Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-253023/9/Kü/Ba

Linz, 25.04.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Frau A S, V, M, vom 16. November 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 20. Oktober 2011, Sich96-236-2010, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. März 2012, zu Recht erkannt:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:       § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 20. Oktober 2011, Sich96-236-2010, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen einer Übertretung nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z 1 lit.a Ausländerbeschäfti­gungsgesetz (AuslBG) eine Geldstrafe von 2.000 Euro, im Falle der Uneinbring­lichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der S KG mit dem Sitz in M, V verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass die S KG am 27. Mai 2010 um 00:40 Uhr die ungarische Staatsbürgerin N C, geb. X in Ihrem Betrieb in M, V mit Kellnertätigkeiten hinter der Bar unberechtigt beschäftigte, da weder Ihnen für diese Beschäftigung eine Beschäftigungsbewilli­gung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeige­bestätigung ausgestellt wurde, noch die Beschäftigte eine für diese Beschäftigung gültige Arbeits­erlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' oder einen 'Daueraufenthalt - EG ' oder einen Niederlassungsnachweis besaß."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der die ersatz­lose Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt wird. Begründend wurde festgehalten, dass Frau C nicht als Kellnerin sondern als Prostituierte tätig gewesen sei. Unklar erscheine es, weshalb die Behörde es als lebensfremd ansehe, dass Frau C ihren wahren Beruf verschweige (auf dem Personenblatt finde sich keine Erwähnung von Prostitution) und weshalb sie neben ihrer Prostituiertentätigkeit auch noch als Kellnerin tätig sein sollte. Schon allein aus zeitlichen Gründen sei dies als mit an Sicherheit grenzender Wahr­scheinlichkeit auszuschließen. Am 25.5.2010, einen Tag vor der gegenständ­lichen Kontrolle, habe Frau C für ihr Gesundheitsbuch, das wiederum für die Ausübung ihrer Prostitutionstätigkeit zwingend erforderlich sei, eine Gesundenuntersuchung vornehmen lassen. Wäre Frau C tatsächlich als Kellnerin tätig gewesen, hätte sie sich nicht untersuchen lassen müssen, diese Untersuchungen würden für Frau C mit 20 Euro pro Termin auf Dauer gesehen keine unwesentliche Kostenbelastung darstellen und würden bei einem Tätigkeitswechsel wohl umgehend eingestellt werden. Es sei aber auch nach aller Lebenserfahrung auszuschließen, dass sie an einem Abend abwechselnd als Kellnerin und als Prostituierte tätig sei.

 

Zur Frage nach dem Betrieb des Gastgewerbes: Am Standort der S KG wäre die Ausübung des Gastgewerbes nach den Bestimmungen des Oö. Polizei­strafgesetzes gar nicht erlaubt, da die Gemeinde M dort keine Nicht­untersagung gemäß § 2 leg.cit. getroffen habe.

 

Für die S KG seien außerdem keinerlei weibliche Personen tätig, alle dort anwesenden Prostituierten seien Selbstständige. Sollten die Damen Getränke an Dritte weitergeben, so würden sie dies jedenfalls nicht im Auftrag der S KG tun. Eine untechnische Bezeichnung einer juristischen Laiin als Kellnerin könne dem nicht entgegenstehen. Sollten die Damen untereinander für sich selbst vereinbaren, dass eine von ihnen kurzzeitig den Kunden Getränke aus­schenken solle, so würde diese Dame dadurch nicht zur Dienstnehmerin der S KG.

 

Abschließend sei festzustellen, dass die Bezirkshauptmannschaft Perg im Parallelverfahren hinsichtlich des Vorwurfs der Übertretung des § 33 Abs.1 ASVG den im vorliegenden Schreiben wiederholten Argumenten zugestimmt habe und das Verwaltungsstrafverfahren mit Bescheid eingestellt habe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Schreiben vom 22. Dezember 2011, eingelangt am 2. Jänner 2012, die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.3.2012, an welcher die Bw teilgenommen hat und das Kontrollorgan, welches die Kontrolle durchgeführt hat, als Zeuge einvernommen wurde.

 

4.1. Danach steht folgender Sachverhalt fest:

Die Bw ist unbeschränkt haftende Gesellschafterin der S KG, welche ihren Sitz in M, V, hat. An diesem Standort wird von der S KG ein Bordell betrieben.

 

Am 27.5.2010 wurde das Lokal von Organen des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr mit Unterstützung der Polizeiinspektion x kontrolliert. Bei dieser Kontrolle wurde die ungarischen Staatsangehörige C N angetroffen, als sie hinter der Bar gestanden ist und ein Getränk hergerichtet hat. Zu diesem Zeitpunkt hat sich ein Kunde im Barbereich bei einem Stehtisch aufgehalten.

 

Vom Kontrollorgan wurde Frau C auf ihre Tätigkeit angesprochen und hat sie angegeben, dass sie probeweise als Kellnerin arbeitet. Frau C hat bei der Kontrolle keine Kellnerbrieftasche bei sich sondern war so wie die anderen anwesenden Damen im Bordell bekleidet. Sie hatte keine Kellnerkleidung getragen.

 

Tatsächlich war Frau C im Lokal der Bw als Prostituierte tätig. Dem Gesundheitsbuch von Frau C ist zu entnehmen, dass sie – beginnend mit 13. April 2010 bis einschließlich 11. Juni 2010 – wöchentliche Untersuchungen bei der Bezirkshauptmannschaft Perg durchgeführt hat.

 

Zur Prostitutionsausübung ist festzuhalten, dass die Preise von den Damen selbst bestimmt werden und von ihnen an die Bw als Lokalbetreiberin eine Zimmermiete für die halbe Stunden bzw. ganze Stunde von 37 Euro bzw. 50 Euro abzuführen ist. Die Prostituierten sind nicht zur Anwesenheit verpflichtet. Die Prostituierten teilen sich ihre Anwesenheiten selbst ein. Von den Kunden wird der Betrag für die Prostitution direkt bei der Prostituierten bezahlt. Über die Zimmerbenützung werden von der Kellnerin Aufzeichnungen geführt. Abgerechnet wird diese Miete mit den Damen zum Lokalschluss.

 

Die Prostituierten haben keine Getränkeanimation durchzuführen und erhalten auch keine Provisionen für verkaufte Getränke.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich einerseits aus den glaubwürdigen Angaben der Bw in der mündlichen Verhandlung. Darin  wird von der Bw nochmals auf das vorliegende Gesundheitsbuch der ausländischen Staatsangehörigen und insbe­sondere die lückenlosen Untersuchungen im Zeitraum Mai und Juni 2010 verwiesen. Der Bw kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, dass derartige Untersuchungen bei einer Person, die ausschließlich als Kellnerin im Lokal tätig wird, noch nötig wären.

 

Vom Kontrollorgan wurde im Zuge der Verhandlung angegeben, dass sich die Ausländerin im Bereich der Bar aufgehalten hat und ein Getränk serviert hat. Wem das Getränk serviert wurde, konnte das Kontrollorgan allerdings nicht feststellen. Zudem hat der Zeuge angegeben, dass sich die Bekleidung der Ausländerin von den anderen anwesenden Damen nicht unterschieden hat und sie keine Kellnerkleidung getragen hat bzw. keine Brieftasche bei sich gehabt hat. Der Zeuge gibt selbst an, dass er sich nicht erinnern könne, dass das Getränk von der Ausländerin auch irgendjemand serviert worden wäre, zumal die Aufregung bei der Kontrolle immer größer geworden ist.

 

Insgesamt steht für den Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund des vor­liegenden Gesundheitsbuches fest, dass den Ausführungen der Bw Glauben zu schenken ist und die Ausländerin als Prostituierte und nicht als Kellnerin am fraglichen Tag im Lokal tätig geworden ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt"  oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)     in einem Arbeitsverhältnis,

b)    in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)     in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs.5 leg.cit.

d)    nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e)     überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfte­überlassungsgesetzes, BGBl.Nr. 196/1988.

 

Gemäß § 2 Abs.4 erster Satz AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs.2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0069-0070, folgendes aus:

"Eine Tätigkeit als Animierdame und Prostituierte in einem Bordell wird in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wie in einem Arbeitsverhältnis (wie dies schon hinsichtlich der Tätigkeiten einer Kellnerin, einer Animierdame oder einer sog. "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb ausgesprochen wurde; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2004/09/0114). In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis oder von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, somit von einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2007, Zl. 2007/09/0231).

 

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde als Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen auf Grundlage der Angaben der Beschwerdeführerin zu den oben wiedergegebenen Feststellungen über die Merkmale der Tätigkeit der Ausländerinnen gelangt. Wenngleich bei dieser Sachlage zweifelsohne die Attraktivität des von der Beschwerdeführerin betriebenen Lokals aus der Anwesenheit der Prostituierten resultierte, verkennt die belangte Behörde, dass die Prostituierten demnach insbesondere weder Vorgaben hatten, die Kunden zur Getränkekonsumation zu animieren, noch Provisionen dafür erhalten haben, wie auch - mit Ausnahme der Kontrolle der Gesundheitsbücher der Prostituierten und der Festlegung der abzuführenden Zimmermieten - keinerlei Weisungs-, Zeit- und Arbeitsplatzgebundenheit der Ausländerinnen vorgelegen hat und es eine strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber denjenigen der Beschwerdeführerin gab. Der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, wenn sie angesichts der festgestellten Beschäftigungsmerkmale das Vorliegen jener atypischen Umstände, die gegen eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung der Tätigkeit der Prostituierten mit dem Betrieb der Beschwerdeführerin sprechen, verneint und zum Ergebnis des Vorliegens einer unselbständigen Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 AuslBG gelangt."

 

Wie im Punkt 4.1. festgestellt, geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass die ungarische Staatsangehörige N C im Lokal der Bw nicht als Kellnerin sondern als Prostituierte tätig gewesen ist. Sie war allerdings an keinen Dienstplan oder keine Diensteinteilung gebunden und setzte die Tarife, die sie vom Kunden für die Prostitutionsausübung verlangt, selbst fest. Zudem war sie nicht zur Getränkeanimation verpflichtet und konnte auch keine Getränkeprovisionen erzielen. Die Ausländerin war nur verpflichtet, Miete für die Benützung der Zimmer abzuführen. Diese konkreten Umstände der Prostitutions­ausübung durch die Ausländerin im Lokal der Bw zeigen in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass im gegenständlichen Fall zwar eine Miete für die Zimmernutzung zu zahlen gewesen ist, ansonsten allerdings keine Weisungs-, Zeit- oder Arbeitsplatzbindung vorlag und hinsichtlich der sexuellen Dienstleistungen am Kunden sowie dem Getränkeumsatz eine Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber dem Lokalbetrieb bestanden hat. Diese Umstände müssten im gegenständlichen Fall zur Annahme führen, dass jene atypischen Umstände vorliegen, die es nicht erlauben, eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit wie in einem Arbeitsverhältnis festzustellen. Da sich die ungarische Staatsangehörige nicht mehr in Österreich aufhält, konnte daher kein Gegenbeweis erbracht werden. Die von der Bw beschriebene Art und Weise der Ausübung der Prostitution kann daher nicht als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG gewertet werden, weshalb bei der gegebenen Sachlage der Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum