Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730596/3/BP/MZ/JO

Linz, 03.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Nigeria, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 6. März 2012, AZ: 1049517/FRB, betreffend die Verhängung eines auf 5 Jahre befristeten Rückkehrverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Rückkehrverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

 

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 54 Abs. 1, 2 und 3 iVm 53 Abs. 3 Z 1 und Abs. 6 iVm 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2011/112

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

The appeal is allowed in part and the decision opposed is upheld providing that the ban on returning is set to be two years.

 

Otherwise the appeal is dismissed as being unfounded.

 

Legal basis:

§§ 54 Abs. 1, 2 und 3 iVm 53 Abs. 3 Z 1 und Abs. 6 iVm 61 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2011/112

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 6. März 2012, AZ: 1049517/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 54 Abs. 1, 2, 3 in Verbindung mit 53 Abs. 3 Z 1 und Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

 

Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde zusammengefasst aus, aus dem Fremdenakt gehe hervor, dass der Bw am 4. August 2004 nach Österreich eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe.

 

Das Asylverfahren sei am 30. Dezember 2011 in zweiter Instanz gemäß § 7 Asylgesetz negativ und gemäß § 8 Asylgesetz positiv rechtskräftig entschieden worden.

 

Der Bw sei während seines Aufenthalts in Österreich wie folgt rechtskräftig verurteilt:

"1. BG Linz vom 13.12.2005 (rk: 17.12.2005), Zahl: 14 U 623/2005v, wegen des Vergehens der Körperverletzung gem. § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je € 2,- (€ 240,-), im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren;

2. BG Linz vom 12.06.2008 (rk: 28.01.2009), Zahl: 19 U 597200811, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je E 2,- (€ 200,-), im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe; (Bestätigt vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 28.1.2009, AZ: 20 Bl 51/08d)

3. LG Linz vom 24.08.2011 (rk: 25.10.2011), Zahl: 24 Hv 27/2011t, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB sowie des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1 und 269 Abs. 1 StGB – gem. § 21 Abs. 1 StGB wurde die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet."

 

Den Verurteilungen lägen folgende Straftaten zu Grunde:

"Ad. 1.) Sie sind schuldig, Sie haben am 21.06.2005 X durch Versetzen von Schlägen mit einer Flasche in Form von Rissquetschwunden an der Schulter und am Rücken vorsätzlich am Körper verletzt.

 

Ad. 2.) Sie sind schuldig, Sie haben am 29.3.2008 in Linz die Straßenbahnkontrollorgane X durch Versetzen eines Stoßes in Form einer Brustkorbprellung und X durch Versetzen einer Ohrfeige und eines Fußtrittes in Form einer Zerrung der Halswirbelsäule und einer Prellung des oberen rechten Sprunggelenks am Körper verletzt.

 

Ad. 3.) Sie haben unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie in Verbindung mit einer posttraumatischen Belastungsstörung

I. am 25.2.2010 in Linz X mit den Worten `Wenn ich dich das nächste Mal sehe, bring ich dich um!´ sowie `Nächstes Mal bringe ich dich um !´ mit dem Tode gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

II. am 26.4.2010 in X im Hausruckkreis Beamte, nämlich die Polizeibeamten der PI X GI X und GI X an einer Amtshandlung, nämlich Ihrer Festnahme mit Gewalt zu hindern versucht, indem Sie sich durch ruckartige Bewegungen und kräftiges Ziehen mit den Händen von den Festhaltegriffen der Beamten loszureißen versuchten.

Sie haben hierdurch Taten begangen, die Ihnen, wären Sie zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen

zu I. der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 1. Fall StGB

zu II. des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wären.

Da zu befürchten ist, dass Sie sonst unter dem Einfluss Ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit weitere mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werden, wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB Ihre Unterbringung ein eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet."

 

Im Einzelnen verweist die belangte Behörde zur Vermeidung von Wiederholungen auf die schriftlichen Urteilsausfertigungen.

 

Mit Schreiben vom 12. Jänner 2012 sei dem Bw mitgeteilt worden, dass die Erlassung eines Rückkehrverbotes beabsichtigt sei und dieser zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert worden. In seiner Stellungnahme habe der Bw einen Versicherungsdatenauszug sowie zum Nachweis seiner familiären Bindung zu seinem Sohn und seiner Ex-Gattin deren Schreiben vom 17. Jänner 2012 vorgelegt. Der Bw habe angegeben, unter einer psychischen Erkrankung zu leiden, deren Behandlung in Nigeria nicht in dem Umfang gewährleistet werden könne als in Österreich. Indem selbst vom AGH zitierten Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom Jänner 2010 werde auf eine Stigmatisierung von psychisch Kranken hingewiesen. Angehörige der Gruppe der psychisch Kranken müssten begründet befürchten, von der Gesellschaft verstoßen zu werden, ihre Arbeit und ihr persönliches Beziehungsnetz zu verlieren und zu ihrem Schutz und dem Schutz des Umfeldes ruhig gestellt, zum Teil angekettet und geschlagen, sowie aufgrund ihrer Erkrankung auch mit Hexerei in Verbindung gebracht zu werden. Es sei also auch aus medizinischen Gründen nicht angezeigt, ein Rückkehrverbot gegen ihn zu erlassen.

Weiters habe der Bw angegeben, in Nigeria aufgewachsen zu sein. Nach der Volksschule und Hauptschule in X hätte er eine Lehre als Elektriker absolviert und zuletzt in X gewohnt. 2004 sei er von Nigeria per Schiff nach Italien geflüchtet und weiter mit dem Zug nach Österreich, seit dem sei er durchgehend hier aufhältig. Der Bw habe angegeben, in Wien Asyl beantragt und im Anschluss nach Linz geschickt worden zu sein, wo er längere Zeit im psychosozialen Wohnheim B37 gelebt hätte. Von 2004 bis 2008 habe er Zeitungen der Firma Rundschau ausgetragen und sei seither arbeitslos. 2005 wäre er nach X übersiedelt, habe dort seine heutige Ex-Frau X, geb. X, X, kennengelernt und diese 2007 geheiratet. Aus dieser Ehe sei sein Sohn X, geb. X, entstanden. Im Jahre 2010 wäre es dann zur Scheidung gekommen, seit dem würde der Sohn bei der Ex-Frau in X leben. Seit 2011, so der Bw weiter, sei er in der forensischen Abteilung in der Landesnervenklinik Wagner Jauregg untergebracht gewesen. Die bisherigen Beschäftigungszeiten würden sich im Versicherungsdatenauszug finden. Aufgrund der Unterbringung gemäß § 21 StGB würde keine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung bestehen. Der Bw habe weiters angegeben, dass ihm sein Sohn sehr wichtig sei und er mit ihm täglich telefonischen Kontakt habe. Auch die Beziehung zur Ex-Frau würde er als sehr gut bezeichnen. Er würde von Sohn und Frau auch sehr oft besucht und besitze zudem einen großen Freundeskreis in Österreich, mit dem er nach wie vor engen Kontakt halten würde. Dies sei auch der Grund, warum er gern in Österreich bleiben möchte. Der Bw habe angegeben, hier ein neues Leben und ein enges soziales Netzwerk aufgebaut zu haben, welches ihn im Heimatland nicht mehr erwarten würde. Alle Familienangehörigen wären ebenfalls vor dem Krieg geflüchtet und würden sich in London befinden. Kontakt zu ehemaligen Freunden und Bekannten bestünde keiner mehr. In Nigeria würde keine Zukunft warten, vielmehr sei zu befürchten, dass durch die politisch/religiöse Situation das Leben in Gefahr sei. Außerdem wäre es nicht zu ertragen, den Sohn nicht mehr sehen zu können, der wiederum auch sehr an ihm hängen und ihn als eine seiner wichtigsten Bezugspersonen ansehen würde. Schließlich habe der Bw mitgeteilt, die deutsche Sprache zu verstehen und sehr gut in der Lage zu sein, sich zu verständigen. Alles in allem würde er sich sehr bemühen, sein Leben zu ordnen und sich anzupassen.

Der Stellungnahme beiliegend habe die Ex-Gattin mitgeteilt, dass das Verhältnis zum Bw als sehr gut zu betrachten sei. Auch die Beziehung zwischen Sohn und Vater sei von äußerst hoher Qualität. Es sei ihr ein Anliegen, dass sich daran auch nichts ändere, besonders im Hinblick auf den Sohn X, der mittlerweile fünf Jahre alt sei. Der Bw sei die einzige Bezugsperson, vor allem auch in Bezug auf die kulturelle Identität. Derzeit würde einmal im Monat ein Besuchskontakt zwischen der Ex-Gattin, dem Sohn und dem Bw stattfinden. Der Ex-Gattin sei es ein besonderes Anliegen, dies auch in Zukunft dem Sohn zu ermöglichen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde nach Zitierung diverser, im zu beurteilenden Fall einschlägiger Gesetzesstellen und nochmaliger Darstellung der Straftaten des Bw verkürzt aus, dessen Vorgehen gegenüber den Opfern lasse nur den Schluss zu, dass der Bw das Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer in keiner Weise achte. Der Bw halte sich erst seit 2004 in Österreich auf und habe bereits weniger als ein Jahr nach der illegalen Einreise seine kriminelle Karriere begonnen. 2008 wäre er dann noch einmal aufgrund der gleichen schädlichen Neigung verurteilt worden.

 

Angesichts der relativ kurzen Dauer des Aufenthalts des Bw in Österreich sowie aufgrund der von ihm verübten Straftaten könne keinesfalls eine gesellschaftliche oder soziale Integration angenommen werden, welche der Erlassung eines Rückkehrverbotes entgegenstehe. Im Hinblick darauf sei die Ausweisung [sic] des Bw durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und durch das wirtschaftliche Wohl des Landes (Interesse an geordneter Zuwanderung) gerechtfertigt und verhältnismäßig. Dadurch werde das persönliche Interesse des Bw an einem Verbleib in Österreich gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen herabgemindert. Ebenso wenig gebe es Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung [sic] aus Gründen, die in der Person des Bw lägen und nicht von Dauer seien, Art. 3 EMRK verletzen könnten. In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde auf verschiedene Judikate des Verfassungsgerichtshofes bzw. des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus denen hervorgehe, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Überdies sei der Bw ja nach dem Asylgesetz zum (vorläufigen) Aufenthalt berechtigt und im gegenständlichen Verfahren werde auch nicht darüber abgesprochen, wohin er auszureisen hätte.

 

Der Bw habe durch sein Fehlverhalten gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung schwerwiegender Eingriffe in die körperliche Integrität der Opfer verstoßen und das gerechtfertigte Sicherheitsempfinden der Öffentlichkeit beeinträchtigt. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass das beschriebene kriminelle Verhalten des Bw eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das Grundinteresse am Schutz der körperlichen Unversehrtheit, berühre. Es bedürfe daher keiner näheren Erörterung, dass neben strafrechtlichen Sanktionen auch jegliche andere gesetzliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssten, um derartigen Verbrechen entgegenzuwirken.

 

Die vom Bw begangenen Straftaten würden eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen und die mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten darstellen, sodass auch bei gebührender Beachtung der persönlichen Interessenslage des Bw dessen Aufenthaltsbeendigung im Grundes des § 61 Abs. 1 FPG dringend geboten erscheine.

 

Aufgrund der familiären Bindungen strebe der Bw einen weiteren Aufenthalt in Österreich an, die Ex-Gattin sei österreichische Staatsbürgerin und der in Österreich geborene gemeinsame Sohn lebe ebenfalls in Österreich. Der Bw sei seit 4. August 2004 durchgehend in Österreich gemeldet.

 

Laut Versicherungsdatenauszug sei der Bw von 10. April 2007 bis 10. Juli 2007 und von 1. Oktober 2007 bis 21. Oktober 2007 beschäftigt gewesen, ansonsten scheine nur der Status Asylwerber bzw. Flüchtling auf.

 

Aufgrund der Tatsache, dass sich das leibliche Kind des Bw in Österreich aufhalte, werde dem Bw ein gewisses Maß an Integration zuzubilligen sein, weshalb davon auszugehen sei, dass die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes mit einem Eingriff in dessen Privat- und Familienleben verbunden sei. Dieser relativiere sich jedoch dahingehend, als die Ehe mit der Mutter des Kindes am 18. Oktober 2010 geschieden worden sei.

 

Zudem verweise der im Akt befindliche Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem auf die Anzeige vom 6. November 2008 wegen mehrfacher Körperverletzung und Freiheitsberaubung durch die PI X, AZ: B6/8893/2008-DU, an die StA Ried im Innkreis, wobei als Betroffene die Ehegattin und ein zufällig zu Hilfe Eilender angeführt seien, die durch die Angriffe des Bw Bisswunden erlitten hätten. Dazu passend gebe es unter Punkt 3 eine Eintragung in den kriminalpolizeilichen Aktenindex (KA). Außerdem stehe im Speicherauszug, dass der Bw am 22. März 2009, somit vor der Ehescheidung, in Schweden aufgegriffen worden sei und dort einen Asylantrag gestellt habe, was gegen dessen soziale Integration spreche. Der Bw sei am 6. Mai via Wien Schwechat wieder nach Österreich rücküberstellt worden.

 

Nicht einmal der Familie des Bw sei es gelungen, den Bw davon abzuhalten, in gravierender Weise straffällig zu werden. Vielmehr mindere gerade die Tatsache, dass er erhebliche Gewalttaten verübt habe, das Gewicht der familiären Bindung erheblich. Abgesehen davon habe der Bw, der ständigen Judikatur des VwGH folgend, angesichts seiner gravierenden Straffälligkeit und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährlichkeit, die das öffentliche Interesse am gegenständlichen Aufenthaltsverbot [sic] rechtfertige, eine allfällige Trennung in Kauf zu nehmen. Zudem bleibe es den Angehörigen unbenommen, den Bw in seinem zukünftigen Aufenthaltsstaat regelmäßig zu besuchen bzw. könne mittels Telefon und E-Mail (wenn auch in geminderter Form) Kontakt gehalten werden. Überdies könne der Bw etwaigen Sorgepflichten auch aus dem Ausland nachkommen.

 

Zusammenfassend sei festzustellen, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes [sic] wesentlich schwerer wiegen würden als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw.

 

Zur Bemessung der Befristung des gegenständlichen Rückkehrverbots finden sich keine Ausführungen.

 

1.2. Gegen diesen, am 8. März 2012 durch persönliche Übernahme zugestellten Bescheid, erhob der Bw mit Schreiben vom 20. März 2012, bei der belangten Behörde eingelangt am 21. März 2012, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt nicht entgegengetreten, sondern im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Bw den persönlichen Kontakt zu seinem Sohn aufrecht erhalten und diesen in seiner Entwicklung unterstützen möchte. Die von der belangten Behörde beschriebenen Angriffe gegen die Ex-Frau wären durch die psychische Erkrankung entstanden, mittlerweile gestalte sich die Beziehung sehr gut und es gebe regelmäßigen Kontakt. Der Bw weist weiter darauf hin, dass alle zu Verurteilungen führenden Vorfälle ebenfalls im Zusammenhang mit seiner Erkrankung gestanden wären. Durch die durchgängige Behandlung, auch in Zusammenhang mit seiner Einweisung in den Maßnahmenvollzug, sei er sich sicher, dass es keine Übergriffe, egal in welcher Form, mehr geben würde. Er achte sehr wohl die körperlicher Unversehrtheit anderer Menschen, doch war ihm dies zum damaligen Zeitpunkt aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht möglich. Hinsichtlich der Integration in Nigeria führt der Bw aus, Christ zu sein und in Nigeria nicht gefahrlos leben zu können.

 

Rechtlich stellt der Bw die Anwendbarkeit des § 54 FPG und damit die Erlassung eines Rückkehrverbots in Frage, da dieses nur bei Asylwerbern möglich wäre und sein Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

 

Zusammenfassend hält der Bw abschließend fest, dass von seiner Person keine Gefahr ausgehe. Er sei sich seiner psychiatrischen Erkrankung bewusst und werde immer Medikamente einnehmen, damit es nicht neuerlich zu einer Eskalation komme. Er sei nun auch in der Lage, seine Verantwortung, die er vor allem seinem Sohn gegenüber habe, zu erkennen.

 

Berufungsanträge werden vom Bw nicht explizit gestellt.

 

2.1.  Aus § 9 Abs. 1a FPG in der geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der VwGH mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinn der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinn der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der VwGH erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Gleiches hat im gegenständlichen Fall zu gelten, da sich das vom Bw bekämpfte Rückkehrverbot von der Wirkung her von einem Aufenthaltsverbot nicht wesentlich unterscheidet, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der belangten Behörde dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Übrigen vom Bw auch nicht beantragt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten und vom Bw in keinster Weise bestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Asylwerber sind § 2 Abs. 1 Z 14 des Asylgesetzes 2005 zufolge Fremde ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Dass der Bw, welcher nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, Fremder gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG ist, steht außer Zweifel. Unzweifelhaft ist weiters, dass dessen Asylverfahren rechtskräftig beendet und dem Bw der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

 

Wenn der Bw in seiner Berufungsschrift nun ins Treffen führt, dass dem klaren Wortlaut des § 54 FPG zufolge ein Rückkehrverbot nur gegen Asylwerber erlassen werden könne, was auf ihn nicht mehr zuträfe, ist ihm diesbezüglich zwar zuzustimmen. Gleichzeitig ist ihm aber entgegenzuhalten, dass § 1 Abs. 2 letzter Satz FPG – der auch schon von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitiert wurde – ausdrücklich die Anordnung trifft, "[e]in Rückkehrverbot kann gegen einen Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, erlassen werden." Das diesbezügliche Berufungsvorbringen geht daher ins Leere.

 

3.2. Im Rahmen der Prüfung des somit auch im Falle des Bw abstrakt möglichen Rückkehrverbots gilt es zunächst, die konkrete Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbotes sowie des Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Bw dem Grunde nach zu prüfen.

 

3.2.1. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG ist ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Asylwerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 54 Abs. 2 leg cit zufolge gelten als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

 

§ 53 Abs. 3 Z 4 FPG stellt auf Drittstaatsangehörige ab, die wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist.

 

Aufgrund der Verurteilungen des Bw durch das BG Linz vom 13.12.2005, Zahl: 14 U 623/2005v, wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie des BG Linz vom 12.06.2008, Zahl: 19 U 597200811, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB ist unzweifelhaft ein Anwendungsfall des § 53 Abs. 3 Z 4 FPG (arg "Wiederholungstat") gegeben. Eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 54 Abs. 1 FPG ist daher gegeben.

 

Zudem legt § 53 Abs. 6 FPG fest, dass einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten ist, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

 

Auch dieser Tatbestand wird vom Bw, der aktuell in einer derartigen Anstalt untergebracht ist, erfüllt.

 

3.2.2. Weiters ist bei der Klärung der Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbots dem Grunde nach auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 54 Abs. 2 letzter Satz FPG erweitet den Anwendungsbereich explizit auch für – von § 61 leg cit an sich nicht erfasste – Rückkehrverbote.

 

§ 61 Abs. 2 FPG zufolge sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.2.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine konkret den Bw betreffende Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Vorweg ist festzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und die Verbringung einer Person außer Landes grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.2.4. Es ist der belangten Behörde folgend festzustellen, dass eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter die Tatbestandselemente des § 61 Abs. 2 FPG nicht zu einem unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw führt.

 

3.2.4.1. Hinsichtlich der Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und der Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war, ist festzuhalten, dass der Bw am 2. August 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist. Die Aufenthaltsdauer des Bw in Österreich beträgt daher insgesamt knapp 8 Jahre. Legitimiert wurde der Aufenthalt des Bw bis zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten am 30. Dezember 2011 lediglich durch die Stellung eines Asylantrags, weshalb sich der Bw seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein muss(te).

 

3.2.4.2. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.

 

Der Bw war von 2007 bis 2010 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und hat mit dieser einen gemeinsamen Sohn. Es besteht nach Angaben des Bw sowie der Ex-Gattin ein guter Kontakt und der Sohn besucht den Vater in der Unterbringungsanstalt regelmäßig.

 

Es ist dem Bw daher ein bestehendes Familienleben in Österreich zuzubilligen, wenn dieses freilich auch schon bedingt durch die Unterbringung in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nicht sehr intensiv ausgeprägt ist.

 

3.2.4.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa 10 Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall ist der Bw nur knapp 8 Jahre in der Republik Österreich aufhältig. Die in die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Bw einfließende Aufenthaltsdauer liegt damit noch deutlich unter der höchstgerichtlich judizierten Schwelle von etwa 10 Jahren.

 

Hinzu tritt, dass vom Beschwerdeführer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zudem 9 Jahre lang ein Beruf in Österreich ausgeübt wurde und der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Integrationsmerkmale fordert. Eine berufliche Tätigkeit wurde jedoch vom Bw, dem Versicherungsdatenauszug zufolge, nur in stark untergeordneter Form ausgeübt.

 

Schließlich ist – mangels gegenteiliger Hinweise im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis – davon auszugehen, dass im verwaltungsgerichtlich entschiedenen – und damit entgegen dem hier zu beurteilenden – Fall eine strafrechtliche Bescholtenheit des Beschwerdeführers nicht vorlag.

 

3.2.4.4. Merkmale sozialer Integration sind dem Bw durch das Erlernen der deutschen Sprache zuzubilligen. Darüber hinaus verfügt der Bw nach eigenen Angaben, die von der erkennenden Behörde nicht in Zweifel gezogen werden, über einen großen Freundeskreis. Eine der sozialen Integration besonders dienliche Erwerbstätigkeit wurde vom Bw – wie dargestellt – jedoch nicht ausgeübt. Zudem ist aufgrund der begangenen strafbaren Handlungen, bei welcher der Bw die staatliche Autorität sowie mehrfach die körperliche Integrität seiner Mitmenschen maßgeblich missachtete bzw. schädigte davon auszugehen, dass eine tiefgehende Integration ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht vorliegt.

 

3.2.4.5. Festzustellen ist weiters, dass der heute knapp 27-jährige Bw den weitaus größten Teil seines Lebens, nämlich 19 Jahre, in seinem Herkunftsstaat verbracht hat. Er beherrscht die Landessprache und hat dort die Schule besucht sowie eine Berufsausbildung absolviert.

 

3.2.4.6. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1.1.1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben.

 

3.2.4.7. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.

 

3.2.4.8. Zur Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren, erübrigen sich aufgrund von Punkt 3.2.4.1. weitere Ausführungen.

 

3.2.4.9. Die Dauer des bisherigen Aufenthaltes ist zu einem nicht unwesentlichen Teil in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet, da das Asylverfahren des Bw – soweit ersichtlich ohne Folgeanträge – etwa 7 ½ Jahre (konkret: von 2. August 2004 bis 30. Dezember 2011) in Anspruch genommen hat.

 

3.2.4.10. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 3.2.4.1. bis 3.2.4.9. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

Wenn dem Bw durch seine Aufenthaltsdauer von etwa 8 Jahren, durch sein Bestreben, die deutsche Sprache zu erlernen und natürlich auch durch die Tatsache, Vater eines Sohnes mit Aufenthaltsrecht in Österreich zu sein, ein nicht unbeträchtliches Maß an Integration bzw. ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen ist, wird diese bzw. dieses jedoch dadurch relativiert, als es während eines anhängigen Asylverfahrens und damit jedenfalls während unsicheren Aufenthalts erworben wurde. Auch ist eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, nicht unzumutbar. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch, dass er durch die von ihm getätigten, zum Teil wiederholten strafrechtlichen Vergehen eine hohe kriminelle Energie bewiesen hat.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Rückkehrverbots ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.3.1. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer des zu erlassenden Rückkehrverbotes zu prüfen.

 

Gemäß § 54 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens 10 Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Fremden.

 

3.3.2. Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Rückkehrverbotes im genannten Zeitrahmen ist wiederum das bisherige Verhalten des Bw miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

3.3.3. Die Verhinderung von Straftaten gegen die höchsten Güter unserer Gesellschaft – in concreto erfolgte durch den Bw mehrfach ein Eingriff in die körperliche Integrität fremder Personen sowie der Versuch, die Durchsetzung des Staatswillens zu vereiteln – zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

3.3.4. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen bzw. der Bw in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht wurde(n), sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte eines strafrechtlich relevanten Verhaltens rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Es zeugt fraglos von enormer krimineller Energie, (insbesondere) in einem fremden Staat, von welchem man sich Aufnahme und Integration erhofft, wiederholt die körperliche Integrität der Mitmenschen zu verletzten bzw. diese gefährlich zu bedrohen. Insbesondere zeugt auch der Versuch, die Durchsetzung des Staatswillens im Gastland hintan zuhalten davon, dass der Bw weit von den Werten der hiesigen Gesellschaft entfernt ist und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch den Bw nicht mehr ausgegangen werden kann.

 

Wenn die belangte Behörde vor diesem Hintergrund zum Ergebnis gelangt, dass es konkret eines Zeitraumes von 5 Jahren bedarf, bis vom Bw ein rechtmäßiges Verhalten zu erwarten ist, kann dieser Auffassung vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dennoch nicht gefolgt werden. Neben den vom Bw gesetzten, oben dargestellten Integrationsschritten ist zugunsten des Bw auch die ihm nicht anzulastende Dauer des Asylverfahrens von ca. 7 ½ Jahren zu beachten. Weiters ist der Bw Vater eines Kindes mit österreichischer Staatsbürgerschaft, zu welchem ein regelmäßiger, wenn durch die Unterbringung des Bw in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher auch nicht allzu intensiver Kontakt besteht. Insbesondere auch zur Aufrechterhaltung der gegebenen Vater/Sohn–Beziehung ist der Oö. Verwaltungssenat daher der Ansicht, dass das Rückkehrverbot auf die Dauer von 2 Jahren herabzusetzen ist.

 

3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.1. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass dem gegenständlichen Rückkehrverbot keine Ausreiseverpflichtung des Bw immanent ist, sondern es sich "lediglich" um ein Verbot, nach erfolgter Ausreise wiederum einzureisen handelt. Ob eine Außerlandesverbringung gegen Art. 2 bzw Art. 3 EMRK verstoßen würde, braucht daher in diesem Verfahren nicht weiter geprüft zu werden.

 

4.2. Abschließend wird weiters angemerkt, dass der Oö. Verwaltungssenat nicht verkennt, dass sich die im Entscheidungszeitpunkt erstellte, den Bw betreffende Gefährdungsprognose im derzeit nicht absehbaren Zeitpunkt der Entlassung des Bw aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher geändert haben kann. Sollten die Gründe, die zur Erlassung des Rückkehrverbots geführt haben, weggefallen sein, ist dieses § 60 Abs. 5 FPG zufolge von Amts wegen bzw. auf Antrag des Bw aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Instruction on the right to appeal

No legal remedies are permitted against this decision.

 

Information

Within 6 weeks after delivery a complaint can be lodged against this decision with the Constitutional Court and/or with the Administrative Court; except from legal exceptions, it must be lodged by an authorized attorney. Paying 220 Euros as an appeal fee is required for each complaint to be lodged.

 

 

 

Bernhard Pree

Beschlagwortung:

Rückkehrverbot, geistig abnorme Rechtsbrecher, § 54 FPG

 

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