Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730146/16/Wg/WU

Linz, 04.04.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwältin X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. April 2011, AZ: 1055819/FRB, verhängte Ausweisung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. März 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 22. April 2011, AZ: 1055819/FRB, gem. § 53 Abs. 1 iVm. § 31 Abs. 1 und 1a sowie § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 18. Mai 2011. Der Bw beantragt darin, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die dauerhafte Unzulässigkeit der Ausweisung ausgesprochen werde; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte am 15. März 2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch. Die Rechtsvertreterin des Bw erstattete eingangs folgendes Vorbringen: "Auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz wird verwiesen. Es wird beantragt, der Berufung Folge zu geben, die Ausweisung zu beheben und festzustellen, dass die Ausweisung bzw. eine Rückkehrentscheidung dauerhaft unzulässig ist." Nach Abschluss des Beweisverfahrens verwies der Bw neuerlich auf das Berufungsvorbringen.

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Ghana.

 

Er hielt sich die ersten 19 Jahre seines Lebens in Ghana auf. Zu seiner Schulausbildung in Ghana befragt, gab der Bw an, dass er dort 2 Jahre zur Schule gegangen sei. Er habe die Schule nicht abschließen können, da sein Vater verstorben sei. Als er 15 Jahre alt gewesen sei, habe er etwa 1 Jahr als Designer im Modebereich gearbeitet. Danach sei er wieder arbeitslos gewesen bis zu seiner Einreise nach Österreich.

 

Der Bw reiste am 13. Dezember 2002 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein.

 

Am 16. Dezember 2002 stellte er einen Asylantrag. Das Asylverfahren ist seit 25. Juni 2008 rechtskräftig negativ entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Februar 2011 die Behandlung der Beschwerde des Bw abgelehnt. Die Republik Österreich gewährt dem Bw kein Asyl. Während des Asylverfahrens verfügte er über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Es wurde gem. dem Asylgesetz keine Ausweisung ausgesprochen.

 

Vor etwa 4 Jahren lernte der Bw Frau X kennen. Diese zog dann zu ihm an die Adresse X. Nach einer zwischenzeitlichen Trennung, die etwa 2 Monate dauerte, sind Frau X und der Bw seit 1 Monat wieder ein Paar. Zurzeit wohnt der Bw alleine in der X. Frau X gab als Zeugin befragt an, dass sich der Bw immer sehr bemüht habe, sich zu integrieren und für sie eine große Unterstützung sei. Weiters führte sie aus, dass man trotz der noch getrennten Unterkünfte auf Grund des ständigen Kontaktes schon davon sprechen könne, dass sie einen gemeinsamen Haushalt führen. Sie planen, sich demnächst eine gemeinsame Wohnung zu nehmen. Auch Eheschließung sei ein Thema, weiters möchten sie Kinder miteinander bekommen. Sie arbeite selbstständig als Friseurin in X und würde den Bw als ihren Lebensgefährten finanziell unterstützen, soweit er ihre Unterstützung benötige.

 

In Österreich halten sich keine Verwandten des Bw auf. Sein Vater ist verstorben. Mit seiner Mutter, die in Togo lebt und sehr krank ist, telefoniert er etwa 1 Mal die Woche, gesehen hat er sie vor ca. 12 bzw. 15 Jahre das letzte Mal. Mit seinem Bruder, der in Ghana lebt, telefoniert er etwa 1 Mal in 2 Monaten.

 

Der Bw legte in der mündlichen Verhandlung Honoraraufstellungen für seine Tätigkeit als Zeitungskolporteur in den Monaten November 2008, Dezember 2008, März 2009, Jänner 2010, Februar 2010, November 2011 und Dezember 2011 vor. Mit Eingabe vom 20. März 2012 übermittelte er Honoraraufstellungen für den Zeitraum Jänner (836,34 Euro) und Februar 2012 (733,01 Euro). Weiters gab der Bw an, dass der Kulturverein X sich für ihn einsetzen werde, damit er eine Arbeit bekommt. Er hat sich zum Hauptschulabschluss angemeldet und möchte Autolackierer werden.

 

Von seiner rechtsanwaltlichen Vertreterin befragt, wie er den Lebensunterhalt von Jänner 2010 bis Herbst 2011 bestritten habe, gab der Bw an, dass er in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Er habe in Lebensgemeinschaft mit Frau X gelebt. Diese habe ihn finanziell unterstützt. Außerdem sei er noch in der Grundversorgung für Asylwerber gewesen. Laut der Bestätigung der Caritas Flüchtlingshilfe vom 28. Jänner 2010 bezog der Bw monatlich 180,- Euro Verpflegungsgeld und 110,- Euro Mietzuschuss aus der Grundversorgung des Landes Oö. Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 4. Jänner 2012 geht hervor, dass der Bw in der Zeit von 18. Dezember 2002 bis 19. Februar 2003 und von 6. September 2004 bis 21. März 2011 als Asylwerber bzw. Flüchtling sozialversichert war.

 

Zu seinen Freizeitaktivitäten befragt, gab der Bw an, dass er im Kulturverein X aktiv sei. Es handele sich um einen Verein, der vor allem im Bereich Integration tätig sei. Er sei etwa 2 Mal in der Woche bei Veranstaltungen dieses Kulturvereines. Genau genommen spiele er beim Fußballteam dieses Kulturvereines namens "X".

 

Eigenen Angaben zufolge lernte der Bw in Österreich Lesen und Schreiben.

 

Die vorgelegten Empfehlungsschreiben der Familie X sowie die Bestätigungen des ASKÖ X und der Sportunion X zeigen, dass der Bw in Österreich über einen Freundeskreis verfügt. In der warmen Jahreszeit spielt er etwa 3 Mal pro Woche Fußball. Er gab an, er sei seit dem Jahr 2010 aktiver Fußballspieler.

 

Der Bw verfügt über ein Deutsch-Sprachzertifikat über die Niveaustufe 2 des Europarates vom 11. August 2011.

 

Festzustellen war weiters, dass der Bw unbescholten ist.

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorbringen des Bw, der Zeugenaussage der X und den in der Verhandlung vorgelegten Dokumenten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat weiters Beweis erhoben durch Auszüge aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem und aus dem Zentralem Melderegister und einem Versicherungsdatenauszug vom 4. Jänner 2012.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die Ausweisungsentscheidung gilt gem. § 125 Abs. 14 Fremden­polizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 38/2011 als Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG. Der Bw hält sich seit rechtskräftigem negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist dem Grund nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der illegale Aufenthalt des Bw seit negativem Abschluss des Asylverfahrens beeinträchtigt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in einem erheblichen Ausmaß.

 

Dem gegenüber steht das persönliche Interesse des Bw an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet. Er lebt zurzeit alleine, hält aber intensiven Kontakt zu seiner österreichischen Freundin und ist aktives Mitglied einiger Vereine.

 

Auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt kann zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden, wenn dem auch nicht derselbe Stellenwert wie bei einer rechtmäßigen Niederlassung zugemessen werden kann (vgl. VwGH vom 4.9.2003, GZ. 2000/21/0102).

 

Auf Grund der vorgelegten Honoraraufstellungen ist erwiesen, dass er arbeitsfähig ist. Der Einwand, er habe abgesehen von den Zeiträumen, in denen Honoraraufstellungen eine Erwerbstätigkeit belegen, aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich brachte er auch vor, er würde in der warmen Jahreszeit etwa 3 Mal pro Woche Fußball spielen. Derart widersprüchliches Vorbringen legt nahe, dass er im erwähnten Zeitraum nicht ernsthaft an einer Erwerbstätigkeit interessiert war.

 

Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer seit 18. Dezember 2002, der festgestellten Integration (Beziehung mit öst. STA, Deutschkenntnisse, Vereinsaktivitäten) überwiegen dessen ungeachtet seine privaten Interessen an der Fortsetzung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes.

 

Eine Rückkehrentscheidung ist mittlerweile dauerhaft unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 145,60 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

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