Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730261/20/Wg/JO

Linz, 16.05.2012

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 16. Februar 2010, Sich40-39-2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2012, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)

iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF BGBl. I Nr. 38/2011

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erließ mit Bescheid vom 16. Februar 2010, GZ: Sich40-39-2002, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 60 Abs.1 und Abs.2 Z1 iVm §§ 61 Z3 und Z4, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich. Das Aufenthaltsverbot stützt sich auf das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. Dezember 2009 zu Zl. 12 Hv 172/09d.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 27. Februar 2010. Der Bw stellt darin den Antrag, der gegenständlichen Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid zur Gänze und ersatzlos aufzuheben und von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einzustellen, in eventu der gegenständlichen Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren an die Erstinstanz zurückzuverweisen. Des weiteren wird beantragt, der gegenständlichen Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Berufungswerber argumentiert, ihm komme der Verfestigungstatbestand des § 61 Z4 FPG zugute. Die Gefährlichkeits- und Zukunftsprognose des Berufungswerbers falle positiv aus. Schließlich sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht zur Erreichung der in Artikel 8 Abs.2 EMRK genannten Ziele erforderlich, schon gar nicht dringend geboten.

 

Nach Inkrafttreten wesentlicher Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetztes (FrÄG), BGBl. I Nr. 38/2011, am 1. Juli 2011, übermittelte die Sicherheitsdirektion zuständigkeitshalber den Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes OÖ.

 

Der UVS führte am 10. Mai 2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch.

 

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete eingangs folgendes Vorbringen:

"Verwiesen wird auf die schriftliche Berufung und auf die ergänzend eingebrachte Stellungnahme. Besonders hervorgehoben wird, dass X dem Staat finanziell nicht zur Last fällt, sondern erwerbstätig ist und damit den Unterhalt selbst bestreiten kann. Zum Zeitpunkt des tragischen Vorfalls, als seine damalige Lebensgefährtin ums Leben kam, war X bereits 17 Jahre lang in Österreich aufhältig. X hat sein strafbares Verhalten stets bereut. Sein Geständnis und die bis zur Straftat bestehende Unbescholtenheit wurde vom Gericht auch besonders berücksichtigt. X hat sich in der Strafhaft vorbildlich verhalten, weshalb er bereits nach 8 Monaten bedingt entlassen wurde. Der unbedingte verbüßte Strafanteil beträgt 8 Monate."

 

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattet folgendes Schlussvorbringen: "Sämtliches in der Stellungnahme und in der schriftlichen Berufung erstattetes Vorbringen und die dort gestellten Anträge werden ausdrücklich wiederholt und aufrecht gehalten.

Ich möchte zusammenfassend betonen, dass es meinem Mandanten gelungen ist, nach Verbüßung einer Haftstrafe im Ausmaß von 8 Monaten unbedingter Haft wieder reintegriert zu werden und in die Gemeinschaft der rechtstreuen resozialisiert zu werden. Seine Kinder besuchen den Kindergarten zw. die Volksschule. Der Berufungswerber lebt in geordneten familiären Verhältnissen. Seine Ehefrau sorgt für die Kinder, putzt, wäscht und kocht für die gesamte Familie und beabsichtigt ebenso, als Verkäuferin tätig zu werden, sobald die Kinder älter sind.

Ich möchte besonders hervorheben, dass mein Mandant nur einmalig delinquiert hat. Es handelte sich dabei um einen einmaligen Vorfall, den mein Mandant sehr bereut. Es tut ihm sehr leid, dass es seinerzeit zu dieser tragischen Körperverletzung gekommen ist und dass seine damalige Lebensgefährtin dabei gestorben ist. Er hatte nie vor, X zu töten. Für meinen Mandanten ist es heute noch schwierig, dieses tragische Ereignis vom 8. Juli 2009 aufzuarbeiten.

Abgesehen von der gegenständlichen Verurteilung war mein Mandant bis zu diesem Zeitpunkt unbescholten und hat auch nach Entlassung aus der Haft am 9.3.2010 bewiesen, dass er rechtstreu leben will, dass er die Normen und Werte unserer Gesellschaft respektiert und zu befolgen bereit ist. Es ist seither zu keinerlei wie immer gearteten Delinquenz gekommen. Es hat nicht einmal eine Beamtshandlung stattgefunden.

Ich bin davon überzeugt, dass es meinem Mandanten auch zukünftig gelingen wird, nie mehr rechtsbrecherisch in Erscheinung zu treten. Ich bin davon überzeugt, dass er sich hinkünftig wohl verhalten wird. Die nunmehrige Lebensgemeinschaft beweist, dass mein Mandant im häuslichen Bereich bzw. familiären Bereich nicht zu Gewalttaten neigt. Er befindet sich mit seiner nunmehrigen Ehefrau in 2-jähriger Lebensgemeinschaft. Das Familienleben ist harmonisch. Es ist zu keinerlei Eskapaden oder Vorfällen welcher Art auch immer gekommen.

X ist seit Kleinauf in Österreich. Er ist hier integriert. Für X wäre es eine unzumutbare Härte und insbesondere für seine gesamte Familie, für seine Kinder, wenn er nun in Österreich nicht mehr weiterleben dürfte.

X hat sich einmalig fehlverhalten. Dieses Fehlverhalten bereut er. Aus diesem Fehlverhalten kann nicht ein Aufenthaltsverbot verhängt werden und die diesbezüglichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Zusammenfassend möchte ich die Berufung und das Berufungsbegehren auf sämtliche wie immer erdenkliche Rechtsgrundlagen stützen, insbesondere auch auf alle bezughabenden humanitären aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen. Mein Mandant X ist sozial integriert. Er ist auch in der Lage seine Familie in Österreich zu unterhalten und er wird nicht mehr gegen das Gesetz verstoßen. Ich stelle die Anträge wie in der Stellungnahme und schriftlichen Berufung und wiederhole diese zusammenfassend noch einmal."

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Berufungswerber wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina.

 

Er ist seit dem Jahr 1992 im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen und hat das Bundesgebiet abgesehen von Urlaubsaufenthalten seither nicht verlassen. Er verfügt seit dem Jahr 1999 über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung, die gemäß der NAG-Durchführungsverordnung als "Daueraufenthalt-EG" gilt.

 

Im Strafregister der Republik Österreich scheint eine Vorstrafe auf. So hat das Landesgericht Wels mit Urteil vom 18. Dezember 2009, Zl. 12 Hv 172/09d, zu Recht erkannt:

"          X   ist schuldig;

er hat am 08.07.2009 in X X dadurch, dass er ihr mit einem Bierglas gegen den Hals und das Gesicht schlug, vorsätzlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1), nämlich multiple Stichverletzungen an der rechten Halsseite sowie eine solidäre Halsstichverletzung mit jeweils einer Eröffnung der rechten Halsschlagader und der Halsvene zugefügt, wobei die Tat den Tod der X durch Blutungsschock in Kombination mit Luftembolie zur Folge hatte.

            X hat hiedurch das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB begangen

            und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zur

 

FREIHEITSSTRAFE VON 3 JAHREN

 

            sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens

 

v e r u r t e i l t .

 

            Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft in der Zeit vom 09.07.2009, 00.33 Uhr, bis 18.12.2009, 12.20 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

            Gemäß § 43 a Abs 4 StGB wird ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von  zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

            Der nicht bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe beträgt ein Jahr."

 

Aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils geht Folgendes hervor:

"Der X-jährige, bislang unbescholtene Angeklagte verfügte zuletzt als Betonierer über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.200 Euro. Mit seiner langjährigen Lebensgefährtin X bewohnte er zuletzt mit den beiden gemeinsamen Kindern eine Wohnung in X. Ein Streit zwischen den beiden im Jahre 2003, der auch zu leichten Verletzungen von X führte, wurde durch das Bezirksgericht Lambach diversionell erledigt. Auch in letzter Zeit kam es zu meist aus Eifersuchtsgründen zu Meinungsverschiedenheiten, die jedoch lediglich wörtlich ausgetragen wurden. …

Als X im Zuge des daraus resultierenden Streites in weiterer Folge dem Angeklagten noch eine Ohrfeige gab, wurde dieser derart wütend, dass er, nachdem er weitere Schläge abgewehrt hatte, auf das Couch sitzend sein vor ihm stehendes Bierglas erfasste und dieses mit einer relativ heftigen Bewegung nach oben gegen den rechten Kinnbereich der X stieß. ….

Dabei wäre ihm bei entsprechender Besonnenheit und Überlegung auch vorhersehbar gewesen, dass es durch seine Tathandlung über die Körperverletzung hinaus sogar zum Tod seines Opfers kommen könne.

X bekannte sich des tatsächlichen Geschehensablaufes schuldig und verantwortete sich dahin, keinesfalls gewollt zu haben, seine Lebensgefährtin schwer zu verletzen oder gar zu töten. Wohl räumte er jedoch ein, dass er sie zum Tatzeitpunkt am Körper verletzen wollte. …"

 

Bei der Strafbemessung war

-         mildernd: die bisherige Unbescholtenheit, das Geständnis sowie der Umstand, dass der Angeklagte dadurch betroffen ist, dass er auch die beiden gemeinsamen Kinder durch den Verlust der Mutter gewichtige Nachteile erlitten haben;

-         erschwerend: kein Umstand.

 

Der Berufungswerber wurde am 9. März 2010 bedingt aus der Strafhaft entlassen.

 

Zu seiner Ausbildung ist Folgendes festzustellen: Aus dem im Akt befindlichen Lebenslauf vom 7. Juni 1999 geht hervor, dass der Berufungswerber in Bosnien 4 Jahre die Volksschule besuchte. In Österreich besuchte er 1 Jahr lang die Volksschule und 4 Jahre lang die Hauptschule. Er schloss die Hauptschule positiv ab und begann eine Tischlerlehre. Der Berufungswerber schloss die Lehre nicht ab. Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 6. Februar 2012 geht Folgendes hervor:

 

"von               bis                     Art der Monate / meldende Stelle      Nr. *)

26.02.1996    31.07.2000       Waisenpensionsbezug                       01

11.08.1997    30.05.2000       Arbeiterlehrling

31.05.2000    13.06.2000       Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X                                                       02    

28.06.2000    03.07.2000       Arbeitslosengeldbezug                       03

04.07.2000    31.12.2000       Arbeiter

                                               X                                                      04

01.01.2001    16.05.2001       Arbeiter

                                               X                                                       05

25.05.2001    19.06.2001       Arbeitslosengeldbezug                       03

20.06.2001    05.09.2001       Arbeiter                                            

18.09.2001    11.01.2002       Arbeiter

                                               X                                                       05

15.01.2002    13.03.2002       Arbeitslosengeldbezug                       03

14.03.2002    25.02.2003       Arbeiter

                                               X                                                       06

26.02.2003    16.03.2003       Arbeitslosengeldbezug                       03

17.03.2003    14.03.2005       Arbeiter

                                               X                                                       06

23.03.2005    12.06.2005       Arbeitslosengeldbezug                       07

13.06.2005    01.09.2006       Arbeiter

                                               X                                                       08

02.09.2006    12.10.2006       Arbeitslosengeldbezug                       07

13.10.2006    30.11.2006       Arbeiter

01.12.2006    03.12.2006       Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X                                                       09

01.12.2006    29.02.2008       Arbeiter

01.03.2008    04.03.2008       Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X                                                      10

03.03.2008    11.04.2008       Arbeiter

                                               X                                                       11

06.05.2008    22.07.2008       Arbeitslosengeldbezug                       07

23.07.2008    21.11.2008       Arbeiter

24.11.2008    19.12.2008       Arbeiter

20.12.2008    21.12.2008       Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

                                               X                                                       12

22.12.2008    15.03.2009       Arbeitslosengeldbezug                       07

16.03.2009    08.07.2009       Arbeiter

                                               X                                                       13

15.03.2010    31.08.2010       Arbeiter

                                               X                                                      14

02.09.2010    08.10.2010       Arbeitslosengeldbezug

18.10.2010    02.11.2010       Arbeitslosengeldbezug

22.11.2010    19.01.2011       Arbeitslosengeldbezug

20.01.2011    21.01.2011       Krankengeldbezug, Sonderfall

31.01.2011    16.03.2011       Arbeitslosengeldbezug

28.03.2011    14.04.2011       Arbeitslosengeldbezug

26.04.2011    27.04.2011       Arbeitslosengeldbezug                       07

28.04.2011    09.09.2011       Arbeiter

                                               X                                                       15

08.10.2011    05.11.2011       Arbeitslosengeldbezug

13.11.2011    16.11.2011       Arbeitslosengeldbezug

17.11.2011    laufend              Notstandshilfe, Überbrückungshilfe    07"

                           

Mit 6. März 2012 begann er bei der X wieder zu arbeiten. Laut Arbeitsbestätigung vom 7. Mai 2012 ist er in der X seit 26. April 2012 als Lagerarbeiter mit Staplerschein in ungekündigter Stellung beschäftigt.

 

Vom Verhandlungsleiter zu seiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet befragt, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er seit dem Abbruch der Tischlerlehre im Jahr 2000 an und für sich durchgehend in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden sei. Die im Versicherungsdatenauszug vom 6. Februar 2012 aufscheinenden Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges würden sich mit saisonbedingten Arbeitslosigkeiten, die für die Branchen, in denen er tätig war, erklären.

 

Es steht fest, dass der Berufungswerber bei seinen vormaligen Arbeitgebern X, X, X, X, X, X, X sowie X etwa 1.500 Euro netto monatlich erhielt. Das Arbeitslosengeld wurde monatlich etwa in der Höhe von 800, 900 Euro ausbezahlt.

 

Aus der Beziehung mit der verstorbenen X gingen die beiden Kinder X, geb. X und X, geb. X hervor. Beide sind bosnische Staatsbürger und verfügen über Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet der Republik Österreich. X und X verfügen über Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt- EG".

 

Der Berufungswerber lebte mit seinen beiden Kindern – abgesehen von der Strafhaft – immer in Familiengemeinschaft. Während der Haft lebten die Beiden bei seiner Mutter. Seiner Mutter kommt die Obsorgeberechtigung zu. Die Kinder leben aber nicht bei seiner Mutter, sondern beim Berufungswerber. Nach der Haftentlassung kamen manchmal Vertreter der Jugendwohlfahrt beim Berufungswerber vorbei. Mittlerweile kommt die Jugendwohlfahrt nicht mehr vorbei.

 

Der Berufungswerber lernte vor etwa zwei Jahren die bosnische Staatsbürgerin X kennen. Am 25. Februar 2012 heiratete der Berufungswerber X, die seinen Familiennamen annahm. X verfügt über keinen Aufenthaltstitel. Sie meldete sich mit 22. März 2012 an der Adresse des Bw mit Hauptwohnsitz an und ist seither im Bundesgebiet aufhältig. Sie kümmert sich um die beiden Kindern, wenn der Bw auswärts arbeitet. Vom rechtsanwaltlichen Vertreter des Berufungswerbers in der mündlichen Verhandlung befragt, gab sie an, dass sie arbeiten gehen möchte. Sie ist gelernte Verkäuferin.

 

Der Berufungswerber lebt mit seiner Gattin und den beiden Kindern an der Adresse X in einer Mietwohnung.

 

X besucht seit 7. September 2009 regelmäßig den Pfarrcaritas-Kindergarten X. X besucht seit 12. September 2011 die Klasse 1a der Hauptschule X, X. X wurde im 1. Semester dieses Schuljahres im Unterrichtsfach Deutsch in der 3. Leistungsgruppe mit Befriedigend beurteilt.

 

X wurde in der mündlichen Verhandlung dazu befragt, wie sie die Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten beschreiben würde. Sie gab an, dass sie ihren Gatten liebe. Sie würden ein harmonisches Familienleben führen.

 

Die Mutter des Berufungswerbers hält sich in Österreich auf. Sein Vater ist bereits verstorben. Seine Geschwister leben ebenfalls in Österreich. In Bosnien lebt noch ein Bruder sowie Tanten des Berufungswerbers.

 

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die öffentliche mündliche Verhandlung am 10. Mai 2012, bei der der Bw als Partei und seine Gattin als Zeugin einvernommen wurden.

 

Die Feststellungen ergeben sich unstrittig aus der im Akt befindlichen Urteilsausfertigung, dem Vorbringen des Berufungswerbers, der Zeugenaussage seiner Gattin und den vorgelegten Dokumenten.

 

Bei der Feststellung zum durchschnittlichen Nettoneinkommen bei den vormaligen Arbeitgebern des Berufungswerbers stützt sich der Verwaltungssenat auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung. In der Ausfertigung des Urteils des LG Wels 12 Hv 172/09d, wird ausgeführt, er habe zuletzt als Betonierer über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.200 Euro verfügt. Dies steht im Einklang mit der Feststellung eines Nettobezuges in der Höhe von 1.500 Euro, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass das Landesgericht das 13. und 14. Monatsgehalt nicht berücksichtigte. Die Aussage des Berufungswerbers, er habe 800 bis 900  monatlich an Arbeitslosengeldbezug während der dazwischen liegenden Zeiten der Arbeitslosigkeit erhalten, stimmt in etwa mit den vom AMS Oö. am 16. Mai 2012 bekannt gegebenen Tagsätzen überein.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097 ausgesprochen, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unabhängig von der innerstaatlichen Benennung des Rechtsinstituts) um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art 3 Z 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008, Abl. l. 348/98 (in der Folge: RückführungsRL) handelt. Aus diesem Erkenntnis folgt, dass durch die notwendige unmittelbare Anwendung der RückführungsRL der UVS als Rechtsmittelinstanz iSd Art 13 Abs. 1 der RückführungsRL berufen ist.

 

Gemäß § 125 Abs. 16 FPG 2005 idF BGBl I 38/2011 (= idgF) sind vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

Der Bw verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG". Maßgebliche Bestimmung ist daher § 63 FPG (Aufenthaltsverbot für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel).

 

Gem. § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind gemäß § 63 Abs 2 FPG insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Ein Aufenthaltsverbot ist gemäß § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf gemäß § 64 Abs. 1 FPG eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63, nicht erlassen werden, wenn

1.             ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.             er von Klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

§ 64 Abs.1 Z2 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011, enthält anders als die Vorgängerbestimmung des § 61 Z4 FPG nicht die Einschränkung, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall des Vorliegens bestimmter Verurteilungen doch wieder zulässig wäre (vgl VwGH vom 9. November 2011, GZ. 2011/22/0264).

 

Der maßgebliche Zeitpunkt liegt in der Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, das sind vorliegend die dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegenden Straftaten (vgl. VwGH vom 22. Juli 2011, GZ 2009/22/0179).

 

Der Berufungswerber beging die Straftat am 8. Juli 2009. Es ist daher zu beurteilen, ob dem Berufungswerber gemäß der damals geltenden Fassung des § 10 Abs.1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, die Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können. Eine Verleihungsmöglichkeit zu einem früheren Zeitpunkt vermag den Aufenthaltsverbotsgrund des § 64 Abs.1 Z1 FPG nicht zu verwirklichen (vgl. VwGH vom 24. September 2009, GZ: 2007/18/0653).

 

§ 10 Abs 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG), BGBl Nr. 311/1985 idF BGBl I. Nr 37/2006 lautet:

 

Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

 

§ 10 Abs 5 leg cit lautet:

 

Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

Der Berufungswerber hielt sich am 7. Juli 2009 bereits seit über 10 Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Er ist bereits seit dem Jahr 1992 rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen. Die Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs.1 Z1 Staatsbürgerschaftsgesetz StBG in der damaligen Fassung ist erfüllt.

 

§ 10 Abs.5 StGB legt fest, unter welchen Voraussetzungen der Lebensunterhalt als hinreichend gesichert iSd § 10 Abs.1 Z7 StBG anzusehen ist. Es ist auf die damals geltenden Richtsätze des § 293 des ASVG abzustellen. Gemäß § 293 Abs.1 ASVG idF BGBl. II Nr. 7/2009 ist für den Unterhalt des Berufungswerbers ein Betrag von 772,40 Euro monatlich erforderlich. Der Aufwand für den Lebensunterhalt der X ist nicht zu berücksichtigen, zumal sie Lebensgefährtin und nicht Gattin des Berufungswerbers war. Der Richtsatz erhöht sich um 80,95 Euro für jedes Kind und beträgt damit 934,30 Euro monatlich. Ausgehend vom festgestellten Einkommen (1.500 Euro bzw. 800 bis 900 Euro monatlich im maßgeblichen Zeitraum) ist dieser Richtsatz erfüllt.

 

Da § 64 Abs 1 FPG lediglich auf § 10 Abs 1 StbG verweist, sind die in § 10a StbG geforderten Kenntnisse für die Aufenthaltsverfestigung nicht relevant.

 

Die Voraussetzungen nach § 10 Abs.1 StbG lagen vor, weshalb die Aufenthaltsverfestigung nach § 64 Abs.1 Z1 FPG eingetreten ist.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 58,20 Euro (Einlage- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

 

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