Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101086/8/Bi/La

Linz, 26.04.1993

VwSen - 101086/8/Bi/La Linz, am 26.April 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des J.F. vom 12. Februar 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .. vom 28. Jänner 1993, VerkR-13.704/1992-Du, aufgrund des Ergebnisses der am 26. März 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:

I.: Der Berufung wird in den Punkten 1. und 3. des Straferkenntnisses (hinsichtlich der Übertretungen gemäß 1. § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 3. § 11 Abs.2 iVm § 99 lit.a StVO 1960) Folge gegeben, die betreffenden Punkte des Straferkenntnisses behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

Hinsichtlich Punkt 2. wird der Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, daß die Wortfolge "um 20 km/h" zu entfallen hat. Die verhängte Geldstrafe wird auf 400 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwölf Stunden herabgesetzt.

Hinsichtlich Punkt 4. wird der Berufung keine Folge gegeben und dieser Punkt des Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

II.: Hinsichtlich der Punkte 1. und 3. entfällt die Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Im Punkt 2. ermäßigt sich der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz auf 40 S und entfällt ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren.

Im Punkt 4. hat der Rechtsmittelwerber als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 20 % der verhängten Strafe, das sind 100 S, zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm den §§ 24, 51, 44a Z1, 45 Abs.1 Z1 und 19 VStG, §§ 20 Abs.2, 52a Z10a, 11 Abs.2 und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, § 102 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967.

Zu II.: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft .. hat mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 1993, VerkR-13.704/1992-Du, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1.) § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2.) § 52a Z10a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 3.) § 11 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 4.) § 102 Abs.1 KFG 1967 iVm § 4 Abs.4 KDV 1967 im Zusammenhang mit § 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1. 800 S, 2. 800 S, 3. 200 S und 4. 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 18 Stunden, 2.) 18 Stunden, 3.) 6 Stunden und 4.) 12 Stunden verhängt, weil er am 20. Oktober 1992 um 14.40 Uhr in S. auf der .. in Fahrtrichtung N. ca. 100 m nach dem Ende der dortigen 70 km/h-Beschränkung als Lenker des Kombis mit dem behördlichen Kennzeichen .. die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um ca. 20 km/h überschritten hat, 2. hat er im Gemeindegebiet von T. im Ortschaftsbereich von O. auf der I. Bundesstraße zwischen Strkm. 24,790 und 25,940 in Fahrtrichtung N. im Bereich der dortigen 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung die verordnete und durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um ca. 20 km/h überschritten, 3. bog er im Gemeindegebiet von T. im Ortschaftsbereich von H. bei Strkm. 29,0 in die I.Bundesstraße nach rechts in Fahrtrichtung N. ein, ohne die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können, 4. hat er sich vor Antritt dieser Fahrt, obwohl dies zumutbar war, nicht davon überzeugt, daß das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, zumal der rechte Hinterradreifen nicht mehr die gesetzlich erforderliche Mindestprofiltiefe von 1,6 mm aufwies.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenersatz von insgesamt 230 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Am 26. März 1993 wurde in Anwesenheit des Berufungswerbers sowie des Zeugen GrInsp. S. eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Überholvorgang habe weit vor Stritzing stattgefunden, wobei er in weiterer Fahrt LKW-Züge überholt habe, die mit 70 km/h fuhren, sodaß 30 km/h zur Höchstgeschwindigkeit verblieben seien. Von der 70 km/h-Zone bis zur 80 km/h-Zone sei ein Weg von 1,5 km zurückzulegen. Bis zum Anhalten seien es weitere drei Kilometer gewesen. Bei einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung sei ein Nachkommen nicht möglich, weshalb die Äußerungen der beiden Gendarmeriebeamten fragwürdig seien. Bei der Anhaltung sei das Gendarmeriefahrzeug parallel zur Fahrbahn vor seinem Kraftfahrzeug abgestellt gewesen. Die Meßmethode der Profiltiefe gehe aus den Angaben der Gendarmeriebeamten nicht hervor; bloßes Ansehen reiche für die Feststellung nicht aus. Der Abstand beim Nachfahren sei ebensowenig geklärt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie durch Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung mit der zeugenschaftlichen Einvernahme des bei der Amtshandlung anwesenden GrInsp. S.

4.1. Demnach stellt sich der Vorfall so dar, daß der Zeuge zusammen mit dem Meldungsleger Rev.Insp. G. mit einem nach außen hin erkennbaren Gendarmeriefahrzeug auf der von S. kommend in Richtung N. mit 100 km/h unterwegs war. Etwa 100 m nach dem Ende der 70 km/h-Beschränkung wurde das Gendarmeriefahrzeug vom PKW des Rechtsmittelwerbers überholt, der sich anschließend vor dem Gendarmeriefahrzeug einordnete und mit exakt 100 km/h weiterfuhr. Da das Fahrzeug beim Überholvorgang die Geschwindigkeit von 100 km/h überschritten haben mußte, wurde von den beiden Gendarmeriebeamten beschlossen, dem Fahrzeug nachzufahren. Ein Aufschließen war aber aufgrund der gleichmäßigen Geschwindigkeit von 100 km/h nicht erforderlich. Im Bereich zwischen km 25,790 und 25,940 befindet sich eine behördlich verordnete und entsprechend kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h, bei der der Rechtsmittelwerber nicht abbremste, sondern die Geschwindigkeit von 100 km/h beibehielt. Dies wurde bei der Nachfahrt festgestellt, bei der der Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges cirka 100 km/h anzeigte. Laut Mitteilung des Meldungslegers wurde der Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges mit der Laserpistole überprüft, wodurch festgestellt wurde, daß sich die Tachonadel im Bereich von 5 km/h auf oder ab bewegt, dh daß bei einer Geschwindigkeit von angezeigten 100 km/h die tatsächliche Geschwindigkeit zwischen 98 und 102 km/h liegt. Am Ende der 80 km/h-Beschränkung hat der Rechtsmittelwerber beschleunigt und wurde schließlich im Ortschaftsbereich H. angehalten. Dort befindet sich bei Strkm 29 der B 137 eine Ausweiche der alten S. Bundesstraße, wo die Lenker- und Fahrzeugkontrolle stattfand. Dabei wurde festgestellt, daß der rechte Hinterreifen nicht mehr die erforderliche Profiltiefe aufwies. Der Meldungsleger gab an, er habe mit freiem Auge festgestellt, daß der Reifen zwar nicht gänzlich abgefahren war, aber eine Profiltiefe von 1,6 mm nicht mehr vorhanden war. Die Amtshandlung wurde von RI G. geführt. Der Zeuge hat sich über Ersuchen von RI G. den Hinterreifen ebenfalls angesehen und dabei festgestellt, daß dieser auf einer Breite von 5 bis 6 cm auf dem von hinten ersichtlichen Teil der Lauffläche so abgefahren war, daß noch etwas Profil vorhanden war, nicht aber die erforderliche Mindestprofiltiefe. Bei der Kontrolle stand der PKW parallel zur .., auf der zu diesem Zeitpunkt auch etwas Verkehr geherrscht hat. Der Rechtsmittelwerber hat nach der Amtshandlung seine Fahrt in Richtung N. fortgesetzt, ohne die Fahrtrichtungsänderung nach links anzuzeigen. Zum Zeitpunkt des Einfahrens in die .. hat sich zwar ein Fahrzeug genähert; allerdings war weder ein Abbremsen erforderlich noch eine sonstige Gefährdung möglich, da der Rechtsmittelwerber aus dem Stand stark beschleunigt hat.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zur Übertretung gemäß § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960: Aus den Aussagen des Meldungslegers ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei, daß der Rechtsmittelwerber nicht grundsätzlich eine Geschwindigkeit von 120 km/h eingehalten hat, sondern daß sein PKW beim Überholen aufgrund der gegenüber der des Gendarmeriefahrzeuges höheren Geschwindigkeit auffiel. Die Geschwindigkeitsschätzung auf 120 km/h basiert offensichtlich auf der beim Überholen zugrundezulegenden Geschwindigkeitsdifferenz von 20 km/h. Der Rechtsmittelwerber hat sich zweifelsfrei nach dem Überholvorgang vor dem Gendarmeriefahrzeug eingeordnet und hat exakt 100 km/h eingehalten.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß zum einen - wie noch später darzulegen sein wird - die vom Gendarmeriefahrzeug eingehaltene Geschwindigkeit von 100 km/h nicht als Fixum anzunehmen ist, und zum anderen Zweifel an einer Geschwindigkeitsüberschreitung "um ca. 20 km/h" bestehen. Es ist nicht auszuschließen, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich eine Geschwindigkeit eingehalten hat, die im Fall einer Radarmessung anstandslos toleriert worden wäre, sodaß zumindest im Zweifel mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen war.

Zur Übertretung gemäß § 52a Z10a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960: Der Zeuge hat angegeben, der Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges sei mittels Laserpistole überprüft worden, wobei davon auszugehen sei, daß 100 km/h angezeigte Geschwindigkeit einer tatsächlich gefahrenen von 98 bis 102 km/h entsprechen. Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" ist daher von 98 km/h auszugehen, wobei der Zeuge weiters angeführt hat, daß die Tachometereinteilung des Gendameriefahrzeuges so ungenau ist, daß die genaue Position der Tachonadel bei 100 km/h nicht exakt bestimmbar ist. Anzunehmen ist daher jedenfalls, daß der Rechtsmittelwerber zwar die in diesem Bereich erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten hat, nicht aber, daß diese Überschreitung tatsächlich im Ausmaß von 20 km/h erfolgt ist. Da das Ausmaß der Überschreitung nicht Tatbestandsmerkmal ist, wurde der Spruch dementsprechend abgeändert.

Es ist somit von einem geringeren Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung auszugehen, wobei die tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit unter Berücksichtigung der Aussagen des Zeugen zwischen 95 und 98 km/h gelegen hat.

Dementsprechend war auch die verhängte Strafe herabzusetzten, wobei der Rechtsmittelwerber in den letzten fünf Jahren - abgesehen von den für LKW geltenden Geschwindigkeitsbestimmungen - eine einschlägige Übertretung (nämlich vom März 1992) aufweist. Die Herabsetzung der verhängten Strafe war somit gerechtfertigt, wobei ein Nettomonatseinkommen von 10.000 S, Vermögenslosigkeit und mangelnde Sorgepflichten zugrundegelegt wurden.

Zur Übertretung gemäß § 11 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960: Da der PKW des Rechtsmittelwerbers parallel zur B 137 stand, und er seine Fahrt in Richtung N. fortsetzte, wäre gegebenenfalls die Fahrtrichtungsänderung nach links anzuzeigen gewesen. Aus den Angaben des Zeugen geht zwar hervor, daß beim Einfahren des PKW in die .. Fahrzeuge in Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers unterwegs waren, jedoch befanden sich diese in einer solchen Entfernung, daß eine Behinderung oder gar Gefährdung auszuschließen war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erk. vom 8.4.1964, 1210/63) müssen Fahrtrichtungsänderung oder Fahrstreifenwechsel nur dann angezeigt werden, wenn andere Straßenbenützer in Betracht kommen, welche durch den Vorgang behindert oder gefährdet werden können.

Aufgrund der Aussagen des Zeugen Sickinger ist davon auszugehen, daß die Fahrzeuge so weit entfernt waren, daß ein Sicheinstellenmüssen auf das Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers nicht erforderlich war. Es war daher mit der Einstellung des Strafverfahrens vorzugehen.

Zur Übertretung gemäß § 102 Abs.1 KFG iVm § 4 Abs.4 KDV 1967: Der Zeuge hat zweifelsfrei festgehalten, daß die Amtshandlung von RI G. geführt wurde, der bei der Besichtigung der Reifen Mängel festgestellt hat, sodaß er den Zeugen ersucht hat, sich nochmals den rechten H. anzusehen. Dabei hat der Zeuge festgestellt, daß der rechte H. auf eine Breite von 5 bis 6 cm soweit abgefahren war, daß das Profil zwar noch erkennbar war, aber keinesfalls die Profiltiefe von 1,6 mm erreichte. Selbst wenn der Rechtsmittelwerber die Auffassung vertritt, bloßes Ansehen des Reifens sei für eine Profilmessung ungeeignet, so muß dem entgegengehalten werden, daß einem entsprechend geschulten und geübten Gendarmeriebeamten sehr wohl zumutbar ist, beurteilen zu können, ob eine Profiltiefe von 1,6 mm noch erreicht wird oder nicht. Eine solche Feststellung ist bei einem von hinten einsehbaren Teil des Reifens ohne weiteres möglich, wobei der Zeuge glaubwürdig angegeben hat, ein Profil sei noch leicht erkennbar gewesen, aber der Wert von 1,6 mm sei deutlich unterschritten worden.

Der unabhängige Verwaltungssenat geht daher davon aus, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung wie auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers (siehe oben) entspricht. Erschwerend war eine einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 1989. Im übrigen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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