Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750006/2/BP/WU

Linz, 07.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 9. August 2011, AZ.: S-12.642/11-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens I. Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 (AVG);

zu II: §§ 65, 66 Abs 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 9. August 2011, AZ.: S-12.642/11-2, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2-4 und 6 iVm. § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt, weil er, wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz bei einer Kontrolle am 4. März 2011 festgestellt worden sei, sich als Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes in Österreich seit 26. Mai 2010 unrechtmäßig aufgehalten habe, da er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sei.

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stellt die belangte Behörde fest, dass dem Bw die Tat sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar sei.

 

Insbesondere wird angeführt dass gegen den Bw von der BPD Wien mit Bescheid vom 3. Februar 2011 wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei.

 

Bei der Strafbemessung sei der Umstand der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Bw als mildernd berücksichtigt worden.

1.2. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Telefax vom 18. August 2011.

Darin wird angeführt, dass das Erstasylverfahren des Bw mit Bescheid des BAA vom 12. Mai 2010 negativ entschieden worden sei. Später sei er aber ab 10. September 2010 bis 8. März 2011 durchlaufend in Gerichtshaft gewesen, danach bis 23. Mai 2011 im PAZ X in Schubhaft, woraus ersichtlich sei, dass sein Aufenthalt nicht seit 28. Mai 2010 durchgehend strafbar sein könne.

Während der 78 Tage Schubhaft habe die Fremdenbehörde erfolglos versucht, für den Bw ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Ohne Reisedokument und Einreiseberechtigung in ein anderes Land könne er aber Österreich nicht verlassen. Das FPG habe daher in der Fassung des FrÄG 2009 vorgesehen, dass der Bw in Österreich geduldet sei, sodass sein Aufenthalt nicht bestraft werden dürfe, weil derart Betroffene ohnehin auch durch Bestrafung nicht auf den "rechten Weg" gebracht werden könnten. Seit In-Krafttreten des FrÄG 2011 seien mangels Dokumente in Österreich Verbliebene zwar nicht mehr automatisch geduldet, es sei aber mangels Änderung in der Sache davon auszugehen, dass dem Bw dennoch weiter die Rechtswirkung der Duldung zukomme, weil der Gesetzgeber wohl durch die mit 1. Juli 2011 wirksam gewordene Änderung des § 46a FPG nicht habe erreichen wollen, dass jemand, der Österreich nicht verlassen könne und dürfe, mit daran nichts ändernden Verwaltungsstrafen überzogen werde.

Der UVS werde daher höflich um ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses ersucht.

2.1. Mit Schreiben vom 5. September 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafverfahrensakt und die Berufungsschrift.

 

2.3. Da im Verfahren feststand, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid aufzuheben war, hatte gemäß § 51e Abs. 2 die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu entfallen.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – unwidersprochen gebliebenen -  unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

Daraus ergibt sich, dass es die Fremdenpolizeibehörden im in Rede stehenden Zeitraum vergeblich unternahmen, für den Bw ein Heimreisezertifikat zu erwirken. Dass dies mangels Mitwirkung durch den Bw ihm anzulasten sei, konnte weder dem angefochtenen Straferkenntnis noch dem Akt entnommen werden.

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 VStG zuständig, über Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren zu entscheiden. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß § 51c VStG durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im      Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die         durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung      bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation      des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur    Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Ver-     triebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufent-haltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zu-        kommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäfti-gungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsen-debewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist (wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen) – auch vom Bw – völlig unbestritten, dass er im Tatzeitraum über keine Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 31 Abs. 1 FPG verfügte. Somit wäre die objektive Tatseite erfüllt. Daran ändert es auch nichts, dass der Bw während des in Rede stehenden Zeitraums teils in Strafhaft, teils in Schubhaft angehalten wurde.

 

3.3.1. Gemäß § 120 Abs. 5 Z. 2 FPG in der Fassung des Beundesgesetzblattes vor der FrÄG-Novelle 2011, lag eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nicht vor, solange der Fremde geduldet war (§ 46a FPG).

 

Gemäß § 46a Abs. 1 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1. §§ 50 und 51 oder

2. §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist oder

3. aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt.

 

3.3.2. Im vorliegenden Fall scheint zweifelsfrei gegeben, dass der Bw zum Einen über keine Reisedokumente verfügt und zum Anderen die Bemühungen der Fremdenpolizei nach Erlangung eines Heimreisezertifikates durch den Heimatstaat des Bw fruchtlos geblieben sind. Es ist somit klargestellt, dass der Bw weder in den Senegal abgeschoben werden, noch rechtmäßig in irgend einen anderen Staat einreisen konnte. Es liegt also hier eine Konstellation des § 46a Abs. 1 Z. 3 vor, zumal die Abschiebung des Bw aus – von ihm nicht zu vertretenden Gründen – tatsächlich undurchführbar ist und kein Sachverhalt des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung erkannt wird.

 

Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass der Bw im Tatzeitraum bis 1. Juli 2011 als im Bundesgebiet geduldet anzusehen war. Damit kommt aber § 120 Abs. 5 Z. 2 zum Tragen, der folglich das Vorliegen schon der objektiven Tatseite verneint.

 

3.4. Im Übrigen ist festzuhalten, dass – sofern man der eben dargestellten Ansicht nicht folgen würde – jedenfalls darüber hinaus das Verschulden des Bw im hier zu beurteilenden Fall auszuschließen wäre.

 

Diese Feststellung wird aber nun für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2011 schlagend, da die oa. Bestimmung des § 120 Abs. 5 FPG in der nunmehrigen Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 38. 2011 nicht mehr vorgesehen war.

 

Nachdem der Bw nicht über ein – ihn zur Ausreise aus Österreich berechtigendes – Reisedokument verfügte, hatte er keine rechtliche Möglichkeit, den objektiv gegebenen rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet von sich aus zu beenden.

 

Deshalb liegt ein Verschuldensmangel vor, weshalb die Strafbarkeit des Bw insgesamt als nicht gegeben anzusehen ist.

 

3.5. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 65 iVm § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

 

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