Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-231268/4/Gf/Rt

Linz, 26.04.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des A R, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 18. Juli 2011, Zl. Sich96-30-2011, wegen einer Übertretung des Pyrotechnikgesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.      

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 18. Juli 2011, Zl. Sich96-30-2011, wurde dem Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 32 Abs. 1 i.V.m. mit § 26 Abs. 1 und 2 des Pyrotechnikgesetzes, BGBl.Nr. I 131/2009 (im Folgenden: PyrTG), eine Ermahnung erteilt, weil er am 29. Dezember 2010 pyrotechnische Gegenstände besessen habe, die weder mit der erforderlichen Konformitätsbescheinigung noch mit einer Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache versehen gewesen seien noch eine CE-Kennzeichnung aufgewiesen hätten; unter einem wurden diese im Zuge der Kontrolle in Beschlag genommenen Gegenstände (zwei Packungen "Raining Coconut" und zwei Packungen "Silver Chrysanthemum") gemäß § 41 Abs. 1 und 3 PyrTG für verfallen erklärt.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass diese dem Rechtsmittelwerber angelastete Übertretung auf Grund von behördlichen Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei, zumal die pyrotechnischen Gegenstände auch nicht unter die Ausnahmeregelungen der Übergangsbestimmungen des § 47 PyrTG fallen würden.

 

1.2. Gegen diesen ihm am 20. Juli 2011 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wendet sich die vorliegende, am 26. Juli 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht sowie die Rückgabe der für verfallen erklärten pyrotechnischen Gegenstände beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Zl. Sich96-30-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 40 Abs. 1 Z. 1 und 3 PyrTG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist im Falle der Missachtung einer Bestimmung des zweiten Hauptstückes des PyrTG mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, im Falle einer Übertretung sonstiger Bestimmungen des PyrTG hingegen nur mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen.

 

3.2. Nach § 26 Abs. 1 PyrTG (der in das – mit "Inverkehrbringen und Marktüberwachung" überschriebene – 2. Hauptstück des PyrTG eingegliedert ist) dürfen "Pyrotechnische Gegenstände" u.a. nur dann (und zwar in welcher Form auch immer) in Verkehr gebracht werden, wenn eine Konformitätsbescheinigung i.S.d. § 21 Abs. 3 PyrTG vorliegt (Z. 2) und diese mit einem CE-Kennzeichen gemäß § 22 PyrTG versehen sind (Z. 3); dem gegenüber dürfen nach § 26 Abs. 2 PyrTG "Pyrotechnische Sätze" (und zwar in der besonderen Form durch Überlassung im Bundesgebiet an Endverbraucher) nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn auf diesen der Name und Typ des Satzes sowie die jeweilige Kategorie angegeben und ihnen eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beigegeben ist (Z. 4 i.V.m. § 24 Abs. 6 PyrTG).

 

Gemäß § 32 Abs. 1 PyrTG (der im – mit "Besitz, Verwendung und Überlassung" überschriebenen – 3. Hauptstück des PyrTG angesiedelt ist) ist u.a. der Besitz und die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen, die § 26 Abs. 1 Z. 3 PyrTG nicht entsprechen, bzw. von pyrotechnischen Sätzen, die (bloß) § 26 Abs. 2 PyrTG nicht entsprechen, verboten.

 

3.3. Von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist, dass im vorliegenden Fall im Rahmen des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens verabsäumt wurde, die Frage, ob die beanstandeten Realien entweder als "Gegenstände" i.S.d. § 4 Z. 14 PyrTG ("Pyrotechnischer Gegenstand ist jeder Gegenstand, der einen oder mehrere pyrotechnische Sätze enthält, einschließlich Anzündmittel sowie geformte Pulverkörper oder geformte Sätze [Halb- oder Vorerzeugnisse]") oder als "Sätze" i.S.d. § 4 Z. 16 PyrTG ("Sätze sind lose Stoffe oder Stoffgemische, die infolge einer selbstunterhaltenden exothermen chemischen Reaktion eine Wirkung in Form von Wärme, Licht, Schall, Gas, Nebel, Rauch, Bewegung, Druck, Reiz oder eine Kombination dieser Wirkungen erzielen") zu qualifizieren sind, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu klären.

 

Dies wäre jedoch schon deshalb unabdingbar gewesen, weil die zuvor in Pkt. 3.2. angeführten Verbots- sowie die daran anschließenden Strafbestimmungen jeweils entscheidend auf dieser Differenzierung aufbauen.

 

3.4. Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass es sich hier um pyrotechnische Gegenstände – und nicht um Sätze – handelte, wäre angesichts der Unterscheidung in § 40 Abs. 1 Z. 1 PyrTG einerseits und § 40 Abs. 1 Z. 3 PyrTG andererseits in weiterer Folge zu klären gewesen, ob dem Rechtsmittelwerber eine Übertretung des 2. Hauptstückes, also ein Inverkehrbringen, oder bloß eine Übertretung des 3. Hauptstückes, also der bloße Besitz, angelastet werden sollte.

 

Träfe – worauf der Spruch des angefochtenen Bescheides hinzudeuten scheint – Letzteres zu, so hätte eine Bestrafung aber lediglich wegen einer Verletzung des § 32 Abs. 1 erste Alternative PyrTG  (hier: Besitz von pyrotechnischen Gegenständen, die § 26 Abs. 1 Z. 3 [CE-Kennzeichen] nicht entsprechen), nicht aber zugleich auch – wie dies im Spruch durch das Wort "und" zum Ausdruck gebracht wird – wegen einer Verletzung des § 32 Abs. 1 zweite Alternative PyrTG (Besitz von pyrotechnischen Sätzen, die keine Kennzeichnung nach § 24 Abs. 6 PyrTG aufweisen) oder wegen einer Verletzung des § 24 Abs. 6 PyrTG (die ausschließlich im Zusammenhang mit pyrotechnischen Sätzen pönalisiert ist) erfolgen dürfen.

 

Dies gilt im Übrigen ganz abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer in der Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. auch angelastet wurde, dass keine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beigegeben gewesen sei, während in der "Durchsuchungs-, Sicherstellungs- und Beschlagnahmebestätigung" der PI Leopoldschlag vom 29. Dezember 2010, Zl. A1/9314/1/2010, demgegenüber sogar explizit angeführt ist: "alle Packungen keine CE Kennzeichnung, keine Angaben über NetGewicht, nur deutschsprachige Gebrauchsanweisung und Angabe Kl II".

 

3.5. Wenngleich die Nichtanwendbarkeit der Ausnahmeregelungen der Übergangsbestimmung des § 47 PyrTG im vorliegenden Fall von der belangten Behörde zutreffend beurteilt wurde, führen jedoch die zuvor aufgezeigten Unvollständigkeiten (bzw. Widersprüche) im Ergebnis dazu, dass im Zuge einer objektiven Betrachtung i.S.d. § 44a Z. 1 VStG letztlich offen bleibt, weswegen der Rechtsmittelwerber hier konkret bestraft werden sollte, sodass er damit nicht nur vor einer Doppelbestrafung nicht effektiv geschützt erscheint, sondern es ihm so auch verunmöglicht wurde, seiner Verteidigung dienende zweckentsprechende Beweismittel vorzubringen.

 

3.6. Angesichts zwischenzeitlich bereits eingetretener Verfolgungsverjährung war der gegenständlichen Berufung daher schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

VwSen-231268/4/Gf/Rt vom 26. April 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

PyroTG 2010 §4 Z14;

PyroTG 2010 §4 Z16;

PyroTG 2010 §26;

PyroTG 2010 §32;

PyroTG 2010 §40;

PyroTG 2010 §47

 

Mangelhafte Spruchkonkretisierung iSd § 44a Z 1 VStG, wenn im erstbehördlichen Verfahren die Klärung der entscheidungswesentlichen Frage, ob es sich um "pyrotechnische Gegenstände" iSd § 4 Z 14 PyroTG 2010 oder um "pyrotechnische Sätze" iSd § 4 Z 16 PyroTG 2010 handelte, verabsäumt wurde, weil sowohl die Verbotsbestimmungen des § 26 PyroTG 2010 und des § 32 PyroTG 2010 als auch die Strafbestimmungen des § 40 PyroTG 2010 jeweils an diese essentielle Differenzierung anknüpfen.

 

 

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum