Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253007/31/Py/TK

Linz, 10.05.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Oktober 2011, SV96-315-2010/Gr, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Februar und 16. März 2012 zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.   Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Oktober 2011, SV96-315-2010/Gr, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach §§ 33 iVm 111 Abs.2 Z1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG idgF eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 49 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit gemäß § 9 VStG als zur Vertretung nach Außen berufenes Organ der x mit Sitz in x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass die genannte Firma als Arbeitgeberin die Dienstnehmerin Frau x vom 25.9.2009 bis 27.5.2009 in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (1.080,-- Euro pro Monat, Getränke frei), als Kellnerin im Lokal "x" in x, im Sinne des § 1152 ABGB entgeltlich beschäftigt hat, ohne sie vor Arbeitsantritt mit einer zumindest mit den Mindestangaben ausgestatteten Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger anzumelden, obwohl die Arbeitnehmerin nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen war.

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Linz im Zuge einer Kontrolle am 16.10.2009 um 12.45 Uhr festgestellt."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass die Arbeitnehmerin im Zuge der Kontrolle eigenhändig auf dem Personenblatt ausgefüllt hat, dass ihr Arbeitsbeginn am 25.9.2009 um 6.00 Uhr gewesen ist. Den Angaben von Frau x beim Bezirksverwaltungsamt Linz am 29.9.2010 kann seitens der Erstbehörde kein Glaube geschenkt werden, da sie keine Begründung angeben konnte, warum sie bei der Kontrolle den 25.9.2009 als Arbeitsbeginn angeführt hat. Auch hinsichtlich der Uhrzeitangaben bei der Kontrolle ist davon auszugehen, dass ein Dienstnehmer ca. 3 Wochen nach Arbeitsbeginn noch weiß, ob er an seinem ersten Arbeitstag um 6.00 Uhr oder um 14.00 Uhr seinen Dienst angetreten hat.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass mangels Angaben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw, wie mit Schreiben vom 7. März 2011 angekündigt, geschätzt wurden und als straferschwerend die bereits vorliegende einschlägige Verwaltungsvorstrafe herangezogen wurde, Strafmilderungsgründe seien nicht gefunden worden.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 11. November 2011. Darin bringt der Bw vor, dass es sich bei den Angaben auf dem Personenblatt anlässlich des Kontrolltages vom 16. Oktober 2009 im Gegensatz zur Aussage von Frau x am 29. September 2010 vor dem Bezirksverwaltungsamt der Landeshauptstadt Linz, die unter Beiziehung einer Dolmetscherin erfolgte, um kein zuverlässiges Beweismittel handelt. Entgegen den Angaben auf dem Personenblatt sind die Angaben der Zeugin x vom 29. September 2010 viel aussagekräftiger, da davon auszugehen ist, dass diese erst bei dieser Befragung die Fragestellungen aufgrund der Übersetzungen durch die Dolmetscherin richtig verstanden hat. Die Zeugenaussage der Gattin des Bw vom 8. Februar 2011 vor der Erstbehörde wurde überhaupt keiner Wertung unterzogen, weshalb die zeugenschaftliche Einvernahme von Frau x und Frau x zum Beweis dafür, dass Frau x erst am 28. September 2009 beim Bw beschäftigt war, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sie bereits beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet war, beantragt wird.

 

3. Mit Schreiben vom 15. November 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Februar und 16. März 2012, die aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der den Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen gemeinsam mit der Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem ausländerbeschäftigungsgesetz VwSen-253006 durchgeführt wurde. An dieser Verhandlung haben an beiden Verhandlungstragen der Rechtsvertreter des Bw sowie am ersten Verhandlungstag ein Vertreter des Finanzamtes Linz als Parteien teilgenommen. Als Zeugen wurden ein Kontrollorgan der Finanzpolizei Linz, die gegenständliche ausländische Dienstnehmerin Frau x, die vom Berufungswerber beantragte ehemalige Dienstnehmerin Frau x und die Ehegattin des Bw, Frau x einvernommen. Die bereits für den ersten Verhandlungstag erfolglos geladene Zeugin x blieb der Ladung für die Fortsetzungsverhandlung vom 16. März 2012 unentschuldigt fern.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der x mit Sitz in x, die am Standort x das Pub-Café "x" betreibt.

 

Am 16. Oktober 2009 fand im Lokal "x" eine Kontrolle der Finanzpolizei nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz statt. Dabei gab die rumänische Staatsangehörige Frau x, geb. am x, auf dem von ihr ausgefüllten Personenblatt handschriftlich an, dass sie seit Freitag,                 25. September 2009, 6.00 Uhr, im Lokal beschäftigt ist.

 

Vom Arbeitsmarktservice x wurde der x mit Bescheid vom      25. September 2009 eine Beschäftigungsbewilligung für Frau x für die Zeit vom 28. September 2009 bis 27. September 2010 erteilt. Ab 28. September 2009 wurde Frau x von der x bei der OÖ. Gebietskrankenkasse zur Sozialversicherung für die Tätigkeit als Kellnerin angemeldet.

 

Es konnte im Verfahren nicht zweifelsfrei erwiesen werden, dass die rumänische Staatsangehörige Frau x bereits in der Zeit vom 25. bis 27. September 2009 von der x in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt wurde.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 8. Februar und 16. März 2012. Zunächst ist beweiswürdigend anzuführen, dass Frau x bereits im Verfahren vor der belangten Behörde ihre Angaben im Personenblatt hinsichtlich des Beginns ihres Arbeitsverhältnisses bei der x widerrief. Auch in ihrer Einvernahme in der mündlichen Berufungsverhandlung blieb die Zeugin x an beiden Verhandlungstagen bei ihrer Aussage, dass sie nicht bereits am 25. September 2009 ihre Arbeit im vom Bw geführten Lokal aufgenommen hat, sondern sagte aus, dass ihr Arbeitsbeginn am 28. September 2009 stattfand. Diese Angaben wurden auch von der ebenfalls unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugin x in ihrer Aussage bestätigt. Dem gegenüber stehen die Angaben auf dem mit Frau x aufgenommenen Personenblatt anlässlich der Kontrolle vom 16. Oktober 2009 sowie die Aussagen der Zeugin x, die in der mündlichen Berufungsverhandlung – ebenfalls unter Wahrheitspflicht – angegeben hat, dass bei ihrem Dienstbeginn am 23. September 2009 Frau x jedenfalls bereits im Lokal als Kellnerin tätig war. Zwar machte Frau x bei ihrer Zeugenaussage einen sehr glaubwürdigen Eindruck, jedoch sind ihre Angaben widersprüchlich hinsichtlich der Uhrzeit des Dienstbeginnes von Frau x, die im Personenblatt als Arbeitsbeginn '6.00 Uhr' anführte, wogegen die Zeugin x aussagte, dass Frau x in dieser Zeit immer im Spätdienst, also in der Zeit von 17.00 Uhr bis 6.00 Uhr tätig war. Glaubwürdig wurde auch vorgebracht, dass sich Frau x nicht im besten Einvernehmen von der x getrennte, weshalb es – auch im Hinblick auf den langen inzwischen verstrichenen Zeitraum – durchaus denkbar wäre, dass die Angaben von Frau x in der mündlichen Berufungsverhandlung hinsichtlich des Arbeitsbeginns von Frau x nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen.

 

Es kann daher unter Würdigung aller im Verfahren erhobenen Beweise nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass Frau x tatsächlich bereits ab 25. September 2009 im vom Bw geführten Lokal x als Kellnerin tätig war.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Im Beweisverfahren konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die rumänische Staatsangehörige Frau x bereits am 25. September 2009 und somit vor ihrer Anmeldung zur Sozialversicherung mit 28. September 2009 von der x als Dienstnehmerin beschäftigt wurde. Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art.6 Abs.2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, war daher mangels ausreichender Beweise für einen Schuldspruch des Bw spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt bei diesem Ergebnis die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

 

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