Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730344/2/SR/JO

Linz, 07.05.2012

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, russischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 25. Mai 2011, Zahl: 1-10002123/FP/11, betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Berufung gegen Spruchteil 1 wird abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt zu lauten hat:

 

"Gemäß § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 112/2011, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung und unter Einem ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen."

 

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der in Rede stehenden Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

III. Der Antrag auf Aufhebung des Spruchteils 2, mit dem die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen wurde, wird abgewiesen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 52, 53, 55, 57 und 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2011).

 Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 25. Mai 2011, Zahl:
1-1000213/FP/11, dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) zugestellt am 31. Mai 2011, wurde gegen den Bw auf Grundlage der §§ 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1und 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Nach Darstellung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und umfassender Auseinandersetzung mit den gerichtlichen Verurteilungen des Bw hielt die belangte Behörde fest, dass der Bw am 22. Juni 2010 festgenommen und am 24. Juni 2010 in die Justizanstalt X eingeliefert worden sei. Aufgrund der mehrfachen rechtskräftigen Verurteilungen nach dem SMG habe die belangte Behörde am 25. Jänner 2011 ein Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet. Der rechtsfreundliche Vertreter habe in der fristgerecht eingebrachten Stellungnahme ausgeführt, dass der Bw russischer Staatsangehöriger sei und sich seit 1998 durchgehend in Österreich aufhalte. Die Kernfamilie und die Hauptbezugspersonen (Mutter, Stiefvater, zwei Halbgeschwister) würden ebenfalls hier leben. Der leibliche Vater, zu dem er keinen Kontakt mehr habe, lebe in St. Petersburg. Die Mutter und der Stiefvater, beide gehörlos, würden dringend seine Unterstützung benötigen. Eine Abschiebung wäre mit dem Herausreißen aus dem sozialen Umfeld verbunden. Der Bw könne weder russisch schreiben noch lesen, habe in Russland keine Bezugspunkte, bedauere sein Fehlverhalten und habe aus dem Haftübel gelernt. In der Haft wolle er seine Lehrabschlussprüfung nachholen und eine entsprechende Therapie durchführen.

Bei der Vorsprache am 2. März 2011 hätten der Rechtsvertreter, die Mutter des Bw und sein Stiefvater (2. Ehemann der Mutter) vorgebracht, dass der Bw bereits mit sieben Jahren nach Österreich gekommen sei und in Russland lediglich den Kindergarten besucht habe. In Österreich habe der Bw die Schule (Volksschule, nach Gymnasiumsabbruch die Hauptschule) besucht und eine Kellnerlehre (keine Lehrabschlussprüfung) gemacht. Mit 14 Jahren sei der Bw drogenabhängig geworden und habe mit Haschisch angefangen. Während der Lehre habe er eine eigene Wohnung bezogen und sei von der Mutter finanziell unterstützt worden. Die Wohnung sei mittlerweile gekündigt worden. Nach der Haftentlassung wolle der Bw bzw. seine Eltern, dass der Bw in einer eigenen Wohnung lebe, da diese Angst vor ehemaligen Freunden hätten und schlechten Einfluss auf die Halbgeschwister fürchten würden. Es sei beabsichtigt, für den Bw in Salzburg oder in der Steiermark eine Wohnung anzumieten und für ihn dort einen Job zu suchen. Derzeit (2. März 2011) sei der Bw nicht substituiert und in psychiatrischer Behandlung. Er bekomme Stimmungsaufheller und Schlaftabletten.

 

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass laut Aktenlage die zuletzt geltend gemachte "dringende Unterstützung der Eltern" gerade von diesen nicht gewünscht werde und nach Haftentlassung eine deutliche räumliche Trennung geplant sei. Bereits vor der Verhaftung habe kein gemeinsamer Wohnsitz bestanden und der Bw knapp drei Jahre in einer eigenen Wohnung gelebt.

Nach Ausführungen zur besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen sah die belange Behörde die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes als geboten an.

 

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wurde unter Hinweis auf die vom Bw ausgehende Gefahr für unbedingt erforderlich angesehen.

 

2. Gegen den am 31. Mai 2011 dem Rechtsvertreter zugestellten Bescheid erhob dieser mit Schreiben vom 13. Juni 2011, der Post zur Beförderung übergeben am 14. Juni 2011, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Einleitend wurde beantragt, der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weiters den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Aufenthaltsverbotesverfahren einzustellen. In eventu beantrage der Bw die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes.

 

Begründend brachte der Rechtsvertreter vor, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht vorliegen würden, da sich der Bw in Strafhaft befinde und ein Ende dieser in den nächsten Monaten nicht bevorstehe.

 

Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes greife in das Privat- und Familienleben des Bw ein. Der Bw lebe seit 1998 in Österreich. Seine Kernfamilie würde ebenfalls in Österreich leben (Mutter, Geschwister und Stiefvater). Die Geschwister und der Stiefvater seien österreichische Staatsangehörige. Zum Vater habe er keinen Kontakt. Die Mutter und der Stiefvater seien gehörlos und würden seine Unterstützung dringend benötigen. Eine Abschiebung wäre mit gravierenden Eingriffen in das Privat- und Familienleben verbunden und würde ihn aus dem sozialen Umfeld herausreißen. Da er russisch weder lesen noch schreiben könne, in Russland keinerlei Bezugspunkte, keine Wohnung und keine Arbeit habe, könne er mangels Sprachkenntnisse auch nicht überleben.

Der Bw bedauere sein Fehlverhalten und bereue. Er verspüre erstmals das Haftübel und sei gewillt, in der Haft entsprechende Kurse zu absolvieren, die Lehrabschlussprüfung nachzuholen und die erforderlichen Therapien vorzunehmen.

Pauschal wird auf die einschlägige Rechtsprechung des EGMR verwiesen. Auch wenn das Aufenthaltsverbot nicht für den gesamten Schengenraum gelten solle, könne der Bw nicht nach Russland zurück und auch nicht in einem Nachbarstaat von Österreich Fuß fassen. Der Bw sei in Österreich verwurzelt, beherrsche die deutsche Sprache und sei gewillt zu zeigen, dass er die österreichischen Rechtsvorschriften einhalte.

Hilfsweise richte sich die Berufung auch gegen den Ausspruch eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, da dieses vor dem Hintergrund der geschilderten Umstände unverhältnismäßig sei.

 

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vorgelegt.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich wurde der gegenständliche Akt daher nunmehr dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung übermittelt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister, Einsichtnahme in die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Urteile, Anfrage in der JA X (Beschäftigung und Ausbildungsstand des Bw, vorläufiger Entlassungszeitpunkt).

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Eine solche wurde im Übrigen vom rechtsfreundlich vertretenen Bw auch nicht beantragt.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem im Wesentlichen unstrittigen Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist russischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1998 in Österreich auf. Erstmals wurde ihm 1998 eine Niederlassungsbewilligung (Zweck: Familiengemeinschaft) ausgestellt. Letztmalig wurde dem Bw vom Magistrat der Stadt Wels am 5. November 2009 eine Niederlassungsbewilligung unbeschränkt (gültig bis 4. November 2010) erteilt. Ein Verlängerungsantrag bzw. ein sonstiger Antrag nach dem NAG wurde bis dato nicht eingebracht. Mangels einer Aufenthaltsberechtigung hält sich der Bw nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

In Russland besuchte der Bw den Kindergarten. Nach der Volksschule (bereits in Österreich) ging der Bw vorerst in das Gymnasium und wechselte dann in die Hauptschule. Die Kellnerlehre schloss der Bw nicht ab. Trotz Ankündigung, den Lehrabschluss in der Strafhaft nachzuholen, hat der Bw bis dato keinen Lehrabschluss. In der JA X ist der Bw derzeit als Hilfskraft in der Küche (Kartoffelschälen) tätig.

 

Der leibliche Vater des Bw lebt in Russland.

 

Während der Lehre bezog der Bw eine eigene Wohnung und jedenfalls seit diesem Zeitpunkt wohnte der Bw nicht mehr bei seinen Eltern (Mutter und Stiefvater) und den Halbgeschwistern.

 

Die Wohnung und der Lebensunterhalt wurden teilweise durch die "AMS-Notstandshilfe" (ca. 300 Euro monatlich) und den Verkauf von Heroin und Ganja (Canabiskraut) finanziert.

 

Die Kündigung der Wohnung erfolgte nach Beginn der Strafhaft. Für den Zeitraum nach der Entlassung aus der Strafhaft ist eine gemeinsame Unterkunftnahme keinesfalls vorgesehen. Um die Halbgeschwister einer schlechten Beeinflussung durch den Bw (und durch seine ehemaligen Freunde) nicht auszusetzen, beabsichtigen die Eltern des Bw für diesen eine Wohnung in Salzburg oder der Steiermark anzumieten und ihm dort eine Arbeitsstelle zu suchen.

 

Der Bw ist laut seinen Aussagen seit seinem 16. Lebensjahr drogenabhängig. Die Mutter geht von einer Abhängigkeit seit dem 14. Lebensjahr aus. Innerhalb von zweieinhalb Jahren brauchte der Bw für den Heroineigenkonsum 20.000 Euro (siehe Niederschrift vom 22. Juni 2010, Seite 7).

 

Nach der Aktenlage wurde der Bw erstmals am 13. November 2007 wegen eines Verstoßes gegen das SMG angezeigt. In den anschließenden Jahren erfolgten weitere Anzeigen nach dem SMG.

 

Mit Urteil des BG Wels vom 21. April 2010, 15 U 55/08b, wurde über den Bw wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB und § 27 Abs. 1 Z. 1, 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Monat verhängt, weil er seit dem Jahre 2006 bis Oktober 2007 in Wels Haschisch, Marihuana und Speed zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen habe und in der Zeit vom 1. September 2008 bis 1. Jänner 2010 in Wels und anderen Orten von unbekannten Personen in wiederholten Angriffen eine nicht mehr feststellbare Menge Marihuana entgegen genommen und teils zum Eigenkonsum und teils zur Weitergabe besessen habe. Darüber hinaus habe er am 8. Februar 2010 in Wels versucht, fremde bewegliche Sachen im Wert von 16,60 Euro einem Dritten wegzunehmen um sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichen.

Mildernd wurde das Geständnis, die Unbescholtenheit, die Tatsache, dass teilweise Straftaten im Jugendlichenalter, teilweise unter 21 Jahren begangen wurden und der Umstand, dass es beim Diebstahl beim Versuch geblieben ist, gewertet. Erschwerend sah das Gericht den Suchtmittelkonsum und die Weitergabe über einen langen Deliktszeitraum und das Zusammentreffen unterschiedlicher Delikte (Suchmittelgesetz und Vermögensdelikt) an.

 

Mit Urteil des LG Wels als Jugendschöffengericht vom 19. August 2010, 25 Hv 98/10v, wurde über den Bw wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach  § 28a Abs. 1 1. Fall und 28a Abs. 1 5. Fall und Abs. 2 Z. 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten (davon 8 Monate unbedingt) verhängt, weil er

1.      im Sommer/Herbst 2008 insgesamt etwa 2 kg Cannabiskraut (eine die Grenzmenge § 28b SMG übersteigende Menge) geerntet hat,

2.      etwa ab Sommer/Herbst 2008 bis zum 21. Juni 2010 insgesamt 700 g Heroin mit einem Reinheitsgrad von etwa 17 %, etwa 5.000 bis 7.000 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von etwa 11 % und etwa 30 bis 40 g Kokain an gesondert verfolgte sowie unbekannte Personen verkauft hat und

3.      Cannabisprodukte, Heroin, Kokain, Substitol-Tabletten und Amphetamin, in der Zeit vom 21. April bis zuletzt am 21. Juni 2010 in wiederholten Angriffen erworben und besessen hat, wobei diese Straftaten ausschließlich für den persönlichen Gebrauch begangen wurden. 

 

In der Entscheidungsbegründung nahm das erkennende Gericht auf die Verurteilung des BG Wels vom 21. April 2010 Bezug und stellte fest, dass der Bw auch nach dieser Verurteilung weiterhin Suchtgifte konsumiert hat und heroinabhängig ist.

 

Das OLG Linz hat der Berufung der Staatsanwaltschaft Wels mit Urteil vom 22. Dezember 2010, GZ 9 Bs 193/10m, Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate erhöht.

 

Begründend führte das OLG Linz wie folgt aus:

"Mit Blick auf die erst am 21. April 2010 erfolgte Verurteilung des Angeklagten im Verfahren vor dem Bezirksgericht Wels zu 15 U 55/08b (ebenso wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB) ist neben dem raschen Rückfall auch die Tatbegehung bei eben diesem behängenden Strafverfahren als erschwerend zu berücksichtigen. Zudem wirkt auch der lange Tatzeitraum von nahezu zwei Jahren erschwerend.

 

Soweit der Angeklagte in seiner Berufungsgegenausführung die eigene Sucht als Milderungsgrund für sich reklamiert, übersieht er, dass dies vom Erstgericht bereits angenommen wurde. Die Annahme eines besonderen Milderungsgrundes der Tatbegehung unter 21 Jahren liegt nicht vor, weil dem schon durch die Anwendung des § 36 StGB ( Herabsetzung der Mindeststrafe auf 6 Monate) Rechnung getragen wurde. Gemäß § 32 Abs 2 StGB hat das Gericht bei Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Nach Abs 3 leg cit ist im Allgemeinen die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können. Der Umstand, dass der Angeklagte - den Konsum und Handel von Suchtgift - trotz eines gegen ihn vor dem Bezirksgericht Wels behängenden Strafverfahren wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz' - unbeeindruckt fortgesetzt hatte und über einen zweijährigen Deliktszeitraum, gemessen an den vom Schuldspruch umfassten Suchtgiftmengen und angenommenen Reinheitsgraden - bei Kokain kann ein Reinheitsgrad von jedenfalls 20 % angenommen werden - das nahezu 68-fache der großen Menge und damit das etwa 2,7-fache der Übermenge an Suchtgift in Verkehr gesetzt hatte, indiziert ein hohes Maß an Schuld. Diese Art der Suchtgifthandelstätigkeit begründet jedenfalls einen Handlungs- und Erfolgsunwert der im mittleren Bereich der Suchtmittelkriminalität angesiedelt ist. Der soziale Störwert dieser Taten ist mit Blick auf die verhandelten Mengen an Suchtmittel groß. Die Anstrengungen der Gesellschaft Suchtmittelkonsum und die damit verbundenen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Konsumenten und die Gesellschaft (Gesundheitsvorsorge, Arbeitsunfähigkeit, letale Folgen...etc.) einzudämmen, erfordern erhebliche finanzielle Mittel und bedingen einen großen personellen Aufwand. Diesem hohen sozialen Störwert der Suchtmitteldelinquenz (gerade in Bezug auf Übermengen) hat der Gesetzgeber durch die Festlegung eines Strafrahmens nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe Rechnung getragen. Fallkonkret gilt für den Angeklagten als jungen Erwachsenen gemäß § 36 StGB ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Innerhalb dieses Strafrahmens reicht die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe nicht aus, um dem vorliegenden
Handlungs-, Erfolgs- ­und Gesinnungsunwert der Taten angemessen Rechnung zu tragen. Tatschuldadäquat ist vielmehr eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe, die noch immer knapp unter einem Viertel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens liegt.

 

Gerade generalpräventive Aspekte erfordern die Verhängung einer signifikanten Freiheitsstrafe, um deutlich zu machen, dass mit dem Handel großer Suchtgiftmengen die Gefahr langjähriger Freiheitsstrafen verbunden ist, sodass auch potentielle Täter von derartigen Straftaten abgehalten werden.

 

Insofern eine teilbedingte Strafnachsicht gemäß § 43a Abs 4 StGB in Anbetracht des nun ausgemittelten dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafenmaßes schon an fehlenden zeitlichen Voraussetzungen scheitern muss, könnte lediglich bei Annahme einer außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 Abs 1 und 3 StGB eine bedingte bzw teilbedingte Strafnachsicht gemäß §§ 43 und 43a StGB auch bei Verhängung einer mehr als zwei- bzw dreijährigen, aber nicht mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe ermöglichen. Ein qualitativ beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe liegt jedoch nicht vor (vgl. Flora in WK2, § 41 Rz 10f). Abgesehen davon, stehen auch generalpräventive Erwägungen der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB entgegen (vgl. Jerabek in WK2 § 43a Rz 16)."

 

 

Mit Urteil des LG Wels vom 29. April 2011, 15 Hv 17/11k-43, wurde u.a. über den Bw wegen des Vergehens der Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 Abs. 1, erster Deliktsfall StGB, des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach        § 241e Abs. 1 StGB, des Verbrechens des Diebstahls teils durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 1 StGB und des Verbrechens der dauenden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, weil er

 

* am X bei einem Unglücksfall, nämlich als Zeuge des Suchtgiftkonsums und der daraus resultierenden Suchtmittelintoxikation des X, es unterlassen habe, die zur Rettung des X aus der Gefahr des Todes offensichtlich erforderlich zumutbare Hilfe zu leisten;

 

* am X als Beteiligter (§ 12 StGB) dadurch, dass er nach dem Ableben des X die Leiche des Verstorbenen, ohne Rettung, Polizei oder Bestattung zu verständigen, aus seiner Wohnung entfernte und auf einen nahe gelegenen Spielplatz ablegen wollte, den Leichnam den Verfügungsberechtigten, nämlich den Hinterbliebenen, entzogen bzw. dadurch, dass er ihn in einen Rollstuhl setzte, wobei der Leichnam an der Auffahrtsrampe zum Haus X infolge Umkippens auf den Gehsteig fiel und der Leichnam dadurch eine Verletzung am Kopf erlitt, einen Leichnam verunehrt habe;

 

* am X sich ein fremdes unbares Zahlungsmittel, nämlich die Bankomatkarte des Verstorbenen X, dadurch, dass er sie vom Leichnam des Verstorbenen entfernte, mit dem Vorsatz verschafft habe, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;

 

* ein namentlich bekannter Mittäter und weitere bislang unbekannte Täter fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen teils alleine, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils durch Einbruch mit dem Vorsatz teils weggenommen habe, sich durch Zueignung geeigneten Diebesgutes unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

 

1.) er und namentlich bekannte Beteiligte (§ 12 StGB) am X dem Nachlass des X, indem sie mit der erlangten Bankomatkarte EUR 400,- vom Konto des Verstorbenen behoben;

 

2.) er im Zeitraum 20. - 21. Juni 2010 dem Nachlass des Verstorbenen X in zwei Angriffen einen Bargeldbetrag in Gesamthöhe von EUR 800,-, indem er mit der oben erlangten Bankomatkarte Bargeld vom Konto des Verstorbenen behob;

 

3.) er und der namentlich bekannte Beteiligte (§ 12 StGB) dem Nachlass des Verstorbenen X eine Sony Playstation 3 samt Zubehör, 10 DVD-Spiele, 1 Dose mit Tabletten, 1 Rucksack, 1 Laptop samt Tragetasche sowie 1 Sparbuch der Oberbank Wels, Filiale X mit einer Einlage von EUR 100,- in einem nicht mehr feststellbaren, EUR 3.000,- jedoch nicht übersteigenden Wert durch Einbruch, nämlich Aufsperren der Wohnung mittels eines widerrechtlich erlangten Schlüssels;

 

4.) er am 16. Jänner 2010 Verfügungsberechtigten der X Getränke im Wert von EUR 14,30 durch Einbruch, nämlich Aufzwängen einer Tür, Abzwicken einer Kette und Aufdrücken eines Rollladens;

 

* am 16. Jänner 2010 Verfügungsberechtigten der X ein Türschloss, somit eine fremde bewegliche Sache aus dem Gewahrsam dauernd entzogen habe, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen.

 

 

Strafmildernd wertete das erkennende Gericht die großteils geständige Verantwortung und den Umstand, dass beim Bw teilweise eine Beeinträchtigung durch Drogen bestanden habe. Erschwerend wirkte sich die einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen aus.

 

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten. Das Berufungsvorbringen, soweit es den "erheblichen Eingriff in das Familienleben" betrifft, ist schon im Hinblick auf Aussagen der Eltern vor der belangten Behörde nicht glaubhaft. Bereits Jahre vor dem Antritt der Strafhaft fand kein gemeinsames "Familienleben mit der Kernfamilie" statt. Daraus, dass der Bw bereits in der Lehrzeit Unterkunft in einer eigenen Wohnung genommen hatte und die Eltern zum Schutz der Halbgeschwister dem Bw nach dessen Haftentlassung eine räumlich weit entfernte Wohnung und Arbeitsstelle suchen wollen, zeigt eindeutig auf, dass keineswegs ein gemeinsames Wohnen geplant ist und die Eltern "dringend" vom Bw unterstützt werden müssen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Kernfamilie will den Bw weit weg und den Kontakt auf das notwendige Ausmaß reduzieren. Den entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid ist der Bw nicht entgegengetreten und hat nur allgemein gehalten darauf hingewiesen, dass seine Unterstützung dringend benötigt werde.

 

3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011, konnte gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde für die Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes daher zu Recht die zitierte Bestimmung herangezogen.

 

Da – sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist – im Berufungsverfahren von der angerufenen Behörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt deren Entscheidung heranzuziehen ist, sind die durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, vorgenommenen Änderungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in diesem Verfahren zu berücksichtigen.

 

4.2. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige werden nunmehr durch § 52 f FPG geregelt. Die Bestimmungen lauten auszugsweise:

 

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(2) […]

 

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. […]

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. […]

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

 

5. [...]

 

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

(6) […]

 

4.3.1. Zutreffend hält sich der Bw seit dem Jahr 1998 in Österreich auf. Bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer der Niederlassungsbewilligung am 4. November 2010 war der Bw zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Seit diesem Zeitpunkt verfügt der Bw über keinerlei Aufenthaltstitel mehr und hält sich daher rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

 

Da dem Bw weder die privilegierte Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 iVm § 65b FPG) zukommt und er als Drittstaatsangehöriger auch über keinen Aufenthaltstitel verfügt, ist auf § 52 FPG abzustellen.

 

Nachdem auch keine der Ausnahmeregelungen des § 52 FPG zum Tragen kommen, ist der Bw mit Bescheid aus dem Bundesgebiet auszuweisen und unter Einem ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG zu verhängen.

 

Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 Z 1 FPG einschlägig, da nach dem Sachverhalt zweifelsfrei eine strafgerichtliche rechtskräftige Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren gegeben ist.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. hier mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung(en) rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.

 

4.3.2. Zwar führt der Bw in seinem Rechtsmittel und der im Verfahren eingebrachten Stellungnahme sinngemäß aus, sich in Hinkunft rechtskonform verhalten zu wollen und daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr darzustellen.

 

Dieser Zukunftsprognose kann vom erkennenden Mitglied jedoch aufgrund folgender Überlegungen nicht beigetreten werden:

 

Einleitend ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (siehe statt vieler VwGH 29.9.1994, 94/18/0370). Bei dem konkret vom Bw verübten Verbrechen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität", wie dies etwa beim Suchtmittelmissbrauch in Form von Eigenkonsum in kleinen Mengen der Fall wäre. Wie sich aus den beiden strafgerichtlichen Urteilen ergibt, hat der Bw auch nicht in untergeordneter Rolle mitgewirkt. Um sich den Lebensunterhalt und den Eigenkonsum finanzieren zu können, hat der Bw über einen langen Zeitraum mit enormen Mengen Suchtmittel Handel getrieben und damit beabsichtigt, anderen Personen Missbrauch zu ermöglichen bzw. diese durch Verfügbarmachen der verbotenen Substanz in gewisser Weise auch hiezu animiert. In zweieinhalb Jahren musste der Bw 20.000 Euro aufbringen, um den Eigenkonsum finanzieren zu können. Es zeugt fraglos von immenser krimineller Energie und längerfristigem, eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, entsprechende Kontakte in die Suchtgiftszene anzubahnen, um die beschriebenen Verbrechen zu planen und dieses dann auch auszuführen. Dementsprechend ging das OLG Linz im Gegensatz zum LG Wels in seinem Urteil von einem erheblichen Verschulden aus, und erhöhte die teilbedingte Strafe (30 Monate, davon 8 Monate unbedingt) auf dreieinhalb Jahre unbedingt. Im Urteil kam besonders die negative Einstellung des Bw zur österreichischen Rechtsordnung zum Ausdruck. Unbeeindruckt von dem beim BG Wels anhängigen Verfahren wegen Vergehen nach dem SMG habe der Bw den Konsum und Handel von Suchtgift fortgesetzt und über einen zweijährigen Deliktszeitraum Suchtgift in nahezu 68-fachem Ausmaß der großen Menge und damit in einem etwa 2,7–fachen der Übermenge an Suchtgift in Verkehr gesetzt. Dieses Verhalten indiziert ein hohes Maß an Schuld und die Art der Suchtgifthandelstätigkeit begründet jedenfalls einen Handlungs- und Erfolgsunwert im mittleren Bereich der Suchtgiftkriminalität. Der soziale Störwert dieser Taten ist mit Blick auf die Suchtgiftmengen groß. Die Anstrengungen der Gesellschaft Suchtmittelkonsum und die damit verbundenen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Konsumenten und die Gesellschaft (Gesundheitsvorsorge, Arbeitsunfähigkeit, letale Folgen, ....) einzudämmen, erfordern erhebliche finanzielle Mittel und bedingen einen großen personellen Aufwand. Diesem hohen sozialen Störwert der Suchtmitteldelinquenz gerade in Bezug auf Übermengen hat der Gesetzgeber durch hohe Freiheitsstrafen Rechnung getragen.

Bei einem so massiven Missachten der Rechtsordnung, dem raschen Rückfall und dem langen Tatzeitraum liegt es auf der Hand, dass der Bw auch gegenwärtig und in Hinkunft eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet darstellt und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch den Bw nicht mehr ausgegangen werden kann. Dies vor allem auch deshalb, weil eine stabile Lebenssituation des Bw in weite Ferne gerückt ist. Ein intaktes Familienleben ist nicht gegeben, die Eltern des Bw wünschen sich diesen räumlich weit weg, um eine Gefährdung der Halbgeschwister hinanzuhalten. Darüber hinaus ist der Bw beruflich nicht verankert und hat in der nahen Vergangenheit seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch kriminelle Machenschaften finanziert. Bedingt durch die noch andauernde Strafhaft kann ein Wohlverhalten des Bw nicht erkannt werden.

Nach Auffassung des erkennenden Mitglieds kann angesichts der angestellten Erwägungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw aktuell nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

In diesem Sinn ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Verhängung eines Einreiseverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Mit einer Rückkehr der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.

 

4.5.2. Es steht völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 1998, der schulischen Ausbildung und der zeitweilig bestehenden engeren familiären Bande ein gewisses Maß an Integration erworben hat und eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.

 

Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.

 

Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Sowohl der Stiefvater als auch die Halbgeschwister sind österreichische Staatsangehörige. Der Bw ist volljährig und fällt aus diesem Grund nicht mehr unter den Familienbegriff des FPG. Bereits während der Lehrzeit hat der Bw die elterliche Wohnung verlassen. U.a. lag der Auszug in seiner Drogenabhängigkeit und seinem "Freundeskreis" begründet. Weder vor Strafantritt bestand ein aufrechtes, gelebtes Familienleben noch ist ein solches nach Haftentlassung geplant. Wie der Vorsprache der Mutter vor der belangten Behörde zu entnehmen ist, soll der Kontakt auf das notwendige Maß reduziert bleiben und ist eine Pflege oder intensive Unterstützung durch den Bw gerade nicht gewünscht. Der behauptete wesentliche Eingriff in das Familienleben des Bw ist somit nicht erkennbar.

 

Die Lehre hat der Bw nicht abgeschlossen und eine Integration in beruflicher Hinsicht ist nicht erkennbar. Den Lebensunterhalt hat der Bw zuletzt nicht durch die Ausübung einer Beschäftigung bestritten sondern durch Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung und durch Einkünfte aus dem Suchtgifthandel.

 

Die "erworbene" Integration wird durch die vom Bw begangenen, besonders verwerflichen Verbrechen, bei denen dieser zu erkennen gegeben hat, die im Gastland geltende Rechtsordnung nicht zu akzeptieren, relativiert bzw. wesentlich erschüttert.

 

Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ist festzuhalten, dass der Bw Teile seiner Kindheit im Herkunftsstaat verbracht hat und die Landessprache beherrscht. Anzumerken ist dabei, dass der leibliche Vater des Bw im Heimatstaat lebt und grundsätzlich eine Reintegration vertretbar erscheint.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz nach oben verwiesen. Ansonsten scheinen im Strafregisterauszug des Bw keine Verurteilungen auf. Es ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen, dass der Bw verwaltungsrechtliche Delikte begangen hätte.

 

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung sind nicht aktenkundig.

 

4.5.3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr, in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.

 

Beim Bw handelt es sich – wie oben dargestellt – gerade nicht um eine Person, die Suchtgift in geringen Mengen zum Eigenbedarf missbraucht hat, sondern um eine solche, die durch den Verkauf enormer Mengen einen hohen Gewinn zu erlangen trachtete. Das öffentliche Interesse an der Unterbindung des Suchtgifthandels ist in Relation zur Eigenbedarfskriminalität besonders hoch anzusiedeln, zumal, wie aus dem oben geschilderten Tatgeschehen erkenntlich ist, ein schwerer Fall der Suchtgiftkriminalität vorliegt. Nicht "bloß" der Eigenbedarf als Triebmittel und Auswirkung der Kriminalität, sondern vielmehr ein geplantes Vorgehen mit erheblicher krimineller Energie und dem Potential an weiter Verbreitung der Suchtmittel verletzen genanntes öffentliche Interesse in besonderem Maß.

 

Ein rigoroses Vorgehen bei derartigen Suchtgiftdelikten ist schon deshalb dringend geboten, da der immer weiter verbreitete Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft führt. Darüber hinaus nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.

 

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Oberste Gerichtshof wenn er ausführt, dass die Suchtgiftkriminalität bereits mit besorgniserregenden Wachstumsraten immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor ausufert, dessen wirksame Bekämpfung gerade aus der Sicht seiner grenzüberschreitenden Intensivierung auf immer größere Schwierigkeiten stößt (vgl OGH 27.4.1995, 12 Os 31, 32/95-8). Das die notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden sind, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedürfe ebenso wenig einer weiterreichenden Erörterung wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in potenziellen Täterkreisen.

 

Wenn auch nicht verkannt wird, dass eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot aufgrund der Integration des Bw in Österreich einen bedeutsamen Einschnitt in dessen Leben bedeutet, scheint seine Rückkehr in sein Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Der Bw hat eine berufliche Ausbildung begonnen, diese nicht abgeschlossen, er ist aber unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich sein Fortkommen zu sichern. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden Familienmitgliedern kann er – wenn auch eingeschränkt und soweit von diesen überhaupt erwünscht – für die Dauer des Einreiseverbots durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrecht erhalten. Es ist darüber hinaus der Familie nicht verwehrt, den Bw zumindest regelmäßig im Ausland zu besuchen.

 

Bei einer Gesamtabwägung ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.6. Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Einreiseverbotes gibt der Gesetzgeber eine Untergrenze von 18 Monaten vor. Da der Bw im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verurteilt wurde, besteht (im Gegensatz zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung, in welchem die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots möglich war) eine gesetzliche Obergrenze für die Befristung des Aufenthaltsverbotes von 10 Jahren.

 

Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel die Ausschöpfung des vom Gesetzgeber vorgesehenen zeitlichen Rahmens auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt als das gegenläufige private Interesse des Fremden (idS. VwGH 14.1.1993, 92/18/0475).

 

Im vorliegenden Fall ist aber nur von einer mäßigen sozialen Integration auszugehen. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht daher davon aus, dass nur mit einem auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden kann.

 

Es war spruchgemäß (Spruchteil 1) zu entscheiden.

 

5.1. Durch die Novelle des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 wurde der vormalige § 64 FPG neu gefasst. Nach § 57 Abs. 1 FPG in der nunmehr geltenden Fassung ist die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

 

In Anbetracht der zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Gefährlichkeitsprognose (mehrere Vergehen und Verbrechen nach dem SMG, jahrelang in der Suchtgiftkriminalität und deren Umfeld verhaftet, rascher Rückfall, Uneinsichtigkeit), die aufgrund der hohen und akuten Gefährlichkeit des Bw erstellt wurde, kann der belangten Behörde (im Hinblick auf eine unvorhersehbare vorzeitige Haftentlassung) kein Vorwurf gemacht werden, dass sie den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid für erforderlich erachtete.

 

Die Berufung gegen Spruchteil 2 war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

5.2. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nachstehendes auszuführen.

 

Wie bereits unter Punkt 5.1. ausgeführt, kann gemäß § 57 FPG einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt werden.

Eine Regelung, dass die aberkannte aufschiebende Wirkung während des Berufungsverfahrens vorab wieder zuerkannt werden könnte, wie vom Bw offenbar intendiert, findet sich jedoch nicht. Der Gesetzgeber überlässt die Klärung dieser Frage somit der Berufungsinstanz, gemeinsam mit der Hauptsache auch über die Rechtmäßigkeit der Aberkennnung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden.

 

Nachdem aber kein Antrag auf Wiederzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzlich normiert ist, war der diesbezügliche Berufungsantrag als unzulässig zurückzuweisen. In diesem Sinn äußern sich auch Hengstschläger/Leeb im AVG-Kommentar zu § 64 AVG, Rn. 34f.

 

6. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einen Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro Eingabegebühr angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 28. August 2012, Zl.: 2012/21/0144-4

  

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