Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420739/2/Gf/Rt

Linz, 04.05.2012

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde der S H, vertreten durch RA Dr. P R,  wegen einer von Organen des Finanzamtes Salzburg-Land am 25. April 2012 in Linz auf Grund des Glücksspielgesetzes durchgeführten Lokalkontrolle beschlossen:

 

 

Die Beschwerde wird – mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes – als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

Art 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; § 67 Abs. 1 Z. 2 Allgemeines AVG.

 

 

 

 

Begründung:

 

 

1. Mit ihrem beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 27. April 2012 per Telefax eingebrachten Schriftsatz vom 26. April 2012 hat die Rechtsmittelwerberin wegen einer von Organen des Finanzamtes Salzburg-Land am 25. April 2012 in ihrem Lokal in der B-straße in Linz durchgeführten, auf das Glücksspielgesetz, BGBl.Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 76/2011 (im Folgenden: GSpG), vorgenommenen Kontrolle eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B‑VG gestützte Maßnahmenbeschwerde erhoben.

 

Zum Sachverhalt wird vorgebracht, dass sie anlässlich dieser Kontrolle einvernommen und zwei näher bezeichnete Geräte sowie dreizehn Schlüssel vorläufig beschlagnahmt worden seien.

 

Die Beschwerdelegitimation ergebe sich daraus, "dass die Beschwerdeführerin durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihrem  Recht verletzt wurde".

 

Unter der Überschrift "Beschwerdegründe" wird zum Sachverhalt ergänzt, dass sie Inhaberin eines in der B-straße in Linz situierten Lokales sei und in diesem am 25. April 2012 von Organen des Finanzamtes Salzburg-Land eine auf das GSpG gestützte Kontrolle stattgefunden habe.

 

Die weiteren Ausführungen sind rechtlicher Natur und befassen sich mit dem Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 (AVOG). Dabei wird neben § 9 Abs 1 AVOG auch die Bestimmung des § 12 AVOG näher dargestellt und schließlich auf "§ 4 der Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010" (gemeint: Verordnung der BMF zur Durchführung des AVOG 2010) Bezug genommen, wonach das Finanzamt Salzburg-Land lediglich für die Bezirke Hallein und Salzburg-Umgebung örtlich zuständig sei, während dem gegenüber das Gebiet der Stadt Linz südlich der Donau und der politische Bezirk Linz-Land in den örtlichen Wirkungsbereich des Finanzamt Linz fielen. Die vom Finanzamt Salzburg-Land auf Grund des GSpG im Bezirk Linz-Stadt (südlich der Donau) durchgeführte Kontrolle sei somit rechtswidrig gewesen.

 

Daher werden an den Oö. Verwaltungssenat die Anträge auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und Fällung eines Erkenntnisses dahin, dass die Beschwerdeführerin dadurch, dass am 25. April "eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durch Organe der belangten Behörde (erfolgte), anlässlich welcher die Beschwerdeführerin einvernommen wurde", diese in ihrem Recht verletzt worden sei, "nicht ohne gesetzliche Grundlage einer Kontrolle unterzogen zu werden."

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im gegenständlichen Verfahren schon nach Einsicht in die Beschwerde festgestellt, dass die darin behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht vorliegen kann, sodass diese mangels eines für eine Maßnahmenbeschwerde tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

 

3. Dies aus folgenden Gründen:

 

 

3.1. Gemäß Art 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Eine derartige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. z.B. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984; VfSlg 9813/1983; sowie zahlreiche weitere Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl. z.B. VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985; und VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl. z.B. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; und VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun i.S.d. § 863 ABGB bestehen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen die Beschwerdeführerin physischer Zwang tatsächlich ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl. m.w.N. Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231, und VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl. z.B. VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, m.w.N.). Demnach sind selbst Zwangsmaßnahmen dann kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977; und VwSlg 9.439 A/1977).

 

3.2. Die Beschwerdeführerin bezeichnet den im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Verwaltungsakt vom 25. April 2012 durch Organe des Finanzamtes Salzburg-Land als "Kontrolle" nach dem GSpG, anlässlich welcher sie einvernommen worden sei. Die bei dieser Kontrolle gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmten Gegenstände wurden nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht, ist doch insofern auch gemäß § 53 Abs. 3 GSpG mit einem Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides durch die Verwaltungsstrafbehörde zu rechnen, weshalb ein Anfechtung der bloß vorläufigen Beschlagnahme schon im Grunde der Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde nicht zulässig wäre.

 

Nicht einmal aus der eigenen Sachverhaltsdarstellung der Rechtsmittelwerberin lässt sich eine tatsächlich erfolgte oder eine konkret bevorstehende Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ableiten. Damit steht aber fest, dass – abgesehen von der ohnehin nicht bekämpften vorläufigen Beschlagnahme – eine faktische Amtshandlung, bei der physischer Zwang gegen die Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeübt wurde oder ihr eine solche unmittelbar bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte, nicht angenommen werden kann. Denn eine bloße Kontrolltätigkeit bzw. bloße Aufforderungen oder Anordnungen im Rahmen von Amtshandlungen oder Kontrollen stellen nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts noch keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar. Erst wenn der Adressat bei Nichtbefolgung mit zwangsweiser Realisierung zu rechnen hat, wobei eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen muss, kann begrifflich von einem Akt der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gesprochen werden (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998], E 61 und E 80 zu § 67a AVG): Daher stellt beispielsweise die Anordnung eines Sicherheitswachebeamten, eine bestimmte Straßenstelle zu verlassen, noch keine faktische Amtshandlung dar, wenn kein unmittelbarer Zwang ausgeübt oder angedroht wurde; auch die Androhung einer Strafanzeige schafft noch keine dementsprechende Zwangssituation (vgl. z.B. VwGH 28.2.1997, 96/02/0299); einer von Organen der Straßenaufsicht durch Zeichen i.S.d. § 97 Abs 5 StVO bedeuteten Aufforderung zum Anhalten hat der Fahrzeuglenker zwar Folge zu leisten, allein deshalb handelt es sich aber insoweit noch nicht um die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt – vielmehr stellt die Nichtbefolgung solcher Zeichen lediglich eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 99 Abs. 3 lit. j StVO). Steht es dem Betroffenen also frei, einer Anordnung keine Folge zu leisten und die Frage ihrer Rechtmäßigkeit im Verwaltungsstrafverfahren auszutragen, so liegt keine "faktische Amtshandlung" vor (vgl. auch zur Aufforderung zum Alkoholtest oder zur Blutabnahme z.B. VwGH 25.3.1992, Zl. 91/02/0150; VwGH 25.3.1992, Zl. 91/03/0253; VwGH 19.1.1994, Zl. 93/03/0251; VwGH 22.4.1994, Zl. 94/02/0020; VfSlg 7.509/1975).

 

3.3. Die gegenständliche Beschwerde war sohin mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurückzuweisen, weil bereits aus dem eigenständigen Vorbringen der Rechtsmittelwerberin hervorgeht, dass eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt tatsächlich nicht vorlag.

 

4. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs. 3 AVG im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, weil die belangte Behörde nicht ins Verfahren eingebunden war und dieser daher de facto auch keine Kosten entstanden sind.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. G r ó f

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

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