Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240807/3/Gf/Rt

Linz, 19.04.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der P W, vertreten durch die RAe Dr. R G u.a., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. April 2011, Zl. SanRB96-75-2009, wegen einer Übertretung des AIDS- und des Geschlechtskrankheitengesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.      

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. April 2011, Zl. SanRB96-75-2009, wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in einer Höhe von 1.700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 170 Euro) sowie eine Geldstrafe in einer Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 7 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 1.947 Euro) verhängt, weil sie vom 15. August 2008 bis 11. März 2009 der Prostitution nachgegangen sei, ohne sich zuvor einer Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion sowie auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben. Dadurch habe sie einerseits eine Übertretung des § 4 des AIDS-Gesetzes, BGBl.Nr. 728/1993, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: AIDS-G) und andererseits eine Übertretung der §§ 1 und 7 der Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl.Nr. 314/1974, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 591/1993 (im Folgenden: ProstVO), begangen, weshalb sie nach § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G bzw. nach § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl.Nr. 152/1945, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: GeschlKrG), zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass diese der Rechtsmittelwerber angelasteten Übertretungen auf Grund von behördlichen Ermittlungen und entsprechender Zeugenaussagen als zweifelsfrei erwiesen anzusehen seien.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei ihre bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.300 Euro; keine Sorgepflichten).

 

1.2. Gegen dieses ihr am 29. April 2011 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die vorliegende, am 4. Mai 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. SanRB96-69-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende (Einzel‑)Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 AIDS-G begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme einer solchen Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben.

 

Gemäß § 12 Abs. 2 GeschlKrG i.V.m. den §§ 1 und 7 ProstVO begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 70 Euro oder mit Arrest bis zu zwei Monaten zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor dem Beginn einer solchen Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben.

 

3.2. Im vorliegenden Fall wurden – worauf die belangte Behörde in ihrer Begründung im Übrigen auch explizit hinweist – über die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 9. Juli 2009, Zl. Pol96-109-2009, bereits zwei Geldstrafen wegen Übertretungen des Oö. Polizeistrafgesetzes in einer Höhe von insgesamt 6.000 Euro verhängt (vgl. dazu auch VwSen-300900 u.a. vom 30. Juni 2010).

 

Anlass hierfür war – wie sich aus dem Spruch dieses letztgenannten Straferkenntnisses ergibt – jeweils jenes Tatverhalten, das auch die Grundlage des nunmehr gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens vor der Erstbehörde bildete.

 

In seinem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zwischenzeitlich klargestellt, dass eine Verletzung des Verbotes der Doppelverfolgung bzw. der Doppelbestrafung i.S.d. Art. 4 des 7.ZPMRK stets dann vorliegt, wenn wegen ein und desselben Sachverhalts ("identical or substantially the same facts") eine mehrfache Bestrafung erfolgt. In Abkehr von seiner früheren, sog. "essential elements"-Judikatur ist daher eine parallele Bestrafung nach unterschiedlichen, wenngleich in ihrer rechtspolitischen Zielsetzung (Intention) entsprechend divergierenden Rechtsvorschriften nicht mehr zulässig, wenn und soweit dieser dieselbe Faktenlage zu Grunde liegt (vgl. näher A. Grof, Ne bis in idem – das "Zoltukhin-Urteil" des EGMR, Spektrum der Rechtswissenschaft 1/2011,V&VJ, 1 ff).

 

Gerade dies trifft jedoch bezüglich des vorliegend bekämpften Straferkenntnisses aus den zuvor genannten Gründen zu.

 

3.3. Davon ausgehend war der gegenständlichen Berufung sohin schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

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