Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166676/11/Fra/Bb/CG

Linz, 08.05.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des x, geb. x, x, x, vom 1. Februar 2012, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 30. Jänner 2012, GZ S-4602/ST/11, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. April 2012, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                   Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

 

II.                Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in der Höhe von 10 Euro (= 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 51 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 


Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 30. Jänner 2012, GZ S-4602/ST/11, wurde über x (den nunmehrigen Berufungswerber – im folgenden: Bw) wegen einer Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 5 Euro verpflichtet.

 

Dieser Bestrafung liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):


"Sie haben am 08.05.2011 um 15.57 Uhr in der Gemeinde Kremsmünster, Kremsmünster, B x bei km x in Fahrtrichtung Sattledt den PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen x gelenkt und die in diesem Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 22 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt 1. Februar 2012, hat der Bw rechtzeitig – mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 - Berufung erhoben und beantragt, eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen, seiner Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Einleitend weist der Bw darauf hin, dass die gegenständliche Verurteilung durch die Herbeiziehung und Verwendung rechtswidrig gewonnener Beweise zustande gekommen sei (Geständnis in der Lenkerauskunft).

 

Zur näheren Begründung führt er an, dass es unzulässig sei, rechtswidrig erlangte strafbewehrte Lenkerauskünfte einer Verurteilung heranzuziehen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des UVS Oberösterreich zu GZ VwSen-130751/7.

 

Die Lenkerauskunft habe er nur deshalb erteilt, um sich nicht einer weiteren Verwaltungsstraftat (Nichtabgabe einer Lenkerauskunft) auszusetzen. Die im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführte Verfassungsbestimmung sei in diesem Fall wegen einer strafbewehrten Lenkerauskunft nicht anwendbar, sodass die Auskunft nicht als Belastungsurkunde tauglich erscheint.

 

Zum Tatvorwurf möchte er von seinem Recht Gebrauch machen zu schweigen und sich nicht selbst bezichtigen zu müssen! Es wäre an der erstinstanzlichen Behörde gelegen, vor Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens eine Lenkerauskunft zu begehren, was im Einklang mit der Verfassungsbestimmung des § 103 Abs.2 KFG stehen würde.

 

Die Verurteilung erscheine sohin rechtswidrig!

 

3. Der Polizeidirektor von Steyr hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 2. Februar 2012, GZ S 4602/ST/11, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den zur Entscheidung vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Steyr und in die Berufung sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. April 2012. Circa 1 1/2 Stunden vor Verhandlungsbeginn teilte der Bw dem Oö. Verwaltungssenat per E-Mail mit, dass er wegen eines wichtigen Termins an der Verhandlung nicht teilnehmen kann. Eine Vertagung wurde vom Bw nicht beantragt.

 

4.1. Folgender rechtlich relevanter Sachverhalt liegt dieser Entscheidung zu Grunde: 

 

Am 8. Mai 2011 um 15.57 wurde die Fahrgeschwindigkeit des Pkw mit nationalen Kennzeichen x, in Kremsmünster, auf der B x, bei Strkm x, Fahrtrichtung Sattledt – nach Abzug der entsprechenden Messtoleranz – mit 92 km/h festgestellt (gemessene Geschwindigkeit 97 km/h). In diesem Straßenabschnitt ist eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h verordnet und kundgemacht. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch eine sogenannte Radarmessung mittels Radargerät, Type MUVR 6F2 1643 (mob), Messgerät Nr. 03.

 

Laut Auskunft der Zulassevidenz war dieses Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt auf den Bw zugelassen.

Zunächst wurde gegen den Bw als Zulassungsbesitzer des genannten Pkw wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 22 km/h von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (Tatortbehörde) zu GZ VerkR96-6758-2011 eine Strafverfügung, datiert vom 4. Juli 2011, nach § 52 lit.a Z10a StVO erlassen. Dagegen erhob er fristgerecht am 11. Juli 2011 einen unbegründet gebliebenen Einspruch.

 

In der Folge wurde sodann an den Bw mit Schreiben vom 11. Juli 2011, GZ VerkR96-6758-2011, in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, Kennzeichen x, ein Auskunftsverlangen zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nach § 103 Abs.2 KFG zur Tatzeit am 8. Mai 2011 um 15.57 Uhr am gegenständlichen Tatort gerichtet. Diese Lenkeranfrage wurde ihm am 13. Juli 2011 zugestellt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass er sich strafbar mache, wenn er die verlangte Auskunft nicht oder unrichtig erteile. Mit Antwort vom 14. Juli 2011 teilte der Zulassungsbesitzer auf das Auskunftsverlangen der anfragenden Behörde mit, dass er selbst den besagten Pkw zum damaligen Zeitpunkt verwendet habe.

 

Sodann wurde das Verfahren am 15. Juli 2011 gemäß § 29a VStG an die Bundespolizeidirektion Steyr (Wohnsitzbehörde des Berufungswerbers) abgetreten. Nach Einholung des Radarlichtbildes und einer an den Bw gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. September 2011, GZ S-4602/ST/11, wozu sich der Berufungswerber nicht äußerte, wurde letztlich am 30. Jänner 2012 unter GZ S-4602/ST/11 das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

4.2. Die zu Grunde liegende Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels Radarmessgerät festgestellt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einer Radarmessung um ein absolut taugliches Mittel zur Feststellung von Fahrzeuggeschwindigkeiten (z. B. VwGH 19. September 1990, 90/03/0136). Es besteht daher grundsätzlich kein Anlass an der Richtigkeit der gegenständlichen Messung noch am Messergebnis zu zweifeln, zumal sich auch aus der Aktenlage keine Hinweise oder Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergeben.

 

Auf dem Radarlichtbild ist der in Rede stehende Pkw als einziges Fahrzeug im Messbereich abgelichtet, das Kennzeichen des Fahrzeuges x aus der Kennzeichenvergrößerung, die festgestellte Geschwindigkeit samt Tatzeit und Tatort eindeutig ablesbar und dem verfahrensgegenständlichen Pkw zuzuordnen.

 

Der Bw ließ die Geschwindigkeitsmessung als auch das festgestellte Ausmaß der Überschreitung unbestritten. Die Lenkereigenschaft und damit die Täterschaft des Bw zur Tatzeit ergibt sich aus der Beantwortung der ihm übermittelten Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG. Der Bw wendet in diesem Zusammenhang jedoch ein, es sei unzulässig, diese seiner Auffassung nach rechtswidrig erlangte Lenkerauskunft für eine Verurteilung heranzuziehen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat hierüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 52 lit.a Z10a StVO zeigt das Verkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Es steht allseits unbestritten fest, dass der Bw als Lenker des auf ihn zugelassenen Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen x am 8. Mai 2011 um 15.57 Uhr - unter Berücksichtigung der Messtoleranz von 5 km/h (bei Messergebnissen mittels Radargeräten unter Tempo 100 km/h) - innerhalb einer 70 km/h-Beschränkung eine Geschwindigkeit von 92 km/h eingehalten und damit eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 22 km/h begangen hat. Er hat daher die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO in objektiver Hinsicht zu verantworten. Bezüglich seines Verschuldens ist gemäß § 5 Abs.1 VStG von fahrlässigen Verhalten auszugehen.

 

5.2. Der Bw hat sich auf behördliche Lenkeranfrage selbst als Fahrzeuglenker bekannt gegeben. Er behauptet nunmehr, dass diese Auskunft im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht verwertet werden hätte dürfen, da er zur Angabe dieses selbstbelastenden Beweises gezwungen worden sei.

 

Zutreffend ist, dass gegen den Bw im Zeitpunkt der Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstraf­verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 52 lit.a Z10a StVO (Grunddelikt) anhängig war. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht klar, ob er überhaupt selbst dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat, zumal er sich im – unbegründet gebliebenen - Einspruch gegen die Strafverfügung zur Täterschaft überhaupt nicht äußerte. Die Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs.2 KFG hatte daher den Zweck, den Kraftfahrzeuglenker festzustellen bzw. einen Verdächtigen zu ermitteln. Diese Lenkererhebung bezog sich bloß auf die Tatsache, wer dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat. Der Bw wurde in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer damit lediglich verpflichtet, wahrheitsgemäß nur eine einfache Tatsache mitzuteilen, nämlich wer sein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Dies konnte für ihn nicht belastend sein, weil nicht übersehen werden darf, dass auch nach Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht ohne weiteres (objektiv und subjektiv) bewiesen war. Zur Klärung des Verdachtes, ob der bekannt gegebene Lenker zum angeführten Zeitpunkt die in Rede stehende Verwaltungsübertretung begangen hat, waren noch zahlreiche Fragen zu klären. Der Bw als Lenker hatte im Verfahren die Möglichkeit, den Tatvorwurf bzw. den angezeigten Sachverhalt zu bestreiten und sich in jeder Hinsicht zu verteidigen sowie auch die rechtliche Beurteilung zu hinterfragen. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, auch keine unmittelbare verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung nach sich zieht.

 

Es handelt sich bei der Aufforderung zur Erteilung einer Lenkerauskunft gemäß   § 103 Abs.2 KFG nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23. Februar  2000, 99/03/0314) um ein Administrativverfahren und somit um eine vom Vorwurf des Grunddeliktes unabhängige (administrative) Maßnahme. Dies bedeutet, dass die gegenständliche Lenkeranfrage vom 11. Juli 2011 ein eigenständiges Verfahren bildet. Die Aufforderung zur Lenker­auskunft erging an den Bw "nur" auf Grund seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Pkws und war nicht mit dem Vorwurf der Übertretung nach der StVO verbunden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG auch nach bereits erlassener Strafverfügung wegen des sogenannten Grunddeliktes für zulässig erachtet und festgehalten, dass die Erlassung einer Strafverfügung lediglich bedeute, dass die Behörde den Adressaten für den Täter hält; das hindere sie aber nicht, sich im Falle eines nicht ausdrücklich nur auf das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten beschränkten Einspruches im Wege der Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG Gewissheit zu verschaffen (VwGH 15. Jänner 1991, 91/03/0349).

 

Die Aufforderung zur Lenkerauskunft ist gesetzlich in § 103 Abs.2 KFG vorgesehen. Der Bestimmung liegt die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl. VwGH 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

 

Das beträchtliche öffentliche Interesse an der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG wurde dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die Pflicht zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers in Verfassungsrang erhoben hat. Der im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG normiert, dass gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten.

Der Verfassungsgerichtshof erachtete nach mehrfacher diesbezüglicher Befassung die Verfassungsbestimmung in Einklang mit den Baugesetzen des B-VG und erblickte bislang keinen Widerspruch zu Art. 6 EMRK und Art. 90 Abs.2 B-VG (z. B. VfGH 29. September 1988, G72/88). Auch der Verwaltungsgerichtshof stellte bereits wiederholt fest, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs.2 KFG keine Verletzung des Art. 6 EMRK bzw. Art. 90 Abs.2 B-VG bedeutet (u. a. VwGH 26. Mai 2000, 2000/02/0115).

 

Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zur (vergleichbaren) britischen Rechtslage betreffend die Lenkerauskunft in den Fällen x und x (Beschwerdenummer x und x) in einem Urteil der Großen Kammer vom 29. Juni 2007 mit 15 zu 2 Stimmen im Ergebnis festgehalten, dass die Verpflichtung zur Angabe, wer das Fahrzeug gelenkt habe, keine Selbstbezichtigung darstellt und keine Verletzung des Art.6 Abs.1 und Abs.2 EMRK bedeutet. Dies trotz der Tatsache, dass die Beschwerdeführer als "angeklagt" im Sinne von Art. 6 Abs.1 EMRK anzusehen waren. Der Gerichtshof hat die Entscheidung damit begründet, dass das Recht zu schweigen kein absolutes Recht darstellt, sondern die Beurteilung der Frage, ob ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs.1 EMRK vorliegt oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Dabei berücksichtigte der EGMR den Umstand, dass Art und Grad des Zwanges zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht besonders schwer waren und den Beschwerdeführern als Zulassungsbesitzer die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe von vornherein bekannt war. Er führte im Wesentlichen weiters aus, dass der Zwang zur Lenkerbekanntgabe zwar straf­recht­­licher Natur ist; er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sich jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind. Niemand ist verpflichtet, Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges zu werden; wer aber ein Kraftfahrzeug hält (und mit diesem am Verkehr teilnimmt), akzeptiert damit auch bestimmte Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, zu welchen es auch gehört, die Behörden im konkreten Fall über die Identität des Lenkers zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuklären. 

 

In Österreich gehört zu diesen Regeln eben der als Verfassungsbestimmung ausgeführte § 103 Abs.2 KFG.

 

Weiters führte der EGMR aus, dass die Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers eine bloße Tatsache darstelle und das Lenken eines Fahrzeuges an sich nichts Strafbares ist.

 

In den Fällen x und x (Beschwerdenummern x und x) bestätigte der EGMR im Wesentlichen diese Rechtsprechung und stellte ausdrücklich zur österreichischen Rechtslage fest, dass auch die Verpflichtung zur Lenkerauskunft nach § 103 Abs.2 KFG nicht gegen Art. 6 Abs.1 der EMRK verstößt.

 

Hinsichtlich der Verwertung der Lenkerauskunft im Strafverfahren hat der Gerichtshof im Fall x (Beschwerdenummer x) das Eingeständnis, das Fahrzeug zum maßgeblichen Zeitpunkt gelenkt zu haben als Beweis zugelassen und der Beschwerdeführer wurde wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Der Beschwerdeführer versuchte vergeblich die Zulassung dieses Beweises anzufechten. Der EGMR betonte, dass es ihm unbenommen gewesen sei, zu seiner Entlastung Beweise vorzulegen und Zeugen zu benennen, stellt die Identität des Lenkers doch lediglich ein Tatbestandsmerkmal des Deliktes der Geschwindigkeitsüberschreitung dar.

 

Unter Berücksichtigung dieser Rechtssprechung des EGMR sowie der ständigen Judikatur der österreichischen Höchstgerichte stellt die im Wege der Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG (im Administrativverfahren) in Erfahrung gebrachte Lenkerauskunft kein rechtswidrig erlangtes Beweismittel dar und unterliegt somit auch keinem Beweisverwertungsverbot. Eine Selbstbezichtigung, die nach Art. 6 EMRK verpönt ist, kann nicht erblickt werden. Der Umstand, dass gegen den Bw bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes anhängig war, ändert daher nichts an der Beurteilung des Falles. Die Lenkerauskunft hindert nicht seine Bestrafung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 52 lit.a Z10a StVO.

 

Bei der vom Bw zitierten Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich vom 28. März 2011, GZ VwSen-130751/7, handelt es sich um eine Einzelmeinung, nicht jedoch um die Mehrheitsmeinung der mit dem Vollzug dieser Rechtsmaterie befassten Mitglieder des Oö. Verwaltungssenates.

 

5.3. Zur Straffestsetzung ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der anzuwendenden Verwaltungsstrafbestimmung des § 99 Abs.3 lit.a StVO begeht, wer als Lenker eines Fahrzeuges unter anderem gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen.

 

Der Polizeidirektor von Steyr hat im angefochtenen Straferkenntnis für das gegenständliche Delikt (§ 52 lit.a Z10a StVO) eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, festgesetzt.

 

Die belangte Behörde ist bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass der Bw vermögenslos ist und ein monatliches Einkommen von rund 1.000 Euro bezieht. Diesen Annahmen hat der Bw nicht widersprochen, weshalb auch der Unabhängige Verwaltungssenat von diesen Grundlagen ausgeht. Zudem ist bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, dass der Bw für 3 Kinder sorgepflichtig ist; dieser Umstand ist dem Oö. Verwaltungssenat aus anderen Verfahren bekannt.

 

Als straferschwerend sind 2 einschlägige Vormerkungen aus dem Jahr 2010 zu berücksichtigen. Sonstige Straferschwerungs- und Strafmilderungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit dienen der Sicherheit des Straßenverkehrs. Geschwindigkeitsüberschreitungen erhöhen generell die Gefahren im Straßenverkehr, stellen potentielle Gefährdungen für andere Verkehrsteilnehmer dar und sind eine der häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle. Der Unrechtsgehalt derartiger Verstöße ist deshalb als beträchtlich zu qualifizieren, weshalb es sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Überlegungen einer angemessenen Strafe bedarf, um den Bw als auch die Allgemeinheit darauf hinzuweisen, dass die sorgfältige Beachtung und Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr von wesentlicher Bedeutung ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist der Ansicht, dass die von der Bundespolizeidirektion Steyr verhängte Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) tat- und schuldangemessen und auch erforderlich ist, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten und auf den Unrechtsgehalt der begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung entsprechend hinzuweisen. Die Geldstrafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und lediglich beträgt rd. 6,8 % der möglichen Höchststrafe (726 Euro - § 99 Abs.3 lit.a StVO). Es war somit spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

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