die belangte Behörde darin auf den Sachverhalt, insbesondere auf den Aktenvermerk vom 16.04.2012, den Bescheid gem. §55 Abs. 5 vom 16.04.2005, den Schubhaftbescheid, den Abschiebebericht des EKO Cobra und die beigefügten fremdenpolizeilichen Aktenunterlagen.

 

Es wird die Abweisung der Schubhaftbeschwerde sowie die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die rechtswidrige Festnahme und rechtswidrige Abschiebung beantragt.

 

Zu den Eingabepunkten des Beschwerdeführers werde nur kurz einleitend entgegengebracht, dass die Freigabe der Sicherheitsleistung rechtswidrig wäre, zumal die getroffene Sicherheitsleistung der Barmittel von Frau X im Rahmen des gelinderen Mittels gem. §77 Abs. 3 Ziffer 3 FPG 2005 erfolgt sei. Herr X verfüge selbst lediglich über etwas mehr als 100 Euro in dessen Effekten im PAZ X.

 

Zur rechtlichen Kernfrage sei vorzubringen:

"Gemäß §36 Abs. 2 AsylG 2005 kam dem Fremden mit der Einbringung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. Mit der Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung (diesfalls die rechtswirksame Zustellung der abweisenden Beschwerde) kommt gemäß §12 und §12a AsylG 2005 dem Fremden kein faktischer Abschiebeschutz mehr zu. §12 Abs. 1 AsylG spricht im Konkreten sinngemäß darüber. "Ein Fremder der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, kann bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden." Gemäß §12 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Fremde im gesamten Bundesgebiet nur so lange geduldet, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt. Gemäß §51 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Aufenthaltsberechtigungskarte  bis zu einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung, oder bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens gültig. Mit der Erlassung (Zustellung) der durchsetzbaren, zweitinstanzl. Entscheidung erlischt die Gültigkeit der Aufenthaltsberechtigungskarten, erlischt somit auch die zeitlich für die Dauer des Verfahrens befristete Duldung. Dies unterstreicht auch §13 AsylG, welcher zitiert: "Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt."

Angesichts dessen ist unzweifelhaft, dass ab der Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet weder berechtigt, noch geduldet ist. Das Asylverfahren ist soweit abgeschlossen, der Aufenthalt illegal und der Fremde rein als Fremder und nicht mehr als Asylwerber anzusehen und zu behandeln.

Der Gesetzgeber hält nicht umsonst auch diesbetreffend gesondert im Materiengesetz fest, in welcher Art und Weise in solchen Fällen eine Zustellung zu erfolgen hat. Auf §23 Abs. 3 AsylG ist hierbei hinzuweisen, worin klar festgehalten ist, dass die Zustellung durchsetzbarer Ausweisungsentscheidungen an einer Abgabestelle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erfolgen hat.

In diesem Zusammenhang steht auch §39 Abs. 2 Ziffer 1, konkreter §39 Abs.3 Ziffer 1 grundlegend bei Vorliegen durchsetzbarer Ausweisungsentscheidungen zur Verfügung, in wessen Zusammenhang auch gesetzlich klar die Möglichkeit einer - wenn erforderlichen - Festnahme einräumt.

§12 Abs. 1 AsylG geht sogar soweit, dass eine Abschiebung ab Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung zulässig ist.

Folglich ist in Zusammenhang mit §39 Abs. 2, Abs. 3, iVm. Abs. 5 auch die Anordnung der Festnahme gem. §74 Abs. 2 Ziffer 3 zulässig. Sofern ein Umstand eintritt, der eine Abschiebung nicht mehr zulässig machen würde, wäre die Festnahme auf eine andere Rechtsgrundlage zu stützen, oder aufzuheben. Im vorliegenden Fall war - wie in weiterer Folge noch nähe erläutert- von einer erforderlichen Durchführung der Abschiebung auszugehen. §74 Abs. 2 Ziffer 3 FPG 2005 spricht konkret davon, dass Ein Festnahmeauftrag auch dann gegen einen Fremden erlassen werden kann, wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden soll. Auf die Unterstreichung ist explizit hinzuweisen, nachdem die Gesetzgebung nicht davon spricht, dass ein Fremder nur dann festgenommen werden kann, wenn bereits ein Auftrag zur Abschiebung erlassen wurde. Steht daher eine Abschiebung unmittelbar bevor, oder ist solche in unmittelbarem Zeitraum für die Behörde in Aussicht, kann ein Fremder (nicht Asylwerber sondern Fremder) festgenommen werden, wenn solch ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden soll. Eine im Stande der Festnahme erfolgte Erlassung des Mandatsbescheides gem. §55 Abs. 5 FPG stellt somit keinen Hinderungsgrund der Auftragserteilung zur Festnahme dar."

 

Es sei daher die Beschwerde hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit der Festnahme vollkommen unbegründet. Dem komme hinzu, dass letztlich die Familie die begleitete Abschiebung am Flughafen Wien-Schwechat vereitelt habe, und zwar im bewussten Vorgehen unmittelbar vor Betreten des Flugzeuges am Rollfeld im Blickpunkt der Öffentlichkeit, nämlich der Passagiere, der Crew und des Piloten des Flugzeuges. Hierbei bleibe die Zuständigkeit der BH Vöcklabruck als beauftragende Behörde der Abschiebung aufrecht, weswegen auch diesbezüglich die Beschwerde gegen die Anordnung der Schubhaft unbegründet sei.

 

Betreffend den Widerruf der Ausreisefrist gem. §55 Abs. 5 FPG sei vorzubringen:

"Die Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung erfolgte mit Wirkung vom 16.04.2012. In der vorletzten Seite der Rechtsprechung des Asylgerichtshofs zitiert dieser auch unverkennbar, dass die vorliegende Ausweisungsentscheidung durchsetzbar ist. Und verweist im Weiteren auf die verpflichtende Ausreisefrist gem. §10 Abs. 7 AsylG. Dieser Absatz hält wörtlich und unverkennbar fest, dass eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung als Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 gilt. Der Verweis zu § 55 FPG ist in dessen Deutlichkeit unbestreitbar. Somit findet auch § 55 im gegebenen Einzelfall Anwendung. § 55 Abs. 5 normiert die Möglichkeit der Sicherheitsbehörde, diesfalls der Fremdenpolizei, eine erteilte Ausreisefrist bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder bei Fluchtgefahr zu widerrufen. Im vorliegenden Fall konnte nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sich die Familie zur weiteren Verfügung - und zwar selbst in Anwendung gelinderer Sicherungsmaßnahmen - zur weiteren Verfügung der Behörde halten wird. Wie die Familie bereits im Asylverfahren in mehrfacher und beispielloser Art und Weise demonstriert hat, sei für Sie eine Rückkehr in den Kongo zu gefährlich und außer Zweifel. Beispiellos gab dies auch die Familie im Rahmen der Zustellung der Erkenntnisse wörtlich kund und versuchten sich hierbei gegenseitig mittels Mobiltelefon zu warnen. Beiderseits erfolgten Ankündigungen der Ausreiseverpflichtung in den Herkunftstaat nicht nachzukommen, gegenteilig dagegen auf illegale Art und Weise vorzugehen, bzw. zu entgehen. Die Familie hat letztlich auch beispiellos die begleitete Abschiebung am 17.04.2012 vereitelt, wessen die korrekte Prognoseentscheidung der belangten Sicherheitsbehörde untermauert. Im vorliegenden Fall war die Einzelfallprüfung und Einzelfallentscheidung somit zutreffend und bot sich keine andere rechtliche und faktische Möglichkeit als die Frist zur freiwilligen Ausreise zu widerrufen.

Nach erfolgter erfolgreicher Vereitelung der Abschiebung wurde mit Bescheid der BH Vöcklabruck am 17.04.2012 die Schubhaft gem. §76 Abs. 1 FPG 2005 über den Beschwerdeführer verhängt, gegen dessen Ehefrau aus Rücksicht des mind. Kindes wurden mit Bescheid vom 17.04.2012 gelindere Mittel mit erhöhten Sicherungsauflagen in der Familienunterkunft X, mit täglicher Meldeverpflichtung und einer Sicherheitsleistung von 2000 Euro angeordnet. Die Rücksichtnahme auf das minderjährige, sieben jährige Kind ist hierbei zu unterstreichen, andernfalls auch hierbei die Verhängung der Schubhaft anzuwenden gewesen wäre.

Die vorliegende Verhaltensweise des Beschwerdeführers zeigt im Weiteren unbestreitbar auf, dass dieser an einer Ausreisefrist zur Organisation der Rückkehr in seinen Herkunftstaat und dem damit verbundenen Nachkommen dessen gesetzlicher Auflage der Ausweisung Folge zu leisten, nicht interessiert ist, sondern vielmehr solch eine Frist zur Organisation für einen weiteren - wenn auch nicht legalen Verbleib- in der europäischen Union ansieht. Denn bestünde ein tatsächliches Interesse an einem Nachkommen der Ausreiseverpflichtung, einem Nachkommen der vorliegenden Ausweisung mit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Folge zu leisten, so hätte sich dieser zu einer freiwilligen Ausreise gegenüber der Behörde oder gegenüber der Schubhaft- und Rückkehrbetreuung des x bereits angemeldet oder deklariert und einen für ihn akzeptablen Ausreisetermin genannt. Denn die Schubhaft selbst hindert nicht, eine freiwillige Ausreise zu bekunden und samt der unterstützenden Einrichtungen und NGOs zu betreiben.

Auch diesbetreffend erfolgte keine Fehleinschätzung der Behörde, gegenteilig ist eine erhöhte Fluchtgefahr im vorliegenden Einzelfall zwingend zu bejahen.

Darüber hinaus ist abschließend festzuhalten dass das zulässige Rechtsmittel gegen den Mandatsbescheid gem. §55 Abs. 5 vom 16.04.2012 die Vorstellung ist. Welche mit Wirkung vom 24.04.2012 um 19:20 Uhr bei der belangten Behörde auch eingebracht wurde und gegenwärtig in erster Instanz anhängig ist.

Eine Maßnahmenbeschwerde über die Abschiebung ist im Übrigen nicht zulässig, zumal eine Abschiebung folglich der Vereitelung des Beschwerdeführers letztlich nicht statt fand, bzw. am 17.04.2012 nicht durchgeführt werden konnte. Eine Maßnahmenbeschwerde kann letztlich nur über getroffene Maßnahmen erfolgen."

 

Mit vorliegendem Sachverhalt werde dringend die Abweisung, bzw. allenfalls die Zurückweisung der vorliegenden Schubhaft- und Maßnahmenbeschwerde beantragt, um letztlich in kurzer Zeit den illegalen Aufenthalt des Fremden mit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers vollziehen, ein Abtauchen in die Anonymität und neuerlichen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet verhindern und unterbinden zu können.

Sofern trotz der vorliegenden Sachlage sich ein fragwürdiges Gesamtbild ergeben würde, das eine Ab- oder Zurückweisung der Beschwerde samt Maßnahmenbeschwerde nicht zulassen würde, werde hiermit der Antrag der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

2.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

Dem als Eventualantrag zu Wertenden Begehren der belangten Behörde auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nicht näher zu treten, da die rein sachverhaltsbezogenen Feststellungen im Grunde unbestritten sind, lediglich die daraus gezogenen faktischen und rechtlichen Schlüsse divergierend betrachtet werden. Es liegt somit kein "fragwürdiges Bild" des entscheidungsrelevanten Sachverhalts vor.

 

2.2.2.1. Aus einem aktuellen Auszug aus der Asylwerberinformation ergibt sich – für den Sachverhalt relevant ua. –, dass das Erkenntnis des AGH (gemäß §§ 3, 8 und 10) AsylG vom 20. März 2012 zu Zl. A5 416.965-172010/6E, dem BAA Außenstelle Linz per E-Mail am 21. März 2012 übermittelt worden sei.

 

Das fremdenpolizeiliche Frühwarnsystem sei am 21. März 2012 per E-Mail an die belangte Behörde ausgelöst worden.

 

Die Bescheidanforderung durch die belangte Behörde erfolgte am 22. März 2012. Der Bescheid sei per E-Mail noch am selben Tag der belangten Behörde übermittelt worden.

 

Am 28. März 2012 stellte die belangte Behörde ein Ersuchen um Übermittlung aller ärztlichen Befunde und medizinischen Bescheinigungsmittel an das BAA.

 

Am 29. März 2012 übermittelte die belangte Behörde eine Mitteilung über die beabsichtigte Familienabschiebung in die DR Kongo mit 12. April 2012 (Festnahme mit 11. April 2012) an das BAA Linz.

 

Am 10. April sei die Stornierungsmitteilung der Familienabschiebung von der belangten Behörde erfolgt (mangels Visaerteilung für die Begleitpersonen).

 

Am 12. April 2012 erging von der belangten Behörde ein Voraviso über die beabsichtigte Familienabschiebung in die DR. Kongo am 17. April 2012.

 

Am 16. April 2012 erfolgte ein Festnahme- und Abschiebeauftrag der belangten Behörde per E-Mail an das BAA Linz.

 

Der Bf (im AI noch als AW (Asylwerber) geführt) wurde am 16. April 2012 laut Auftrag der belangten Behörde festgenommen und in die Familienunterkunft X um 12:50 Uhr überstellt.

 

2.2.2.2. Dem Akt ist auch ein Aktenvermerk des Bearbeiters der belangten Behörde vom 16. April 2012 beigeschlossen, worin ua. die Vorgänge im Rahmen der Festnahme der in Rede stehenden Familie geschildert werden. Dieser AV sei hier auszugsweise wiedergegeben, sofern er sich auf Tatsachenfeststellungen bezieht:

 

"Am besagten Tag hatte sich folgendes zugetragen:

1.    Voraviso einer voraussichtlich beabsichtigten Festnahme am Freitag 13.04.2012

2.    Bestätigung der Flugbuchung der begleiteten Abschiebung am Freitag, 13. 04.2012 16:33 Uhr (außerhalb der Amtsstunden)

3. Schriftliche Beauftragung der Festnahme am 16.04.2012 um 06:17 Uhr
4. Festnahme der obgenannten Frau mit deren Tochter nach Ausfolgung der

Abweisung der Beschwerde des AsylGH am 16.04.2012 um 07:15 Uhr in der obgenannten Unterkunft. Der Ehegatte konnte nicht angetroffen werden, nach Auskunft von Frau X sei deren Mann bei einem Freund namens X in Vöcklabruck. Die Adresse und den genauen Namen würde die Frau nicht wissen. X stamme aber ebenso aus dem Kongo.

5.     Fernmündliche Beauftragung an das Sekretariat der fremdenpolizeilichen Außenstelle der Erhebung des Aufenthaltsortes eines Staatsbürgers aus dem Kongo mit phon. Namen. GVS Abfragen in Vöcklabruck führten jedoch zu keinem Ergebnis. Beauftragung des BPK Vöcklabruck mit Sektorstreifen öffentliche Stellen wie Busbahnhof und Zugbahnhof nach Herrn X im Raum Vöcklabruck abzusuchen, verlief ebenso ergebnislos.

6.     Beauftragung der PI X das Polizeifahrzeug vom Parkplatz der Unterkunft zu entfernen, zumal die Gefahr bestand dass bei Sichtung des Polizeiwagens Herr X die Betretung der Unterkunft vermeiden und abtauchen könnte. Weitere Beauftragung der PI X den Ort X nach dem abgängigen Fremden abzusuchen.

7.     Frau X wurde während dessen mit dem Packen der persönlichen Gegenstände für eine Verlegung in die Familienunterkunft X beauftragt.

8.     Eine Auskunftserteilung mittels Dolmetscher erfolgte meinerseits an Frau X zu diesem Zeitpunkt dahingehend, dass Ihr Verfahren durchsetzbar abgeschlossen sei, die Festnahme daher zunächst ausgesprochen wurde und am heutigen Tag eine Verlegung nach X statt finden werde. Sie möge daher mitwirken und den Aufenthaltsort Ihres Ehemannes bekannt geben.

9.     Während des Packens (6 prallgefüllte Kleiderschränke) näherte sich das 7jährige Kind an Frau X an und unterhielt sich mit dieser in der Sprache Lingala. Frau X stammt gebürtig ebenso aus dem Kongo und trug für das Kind spannende große Ohrringe. Frau X tauschte auf Wunsch des Kindes die Ohrringe aus und das Kind hängte sich diese ein.

So entstand eine gute Atmosphäre zwischen der Dolmetscherin und dem Kind.

10.Auffallend war, dass eigentlich alle sichtbaren Kleidungsstücke in den Kästen Frauenkleidung waren. Fragen an die Fremde und Kontrollen der Sicherheitsbeamten brachten hervor, dass von 6 Kleiderschränken nur ein Kleiderschrank, dieser unterteilt in etwa 7 Regale, davon nur ein Regal und dies auch nur teilweise mit Männerkleidung belegt war. Frau X antwortete daraufhin auch, dass Herr X keine anderen Kleidungsstücke hätte.

11.Es bestand somit der dringende Verdacht, dass der Familienvater hauptsächlich andernorts nächtigt.

12.Darauffolgende Fragen an das Kind brachten hervor, dass das Kind gar nicht mehr wusste, wann es seinen Vater zum letzten mal gesehen hätte und auch letztlich antwortete: "Papa ist nicht oft zu Hause". Auffallend war auch, dass Frau X bei diesbezüglichen Fragen zum Familienvater an das Kind sehr nervös wurde und sofort in Lingala mit dem Kind sprach. Darauffolgende Fragen an die Dolmetscherin mit dem Ersuchen das Gespräch der Mutter mit dem Kind zu übersetzen, gab die Dolmetscherin zu verstehen, dass es hauptsächlich darum ging, dass das Kind doch sagen solle es hätte den Vater gestern noch gesehen. Dies antwortete dann auch das Kind.

13.Auffallend war auch, dass Frau X während der gesamten Zeit des Packens immer wieder versuchte mit dem Telefon eine SMS abzusetzen, oder eine Nummer zu wählen. Mehrmals wurde Ihr zur Kenntnis gebracht, dass Sie später telefonieren könne, Sie sei gegenwärtig festgenommen und ein Telefongespräch werde zur Zeit nicht gestattet. Letztlich musste Frau X gegen 08:20 Uhr das Telefon abgenommen werden. Daraufhin sprach die Frau in Lingala mit dem Kind, worauf das Kind anfing mit ihrem Handy hinter dem Rücken der Dolmetscherin und somit uns gegenüber versteckt zu tippen. Auffallend war hierbei, dass während unserer Anwesenheit die Mutter mit dem Kind vorwiegend deutsch sprach, aber immer nur dann wenn wir offensichtlich Gespräche nicht verstehen sollten, in der Heimatsprache Lingala spricht. So nahm die Exekutive auch sofort einen Blick hinter die Dolmetscherin und bemerkte das Tippen des Kinds am Handy. Das Handy wurde daraufhin auch dem Kind entzogen. Als Antwort gab das Kind an, es hätte mit dem Telefon nur gespielt.

14. ()

15.Kurz vor 9:00 Uhr erreichte mich die Mitteilung, dass Herr X in X aufgefunden werden konnte, kurz darauf, kurz vor 09;00 Uhr kam Herr X dann auch in Begleitung der Polizeiinspektion X in die Unterkunft worauf er nach dem Grund der Polizeianwesenheit anfragte.

16. Kurz vor 9 erfolgte die Zustellung des AsylGH Erkenntnis in der Unterkunft und die darauffolgende Festnahme. Nach Durchsuchung des Fremden und Belehrung zur Festnahme wurde die Amtshandlung um 09:12 Uhr gesetzt.

17.Ich belehrte die Familie über die Abweisung des Asylantrages durch den Asylgerichtshof, die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung, die Verpflichtung das Bundesgebiet zu verlassen, die nunmehrige Festnahme und die Beabsichtigung der Abschiebung in den Kongo am morgigen Tag.

18.Daraufhin führte sofort und ohne Zeitverzug oder ohne weiters zu überlegen Herr X und Frau X einstimmig an, sofort Österreich zu verlassen. Weiters gab Herr X hinzufügend zur Aussage seiner eigenen und der Aussage seiner Frau an, aber sicher nicht in den Kongo zurückzukehren. Der Kongo sei zu gefährlich, keine Polizei der Welt könne sie in den Kongo zurückbringen.

19.Es erfolgte nunmehr eine Belehrung über den illegalen Aufenthalt, der Entzug der  Aufenthaltsberechtigungskarte und vor allem, dass eine Ausreise aus Österreich nur mit einer Rückkehr in den Kongo möglich sei. Ich fragte daraufhin die Familie wohin sie denn ausreisen wolle, worauf ohne zögern die Antwort folgte, eben in ein anderes Land gehen zu werden. Ich belehrte daraufhin wiederum die Familie dass eine illegale Ausreise und illegale Einreise in ein benachbartes EU-Land weitere Folgen für Sie und die Familie hätte und seitens der Behörde nicht geduldet werden kann. Als Antwort erfolgte dann durch Herrn X, dass sich die Behörde darüber nicht kümmern brauche. Frau X vermeinte zu den Angaben Ihres Mannes noch, dass Sie ihn egal wohin begleiten werde, in den Kongo würden Sie aber beide mit Sicherheit nicht zurückkehren. Nicht umsonst wären Sie aus dem Kongo geflohen und mit hohen Aufwand und getrennter Familie nach Österreich gekommen.

20. ()

21.Abschließend wurde am Auftrag der Festnahme festgehalten, dieser nicht revidiert und die Polizeiinspektion X beauftragt die Überstellung in die X zur Abschiebung gemäß Auftrag durchzuführen.

22.Zwischenzeitlich wurde das BMI Abtlg II/2 fernmündlich verständigt und fernmündlich die Mitteilung erteilt, dass die Abschiebung nicht storniert, sondern an deren festgehalten werde. Die Durchreisebewilligung sollte daher mit allen Kräften an Frankreich urgiert und eingeholt werden.

23.()

24.Die Fluchtgefahr wurde auch durch die anwesenden Polizeibeamten erkannt. Dies ging sogar soweit, dass das besonders geschulte Organ vermeinte, dass die Familie die Gepäckstücke nicht eigens über die Stockwerke zum Schubfahrzeug tragen sollten, die Gefahr der Flucht wäre zu hoch. Daher trug das besonders geschulte Organ alle (ca.16 prall gefüllte Taschen) über drei Stockwerke hinunter und verlud diese im Schubfahrzeug. Während dessen wurden die Fremden in deren Unterkunft bewacht und in Bewachung von 4 Polizeibeamten zum Transportfahrzeug begleitet.

25.Die Kommission des MRB wurde zwar im Vorfeld über eine voraussichtliche
Festnahme durch die PI X gem. Voraviso der voraussichtlichen
Festnahme der BH Vöcklabruck vom 16.04.2012 verständigt, war aber im
Rahmen der Festnahme nicht anwesend."

 

2.2.2.3. Betreffend den aus dem Aktenvermerk ableitbaren entscheidungsrelevanten Sachverhalt ist zunächst festzustellen, dass der Bf – auch entsprechend dem Schubhaftbescheid –, als Folge des am 16. April 2012 um 6:17 Uhr ergangenen Festnahmeauftrags, fraglos schon an der Bushaltestelle in X von den beiden Polizeibeamten festgenommen worden war und es ihm nicht mehr frei stand, die landesbetreute Unterkunft, wo schon neben seiner Familie die Fremdenpolizei und die sonstigen Polizeibeamten harrten, nicht mehr aufzusuchen. Die Festnahme passierte also schon zweifelsfrei vor der Aushändigung des in Rede stehenden AGH-Erkenntnisses, gleich ob der Bf erst allenfalls nach dessen Aushändigung über die Festnahme und deren Folgen informiert wurde.

 

Es ist absolut glaubhaft, dass der Bf nicht ständig an der landesbetreuten Unterkunft anwesend war. Die belangte Behörde führt aber nicht an, inwieweit sie Sachverhaltselemente erhob, die die von ihr offensichtlich getroffene Annahme, der Bf bereite schon ein Untertauchen vor, erhärtet haben würden. Dass er – wie glaubhaft geschildert wird - nur über wenige Kleidungsstücke in der Unterkunft verfügt habe, reicht dazu ebenso wenig, wie der Umstand, dass die Identität des von der Ehegattin angegebenen Freundes des Bf nicht ermittelt werden konnte, was aber auch offensichtlich nach dem Eintreffen des Bf auch nicht weiter verfolgt wurde.

 

Sogar, wenn man wie die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Ehegattin zunächst versucht hatte, den Bf telefonisch zu kontaktieren, wie auch in der Folge die 7-jährige Tochter, lässt sich aus diesem Umstand keinesfalls eine beim Bf vorliegende, hohe Fluchtgefahr ableiten.

Generell ist auszuführen, dass – aus Sicht des UVS nicht erkennbaren Gründen – auf die Abfassung einer Niederschrift mit den Betroffenen verzichtet wurde, weshalb die angeführten Äußerungen dieser – wenn auch glaubhaft aus Sicht des Empfängers – nicht die rückbestätigende Bekräftigung durch den Informationssender erhalten konnten.

 

Aus den im Aktenvermerk festgehaltenen Äußerungen des Bf und seiner Ehegattin - betreffend ein allfälliges Untertauchen in andere EU-Staaten (wie von der belangten Behörde interpretiert) – lässt sich nicht ableiten, dass der Bf oder seine Gattin ein solches Vorgehen von sich aus angesprochen hätten, da sie laut AV Punkt 18 und 19 nur die Rückkehr in den Kongo ausgeschlossen, nicht aber die Ausreise in ein anderes EU-Land ankündigten. Gerade dieser Punkt wird ja auch in der vorliegenden Beschwerde thematisiert. Es wird jedoch – übereinstimmend mit der belangten Behörde – wohl davon auszugehen sein, dass zu diesem Zeitpunkt (unmittelbar nach Aushändigung des AGH-Erkenntnisses) eine Rückkehrunwilligkeit in die DR Kongo gegeben war.

 

2.2.2.4. Besonders zu betonen ist, dass dem Bf ein Gespräch mit einem Berater des X am 16. April 2012 in Wien in der Zeit vor 17:45 Uhr ermöglicht wurde. Übereinstimmend mit dem unter Punkt 1.1.5. dieses Erkenntnisses dargestellten Bericht gaben der Bf und seine Gattin dort an, zu einer Rückkehr in die DR Kongo bereit zu sein. Sie widersetzten sich während der Abschiebung bis kurz vor dem Einsteigen in das Flugzeug nicht, sondern kamen den verschiedenen Anordnungen der Beamten nach. Die Abschiebung schlussendlich vereitelten sie durch passiven Widerstand, indem sie sich am Rollfeld weigerten das Flugzeug zu betreten.

 

2.2.2.5. Weiters ergibt sich aus dem Akt, dass dem Bf ein Bescheid gemäß § 55 Abs. 5 FPG iVm. § 57 AVG  am 17. April 2012 um 00:04 Uhr dem Bf ausgefolgt wurde (Bescheid vom 16. april 2012 GZ.: Sich40-3004-2010), mit dem die eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise widerrufen wurde.

 

Laut Gegenschrift erhob der Bf am 24. April 2012 dagegen Vorstellung, weshalb nun das erstinstanzliche Verfahren eingeleitet wurde.

 

2.2.2.6. Mit Schreiben vom 17. April 2012 teilt der AGH u.a. der belangten Behörde mit, dass das Asylverfahren des Bf mit der am 16. April 2012 erfolgten Zustellung der Entscheidung mit einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung abgeschlossen worden ist.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1.1., 1.1.3., 1.1.5. 1.2., 2.1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 112/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren

Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 des FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde von 17. April 2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2.1. In der Schubhaftbeschwerde wendet der Bf darüber hinaus ein, dass schon seine Festnahme am 16. April 2012 und der damit in Gang gesetzte Abschiebungsversuch bis zum 17. April 2012 rechtswidrig erfolgt seien. Dieses Vorbringen richtet sich somit eigenständig gegen die unmittelbare Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch, der belangten Behörde zurechenbare, Polizeiorgane und war daher auch als eigenständige maßnahmenbeschwerde anzusehen.

 

Es ist – nicht zuletzt auch relevant für die Beurteilung der Schubhaftbeschwerde – vorerst zu überprüfen, ob die Vorgehensweise der belangten Behörde im Zuge der letztlich für 17. April angesetzten Familienabschiebung rechtmäßig erfolgte.

 

Dass es sich bei der Festnahme, der zwangsweisen Verbringung nach X und der dortigen Anhaltung sowie der abgebrochenen begleiteten Abschiebung um Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelte, bedürfte keiner weiteren Feststellungen.

 

Der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, dass auch ein misslungener Abschiebeversuch eine Maßnahme darstellen kann, da es nicht auf den Erfolg der Aktion ankommt, sondern primär darauf, ob gegen eine Person unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt wird. Dies wird bei einer Festnahme, Anhaltung und zwangsweisen Verbringung wohl durchwegs anzunehmen sein.

 

Weiters ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass es bei der Beurteilung einer Festnahme nicht darauf ankommt, wann einer Person der Umstand der Festnahme formal mitgeteilt wird, sondern darauf, dass eine Person eine qualifizierte Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch staatliche Organe erfährt.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Bf am 16. April 2012 vor 9:00 Uhr an einer Bushaltestelle in X von zwei in Zivil gekleideten Polizeibeamten festgenommen wurde, gleich, ob sie ihm diesen Umstand mitteilten. Sie nahmen ihn gemäß dem um 6:17 Uhr dieses Tages ergangenen Festnahmeauftrages in Gewahrsam und brachten ihn in die landesbetreute Unterkunft, wo auch schon die Fremdenpolizei ua. auf den Bf warteten.

 

3.2.2.1. Zunächst ist die Frage zu klären, ob die Festnahme des Bf, die sich auf den am 16. April ergangenen Festnahme- und Abschiebeauftrag stützte,  rechtliche Deckung findet.

 

Gemäß § 74 Abs 1 FPG kann die Behörde die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen (Festnahmeauftrag), wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte, sein letzter bekannter Aufenthalt jedoch im Sprengel der Behörde liegt.

3.2.2.2. Nach dem festgestellten Sachverhalt war zwar die Annahme gerechtfertigt, dass die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung vorlagen, jedoch mangelt es am kumulativ geforderten Vorliegen der Z. 1 und 2 dieser Bestimmung. Weder hatte der Bf einer Ladung nicht Folge geleistet, noch war sein Aufenthaltsort unbekannt, zumal er ja in einer zugewiesenen Unterkunft logierte.

 

3.2.3.1. Gemäß § 74 Abs 2 FPG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,           

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 1 und 70 Abs. 1, § 10 AsylG 2005) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46) erlassen werden soll oder

4. wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

 

3.2.3.2. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Festnahme- und Abschiebeauftrages lagen fraglos die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft oder gelinderer Mittel nicht vor. Diese  Annahme stützt sich darauf, dass die den Sicherungsbedarf allenfalls begründenden Umstände – laut vorliegendem Schubhaftbescheid - erst in den Gesprächen mit der Familie des Bf und mit ihm selbst am 16. April 2012 konkretisiert wurden, vorher also – im Übrigen offenbar auch nach Ansicht der belangten Behörde - nicht in ausreichendem Maß bestanden hatten, da die belangte Behörde ansonsten wohl schon zumindest ein gelinderes Mittel verhängt haben würde. § 74 Abs. 2 Z. 1 FPG ist also nicht einschlägig.

 

Gleiches gilt im Ergebnis für Z. 2 leg. cit., zumal dem Bf zum Festnahmezeitpunkt  (16. April 2012) - aus welchen Gründen auch immer – das die Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG beinhaltende Erkenntnis des AGH vom 20. März 2012 noch nicht zugestellt worden war, sondern ihm erst nach Festnahme persönlich ausgehändigt wurde.

 

Die Z. 4 leg. cit. ist ebenfalls nicht einschlägig. Z. 3 hingegen spricht davon, dass gegen einen Fremden ein Abschiebeauftrag erlassen werden soll und verweist dazu auf § 46 FPG.

 

3.2.4.1. Gemäß § 46 Abs 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66 § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

3.2.4.2. Der erste Halbsatz dieser Bestimmung knüpft die Zulässigkeit der Abschiebung zunächst an die Tatsache, dass eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot vorliegt. Dies war im in Rede stehenden Fall nicht gegeben, zumal dem Bf gegenüber das in Rede stehende AGH-Erkenntnis noch nicht zugestellt war. Aus Rechtschutzinteresse kann es aber nur darauf ankommen, dass dem Bf gegenüber die Entscheidung des AGH durchsetzbar wurde; die Tatsache, dass die belangte Behörde schon seit über 3 Wochen in Kenntnis der Entscheidung war, reicht nicht aus, um – aus Sicht des Bf – vom Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung (bzw. im Sinne des § 10 Abs. 7 AsylG Rückkehrentscheidung) ausgehen zu können. Auch der AGH spricht in seiner Mitteilung vom 17. April 2012 von der Durchsetzbarkeit der Ausweisung ab 16. April 2012 (vgl. Punkt 2.2.2.6.)

 

Selbst, wenn man die Zustellung des AGH-Erkenntnisses an die Asylbehörde erster Instanz als auslösendes Moment ansähe, wäre im Ergebnis keine andere Beurteilung möglich, da die allenfalls einschlägige Z. 3 leg. cit. nicht zum Tragen kommen könnte, zumal zum Zeitpunkt der "Erlassung" des Festnahme- und Abschiebeauftrages wie auch der Festnahme selbst am 16. April 2012 kurz vor 9 Uhr die Sachverhaltselemente, die die Befürchtung stützen hätten können, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen würde, noch keinesfalls im erforderlichen Maß verdichtet waren. Denn, dass der Bf im Asylverfahren geäußert hatte, nicht in die DR Kongo zurückkehren zu können, ist jedenfalls alleine nicht geeignet diese Annahme zu untermauern. Andere diese Annahme allenfalls rechtfertigende Umstände wurden erst bei der Einvernahme nach der Festnahme bekannt (vgl. Schubhaftbescheid und Aktenvermerk vom 16. April 2012).

 

3.2.4.3. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass der Festnahme- und Abschiebeauftrag zu Unrecht erfolgte und die darauf basierende Festnahme des Bf am 16. April kurz vor 9:00 Uhr an einer Bushaltestelle in X als rechtswidrig erkannt werden muss.

 

3.2.5.1. Folgt man dem chronologischen Ablauf, so ist das nächste rechtsrelevante Ereignis die persönliche Übergabe des oa. AGH-Erkenntnisses in der bundesbetreuten Unterkunft. Dem Bf ging die Entscheidung zu, wodurch diese ihm gegenüber rechtskräftig und durchsetzbar wurde. Damit aber wird – wie von der belangten Behörde herangezogen - § 10 Abs. 7 AsylG einschlägig.

 

3.2.5.2. Gemäß § 10 Abs 7 AsylG gilt, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird, diese als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

3.2.5.3. Es ist also ab dem 16. April 2012 (ca. 9:00 Uhr) davon auszugehen, dass die vom AGH ausgesprochene Ausweisung gemäß § 10 AsylG als Rückkehrentscheidung im Sinne des FPG anzusehen ist, wobei hier grundsätzlich – parallel zu § 55 Abs. 1 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gilt. Diese einschränkende Umstände (nach dem AsylG) liegen im konkreten Fall nicht vor, weshalb auch folglich bei der Übernahme des Erkenntnisses durch den Bf ihm noch eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise zur Verfügung gestanden hatte.

 

Auch, wenn der belangten Behörde nicht abzusprechen ist, dass zu diesem Zeitpunkt fremdenpolizeiliche Maßnahmen grundsätzlich (aufgrund gewisser asylrechtlicher Bestimmungen) nicht per se ausgeschlossen sein mögen, übersieht sie jedoch, dass der Gesetzgeber sowohl des AsylG als auch des FPG vor dem Einsatz von Zwangsmaßnahmen Fremden die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise einräumt. Diese zu negieren, steht den Verwaltungsbehörden nicht frei. 

 

Fraglich ist, ob die aufrechterhaltene Anhaltung des Bf nach Aushändigung des in Rede stehenden AGH-Erkenntnisses im Hinblick auf die geplante Abschiebung nunmehr als gerechtfertigt anzusehen war. Hierbei ist auf § 46 Abs. 1 Z. 3 FPG zu verweisen.

 

3.2.5.4. Unbestritten ist, dass gegen den Bw im Sinne des § 46 Abs. 1 FPG eine durchsetzbare Ausweisung, die als Rückkehrentscheidung gilt, ausgesprochen wurde. Nun ermöglicht aber Z. 3 dieser Bestimmung einen Fremden abzuschieben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen.

 

Aus Rechtsschutzinteresse wird man davon ausgehen müssen, dass unter "bestimmten Tatsachen" konkret vorliegende Anhaltspunkte gemeint sind. Die belangte Behörde schilderte verschiedene diesbezügliche Elemente in dem unter dem Punkt 2.2.2.2. wiedergegebenen Aktenvermerk vom 16. April 2012, die unter Punkt 2.2.2.3. gewürdigt wurden.

Im Ergebnis lässt sich daraus ableiten, dass die Betroffenen unmittelbar folgend auf die Aushändigung der negativen Asylbescheide sich nicht in die DR Kongo rückkehrwillig zeigten. Sie waren zwar bereit Österreich zu verlassen, wobei die Destination nicht geklärt wurde.

 

Nun muss aber besonders auf den Umstand hingewiesen werden, dass der Bf – zu diesem Zeitpunkt – noch dazu ohne "behördenfremde" Beratung wohl nicht in der Lage war, die Konsequenzen seiner – im Übrigen nicht wörtlich protokollierten – Aussagen abzuschätzen; dies vor allem auch deshalb, da gegen ihn knapp davor eine - wie sich nun zeigt – rechtswidrige Festnahme erfolgt war.

 

Generell ist hier anzumerken, dass durch die scheinbar zurückgehaltene Zustellung der AGH-Entscheidung vom 20. März 2012 (allen drei Familienangehörigen erst am 16. April 2012 ausgehändigt), die vor deren Zustellung erfolgte rechtswidrige Festnahme und die schon Wochen davor in Vorbereitung stehende zwangsweise Abschiebung (die belangte Behörde leitete spätestens mit 29. März 2012 die zwangsweise Abschiebung ein, stornierte einen für 12. April geplanten Flugtermin, mangels entsprechender Einreisegenehmigungen für die Begleitung etc.)  das gesetzlich vorgesehene Verfahren – nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des UVS des Landes Oberösterreich – pervertiert wurde, weshalb dadurch dem Bf nicht nur die Gelegenheit eines außerordentlichen Rechtsmittels etwa an den VfGH genommen war, sondern ihm auch nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich entsprechend mit den Konsequenzen der für ihn negativen Asylentscheidung (wenn auch durchsetzbar und rechtskräftig) auseinanderzusetzen.

 

Die belangte Behörde war also nicht berechtigt, eine allfällige Rückkehrunwilligkeit in die DR Kongo zur Weiterverfolgung der Abschiebung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 3 FPG auszulegen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Bf und seine Gattin eine Rückkehr in den Kongo ablehnten, aber zur Ausreise aus Österreich bereit waren, um in einem anderen Staat aufhältig zu sein. Legte man diese Äußerung zu Gunsten der Betroffenen aus, hätten sie eine dauerhafte Rückkehr – nicht aber die Einreise in ihr Heimatland und eine sofortige Wiederausreise in einen Nachbarstaat – ausgeschlossen.

 

Wie sich aus dem Akt ergibt (vgl. Punkt 2.2.2.4.), zeigte der Bf nach entsprechender Rechtsberatung, die erst am 16. April 2012 während der Anhaltung in X in der Zeit vor 17:45 Uhr erfolgte, rückkehrwillig, was laut Aktenlage vom Rechtsberater auch nach diesem Gespräch telefonisch kommuniziert wurde.

 

Zusammenfassend ist also die weitere Anhaltung des Bf bzw. die Verbringung nach X ebenfalls nicht rechtlich gedeckt.

3.2.6.1. Nun bietet aber § 55 Abs. 5 FPG den Fremdenpolizeibehörden die Möglichkeit – bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen – die ursprünglich gewährte Frist für die freiwillige Ausreise mit Mandatsbescheid nachträglich zu widerrufen.

 

Aus der Systematik lässt sich ablesen, dass § 10 Abs. 7 AsylG dem § 55 Abs. 1 und 2 vergleichbare Regelungen beinhaltet. Nachdem aber nach § 10 Abs. 7 AsylG die dortige Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des FPG gilt, ist es wohl zulässig § 55 Abs. 5 FPG auch auf diese "Rückkehrentscheidung" anzuwenden.

 

3.2.6.2. Gemäß § 55 Abs 5 FPG ist die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

 

3.2.6.3. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, erging der Mandatsbescheid der belangten Behörde erst zu dem Zeitpunkt, als der Bf und seine Familie schon nach X verbracht worden waren (17. April 2012, 00:04 Uhr).

 

Ab Zustellung des AGH-Erkenntnisses am Vormittag des 16. April 2012 bis zum Widerruf der Frist zur freiwilligen Ausreise während der Anhaltung in X, griff die belangte Behörde – wie eben dargestellt - jedenfalls in die gesetzlich normierte Frist (§ 10 Abs. 7 AsylG) für die freiwillige Ausreise ein.

 

Gegen den Mandatsbescheid wurde am 24. April 2012 Vorstellung eingebracht. Dennoch war er zum Zeitpunkt der Abschiebung am 17. April 2012 durchsetzbar, wenn auch nicht rechtskräftig.

 

Dem UVS des Landes Oö. ist es zunächst zwar verwehrt, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides vorzunehmen. Im Sinne einer Vorfragenentscheidung ändert sich jedoch nichts an der Feststellung, dass wohl – wie vorher gezeigt – nicht von einer besonderen Fluchtgefahr ausgegangen werden konnte, der Abschiebungsversuch rechtswidrig erfolgte, zumal mit Ausnahme der relativen Rückkehrunwilligkeit keine gravierenden Sachverhaltsmomente erkannt werden.

 

3.2.7. Daraus folgend wird aber auch der Abschiebungsversuch – nach Zustellung des Mandatsbescheides gemäß § 55 Abs. 5 FPG mit Bedacht auf die schon zuvor innewohnende Rechtswidrigkeit jedenfalls als unzulässig anzusehen sein. 

 

3.3. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass der Beschwerde insoweit stattzugeben ist, dass die Festnahme, die folgende Anhaltung und der Abschiebeversuch als rechtswidrig erkannt werden.

 

3.4.1. In weiterer Folge ist auf die im Rahmen der Schubhaftbeschwerde geäußerten Punkte einzugehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

 

3.4.2 Aufgrund der abweisenden Entscheidung des Asylgerichtshofes (rechtskräftig seit 16. April 2012) ist der Bf seit diesem Zeitpunkt nicht mehr als Asylwerber, sondern wiederum als "bloß" Fremder im Sinne des § 76 Abs. 1 FPG anzusehen, weshalb diese Bestimmung grundsätzlich von der belangten Behörde zurecht angewendet wurde.

 

3.4.3.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.4.3.2. Die belangte Behörde gründete die Annahme des Sicherungsbedarfes auf folgende Umstände:

 

Der Bf sei rechtskräftig ausgewiesen und habe eine Verpflichtung der Ausweisung nachzukommen. Er habe keine Aussicht auf ein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, zeige aber keine Bereitschaft die Europäische Union zu verlassen, spreche dagegen mehrmals unverkennbar an, in die Anonymität abzutauchen und illegal in einen weiteren Mitgliedstaat reisen zu wollen, sich somit einer drohenden Abschiebung und Ausreise in den Kongo zu entziehen. Er verfüge dazu auch noch über die reale Möglichkeit sich einen Aufenthalt in der Anonymität für einen längeren Zeitraum und eine Reise in ein benachbartes EU-Ausland zu finanzieren. Weiters habe er keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, habe auch keine Bezugspersonen in Österreich zu denen er eine engere Bindung habe. Er gehe keiner Beschäftigung nach, habe keine eigene Unterkunft an die er gebunden wäre, spreche die deutsche Sprache nur ansatzweise, sei in Österreich nicht integriert, sei selbst mit der minderjährigen Tochter relativ flexibel in der Lebensgestaltung, halte sich auch erst seit nicht all zu langer Zeit in landesbetreuter Unterkunft im Bundesgebiet auf, nächtige oftmals getrennt von seiner Frau zum einen Teil in der betreuten Unterkunft, zum anderen Teil bei Fremden im Raum Vöcklabruck, gebe dazu den Aufenthaltsort den Behörden nicht bekannt.

 

Insbesondere habe er sich der Abschiebung am 17. April 2012 am Flughafen widersetzt und diese verhindert.

 

3.4.3.3. Zunächst ist anzuführen, dass laut Judikatur des VwGH eine bloße Rückkehrunwilligkeit nicht die Bejahung eines Sicherungsbedarfes rechtfertigt. Die im Asylverfahren gezeigte Rückkehrunwilligkeit ist – der Beschwerde folgend – nicht gravierend zu werten, da ansonsten jegliches Erreichen von Asyl per se schon verunmöglicht werde.

 

Aus dem Sachverhalt ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Bf dezidiert geäußert habe, in die Anonymität unterzutauchen. Seine relative Flexibilität wird durch den Umstand, dass insbesondere seine Tochter die Eltern begleitet, erheblich erschwert. Das Bargeld in Höhe von 2.000 Euro hat die belangte Behörde im Rahmen der Sicherung des gelinderen Mittels für die Ehegattin des Bf bereits einbehalten, weshalb es nicht zur Argumentation der finanziellen Unabhängigkeit herangezogen werden kann.

 

Schlussendlich ist festzuhalten, dass es dem Bf wohl nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, sich - ohne Gewaltanwendung – einem rechtswidrigen Abschiebungsversuch widersetzt zu haben. 

 

3.4.3.4. Es ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - nicht  vom Vorliegen eines besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarfes auszugehen und zu attestieren, dass die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft und gemäß § 83 Abs. 4 FPG auch für eine weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht vorliegen.

 

Es hätte mit der Verhängung eines gelinderen Mittels wohl auch das Auslangen gefunden werden können.

 

3.5. Es war somit der in Rede stehenden Schubhaftbeschwerde stattzugeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit 17. April 2012 für rechtswidrig zu erklären. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzung für die weitere Anhaltung des Bf nicht vorliegen.

 

3.6. Mangels Zuständigkeit des UVS bzw. mangels gesetzlicher Grundlagen waren die weiteren Beschwerdeanträge im Zusammenhang mit der Schubhaft (auf Aufhebung des in Rede stehenden Schubhaftbescheides, auf Enthaftung des Beschwerdeführers, auf Haftentschädigung, auf Freigabe der Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 Euro sowie auf Anordnung des gelinderen Mittels) als unzulässig zurückzuweisen.

 

4. Mangels entsprechender Anträge war keine Kostenentscheidung zu treffen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 32,50 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 

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