Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401180/5/WEI/Ba

Linz, 15.05.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des K M, geb. X, Staatsangehöriger von Bangladesch, vormals in Schubhaft im PAZ Salzburg, vom 9. Mai 2012 wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die auf Grund des Schubhaftbescheides vom 1. Mai 2012, Zl. Sich 40-1896-2012, erfolgte Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 1. Mai bis 10. Mai 2012 um 12:00 Uhr für rechtmäßig erklärt.

 

II.                Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei BH Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 1. Mai 2012, Zl. Sich 40-1896-2012, hat die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) die Schubhaft zur Sicherung

 

·         des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 i.V.m. 53 FPG

·         der Abschiebung (§ 46 FPG)

·         der Zurückschiebung (§ 45 FPG)

 

angeordnet. Den Bescheid mit einem Schubhaftinformationsblatt in englischer Sprache hat der Bf am 1. Mai 2012 übernommen, wobei ein Dolmetscher für die Sprache Bengali beigezogen war. Er wurde in weiterer Folge zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Salzburg überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche Sachverhalt:

 

1.2.1. Der Bf wurde am 1. Mai 2012 als Insasse eines von Ungarn kommenden Reisebusses auf der Westautobahn A1 Richtungsfahrbahn Salzburg bei Straßen-Km 259,1 von Beamten der Autobahnpolizeiinspekion (API) S einer Fremdenkontrolle unterzogen, wobei er weder ein Reisedokument bei sich hatte, noch einen für Österreich oder den Schengenraum gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel nachweisen konnte. Er hatte ein Busticket der Firma "Eurolines" aus Ungarn für eine Busreise beginnend in Györ/Ungarn ab 30. April 2012 um 17:15 Uhr und endend in Paris/Frankreich am 1. Mai 2012 um 13:15 Uhr bei sich. Außerdem wies er ein Schreiben der französischen Ausländerbehörde in Paris (PREFECTURE DE POLICE) vom 10. Jänner 2012 vor, aus dem sinngemäß hervorgeht, dass sein Asylgesuch unter den bekannten Personalien abgelehnt wurde. Der Bf bestätigte gegenüber den Polizeibeamten auch, dass er die im französichen Asylbescheid angegebene Person sei.

 

Wie aus dem Anhalteprotokoll und dem E-Mailverkehr der API S hervorgeht, ergab einen sofortige Personenüberprüfung des Bf beim Kontaktbüro in Kehl (Gemeinsames Zentrum der deutsch-französischen Polizeizusammenarbeit), dass das Schreiben der französischen Ausländerbehörde eine Ablehnung des Asylantrags darstellt, der Bf im französischen Ausländerzentralregister unter der Nummer X zwar namentlich aber ohne jeden Aufenthaltstitel erfasst ist.

 

Der Bf wurde daraufhin um 01:25 Uhr im Auftrag der Rufbereitschaft der belangten Behörde zwecks Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde festgenommen. Bei den weiteren Erhebungen wurde mittels Abgleich der Fingerabdrücke erhoben, dass der Bf bereits am 21. November 2011 anlässlich der Asylantragstellung in Frankreich erkennungsdienstlich behandelt worden war.

 

1.2.2. Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 1. Mai 2012 ab 10:20 Uhr gab der Bf an, sein Herkunftsland im Juli 2011 mit dem Ziel Frankreich verlassen zu haben. Einen Reisepass hätte er nie gehabt. Er sei aber im Besitz eines Personalausweises von Bangladesch, den er an seiner letzten Wohnadresse in Paris habe. In die EU sei er im Juli 2011 mit einem Container-Schiff von Calcutta nach Venedig gekommen. Danach sei er per Bahn nach Frankreich weiter gereist, wo er sich bis 25. April 2012 in Paris aufgehalten habe. An diesem Tag habe er Frankreich per Taxi verlassen und sei über eine unbekannte Reiseroute und unbekannte Länder nach Prag gereist, wofür er den Geldbetrag von 100 Euro an einen ihm unbekannten Taxilenker bezahlt hätte. Nach zwei Tagen Aufenthalt hätte er Prag am 27. April 2012 verlassen und wäre per Taxi bis nach Budapest gefahren, wofür er dem unbekannten Taxilenker 35 Euro bezahlt hätte. Von dort wäre er abermals mit dem Taxi bis in die Stadt Györ in Ungarn gelangt, wo er sich am 30. April 2012 ein Busticket nach Paris kaufte und in weiterer Folge als Insasse des Reisebusses der Polizeikontrolle in Österreich unterzogen wurde. Seine Absicht wäre die Rückreise nach Frankreich gewesen. Der Grund für seine Reisebewegungen wäre ausschließlich in touristischen Zwecken gelegen, weil er sich Städte in Europa ansehen hätte wollen. Dass er ohne gültiges Reisedokument in der EU nicht reisen darf, habe er nicht gewusst. Er habe gedacht, dass er innerhalb der EU weder Reisepass noch Visum benötige.

 

Er habe weder in Österreich noch in einem anderen Mitgliedsstaat der EU familiäre oder soziale Bezugspunkte. An finanziellen Mittel beziehe er vom französischen Staat eine Unterstützung von 11 Euro pro Tag. Bargeld besitze er 159,03 Euro und 1.600 ungarische Forint sowie 500 bangl. Taka. Ansonsten habe er keine Mittel und werde auch von niemandem unterstützt. Eine Krankenversicherung für Österreich habe er auch nicht.

 

Die belangte Behörde machte dem Bf den Vorhalt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem 5jährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen zu wollen und belehrte ihn über sein Recht zur Antragstellung gemäß § 51 FPG auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat, der nicht sein Herkunftsstaat ist. Der Bf gab nur an, nach Frankreich zurückkehren zu wollen, und äußerte sich sonst nicht dazu.

 

1.3. In der Begründung des Schubhaftbescheides hält die belangte Behörde fest, dass der Aufenthalt des Bf in Österreich unrechtmäßig sei und er mit der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen der Übertretung des § 120 Abs 1a FPG zu rechnen habe. Bis auf die genannten Bargeldbeträge in verschiedenen Währungen sei er völlig mittellos und auch nicht im Besitz einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei als unstet zu bezeichnen. Seine tatsächliche Identität sei mangels eines Identitätsdokuments gegenwärtig nicht gesichert.

 

Durch sein Verhalten habe der Bf in massiver Form gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen verstoßen. Die Bewertung seiner Durchreise durch mehrere Mitgliedsstaaten der EU, um in Zwischenzielländer zu gelangen, wenngleich unrechtmäßig, unstet, mittellos und in völliger Anonymität, ergebe im vorliegenden Fall einen hohen und akuten Sicherungsbedarf. Die Gesamtschau lasse erkennen, dass der Bf künftig nicht gewillt sein werde, sich zur Verfügung der österreichischen Fremdenpolizeibehörde zu halten. Auf Grund des geschilderten Sachverhalts sei zu befürchten, dass sich der Bf ohne Sicherungsmaßnahme dem behördlichen Zugriff entziehen und in die Anonymität abtauchen werde, um eine Abschiebung nach Bangladesch oder eine Zurückschiebung nach Ungarn zu vereiteln, weiterhin illegal Staatsgrenzen innerhalb der EU überschreiten. Auch die Sicherung des Verfahrens gegen den Bf zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot und seiner Außerlandesbringung sei unbedingt erforderlich.

 

Der Bf habe weder in Österreich noch sonst in einem Mitgliedsstaat der EU einen familiären oder sozialen Bezug. Mit seinen zahlreichen illegalen Grenzübertritten innerhalb der EU und seiner geäußerten Absicht, nach Frankreich illegal weiterreisen zu wollen, habe er eine sehr flexible Lebensgestaltung ohne örtliche Bindung unter Beweis gestellt. Die Anordnung eines gelinderen Mittels erachtete die belangte Behörde als nicht ausreichend, weil damit die Abschiebung oder Zurückschiebung des Bf im gegenständlichen Fall nicht erreichbar wäre. Dem konkreten und akuten Sicherungsbedarf könne nur durch Schubhaft Rechnung getragen werden.

 

1.4. Mit Schreiben vom 1. Mai 2012 hat die belangte Behörde über eine Koordinationsstelle der ARGE Rechtsberatung in Bezug auf die Schubhaft sowie die geplante Erlassung einer Rückkehrentscheidung um die Durchführung einer Rechtsberatung nach § 84 Abs 1 FPG gebeten. Daraufhin erhielt sie per E-Mail vom 2. Mai 2012 von der Beratungsstelle Salzburg nur die Nachricht, dass "anlässlich der Verhängung der Schubhaft gem. § 76 FPG" beraten worden wäre.

 

Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 ersuchte die belangte Behörde auf Basis des festgestellten Sachverhalts die Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamtes in Wien um ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art 16 Abs 1e des Dubliner Abkommens an Frankreich.

 

Mit weiterem Schreiben vom 2. Mai 2012 wurde gesondert unter Anschluss der notwendigen Unterlagen auch die Sicherheitsdirektion für Burgenland ersucht, die Zustimmung der ungarischen Behörden zur Rückübernahme des Bf nach dem österreichisch/ungarischen Rückübernahmeabkommen einzuholen.

 

Es gibt noch keine Rückmeldungen der betroffenen Mitgliedsstaaten der EU.

 

1.5. Mit der am 9. Mai 2012 per Telefax eingebrachten und vom Bf am Deckblatt unterschriebenen Eingabe ("Schubhaftbeschwerde") wird Beschwerde gemäß § 82 FPG gegen die Verhängung der Schubhaft mit Bescheid vom 1. Mai 2012 und wegen der darauf beruhenden Anhaltung des Bf erhoben und die kostenpflichtige Rechtswidrigkeitserklärung beantragt.

 

Die Beschwerde geht im Wesentlichen vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Ergänzend vorgelegt werden Dokumente zum französischen Asylverfahren des Bf. Aus einem Schreiben der "PREFECTURE DE PARIS" geht hervor, dass der Bf das Angebot einer Unterkunft in Paris aus dem Titel der Sozialhilfe am 14. Dezember 2011 angenommen hat. Mit dem Schreiben des Generalsekretariats des nationalen Asylgerichts vom 16. März 2012 in Montreuil sous Bois zur Referenz- Nr. X wird der Empfang des Rechtsmittels (Rekurses) des Bf mit 15. März 2012 und die Registrierung unter der Referenznummern bestätigt.

 

1.6. Mit E-Mailschreiben vom 10. Mai 2012 gab die belangte Behörde bekannt, dass der Bf am 10. Mai 2012 um 12:00 Uhr aus der Schubhaft im PAZ Salzburg infolge stationärer Aufnahme im Landeskrankenhaus Salzburg wegen eines aus urologisch-medizinischen Gründen notwendigen operativen Eingriffes entlassen wurde.

 

2.1. Die Beschwerde geht im Wesentlichen vom oben dargestellten unbestrittenen Sachverhalt aus. Sie behauptet begründend, dass sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation des Bf auseinander gesetzt und die Notwendigkeit der Schubhaft nicht nachvollziehbar begründet habe.

 

Der Bf hätte nicht die Absicht, sich seinem französischen Asylverfahren zu entziehen. Er spreche nicht Französisch und er hätte gedacht, dass er sich innerhalb der EU frei bewegen dürfte. Er wäre auf einer Bildungsreise durch Europa unterwegs gewesen und nach seinem bezahlten gültigen Ticket auf dem Weg zurück nach Paris gewesen. Auch wenn er wissen müsste, nicht ohne gültiges Reisedokument durch Europa reisen zu dürfen, so wäre doch aus seinem Verhalten zu erkennen, dass er nicht untertauchen wollte. Er sei auf dem Weg in das Land gewesen, in dem er wirksam einen Asylantrag einbrachte. Dieser sei zwar in erster Instanz abgewiesen worden. Er habe aber rechtzeitig und wirksam eine Beschwerde eingebracht, wie aus den angehängten Dokumenten ersichtlich sei. Er hätte sich mit seinem Bargeld leisten können bis zur Erlassung der fremdenpolizeilicher Entscheidungen außerhalb der Schubhaft zu warten.

 

Allgemeine Annahmen und Erfahrungswerte genügten nicht, die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges zu begründen. Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses sei auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen. Im konkreten Fall sei Ausreiseunwilligkeit explizit nicht gegeben, zumal der Bf zurück nach Frankreich wollte, wo sein Asylantrag geprüft werde. Das Sicherungsbedürfnis liege daher beim Bf nicht vor.

 

Die belangte Behörde hätte überdies beim Bf ein gelinderes Mittel anwenden müssen. Sein Verschulden, sich nicht besser informiert zu haben, sei als gering anzusehen. Aus seinem gesamten Verhalten ginge nicht hervor, dass er sich der Rückkehrentscheidung hätte entziehen wollen.

 

Die Beschwerde behauptet weiters eine Verletzung der Richtlinie (RL) 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Rückführungsrichtlinie) betreffend Rechtsschutzgarantien für die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Im Anwendungsbereich des Art 15 dieser RL zur Inhaftnahme für Zwecke der Abschiebung sei nach der einschlägigen Literatur die Entscheidung durch ein Tribunal erforderlich. Bei Anordnung der Haft durch eine "administrativ authority" sei die rasche richterliche Überprüfung sicher zu stellen. Dies sei im österreichischen Gesetz durch die amtswegige Überprüfung durch ein Tribunal erst nach vier Monaten nicht vorgesehen. Der angefochtenen Bescheid verstoße daher gegen Unionsrecht.

 

Schließlich wird ein Widerspruch zu Art 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates betreffend Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Asylantrages behauptet.

 

Aus dem Art 7 betreffend die Überstellung gehe eine Rangordnung hervor, nach der die freiwillige Ausreise des Asylwerbers prioritär sei. Zu Zwangsmaßnahmen dürfe erst gegriffen werden, wenn jemand ein Gesetz oder eine gesetzlich ergangene Entscheidung nicht respektiert habe. Eine automatische Schubhaftverhängung finde in der österreichischen Verfassung keine Deckung. Erst wenn sich herausstelle, dass ein Asylwerber nicht freiwillig ausreisen werde, sei eine Haftverhängung zulässig.

 

Abschließend wird beantragt, die Verhängung der Schubhaft und Anhaltung des Bf kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.

 

2.2. Die belangte Behörde hat mit E-Mail vom 9. Mai 2012 die wesentlichen Aktenteile auf elektronischen Weg vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

Die belangte Behörde habe entgegen der Beschwerdeschrift eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Der von Ungarn illegal als Insasse eines Reisebusses kommende Bf habe unstrittig beabsichtigt, via Deutschland nach Frankreich zu reisen. Von der angekündigten fremdenpolizeilichen Maßnahme (Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot) habe er sich unbeeindruckt gezeigt. Seine Reisbewegung nach Frankreich wäre zwangsläufig mit zwei weiteren illegalen Grenzübertritten innerhalb der EU verbunden gewesen. Dadurch wäre der Abschluss des anhängigen Verfahrens eminent gefährdet gewesen. Dessen Finalisierung sei wegen des Anspruchs auf Rechtsberatung gemäß § 84 Abs 1 FPG noch nicht möglich gewesen, zumal die via Koordinationsstelle der ARGE Rechtsberatung beauftragte Beratung aus der belangten Behörde unbekannten Gründen noch nicht stattgefunden habe. Am 2. Mai 2012 sei nur anlässlich der Verhängung der Schubhaft rechtlich beraten worden. Auch eine am 8. Mai 2012 bei der belangten Behörde eingelangte Verständigung per E-Mail über eine Rechtsberatung am 30. April 2012 im Schubhaftverfahren II. Instanz sei nicht schlüssig.

 

Hinsichtlich der Schubhaft zur Sicherung der Außerlandesbringung des Bf stehe derzeit noch nicht fest, in welches Zielland der Bf überstellt, zurück- oder abgeschoben werden könne.

 

Nach durchsetzbarer Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Beschaffung eines Ersatzreisedokuments für den Bf bestünde die Möglichkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Bangladesch. Nach Zustimmung der ungarischen Behörden zur Rückübernahme des Bf -Konsultationen auf Initiative der belangten Behörde schon eingeleitet - nach dem österreichisch/ungarischen Rückübernahmeabkommen könnte der Bf gemäß § 45 Abs 1 Z 1 FPG nach Ungarn zurückgeschoben werden.

 

Im Hinblick auf die Asylantragstellung des Bf in Frankreich und dessen erkennungsdienstliche Behandlung am 21. November 2011 sei auch ein Wiederaufnahmeersuchen an Frankreich über die Dublinabteilung des Bundesasylamts in Wien herangetragen worden. Erst im Rahmen der Konsultationen könne die Frage beurteilt werden, ob der Bf noch in einem anhängigen Asylverfahren in Frankreich steht. Die Überstellung des Bf nach Frankreich müsste mangels einer gemeinsamen Grenze auf dem Luftweg erfolgen. Mit den Barmitteln des Bf, von denen ein Geldbetrag von 100 Euro als Sicherheitsleistung im Verwaltungsstrafverfahren nach dem FPG einbehalten worden sei, könne der Bf keinesfalls ein Flugticket für seine "Rückkehr" nach Frankreich eigenständig finanzieren. Entgegen den Beschwerdausführungen sei es ihm ebenso wenig möglich, aus seinen eigenen Barmitteln den Lebensunterhalt in Österreich für den Zeitraum bis zur rechtliche Abklärung der Möglichkeit einer allfälligen Einreise nach Frankreich zu bestreiten.

 

Im Übrigen seien auch die Ausführungen des Bf über die Art und Weise seiner unrechtmäßigen Reisebewegungen (Taxifahrten um bloß 100 Euro nach Prag und um 35 Euro nach Budapest) nicht glaubhaft. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch seine Behauptung der Unkenntnis unrechtmäßiger Reisebewegungen nicht glaubwürdig. Der Bf sei auch weder sozial noch familiär integriert.

 

In der Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles sei es nach Ansicht der belangten Behörde offensichtlich, dass zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens und der Abschiebung oder allenfalls Zurückschiebung mit der Anordnung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden könnte. Der Bf würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine unrechtmäßige Reisebewegung am Landweg fortsetzen, sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde in Österreich entziehen und weitere schwerwiegende Verstöße gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen von Mitgliedsstaaten der EU begehen.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf wurde mittlerweile wegen eines Krankenhausaufenthalts am 10. Mai 2012 aus der Schubhaft entlassen. Seine Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

 

  1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
  2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall des Abs 3 und 4 vorliegt.

 

§ 80 Abs 3 FPG erlaubt die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

 

§ 80 Abs 4 FPG enthält weitere Verlängerungsgründe. Kann oder darf der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden,

 

  1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
  2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
  3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten  nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängte wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrecht erhalten werden.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens und zur Sicherung der Zurückschiebung oder Abschiebung des Bf verhängt. Die Fremdenpolizeibehörde hat ein Verfahren gemäß §§ 52 f FPG zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot gegen den sich unrechtmäßig aufhaltenden und weitgehend mittellosen Bf eingeleitet. Ein Einreiseverbot erscheint derzeit zumindest im Grunde des § 53 Abs 2 Z 6 FPG möglich, weil der Bf den Besitz der Mittel zum Unterhalt für seinen Aufenthalt in Österreich mit seinen geringfügigen Barmitteln und dem Fehlen einer legalen Erwerbsmöglichkeit nicht nachzuweisen vermag.

 

Außerdem könnte im gegenständlichen Fall mit Zustimmung Ungarns eine Zurückschiebung iSd § 45 Abs 1 Z 2 FPG erfolgen, weshalb alternativ auch dieser Schubhaftgrund in Betracht kommt. Die dafür notwendigen Schritte zur Befassung der ungarischen Behörden hat die belangte Behörde bereits mit Schreiben vom 2. Mai 2012 an die Sicherheitsdirektion für das Burgenland ergriffen. Schließlich könnte noch eine Überstellung des Bf nach Frankreich nach dem Dublin II Abkommen in Betracht kommen, wenn Frankreich dem Wiederaufnahmeersuchen, das im Wege der Dublinabteilung des Bundesasylamtes am 4. Mai 2012 gestellt wurde, zustimmt. Es gibt demnach verschiedene fremdenpolizeiliche Möglichkeiten, die infolge der noch fehlenden Rückmeldungen der betroffenen Mitgliedsstaaten der EU derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können.

 

Entgegen der Beschwerdeansicht erscheint der gegenständliche Fall nicht schon deshalb unproblematisch, weil der Bf nur den Wunsch hatte, mittels Reisebus von Ungarn kommend nach Paris/Frankreich zu reisen, weshalb Ausreiseunwilligkeit explizit nicht gegeben wäre. Ob dies möglich sein wird, kann zuverlässig erst die Reaktion Frankreichs im Rahmen der eingeleiteten Konsultationen ergeben. Das vorgelegte Schreiben des nationalen französischen Asylgerichts in Montreuil sous Bois vom 16. März 2012 betrifft nur eine Empfangsbestätigung über das gegen die Asylablehnung in erster Instanz eingelegte Rechtsmittel des Bf und enthält Rechtsbelehrungen. Dass der Bf auch mit der Möglichkeit einer Zurückschiebung nach Ungarn einverstanden wäre, ergibt sich nicht aus der Aktenlage und wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

 

Außerdem hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Bf angestrebte Reise auf dem Landweg nach Frankreich ohne weitere illegale Grenzübertritte nicht möglich wäre. Der Bf kann auf dem Landweg nur über die Bundesrepublik Deutschland oder die Schweiz nach Frankreich gelangen, welche Staaten der Durchreise zustimmen müssten. Mangels einer solchen Bewilligung ist eine legale Reise auch bei Wiederaufnahme des Bf durch Frankreich nur auf dem Luftweg möglich. Ein dafür erforderliches Flugticket nach Paris könnte der Bf mit seinen beschränkten Barmitteln (159,03 Euro; 1.600 Forint) nicht selbst finanzieren, zumal auch noch eine Sicherheitsleistung von 100 Euro für das Verwaltungsstrafverfahren nach dem FPG eingehoben wurde. Wie die belangte Behörde weiter entgegen der Beschwerdedarstellung zutreffend angenommen hat, reichen die Barmittel des Bf bei weitem nicht aus, um seinen Lebensunterhalt in Österreich bis zur Klärung der maßgeblichen Umstände zu bestreiten. Es gibt mangels familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte auch niemanden, der für den Unterhalt des Bf aufkommt und eine Verpflichtungserklärung abgibt.

 

Schließlich kann der Oö. Verwaltungssenat der belangten Behörde auch nicht entgegentreten, wenn sie die bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom Bf ab 25. April 2012 geschilderten Reisebewegungen per Taxi, die angeblich ausschließlich touristischen Zwecken dienten, für nicht glaubhaft ansieht. Die einige hundert Kilometer lange Taxifahrt von Paris nach Prag kann nicht bloß 100 Euro gekostet haben. Das gilt ebenso für die behauptete weitere Taxifahrt um 35 Euro von Prag nach Budapest. Es liegt auf der Hand, dass der Bf, der bezeichnender Weise nur von ihm unbekannten Taxilenkern berichtete, dabei nicht die Wahrheit sagte und offenbar etwas zu verschweigen hatte. Die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang kolportierte Bildungsreise des Bf durch Europa erscheint vor dem Hintergrund seiner Angabe eines Taschengeldes von 11 Euro pro Tag durch den französischen Staat geradezu als grotesk. Es ist völlig undenkbar, dass er sich damit die erforderlichen Mittel für eine Bildungsreise "durch einige der schönsten Städte Europas" (so Beschwerde, Seite 7) hätte ersparen können. Wenn der Bf tatsächlich zu touristischen Zwecke reiste oder gar eine Bildungsreise gemacht hätte, hätte er sich wohl auch über die Reiseroute informiert und nicht bloß von unbekannten Ländern bis nach Prag gesprochen. Seine Darstellung der gänzlich fehlenden Orientierung ist mit der allgemeinen Lebenserfahrung unvereinbar und schon deshalb nicht glaubhaft.

 

Abgesehen davon hätte sich der Bf als Asylwerber über seine Rechte und Pflichten gerade dann besonders informieren müssen, wenn er kein Französisch spricht und schriftliche Informationen nicht verstanden hat. Entgegen der Beschwerde handelt es sich keineswegs um ein bloß geringes Verschulden des Bf, wenn er, ohne sich über seine Möglichkeiten Gewissheit zu verschaffen, einfach nach eigenem Gutdünken eine Reise durch Europa ohne Reisepass oder sonstiges Identitätsdokument antritt.

 

Bei Würdigung des gesamten Verhaltens des Bf betreffend seine Reisebewegungen ab 25. April 2012 mit den zahlreichen illegalen Grenzübertritten innerhalb der EU und unter Berücksichtigung seiner Angaben über seine Einreise in die EU mittels Containerschiff von Calcutta nach Venedig und danach weiter nach Frankreich muss beim Bf davon ausgegangen werden, dass er in seiner Lebensgestaltung sehr flexibel ohne Bindung an eine Örtlichkeit agieren kann. Dies gilt umso mehr, als er durch keinerlei familiäre oder soziale Bindungen daran gehindert wird. Der Bf hat seine illegalen Grenzübertritte innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union offenbar ohne Bedenken vorgenommen und keinen Handlungsbedarf gesehen, sich vorher Klarheit in der Frage der Zulässigkeit seiner Reisebewegungen zu verschaffen. Dies lässt auf eine ziemlich gleichgültige Einstellung gegenüber den Fremdenrechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Regime für Asylwerber im Rahmen des Dublinverfahrens schließen.

 

Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der - abgesehen von geringen Barmitteln – gegebenen Mittellosigkeit und mangelnden soziale Verankerung des Bf in Österreich oder einem sonstigen Mitgliedsstaat der EU kann der Einschätzung der belangten Behörde nicht widersprochen werden, dass der Bf mit großer Wahrscheinlichkeit seine unrechtmäßige Reise am Landweg in Richtung Frankreich einfach fortsetzen und sich dem weiteren Zugriff der Fremdenpolizei in Österreich entziehen würde. Von der mitgeteilten Absicht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot zeigte er sich unbeeindruckt. Da er wieder nach Frankreich wollte, hat er naturgemäß kein eigenes Interesse an einem gegen ihn geführten Administrativverfahren in Österreich mitzuwirken. Das Gleiche gilt für eine nach den gegebenen Umständen mögliche Zurückschiebung nach Ungarn.

 

Die belangte Behörde ist daher zu Recht von einem durch die konkreten Umstände begründeten und erheblichen ins Gewicht fallenden Sicherungsbedarf ausgegangen, bei dem auch an die Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG nicht zu denken ist, weil die Zwecke der Schubhaft Verfahrenssicherung und gegebenenfalls Außerlandesschaffung durch Zurück- oder Abschiebung damit nicht erreichbar gewesen wären. Die Argumentation der Beschwerde versucht einerseits das Verschulden des Bf zu bagatellisieren und verkennt andererseits das oben dargestellte Sicherungsbedürfnis, indem nur undifferenziert behauptet wird, aus dem Verhalten des Bf könne nicht geschlossen werden, er wolle sich einer Rückkehrentscheidung entziehen. Wie im Rahmen der Einzelfallbetrachtung dargelegt wurde, ist das Gegenteil der Fall.

 

4.7. Abschließend soll noch auf behaupteten Verletzungen von Unionsrecht eingegangen werden.

 

4.7.1. Zunächst zum behaupteten Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Abl L 348/98 ff):

 

Richtig ist, dass nach dem die Haft für Zwecke der Abschiebung behandelnden Art 15 Abs 2 der Rückführungsrichtlinie im Fall der Inhaftnahme durch eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine gerichtliche Überprüfung vorgesehen wird. Dabei ist aber entgegen der Beschwerdedarstellung nicht bloß auf die amtswegige Überprüfung der Schubhaft nach vier Monaten abzustellen. Die RL überlässt es vielmehr dem Mitgliedsstaat die Rechtmäßigkeit entweder nach Haftbeginn innerhalb kurzer Frist gerichtlich überprüfen zu lassen (Abs 2 lit a) oder dem Drittstaatsangehörigen das Recht einzuräumen, einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Haft innerhalb kurzer Frist zu stellen, worüber er auch zu belehren ist (Abs 2 lit b).

 

Die Regelung der §§ 82 f FPG mit dem Recht die Prüfung der Schubhaft durch den unabhängigen Verwaltungssenat jederzeit zu beantragen und die Entscheidungspflicht binnen einer Woche bei aufrechter Anhaltung entspricht daher den vorgaben der Richtlinie. Eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung hat der Schubhaftbescheid in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten (vgl § 76 Abs 3 FPG). Die behauptete Verletzung der Rückführungsrichtlinie ist demnach unzutreffend.

 

4.7.2. Der erkennende Verwaltungssenat sieht auch keinen Widerspruch zu Art 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 betreffend die Modalitäten der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat. Die Beschwerde verkennt, dass als erste Voraussetzung im Dublinverfahren eine Zustimmung eines Mitgliedsstaates zur Überstellung eines Asylwerbers vorliegen muss, was im gegenständlichen Verfahren durch Konsultationen mit Frankreich erst zu überprüfen ist. Erst wenn dies zu bejahen ist, kann der Asylwerber auf seine Initiative und insofern "freiwillig" überstellt werden.

 

Dem (in der Beschwerde wiedergegebenen) Art 7 Abs 1 der Verordnung kann dem Wortlaut nach keine Rangordnung entnommen werden (arg.: "Die Überstellung kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:")

 

Die im Art 7 Abs 1 lit a) bis c) aufgezählten "Modalitäten der Überstellung", sind:

 

Die Überstellung kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a)      auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b)      in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c)      in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staates überstellt wird.

 

Grundsätzlich ist zu sagen, dass es dabei um die Überstellung bzw Abschiebung auf Grund des Regimes der Dublin II Verordnung geht. Der gegenständliche Schubhaftbescheid dient u.A. auch der Sicherung der Außerlandesschaffung des Bf in Form der Überstellung nach Art 7 der zitierten Verordnung, hat aber nicht unmittelbar damit zu tun. Mit anderen Worten: Aus verschieden intensiven Modalitäten der Überstellung kann keine Argument gegen den davon nicht berührten Schubhaftbescheid abgeleitet werden, was die Beschwerde verkennen dürfte. Abgesehen davon hat der ersuchende Staat nach Art 7 Abs 1 der zitierten Verordnung die Wahl zwischen den aufgelisteten Möglichkeiten, je nach dem Bedarf im Einzelfall. Bei der Differenzierung der Intensität der Überstellung wird es auf die Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des Asylwerbers maßgeblich ankommen, was von der abschiebenden Fremdenpolizeibehörde zu beurteilen ist .

 

4.8. Im Ergebnis war die Schubhaftbeschwerde aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen und die Anhaltung des Bf in Schubhaft in der Zeit vom 1. Mai 2012 bis zum 10. Mai 2012 um 12:00 Uhr für rechtmäßig er erklären. Sie war zur Sicherung der angegebenen Schubhaftzecke notwendig und verhältnismäßig, weil sie im überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens lag.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und der Bfin der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

     

 

Dr. W e i ß

 

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