Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166805/9/Br/REI

Linz, 16.04.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau X geb. X, W, K, vertreten durch RAe Y, D, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, vom 15. Februar 2012, Zl.: VerkR96-2873-2011, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach der am 16. April 2012 im Rahmen eines Ortsaugenscheins  durchgeführten öffentlichen münd­lichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.   Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der Hinweis auf den Abzug des Verkehrsfehlers hat im Spruch jedoch zu entfallen.

 

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird der Berufungswerberin für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 32 Euro auferlegt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - AVG iVm    § 19, § 24,   § 51  Abs.1 und  § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - VStG.

Zu II.: § 64 Abs.1 u.2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen einer Übertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2e StVO 1960, eine Geldstrafe von 180 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 72 Stunden verhängt, weil sie am 27.06.2011, um 10:47 Uhr, als Lenkerin des Pkw BMW 530d mit dem Kennzeichen x, im Ortsgebiet Schiedlberg, auf der L1372, bei km 7.070 in Fahrtrichtung von Neuhofen kommend in Richtung Sierning die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 45 km/h überschritten habe.

 

 

 

1.1. In der Begründung tätigte die Behörde erster Instanz folgende Erwägungen:

"Das gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren gründet sich auf eine Anzeige der Polizeiinspektion Ternberg vom 2. 7. 2011, wonach Sie am 27. 6. 2011 um 10.47 Uhr den PKW x in Schiedlberg, L 1372, km 7,070 gelenk haben, wobei Sie die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 45 km/h überschritten haben.

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 13. 7. 2011 wurde über Sie eine Strafe wegen Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO mit Euro 180,- oder im Nichteinbringungsfalle 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

 

Gegen diese Strafverfügung hat Ihr Rechtsvertreter mit Schreiben vom 27. 7. 2011 Einspruch erhoben. In der Stellungnahme bzw. Rechtfertigung vom 23. 8. 2011 führen Sie im wesentlichen  "; aus:"... Der Tatvorwurf ist unrichtig, der Beschuldigten ist kein Verschulden anzulasten, es fehlt die subjektive Tatseite. Der Beschuldigten war die Straße und der Straßenverlauf am Tatort bis zum gegenständlichen Vorfall unbekannt. Der Beschuldigten war nicht bewusst, dass sie sich im Ortsgebiet der Gemeinde Schiedlberg befunden hat. Als die Beschuldigte mit ihrem PKW in Richtung Sierning gefahren ist, hielt unmittelbar vor der Ortstafel Schiedlberg ein Sattelschlepper an, der den Blick auf die Ortstafel für herannahende Fahrzeuge verstellt hat. Wenn in der Strafverfügung unter Tatort angegeben wird, dass eine Sichtbehinderung auf die Ortstafel nicht gegeben war, so ist dies unrichtig, da, wie oben dargestellt, ein LKW-Sattelschlepper die Sicht auf die Ortstafel verstellt hat. Für den Meldungsleger war zur Tatzeit vom Tatort aus (km 7,070) die Ortstafel (Ortsanfang) nicht einsehbar. Der Meldungsleger befand sich im Sichtbereich der Ortsende-Tafel der Gemeinde Schiedlberg, welche sichtbar war. Wie die Beschuldigte festgestellt hat, befindet sich im Bereich der Ortstafel (Ortsanfang) auch kein weiterer Hinweis auf eine 50 km/h Beschränkung, sodass für die Beschuldigte der Ortsbeginn und damit die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h durch den auf der rechten Seite abgestellten Lkw-Sattelschlepper nicht erkennbar war. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Meldungsleger die Angaben der Beschuldigten unrichtig wiedergegeben hat. Aus dem übermittelten Akt ergibt sich, die Beschuldigte hätte angegeben "sie sei von einer 70 km/h-Beschränkung ausgegangen". Dies ist unrichtig, tatsächlich hat die Beschuldigte angegeben, dass sie davon ausgegangen ist, dass die 70 km/h Beschränkung aufgehoben wurde. Dies ist auch richtig, da einige Meter vor der, für die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt nicht sichtbaren Ortstafel das Verkehrszeichen "Ende der 70 km/h Beschränkung" aufgestellt ist. Die Beschuldigte ist daher davon ausgegangen, dass sie sich im Freilandgebiet befindet. Da sich im Bereich des Tatorts auch ein Wald befindet und Gebäude nur vereinzelt in weiterer Entfernung von der Straße stehen, ist die Beschuldigte davon ausgegangen, sich im Freilandgebiet zu befinden. Die Beschuldigte hatte sohin keine Möglichkeit festzustellten oder zu erkennen, dass sich der Tatort im Ortsgebiet befindet, sodass die Beschuldigte an der Geschwindigkeitsüberschreitung sohin kein Verschulden trifft."

 

Der anzeigende Beamte gibt bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme an: "Mir wurden die Einspruchsangaben der Beschuldigten zur Kenntnis gebracht. Grundsätzlich verweise ich auf meine Angaben in der Anzeige und erhebe ich diese zum Gegenstand meiner heutigen Zeugenaussage. Ergänzend hiezu gebe ich an, dass ich ein zur Lasermessung ermächtigtes und besonders geschultes Organ bin und die Verwendungsbestimmungen vor der Lasermessung eingehalten habe. Es ist richtig, dass ich die Ortstafel nicht einsehen konnte, jedoch bin ich unmittelbar nach der Amtshandlung zum Ortsanfang gefahren und konnte von mir bei der do. Ortstafel keine Sichtbehinderungen wie Fahrzeuge oder ähnliches festgestellt werden. Die Beschuldigte hat auch während der Amtshandlung mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass eine Sichtbehinderung durch einen Sattelschlepper gegeben gewesen wäre, jedoch wurde von mir unabhängig davon überprüft ob eine Sichtbehinderung vorlag oder nicht. Wenn eine Behinderung durch einen Sattelschlepper tatsächlich gegeben gewesen wäre, hätte die Beschuldigte den dort befindlichen Kurvenbereich mit dieser Geschwindigkeit niemals fahren können. Weiters ist mir auch kein wegfahrender Sattelschlepper aufgefallen bzw. ist kein solcher während der Amtshandlung vorbeigefahren. Weiters gebe ich noch an, dass es sehr wohl den Tatsachen entspricht, dass die Beschuldigte mir gegenüber angegeben hat, dass sie von einer 70 km/h Beschränkung in diesem Bereich ausging und das Ortsgebiet übersehen hätte. Auch ist es nicht richtig, dass sich im Bereich des Tatorts ein Wald befindet und Gebäude nur vereinzelt in weiterer Entfernung. Auf der rechten Seite in Fahrtrichtung gesehen befindet sich ein stark verbautes Siedlungsgebiet mit drei Einmündungen von Siedlungsstraßen sowie eine Bushaltestelle."

 

Zu diesem Ergebnis der Beweisaufnahme haben Sie eine schriftliche Stellungnahme abgegeben und im wesentlichen angegeben: "Wenn der Zeuge A angibt, dass er "unmittelbar nach der Amtshandlung zum Ortsanfang" gefahren wäre und keine Sichtbehinderung bei der Ortstafel feststellen konnte, so weist diese Aussage bereits darauf hin, dass die Beschuldigte offensichtlich gegenüber dem Zeuge von einer Sichtbehinderung gesprochen hat, da andernfalls nicht erklärbar wäre, weshalb der Zeuge nach der Amtshandlung zur Ortstafel beim Ortsanfang gefahren ist. Die Mutmaßung des Zeugen, dass die Beschuldigte dann, wenn die Ortstafel durch einen Sattelschlepper tatsächlich verdeckt gewesen ist, den "dort befindlichen Kurvenbereich mit dieser Geschwindigkeit niemals hätte befahren können" ist einerseits unzulässig, andererseits unrichtig. Einerseits ist der Sattelschlepper am äußerst rechten Fahrbahnrand, mit seinen rechten Rädern bereits außerhalb der asphaltierten Fahrbahn unmittelbar vor Beginn des befestigten Gehsteiges gestanden, sodass durch diesen Sattelschlepper bei freier Sicht auf den Scheitelpunkt der nächsten Kurve und bei keinem Gegenverkehr das Befahren dieses Straßenstückes mit 70 km/h oder mehr technisch kein Problem darstellt. Beweis: Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Sachverständigen.

Der Umstand, dass der Zeuge angibt, dass ihm "auch kein wegfahrender Sattelschlepper aufgefallen bzw. kein solcher während der Amtshandlung vorbeigefahren ist", hat für die Sachverhaltsfeststellung keine Relevanz. Einerseits gibt der Zeuge an, dass ihm kein solcher Sattelschlepper aufgefallen ist, kann einen solchen also auch übersehen haben, zumal er durch die Amtshandlung ja durch einige Minuten abgelenkt ist und sich auf die Beschuldigte und die Amtshandlung selbst konzentrieren musste, andererseits ist es auch durchaus denkbar, dass der Sattelschlepper in die andere Richtung, nachdem er umgekehrt ist, gefahren ist, sodass er auch bei nachträglicher Nachschau für den Zeugen überhaupt nicht sichtbar gewesen ist. Vermutlich hat sich der Sattelschlepper verfahren, ist deshalb am Straßenrand, bedauerlicherweise gerade bei der Ortstafel, stehen geblieben und hat in weiterer Folge umgedreht. Die Angaben des Zeugen, wonach es nicht richtig wäre, dass sich im Bereich des Tatortes Wald befindet und Gebäude nur vereinzelt in weiterer Entfernung stehen, widersprechen den örtlichen Gegebenheiten. Der Stellungnahme werden zwei Kopien von Fotos beigelegt, welche die unmittelbare Umgebung des "Tatortes" darstellen. Aus diesen Fotos ist wohl eindeutig zu entnehmen, dass aus der Bebauungsdichte selbst keineswegs zu schließen ist, dass es sich um ein Ortsgebiet handelt."

 

Der technische Amtssachverständige gibt nach dem vorgenommenen Lokalaugschein in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme an: "Im Hinblick auf die gegenständlichen Lasermessung ist aufgrund des durchgeführten Lokalaugenscheines folgendes festzustellen: Vom Standort des Polizisten hatte er ungehinderte Sicht auf das ihn zufahrende Fahrzeug. Im Hinblick auf die Messentfernung von 265 m ergibt sich ein Messkegeldurchmesser von rund 0,8 m. Dieser Messkegeldurchmesser ist geringer als die Breite des Fahrzeuges, sodass davon ausgegangen werden kann, dass wenn er etwa im Bereich des vorderen Nummernschildes anvisiert hat, der Messkreisdurchmesser nicht über die Breite des Fahrzeuges, die unter Berücksichtigung der Außenspiegel gegeben ist. Weiters ist festzustellen, dass in Fahrtrichtung der Berufungswerberin vorher eine Rechtskurve zu durchfahren ist. Geht man davon aus, dass die Berufungswerberin etwa beim Scheitelpunkt der Kurve ihr Fahrzeug beschleunigte, so ist unter Berücksichtigung des vorhandenen Fahrzeuges (Motorleistung ca. 244 PS) ausgehend von einer Ausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h eine Beschleunigung bis zum Messort auf 95 km/h nachvollziehbar. Unter der Voraussetzung, dass eine geeichte Lasermesspistole verwendet wurde, ist daher aus technischer Sicht von einer korrekten Messung auszugehen, wenn der Messbeamte mit der Verwendung der Laserpistole vertraut ist."

 

Zu diesem Ergebnis der Beweisaufnahme haben Sie am 16. 11. 2011 schriftlich Stellungnahme abgegeben und angegeben, dass die Einvernahme des Sachverständigen unnötig war und im übrigen verweisen Sie auf die bisherigen Stellungnahmen und Rechtfertigungen und steifen neuerlich den Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Die Behörde hat erwogen:

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sieht die Behörde es als erwiesen, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben. Diese wurde von Ihnen auch nicht bestritten.

 

Hinsichtlich der eingewendeten Begleitumstände, die zu der Verwaltungsübertretung geführt haben, wird die glaubwürdige zeugenschaftliche Aussage des Polizeibeamten zugrundegelegt, wonach keine Sichtbehinderung auf die Ortstafel bestand, zumal Sie auch dem Polizeibeamten gegenüber bei der Anhaltung angaben, dass Sie von einer 70 km/h Beschränkung ausgegangen seien und von einer Sichtbehinderung nichts erwähnten.

Die Glaubwürdigkeit der Aussage des Polizeibeamten wird dadurch untermauert, dass dieser im Falle einer falschen Zeugenaussage besonderen dienst- und strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt ist, wohin gegen Sie als Beschuldigte im Falle der falschen Aussage keine wie immer gearteten Sanktionen treffen.

 

Ihre Behauptung, dass eine Sichtbehinderung durch einen LKW-Sattelschlepper gegeben war, kann daher nur als Schutzbehauptung gewertet werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Bei der Strafbemessung wurde auf die Bestimmung §19 VStG Bedacht genommen. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs­- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisses des Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafe zu berücksichtigen. Da diese nicht bekannt waren, wurde eine Schätzung vorgenommen, welcher zugrundegelegt wurde, dass Sie kein Vermögen haben und über ein normales Einkommen verfügen. Es lagen weder mildernde noch erschwerende Umstände vor.

Im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der vorliegenden Verwaltungsübertretungen in Relation zu dem Voraufgezeigten war daher eine Strafe zu verhängen, die dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen und geeignet erscheint, Sie in Hinkunft nachhaltig von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten. Gründe, welche die Anwendung der Bestimmung des § 20 VStG nach sich gezogen hätten, wurden weder behauptet noch bekannt.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens und der Barauslagen stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle."

 

 

1.1. Mit diesen Ausführungen ist die Behörde erster Instanz im Recht!

 

 

2. Dem tritt die Berufungswerberin jedoch mit ihrer durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:

"In umseits rubrizierter Verwaltungsstrafsache erhebt die Beschuldigte gegen das Strafer­kenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15.02.2012, Zahl: VerkR 96-2873-2011, welches den ausgewiesenen Vertretern der Beschuldigten am 20.02,2012 zugestellt wurde, innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

 

BERUFUNG:

 

Das Straferkenntnis, Zahl: VerkR 96-2873-2011, der BH Steyr-Land, wird zur Gänze ange­fochten.

 

SACHVERHALT:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte gemäß § 99 Abs 2e StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 180,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stun­den verhängt, weiters wurde die Beschuldigte zum Ersatz eines Kostenbeitrages in der Höhe von € 18,00 verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschuldigten vorgeworfen, sie hätte am 27.06.2011, 10:47 Uhr, in der Gemeinde Schiedlberg, Landesstraße Ortsgebiet, Nummer 1372 bei Kilometer 7.070 in Fahrtrichtung von Neuhofen nach Sierning „die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 45 km/h überschritten."

 

BERUFUNGSGRÜNDE:

 

Die gegen die Beschuldigte erhobenen Vorwürfe bestehen nicht zu Recht. Die Beschuldigte hat die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung weder begangen noch zu verantworten. Die Beschuldigte hat gegen keine Rechtsnorm verstoßen. Jedenfalls kann der Beschuldigten kein Verschulden angelastet werden. Die von der Behörde sowohl im Spruch als auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses getroffenen Tatsachenfeststellungen sind unrichtig und werden von der Beschuldigten ausdrücklich bekämpft.

Das angefochtene Straferkenntnis ist insbesondere aus nachfolgenden Gründen Inhaltlich rechtswidrig und mit wesentlichen Verfahrens- und Begründungsmängeln behaftet:

1.    Auf Seite 4 des angefochtenen Straferkenntnisses führt die Behörde aus, dass sie es als erwiesen ansieht, dass die Beschuldigte die im Spruch angeführte Verwaltungsübertre­tung begangen hat und weiter, dass diese (nämlich die Verwaltungsübertretung) von der Beschuldigten auch nicht bestritten worden wäre. Dies ist unrichtig, da die Be­schuldigte die Verwaltungsübertretung immer bestritten hat, sie hat lediglich zugestan­den, dass sie am Tatort mit der vom anzeigenden Beamten festgestellten Geschwindig­keit gefahren ist. Die Beschuldigte hat aber immer bestritten, dadurch eine Verwaltungs­übertretung begangen zu haben.

 

2.    Die Begründung des Straferkenntnisses, insbesondere die vorgenommene Beweiswür­digung, ist mangelhaft und daher nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Die Be­weiswürdigung erschöpft sich darin, die Aussage des Polizeibeamten als glaubwürdig zu beurteilen, da die Beschuldigte gegenüber dem Polizeibeamten bei der Anhaltung ange­geben hätte, dass sie von einer 70km/h-Beschränkung ausgegangen wäre und von ei­ner Sichtbehinderung nichts erwähnt hätte. Diese Beweiswürdigung ist gesetzwidrig, da die Behörde damit die Glaubwürdigkeit der Aussage des Polizeibeamten mit angebli­chen Angaben der Beschuldigten begründet, welche von dieser selbst bestritten werden. Die Behörde hat sich sohin mit der inneren Wahrscheinlichkeit der Aussage des Polizei­beamten überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern geht davon aus, dass die Aussa­ge des Polizeibeamten deshalb glaubwürdig wäre, weil die Beschuldigte, die das aber bestreitet (!), dem Beamten gegenüber erklärt hätte, sie sei von einer 70 km/h-Beschränkung ausgegangen. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die Behörde vielmehr konkrete Gründe angeben müssen, aus welchen Überlegungen sie die Aussage des Po­lizeibeamten für glaubwürdig erachtet, insbesondere aus welchen Überlegungen sie die Aussage des Polizeibeamten, dass die Beschuldigte ihm gegenüber von einer 70 km/h-Beschränkung ausgegangen ist, für glaubwürdig erachtet hat. In Wahrheit begründet die Behörde die Glaubwürdigkeit der Aussage des Polizeibeamten mit dem gewünschten Ergebnis.

 

Auch der Umstand, dass nach Aussage des Polizeibeamten die Beschuldigte von einer Sichtbehinderung nichts erwähnt hätte, spricht weder für noch gegen die Glaubwürdig­keit des Polizeibeamten, da bei der gegebenen Sichtbehinderung die Beschuldigte zum Zeitpunkt der Anhaltung ja nicht wissen konnte, wo die durch den Lkw-Sattelschlepper verdeckte Ortstafel gestanden ist.

Weiters begründet die Behörde die Glaubwürdigkeit der Aussage des Polizeibeamten damit, dass eine Falschaussage des Polizisten durch dienst- und strafrechtliche Sankti­onen pönalisiert ist, während die Beschuldigte keine derartigen Sanktionen bei einer Falschaussage zu erwarten hat. Dies allein ist eine unzulässige und damit gesetzwidrige Beweiswürdigung, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine Beweiswürdigung die ohne jede Bedachtnahme auf den inneren Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen, allein wegen der Pönalisierung einer Falschaussage, dem Beam­ten höhere Beweiskraft beimisst als der Aussage der Beschuldigten, die keine derartigen Sanktionen zu befürchten hat, mangelhaft ist (VwGH 05.03.1991/90/08/0023 u.a.).

 

Mit dem inneren Wahrheitsgehalt der Aussage des Polizeibeamten hat sich die Behörde erster Instanz überhaupt nicht auseinandergesetzt.

 

Trotz mangelhafter Begründung und in Wahrheit nicht vorgenommener Beweiswürdi­gung kommt die Behörde zu dem damit unzulässigen Schluss, dass die Behauptung der Beschuldigten, wonach eine Sichtbehinderung durch einen Lkw-Sattelschlepper vorge­legen ist, nur als Schutzbehauptung zu werten wäre.

 

Die Beschuldigte hat Anspruch auf ein gesetzmäßiges Verfahren und damit auf ein ge­setzmäßig begründetes Straferkenntnis, welches, wie oben aufgezeigt, keinesfalls vor­liegt.

 

Die Behörde erster Instanz beschränkt sich darauf, auf den Seiten 2 und 3 des ange­fochtenen Straferkenntnisses die Strafverfügung wiederzugeben, weiters die Rechtferti­gung und Stellungnahme der Beschuldigten zu wiederholen und die Zeugenaussage des Polizeibeamten und des Sachverständigen wiederzugeben. Eine Auseinanderset­zung mit der Rechtfertigung der Beschuldigten und der Aussage des Polizeibeamten findet sich in der Begründung des Straferkenntnisses aber nicht.

 

Das Strafverfahren ist daher schon aus diesem Grunde einzustellen.

 

3.       Auch dann, wenn die Behörde, wie vom Gesetz vorgesehen, sich mit der Rechtfertigung und der Stellungnahme der Beschuldigten und der Aussage des Polizeibeamten ausei­nandergesetzt hätte, hätte die Behörde aber zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Beschuldigte die vorgeworfene Verwaltungsübertretung mangels Verschulden nicht begangen hat:

Aus der Aussage des anzeigenden Beamten ergibt sich, dass er vom Ort der Amtshand­lung aus jene Ortstafel, welche nach den Angaben der Beschuldigten durch einen Sat­telschlepper abgedeckt war, nicht einsehen konnte. Wenn der anzeigende Beamte in seiner Zeugenaussage weiter angibt, dass er „unmittelbar nach der Amtshandlung" zum Ortsanfang gefahren wäre und dort keine Sichtbehinderung feststellen konnte, so stellt sich die Frage, weshalb er überhaupt nach der Amtshandlung zum Ortsanfang gefahren ist, wenn die Beschuldigte von einer Sichtbehinderung im Bereich des Ortsanfangs überhaupt nicht gesprochen hätte. Wenn die Beschuldigte, wie dies vom Polizeibeamten angegeben wird, von keiner Sichtbehinderung gesprochen hätte, so gibt es keinen ver­nünftigen und nachvollziehbaren Grund, weshalb der Polizeibeamte unmittelbar nach der Amtshandlung (angeblich) zum Ortsanfang gefahren ist, um festzustellen, dass kei­ne Sichtbehinderung gegeben war. Dieser evidente Widerspruch in der Aussage des Polizeibeamten erschüttert die Glaubwürdigkeit seiner Aussage.

 

Abgesehen davon spricht der Umstand, dass der Polizeibeamte nach der Anhaltung keine Sichtbehinderung im Bereich der Ortstafel festgestellt hat, keinesfalls gegen die Glaubwürdigkeit der Rechtfertigung der Beschuldigten, da zwischen dem Zeitpunkt, als die Beschuldigte die durch den Sattelschlepper verdeckte Ortstafel passiert hat unter Berücksichtigung der von ihr bis zur Anhaltung zurückgelegten Fahrstrecke sowie unter Berücksichtigung der Dauer der Amtshandlung selbst und der Dauer der (angeblichen) Fahrt des Polizeibeamten zum Ortsanfang, ein Zeitraum von zumindest 15 Minuten ver­gangen ist, sodass der Sattelschlepper während dieses Zeitraums problemlos umkehren und wegfahren konnte oder an der Anhaltesteile vorbeifahren konnte. Die Aussage des Polizeibeamten, wonach er während der Amtshandlung keinen Lkw bemerkt habe, der vorbeigefahren wäre, bedeutet nicht, dass kein Lkw oder Lkw-Sattelschlepper während der Amtshandlung vorbeigefahren ist, da sich der Beamte ja primär auf die Amtshand­lung konzentriert hat und daher ein vorbeifahrendes Fahrzeug leicht übersehen werden konnte.

 

Die Aussage des Polizeibeamten, wonach die Beschuldigte den dort befindlichen Kur­venbereich (nämlich im Bereich der Ortstafel) mit „dieser Geschwindigkeit" (?) niemals hätte durchfahren können, wenn ein Sattelschlepper dort gestanden wäre, ist einerseits für das Verfahren selbst irrelevant, da die Geschwindigkeit ja nicht im Bereich der Orts­tafel gemessen wurde, sondern weit später, andererseits ist sie technisch auch unrichtig. Wenn der Sattelschlepper, wie von der Beschuldigten in ihrer Stellungnahme auch an­gegeben, am äußerst rechten Fahrbahnrand, mit den Rädern vor dem befestigten Geh­steig gestanden ist, so ist einerseits ein Durchfahren der dort befindlichen Kurve mit der festgestellten Geschwindigkeit technisch möglich, andererseits hat die Beschuldigte nie behauptet, dass sie im Bereich des Ortsanfangs bereits mit der vom Polizeibeamten gemessenen Geschwindigkeit gefahren ist, sondern kann sie nach dem Ortsanfang das Fahrzeug auf die zuletzt gemessene Geschwindigkeit beschleunigt haben.

 

Bei richtiger Würdigung der vorliegenden Beweismittel, auch unter Berücksichtigung der Rechtfertigung und Stellungnahme der Beschuldigten, hätte die Behörde erster Instanz zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Beschuldigten kein Verschulden vorgewor­fen werden kann, da die Ortsanfang-Tafel durch einen Lkw-Sattelschlepper für die Be­schuldigte, die ortsunkundig war, nicht erkennbar gewesen ist. Es gibt kein einziges Be­weisergebnis, welche die von der Beschuldigten vorgebrachte Sichtbehinderung in Fra­ge stellen würde. Nicht die Beschuldigte muss ihre Unschuld beweisen, sondern die Be­hörde muss die Schuld der Beschuldigten beweisen. Dieser Beweis ist der Behörde nicht gelungen.

 

Aus den angeführten Gründen stellt die Beschuldige als Berufungswerberin den

 

ANTRAG

 

1.         auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und

2.         auf Aufhebung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom         15.02.2012, VerkR 96-2873-2011, und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

 

W, am 5. März 2012                                                                          X"

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien insbesondere mit Blick auf das Berufungsvorbringen in Wahrung der gem. Art. 6 EMRK intendierten Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

4.  Der  unabhängige  Verwaltungssenat  des  Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des Verwaltungs­strafaktes der  Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, Zl.:  VerkR96-2873-2011, sowie durch die zeugenschaftlichen Vernehmungen des die Messung durchführenden GrInsp. A, anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

Beigeschafft wurde ferner die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land v. 14.10.2010, VerkR10-53-2/5-2010, betreffend das gegenständliche Ortsgebiet, sowie Luftbilder mit der Darstellung der Straßenkilometrierung und vor Ort im Rahmen des Ortsaugenscheins aufgenommene und im Rahmen der Berufungsverhandlung erörterte Fotos.

Die auch persönlich zur Berufungsverhandlung geladene Berufungswerberin erschien ohne Angabe von Gründen nicht. Die Behörde erster Instanz entschuldigte das Fernbleiben mit dienstlichen Gründen. 

 

 

5. Die Faktenlage:

An sich unbestritten ist, dass die Berufungswerberin zur fraglichen Zeit aus Richtung Neuhofen a. d. Krems auf der L1372 kommend im Ortsgebiet von Schiedlberg verkehrsfehlerberichtigt mit 95 km/h in Richtung Sierning unterwegs war. Dies wurde von GrInsp. A durch Lasermessung aus einer Entfernung von 275 m festgestellt. Die Berufungswerberin habe wegen eines unmittelbar vor der Ortstafel angeblich abgestellten oder haltenden LKW nicht gewusst sich im Ortsgebiet zu befinden, sodass ihr daher ein subjektives Verschulden nicht vorzuwerfen wäre.

Die ca. fünfeinhalb Meter breite L1372 verläuft in Fahrtrichtung der Berufungswerberin nach der nordöstlichen, bei Strkm 6,6 verordneten und kundgemachten Ortseinfahrt Schiedlberg in einer Rechtskurve. Vom Messpunkt bis zum Standort des Meldungslegers verläuft der Straßenzug auf ca. 300 m gerade und bis zur Hälfte in einem leichten Gefälle und folglich wieder ansteigend in westlicher Richtung. Im Messbereich bei Strkm 7.070 findet sich beidseitig eine an sich übersichtliche Kreuzung, nach links zum Ortszentrum und nach rechts in eine beidseitig verbaute Siedlungsstraße.

Der Meldungsleger schildert den Messvorgang routinemäßig, sodass an dessen Ergebnis, was  auch von der Berufungswerberin ausdrücklich unbestritten bleibt, keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses bestehen. Andererseits räumt der Meldungsleger auch unumwunden ein, dass sich die Berufungswerberin sehr einsichtig zeigte und schon ihm gegenüber glaubhaft angegeben habe der Ansicht gewesen zu sein es handle sich dort um einen 70 km/h-Beschränkungsbereich. Von einem die Ortstafel verstellenden Lkw habe sie ihm gegenüber jedoch nichts erwähnt. Hiervon habe er erst anlässlich seiner Befragung vor der Behörde erster Instanz gehört.

Faktum ist jedoch, dass die Berufungswerberin offenbar hier nicht gänzlich ortsunkundig ist und andererseits auch die Bebauung im Ortseingang für einen am objektiven Maßstab zu messenden Lenker oder Lenkerin auf ein Ortsgebiet schließen lässt; ungeachtet ob nun die Ortstafel verstellt gewesen wäre oder nicht, wobei es außer der nachgereichten Behauptung der Berufungswerberin kein Indiz für einen angeblich dort abgestellten LKW gibt. Dass dieser Behauptung auch nicht gefolgt werden müsste ergibt sich daraus, dass von der Berufungswerberin dieser Umstand sonst wohl schon anlässlich des durchaus konstruktiv verlaufenden Gesprächs mit dem Meldungsleger erwähnt worden wäre.

Wohl ist davon auszugehen, dass im gegenständlichen Fall mit diesem Regelverstoß keine über bloße abstrakte Gefahr hinausgehenden nachteiligen Auswirkungen für andere Verkehrsteilnehmer einhergegangen sind.  Nicht übersehen wird schließlich der mit der gegenständlichen Entscheidung als Rechtsfolge einhergehende Kurzzeitentzug der Lenkberechtigung und die auch darin gründende Präventionswirkung.

 

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der § 20 Abs.2 StVO 1960 lautet: "Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Hier befand sich die Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Messung bereits ~ 300 Meter im Ortsgebiet.

Nach § 99 Abs.2e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Berufungswerber oder eine Berufungswerberin initiativ alles darzu­legen, was für ihre/seine Entlastung spricht. Das ein Ortsgebiet nicht zwingend nur an der Sichtbarkeit der entsprechenden Ortstafel erkennbar sein muss ergibt sich schon daraus, weil im Verkehrsverlauf gleichsam immer Umstände obwalten können, welche zu einem unverschuldeten "Nichtsehenkönnen" führen, lassen daher nicht schon auf jegliches fehlendes Verschulden schließen (vgl etwa VwGH 27.02.1970, 1157/69 unter Hinweis auf die Vorjudikatur). Im konkreten Fall kann daher wohl davon ausgegangen werden, dass die Berufungswerberin dieses Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zumindest fahrlässig beging, wobei die vermeintliche 70 km/h Beschränkung offenbar vorsätzlich missachtet wurde.

 

 

6.1. Da nach h. Auffassung der sogenannte Verkehrsfehler des Messgerätes bei logischer und sachbezogener Betrachtung kein Tatbestandselement sondern lediglich den Gegenstand der Beweisbeurteilung bildet, war der Hinweis über "den Abzug zu Ihren Gunsten" aus dem Spruch iSd § 44a VStG zu entfernen.

 

 

6.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

6.3. Keine Zweifel bestehen wohl darin, dass mit dem Schnellfahren in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einhergeht. Daher muss derartigen Übertretungen durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden. Insbesondere in Ortsgebieten kommt der Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit eine ganz besondere Bedeutung zu. Die nachteiligen Folgen einer derart eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung gründen empirisch etwa darin, dass bei Einhaltung der hier erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h der Anhalteweg rechnerisch bei 28,13 m liegt, während er bei der hier gemessenen Geschwindigkeit 79,34 m beträgt. Dieser Schlussfolgerung wird eine als realistisch anzunehmende Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2 und eine Reaktionszeit von einer Sekunde sowie eine Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden zu Grunde gelegt. Die Stelle an der das Fahrzeug aus 50 km/h zum Stillstand gelangt, wird bei der von der Berufungswerberin verkehrsfehlerberichtigten Geschwindigkeit noch mit der Ausgangsgeschwindigkeit durchfahren (Berechnung mittels Analyzer Pro 4.5).

Da einerseits jedermann darauf vertrauen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer die Vorschriften des Straßenverkehrs einhalten (Vertrauens­grundsatz) und darüber hinaus angesichts der Örtlichkeit zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit anderer Verkehrsteilnehmer vorlag, ist dieser Fahrgeschwindigkeit jedenfalls ein hohes abstraktes Risikopotenzial zuzuschreiben.

Der erstbehördlichen Straffestlegung kann daher mit Blick auf die oben genannten Grundsätze nicht entgegengetreten werden. So wurde eine Geldstrafe in der Höhe von (damals) 4.000 S, [entspricht 290,70 Euro] wegen einer Fahrgeschwindigkeit auf der Autobahn von 180 bis 190 km/h, bereits im Jahre 1990 als angemessen erachtet (VwGH 13.2.1991, 91/03/0014).

Vor diesem Hintergrund ist die hier ausgesprochene Strafe als sehr milde bemessen zu erachten bzw. könnte in diesem Strafausspruch selbst bei dem von der bislang als unbescholten geltenden Berufungswerberin, deren Einkommen als Geschäftsführerin mit 2.000 Euro unrealistisch niedrig dargestellt wurde,  in Verbindung mit dem Milderungsgrund deren bisherigen Unbescholtenheit, ein Ermessensfehler der Behörde erster Instanz dennoch nicht erblickt werden.

Dieses Strafausmaß ist insbesondere auch aus generalpräventiven Überlegungen als Signal an die Schnellfahrer und Schnellfahrerinnen bzw. gegen das Rasen auf den Straßen an sich geboten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof   erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

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