Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401184/4/BP/WU

Linz, 21.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA von Nigeria, vertreten durch X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 11. Mai 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 112/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 11. Mai 2012, GZ.: Sich40-1975-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bf am 09.05.2012, um 12:01 Uhr, vor Beamten der Polizeiinspektion X unter den Personalien: "X" einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz geäußert habe.

 

Weder im Zuge der Einbringung des Asylantrages noch während seines weiteren Gastaufenthaltes in Österreich sei er bislang im Stande gewesen, ein Nationalreisedokument den österreichischen Behörden in Vorlage zu bringen.

 

Im Rahmen der darauf folgenden niederschriftlichen Erstbefragung zum Asylantrag habe der Bf am 09.05.2012 – im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Englisch – gegenüber Beamten der PI X angeführt, dass er "X" heiße, am X geboren, Staatsangehöriger von Nigeria, sowie der Religion der Christen zugehörig und ledig sei. Weiters habe er angeführt, dass er keine Beschwerden oder Krankheiten hätte, die ihn an der Einvernahme hindern oder die das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er sei am 08.05.2012 mit einem Bus von Onitsha (Nigeria) nach Lagos (Nigeria) gereist. Anschließend sei er mit dem Flugzeug von Lagos nach München geflogen. Dies unter Verwendung seines nigerianischen Reisepasses mit einem Visum von Deutschland. Den Reisepass habe er sodann am Weg von München nach X im Zug verloren. In X sei er dann von der Caritas zur Polizei gebracht worden. Die an ihn herangetragene Frage, ob er in einem anderen Land um Asyl angesucht habe, habe er mit "Nein" beantwortet. Die weiters an ihn gerichtete Frage, ob er in einem anderen Land von den do. Behörden angehalten und untergebracht worden sei, habe er ebenfalls mit "Nein" beantwortet. Auf die an ihn herangetragene Frage zu Angaben über Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat, habe er angeführt, dass er keine familiären Beziehungen zu Österreich oder einem anderen EU-Land hätte. Die nahesten Angehörigen, dass seien seine Eltern sowie 2 Schwestern und 4 Brüder, seien in Herkunftsstaat Nigeria wohnhaft. Auf die an ihn herangetragene Frage, warum er seinen Herkunftsstaat Nigeria verlassen habe, habe er wörtlich angeführt: "Ich werde politisch verfolgt. Mir wurde gedroht, dass ich der Mosop beitreten solle, ansonsten würden sie mich umbringen. Sie haben mir persönlich gedroht, wenn ich nicht beitreten werde und für mein Land kämpfen werde, werden sie mich umbringen." Befragt, ob er über Barmittel oder andere Unterstützung verfüge, habe er angeführt, dass er – abgesehen von einem Bargeldbetrag in der Höhe von Euro 20,55 - völlig mittellos sei und von niemandem unterstützt werde.

 

Im Zuge des Abgleichs der Fingerabdrücke habe schließlich in Erfahrung gebracht werden können, dass – ehe er illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei – bereits folgende erkennungsdienstliche Behandlung im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu seiner Person vorliege:

 

= = = >  11.02.2009:  Asylantragstellung in CHIASSO / SCHWEIZ

 

Auf den Vorhalt, dass sich der Bf in der Schweiz als X, geb. X, ausgegeben habe und sein Asylansuchen abgelehnt worden sei, habe er angegeben: "Ich heiße X und war niemals in der Schweiz. Das sind nicht meine Fingerabdrücke in der Schweiz. Das ist meine erste Reise in meinem Leben. Ich war sonst nur in Afrika. Ich weiß nicht wie meine Fingerabdrücke in die Schweiz kommen. Ich kann mir das nicht erklären."

 

In weiterer Folge sei der Bf am 09.05.2012 zum Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle X, X überstellt worden. Es seien ihm als mittellosen unsteten und schutzsuchenden Fremden Leistungen aus öffentlichen Mitteln im Rahmen der Grundversorgung des Bundes in der EAST-X gewährt worden.

 

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle X, vom 11.05.2012, Zl.: 12 05.673, sei dem Bf in weiterer Folge gemäß § 29 Abs. 3 Ziffer 4 AsylG 2005 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Asylantrag vom 09.05.2012 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen. Gleich gehend sei ihm zur Kenntnis gebracht worden, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit Schweiz seit dem 10.05.2012 geführt würden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren aus dem österr. Bundesgebiet über ihn eröffnet worden sei. Diese Verfahrensanordnung sei dem Bf am 11.05.2012 vom Bundesasylamt, EAST-X, in der Erstaufnahmestelle X. nachweislich ausgefolgt worden.

 

Das Ausweisungsverfahren nach dem Asylgesetz gelte ab diesem Zeitpunkt formell als eingeleitet.

 

Am 11.05.2012, um 08:05 Uhr, und demzufolge im unmittelbaren Abschluss nachdem dem Bf im Asyl- und Ausweisungsverfahren die Verfahrensanordnung ausgefolgt worden sei, sei er von Beamten der Polizeiinspektion X.-EAST in der Erstaufnahmestelle X., im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen worden.

 

1.1.2. Seitens der BH Vöcklabruck werde festgehalten, dass sich der Bf gegenwärtig – nachdem er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei und zudem das Ausweisungsverfahren gegen ihn eröffnet worden sei  – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte.

Weiters sei er – abgesehen eines gegenwärtig in seinem Besitz stehenden Bargeldbetrages in der Höhe von Euro 28,20 – mittellos.

 

Bei der Erstbefragung nach dem AsylG vor Polizeibeamten am 09.05.2012 habe er – trotz ausdrücklicher Belehrung, dass unwahre Aussagen nachteilige Folge für ihn haben könnten – seine Asylantragstellung am 11.02.2009 in der Schweiz nachhaltig verschwiegen bzw. die an ihn in diesem Bereich herangetragenen Fragen unrichtig beantwortet.

 

Ebenso habe er nicht nur zur Reiseroute nach Österreich falsche Angaben getätigt, sondern offenbar auch frei erfundene Angaben in Bezug auf das fluchtauslösende Ereignis im Herkunftsstaat Nigeria getätigt, nachdem er sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und nicht mehr – wie von ihm behauptet – im Herkunftsstaat aufgehalten habe.

 

Der Bf zeige durch sein Verhalten, dass er an der Klärung des tatsächlichen Sachverhaltes gegenüber den österreichischen Behörden nicht das geringste Interesse habe. Die Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung beschränkte sich nicht einmal darauf, die der Behörde durch die erkennungsdienstliche Behandlung bekannten Fakten aus freien Stücken zu erwähnen. Die Bekanntgabe von bei der Behörde noch nicht bekannten Sachverhaltselementen, die der weiteren Klärung des Sachverhaltes dienen hätten können, habe er ohnehin tunlichst und nachhaltig vermieden.

 

Mit der Asylantragstellung in Österreich und den unwahren Aussagen zur Reiseroute bzw. zu einem vorausgehenden Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union habe der Bf seinen Aufenthalt in Österreich zumindest temporär legalisieren, eine Abschiebung/Zurückschiebung in die Schweiz hintanhalten und das in der Dublin-VO vorgesehene Regelungsregime damit unterlaufen wollen.

 

Die Gesamtheit der vorliegenden Verhaltensweise lasse in schlüssiger und nachvollziehbarer Form die offensichtliche und kategorische Abneigung gegen den Staat Schweiz erkennen. Es sei offensichtlich, dass er die Schweiz als vollkommen ungeeignet halte, um im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens ein Asylbegehren prüfen zu lassen und um sich zur Verfügung der dortigen Behörden zu halten.

 

Im Hinblick darauf, dass er in seinem Asylverfahren Kenntnis davon bekommen habe, dass sein Fingerabdruckvergleich in Österreich mit bereits in der Schweiz von ihm erkennungsdienstlich sichergestellten Fingerabdrücken positiv verlaufen sei und nunmehr das Ausweisungsverfahren in die Schweiz von Seiten des österr. Bundesasylamtes formell gegen ihn eröffnet worden sei, bestehe – ohne Sicherungsmaßnahme nach den Bestimmungen des FPG – die unmittelbare und eminente Gefahr, dass sich der Bf dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. Demzufolge sei die Sicherung des Ausweisungsverfahrens bis zum Eintritt der Durchführbarkeit sowie die Sicherung deren Durchsetzung (Abschiebung) unbedingt erforderlich.

 

Bei der Bewertung der Wahl der Mittel (Verschleierung der Reiseroute sowie Verschleierung des tatsächlichen Zeitpunktes des Verlassens des Herkunftsstaates) zur Erreichung seines nachhaltigen Zieles (Aufenthalt in Österreich bzw. in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, wenngleich auch unrechtmäßig, mittellos und unstet und unter tunlichster Vermeidung eines weiteren Aufenthaltes in der Schweiz) sei im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freien Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen werde um eine Außerlandesbringung von Österreich in die Schweiz mit Erfolg zur Gänze zu vereiteln oder um diese Maßnahmen zumindest temporär wesentlich zu verzögern.

 

Familiäre und/oder soziale Bezugspunkte zu Österreich habe er auf Befragen nicht ins Treffen gebracht. Demzufolge sei er im Bundesgebiet auch in keiner Art und Weise an eine Örtlichkeit gebunden. Er sei – wie er im Rahmen seiner unrechtmäßigen Reisebewegungen innerhalb der Europäischen Union bereits unter Beweis gestellt habe – sehr flexibel in der Lebensgestaltung, und habe keine familiäre oder soziale Verpflichtung in Österreich zu erfüllen.

 

Die Anordnung der Schubhaft sei – nach genauer Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung – verhältnismäßig, denn dem Recht als Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das – in diesem Fall überwiegende – Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (sowie insbesondere die Einhaltung des für die Republik Österreich von nachhaltiger Wichtigkeit bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens) gegenüber.

In diesem Einzelfall sei eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchführbarkeit sowie zur Sicherung der Außerlandesbringung durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme das der Sicherung zugrunde liegende Endziel – nämlich die behördliche Außerlandesbringung von Österreich (voraussichtlich in die Schweiz) – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden könne. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, sei der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig gewesen und demzufolge von der Alternative der Anordnung eines gelinderen Mittels Abstand zu nehmen gewesen und ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf  - welchem in der gegenständlich vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden könne - zu bejahen.

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf – durch seinen Vertreter - per Telefax am 16. Mai  2012 Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

Zum Sachverhalt wird darin angeführt, dass der Bf am 09.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Ein Abgleich der Fingerabdrücke habe ergeben, dass er bereits einen Asylantrag in der Schweiz (2009) gestellt habe. Auf Grund dessen würden seit 10.05.2012 Konsultationen mit der Schweiz geführt und es sei beabsichtigt, den Antrag auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen.

 

Mit Bescheid vom 11.05.2012 sei von der BH Vöcklabruck die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG gegen Herrn X angeordnet worden.

 

Am 10.05.2012 hätte der BF seine Einvernahme beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle X, AIS-Zahl: 12 05.673, haben sollen. Zu der Einvernahme sei es in der Folge jedoch nicht mehr gekommen. Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes Erstaufnahmestelle X vom 11.05.2012 sei mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Asylantrag gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen.

 

Der Bf habe einen Antrag auf Internationalen Schutz in Österreich gestellt und somit sei auch davon auszugehen, dass er in seinem eigenen Interesse den Ausgang des Verfahrens in Österreich abwarten werde. Dies entspreche auch der ständigen Judikatur des VwGH:

 

'Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen Dublin-Fälle' seien statt In Grundversorgung In Schubhaft zu nehmen. Der Integration kommt primär im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FrPolG 2005 Bedeutung zu. Eine Schubhaftnahme kann sich vielmehr nur dann als gerechtfertigt erweisen, wenn weitere Umstände vorliegen, die den betreffenden , Dublin-Fall' in einem besonderen Licht erscheinen und von daher ,in einem erhöhten Grad' ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen [Hinweis E 28. Juni 2007, 2006/21/0051]' (VwGH 19.06.2008, 2007/21/0070).

 

Für eine solche Befürchtung müssten im Einzelfall konkrete bzw. spezifische Hinweise bestehen, wobei auf die vom VfGH (VfSlg. 17.288) zum Ausdruck gebrachte Auffassung zu verweisen sei, der zufolge der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt habe, für sich nicht den Schluss rechtfertige, dass er unrechtmäßig in einen anderen Staat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen werde. Dem habe sich der VwGH wiederholt angeschlossen und ergänzt, dass dies sinngemäß auch für die Annahme eines Untertauchens innerhalb Österreichs gelte.

Es sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb der Bf, wäre er nicht in Schubhaft, sondern in Grundversorgung, diese Unterstützung aufgeben und in die Anonymität untertauchen hätte sollen (vgl. auch § 46 AsylG und § 2 Abs. 1 und 2 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005). Es erscheine weder verhältnismäßig noch zielführend, einen Asylwerber mit „Dublin-Bezug" mit dem Hinweis auf fehlende Bindungen bzw. Integration in Österreich statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen (vgl. VwGH vom 30.8.2007, Zl. 2007/21/0043).

 

Vor diesem Hintergrund fehlten also konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Bf werde sich dem weiteren Asylverfahren entziehen und für die Behörde nicht erreichbar sein. Besondere Gesichtspunkte, die erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen „Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Bf (falls dieser nicht in Schubhaft genommen, sondern ihm die Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes gewährt worden wäre) geschlossen werden könnte, seien somit nicht gegeben.

 

Selbst wenn die Behörde ein Sicherungserfordernis iSd § 76 Abs. 2 FPG annehme, so könnte nicht gesagt werden, dass der Zweck der Verfahrenssicherung nicht auch durch Anwendung gelinderer Mittel (insbesondere im Zusammenhang mit der Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes) erreicht werden hätte können. Das Fehlen eines Wohnsitzes bzw. einer Meldung und von sozialen Bindungen könne in Fällen wie dem vorliegenden auch kein tragfähiger Grund sein, um ohne weiteres von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen (vgl. UVS Wien 01/18/11103/2009 17.02.2010).

 

Dem Bf sei anscheinend bereits vor Abschluss seines Asylverfahrens in der Schweiz nahegelegt worden, er solle die Schweiz verlassen und in sein Heimatland Nigeria zurückkehren. Der Bf habe daher Angst gehabt, in der Schweiz zu bleiben. Aus Angst habe der Bf versucht, seinen Aufenthalt in der Schweiz zu verheimlichen. Der Bf bitte um Verständnis für sein Verhalten. Er wolle sich keineswegs dem fremdenrechtlichen Verfahren entziehen.

 

Zum Zweck der Sicherung eines allfälligen Verfahrens hätte, wenn ein Sicherungsbedürfnis als rechtmäßig erkannt werden sollte, auch ohne weiteres das gelindere Mittel angewandt werden können.

 

Die belangte Behörde habe die Schubhaft stets als Ultima Ratio zu verhängen (vgl. Judikatur des VwGH) und habe zu prüfen, ob der Sicherungszweck nicht auch durch ein gelinderes Mittel erreicht werden könne.

 

In Betracht komme die Anordnung der Unterkunftnahme, in von der Behörde bestimmten Räumen oder die Anordnung, eine Meldeadresse oder einen Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben.

 

Für die Anwendung des gelinderen Mittels spreche, dass Herr X bei seiner Entlassung aus der Schubhaft außerdem in die Grundversorgung aufgenommen werden könne und somit einen ordentlichen Wohnsitz begründen könnte.

 

Außerdem habe der Bf nun doch einen sozialen Bezugspunkt in Österreich. Eine langjährige Internet-Freundin habe den Bf besucht und es bestehe die Möglichkeit, dass er bei seiner Freundin in X wohnen könne:

X

Tel.: X

E-Mail: X.

 

Die Behörde sei verpflichtet, bei Verhängung einer freiheitsentziehenden Maßnahme eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Hierzu sei folgende Entscheidung des VwGH anzuführen, die sich gegen eine prinzipielle Verhängung der Schubhaft in „Dublin-Fällen" ausspreche:

 

'Die Verhängung der Schubhaft darf auch in ,Dublin-Fällen' nicht zu einer Standardmaßnahme, gegen Asylwerber werden' [Hinweis E 30. August 2007, 2007/21/0043; E 24. Oktober 2007, 2006/21/0239] (vgl. Vwgh 2007/21/0068 22.10.2009).

 

Eine Einschätzung, ob die individuellen Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft gegeben gewesen seien, hätte zum Zeitpunkt der lnschubhaftnahme bzw. zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Internationalen Schutz des Bf ergeben müssen, dass diese nicht vorhanden gewesen seien.

 

Die Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG sei daher überschießend ausgestaltet, aus diesem Grund nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar und sohin verfassungswidrig (vgl. dazu die Erwägungen des VfGH 15.10.2004, G 237/03 zu § 34b Abs. 1 Z.3 AsylG 1997 idF der Novelle 2003).

 

Die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum ab 11.05.2012 sei somit weder notwendig noch verhältnismäßig und daher rechtswidrig gewesen.

 

Es würden daher die nachfolgenden Beschwerdeanträge gestellt:

"eine Gesetzesprüfung einzuleiten und § 76 Abs. 2 FPG als verfassungswidrig aufzuheben,

-         die Anhaltung in Schubhaft ab 11.05.2012 für rechtswidrig zu erklären sowie,

-         Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung zuzuerkennen, vor allem Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand, und

-         Aufwandsersatz für die anfallenden Barauslagen (wie z.B. die Eingabegebühr) gemäß § 79a AVG zuzuerkennen."

 

2.1.1. Mit E-Mail vom  16. Mai 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus, dass zur vorgebrachten Beschwerde seitens der BH Vöcklabruck auf die ha. Aktenunterlagen und den festgestellten Sachverhalt im Schubhaftbescheid vom 11.05.2012 hingewiesen werde. Darüber hinaus werde hervorgehoben, dass im vorliegenden Fall ein konkreter Sicherungsbedarf vorliege und ohne einer freiheitsentziehenden Sicherheitsmaßnahme berechtigt und klar im angefochtenem Schubhaftbescheid begründet, nicht davon ausgegangen werden könne, das vorliegende Ausweisungsverfahren zu beenden und eine Vollstreckung mit der Abschiebung in die Schweiz vollziehen zu können.

 

Im vorliegenden Fall habe in der Gesamtschau des Sachverhaltes:

          mehrfache illegale Grenzübertritte und Durchreisen mehrerer Mitgliedstaaten der EU (Reiseroute laut eigenen Angaben: von Nigeria nach München per Flugzeug, mit einem Zug nach Österreich)

          Eurodac-Treffer vom Mitgliedstaat Schweiz vom 11.02.2009

          offensichtliches Entfernen in der Schweiz, Abtauchen in die Anonymität und illegale Weiterreise in weitere Mitgliedstaaten

          Verwendung einer völlig anderen Identität in der Schweiz (X, geb. X, laut Mitteilung der schweizer Behörden)

          Identität in Österreich durch Unterdrückung von Unterlagen und Urkunden nicht gesichert

          bewusstes Vernichten und Unterdrücken von Unterlagen und Papieren, die zur Reiseroute und Identität Hinweise geben würden - siehe ausgefolgte Unterlagen (Bescheide, Einvernahmen, Verfahren,...) in der Schweiz (alle Unterlagen von der Schweiz seien durch den Fremden bewusst entweder zurückgelassen, vernichtet worden oder würden in Österreich versteckt gehalten)

          Falschangaben bzw. Verschleierung von Angaben (zB Aufenthalt in der Schweiz, Asylantragstellung in der Schweiz) in der Erstbefragung im Asylverfahren trotz eingängiger Belehrung

          keine Vorlage von Dokumenten - keine gesicherte Identität

 

nicht erkannt werden können, dass der Bf sein Verhalten geändert hätte und eine Tendenz dahingehend nunmehr zeigen würde, die Einhaltung der Rechtsordnung und Rechtsbestimmung zu akzeptieren. Es sei nicht zu erkennen und daher auch nicht davon auszugehen, dass der Bf nunmehr die Rechtsordnung befolgen und sich zur Verfügung der Behörde halten werde. Folglich habe mit vorliegendem Sachverhalt kein Anhaltspunkt erkannt werden können, der für den Fremden spreche und eine Sicherung des Ausweisungsverfahrens und eine Sicherung der Abschiebung in die Schweiz abseits der Schubhaft mit einem gelinderen Mittel zulassen würde.

 

Es sei klar zu erkennen, dass die angegebene Fluchtroute im Rahmen der Erstbefragung erfunden und wissentlich falsch angegeben worden sei; nicht zuletzt um den Aufenthalt in der Schweiz zu verschleiern. Herr X habe mehrmals klar und deutlich geäußert - zuletzt im Rahmen der Schubhaftbelehrung - dass er noch nie in der Schweiz gewesen wäre. Wie seine Fingerabdrücke dorthin kämen, könne er sich nicht erklären. Nachdem aber anhand seiner Fingerabdrücke und der Rücksprache seitens der PI X, bei welcher er den Asylantrag gestellt habe, mit den schweizer Behörden es offensichtlich sei, dass Herr X am 11.02.2009 einen Asylantrag in der Schweiz gestellt habe, gelte seine angegebene Reiseroute als vorgetäuscht. Dies führe zur Irreführung der österreichischen Behörden und zeige, dass der Bf kein Interesse an der Klärung seines Asylbegehrens in Österreich habe.

 

Der Bf nehme in seiner Beschwerde Bezug auf seine angebliche Freundin, X. Frau X sei am 11.05.2012 in der EAST X erschienen, um Herrn X ihr altes Handy zu geben, um mit ihm in Kontakt zu bleiben. Laut ihren Angaben hätten sich die beiden über Facebook kennengelernt. Ein gemeinsames Zusammenleben habe nicht erkannt werden können, zumal auch dies im Zentralen Melderegister ersichtlich sein müsste.

 

Eine Zustimmung vom zuständigen Mitgliedstaat Schweiz liege derzeit noch nicht vor. Die Frist hierfür laufe am 29.05.2012 ab. Es müsse jedoch von einer Zustimmung seitens der schweizer Behörden ausgegangen werden, da dies auch der Bf in seiner Beschwerde nicht mehr bestreite und anhand seiner Fingerabdrücke klar ersichtlich sei.

 

Mit vorliegendem Sachverhalt werde dringend die kostenpflichtige Abweisung beantragt, um letztlich in kurzer Zeit den illegalen Aufenthalt des Fremden mit einer Abschiebung in den für den Bf zuständigen Mitgliedstaat Schweiz vollziehen und ein Abtauchen in die Anonymität und neuerlichen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet verhindern und unterbinden zu können.

 

Sofern trotz der vorliegenden Sachlage sich ein fragwürdiges Gesamtbild ergeben würde, was eine Abweisung der Beschwerde nicht zulassen würde, werde hiermit der Antrag der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter den Punkten 1.1.1. und 2.1.  dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 112/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren

Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 des FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde von 11. Mai 2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 9. Mai 2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Nachdem die fremdenpolizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Bf bereits in der Schweiz einen Asylantrag gestellt hatte, lag der Schluss nahe, dass die Schweiz zur Prüfung eines Asylbegehrens des Bf zuständig ist. Der belangten Behörde folgend kann festgestellt werden, dass der Bf im Rahmen der Schubhaftbeschwerde keinerlei diese Annahme falsifizierende Äußerungen tätigt.

 

In diesem Sinne wurde dem Bf auch am 11. Mai 2012 nachweislich gemäß
§ 27 und 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei das Asylbegehren mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen sowie, dass die Abschiebung in die Schweiz beabsichtigt sei. Die diesbezügliche Frist für die Zustimmung der Schweiz endet erst am 29. Mai 2012.

 

Es liegen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG vor.

 

3.4.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.4.2. Grundsätzlich ist vorerst eine Feststellung zu treffen: Im Regelfall wird nicht davon auszugehen sein, dass bei sogenannten Dublinfällen schon bereits nach wenigen Tagen nach Antragstellung der Sicherungsbedarf derart verdichtet vorliegt, dass die Verhängung der Schubhaft unbedingt erforderlich ist. Eine generelle Annahme, dass bei derartigen Fällen die Schubhaft zu verhängen wäre, wird – korrespondierend zur auch in der Beschwerdeschrift angeführten Judikatur der Höchstgerichte – abgelehnt.  

 

Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert. Zunächst ist anzumerken, dass der Bf, dessen Identität – mangels entsprechender Dokumente - nicht letztgültig geklärt ist, wobei er selbst nicht allzu glaubhaft angab, seinen Reisepass im Zug verloren zu haben, (diese "Nachlässigkeit" darf nicht außer Acht gelassen werden) bereits im Februar 2009 unter einer anderen Identität einen Asylantrag in der Schweiz gestellt hatte. Seinen Äußerungen in der Schubhaftbeschwerde ist zu entnehmen, dass er sich seither – wo auch immer – drei Jahre lang in der Illegalität aufgehalten habe, zumal er anführt aus Angst vor der negativen Beendigung seines Asylverfahrens die Schweiz verlassen zu haben. Dass er in sein Heimatland zurückgekehrt sei, behauptet er nicht und wäre auch wohl nicht realistisch anzunehmen.

 

Überdies ist anzumerken, dass er nunmehr die im Rahmen der Asylantragstellung gemachten – offensichtlich frei erfundenen Angaben zur Reiseroute bzw. über den Zeitpunkt der Einreise in den Schengenraum selbst nicht mehr aufrecht erhält, was er – erstmals mit seinen Lügen konfrontiert – in geradezu obstruktiver Weise noch getan hatte. Diese Obstruktivität und die beharrliche Bereitschaft sich über mehr als drei Jahre in der Illegalität durchzuschlagen, werfen ein bezeichnendes Bild auf seine Einstellung zu den in Österreich bzw. in Europa geltenden Normen.

 

Die Asylantragstellung am 9. Mai 2012 ist in diesem Sinne auch eher als strategische Maßnahme zu sehen, wobei der Bf – offensichtlich – nicht erwartet hatte, dass trotz der von ihm verwendeten neuen Identität seine drei Jahre zurückliegende Asylantragstellung ans Tageslicht kommen würde, weshalb er diese auch dreist zu leugnen versuchte.

 

Da nun aber die drohende Abschiebung in die Schweiz dem Bf bewusst vor Augen geführt wurde (vgl. Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG am 11. Mai 2012), verdichteten sich die Umstände dermaßen, dass mit Sicherheit ausgegangen werden muss, dass der Bf – nach seinem frustrierten Versuch kurzfristig Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand zu erlangen – wiederum in die Illegalität abtauchen werde, um – wie schon bisher – seinen Aufenthalt in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Staat Europas fristen zu können.

 

Der Umstand, dass sich nunmehr eine Person gefunden hat, bei der er wohnen könnte (seine Internet-Freundin), kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bf im Bundesgebiet keinerlei Bindungen aufweist, die ihn dazu animieren könnten, sich den Behörden zur Verfügung zu halten. Er ist als völlig ungebunden und – wie er schon in der Vergangenheit gezeigt hat – auch als äußerst flexibel in seiner Lebensführung anzusehen. 

 

3.4.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem er über die beabsichtigte Abschiebung in die Schweiz informiert wurde, fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen. Diese bestand aber schon zweifellos zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme, denn der Bf hat in der Vergangenheit bewiesen (vgl. Asylverfahren in der Schweiz), dass er nicht bereit ist an einem Asylverfahren mitzuwirken, insbesondere, wenn dieses für seine Interessen negativ auszugehen droht.

 

3.5. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf schon in der Vergangenheit bewies, dass er nicht bereit ist, behördlichen Anordnungen zu entsprechen.

 

3.6. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt und mit der nunmehr namhaft gemachten "Freundin" nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Solches wird auch von ihm selbst nicht behauptet.

 

3.7.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.      zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen          Minderjährigen verhängt wird;

2.      vier Monate  nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden,     der    das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3         und 4

         vorliegt.

 

3.7.2. Der Bf wird gegenwärtig seit 10 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch beträchtliche Zeit andauern werde, zumal die für eine Außerlandesbringung des Bf getroffenen Maßnahmen durch die belangte Behörde offenbar konsequent verfolgt werden.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung primär in die Schweiz, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen würden. So ist auch zu erwarten, dass die Schweiz der Rückführung im Rahmen des Dublinverfahrens nicht entgegentreten wird.

 

3.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom
16. Mai 2012 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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