Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420738/2/AB/Hk

Linz, 16.05.2012

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas aus Anlass der Beschwerde der A D, W S, L vertreten durch Dr. P R, Rechtsanwalt in I, K, vom 26.4.2012 wegen Vornahme einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz – GSpG am 25.4.2012 in W S, L, durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels den Beschluss gefasst:

 

 

Die Beschwerde wird mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 67c und 79a AVG,

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. Mit der beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 27.4.2012 per Telefax eingebrachten Eingabe vom 26.4.2012 hat die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) durch ihren Rechtsvertreter rechtzeitig Beschwerde wegen einer Amtshandlung von Organen des Finanzamtes Grieskirchen Wels (belangte Behörde) am 25.4.2012 in W S, L, betreffend eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz erhoben.

 

Zum Sachverhalt wird vorgebracht, dass die Bf anlässlich der Kontrolle von Organen der belangten Behörde einvernommen und dass mehrere näher bezeichnete Geräte vorläufig beschlagnahmt worden seien.

 

Die Beschwerdelegitimation ergebe sich daraus, dass die "Beschwerdeführerin durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihrem Recht verletzt wurde".

 

Unter "3. Beschwerdegründe" wird zum Sachverhalt ergänzt, dass die Bf Inhaberin des genannten Lokales sei. An dieser Adresse im Bezirk L habe am 25.4.2012 eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durch das Finanzamt Grieskirchen Wels stattgefunden.

 

Die weiteren Ausführungen sind rechtlicher Natur und befassen sich mit dem Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG) 2010. Dabei wird neben § 9 Abs 1 der § 12 leg.cit. näher dargestellt und schließlich auf "§ 4 der Durchführungsverordnung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010" (gemeint: Verordnung des BMF zur Durchführung des AVOG 2010) Bezug genommen. Abschließend wird festgehalten, dass die Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durch das Finanzamt Grieskirchen Wels im Bezirk Linz rechtswidrig gewesen sei.

 

Unter Punkt 4. werden an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gestellt nachstehende

 

"ANTRÄGE

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und die Fällung nachstehenden Erkenntnisses

 

Die Beschwerdeführerin als Inhaberin des Lokales in W S, L ist dadurch, dass am 25.04.2012 eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durch Organe der belangten Behörde, anlässlich welcher die Beschwerdeführerin einvernommen wurde, im Recht verletzt nicht ohne gesetzliche Grundlage einer Kontrolle unterzogen zu werden."

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im gegenständlichen Verfahren schon nach Einsicht in die Beschwerde festgestellt, dass die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht vorliegen kann, die Beschwerde daher mangels eines für eine Maßnahmenbeschwerde tauglichen Gegenstandes zurückzuweisen ist.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983; zahlreiche weitere Judikatur bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang tatsächlich ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

3.2. Die Bf bezeichnet den im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Verwaltungsakt als Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz vom 25.4.2012 durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, anlässlich welcher sie einvernommen wurde. Die bei dieser Kontrolle gemäß § 53 Abs 2 GSpG vorläufig beschlagnahmten Gegenstände wurden nicht zum Gegenstand der Beschwerde gemacht, ist doch insofern auch gemäß § 53 Abs 3 GSpG mit einem Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides durch die Verwaltungsstrafbehörde zu rechnen, weshalb eine Anfechtung der vorläufigen Beschlagnahme im Grunde der Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde grundsätzlich ohnehin nicht zulässig wäre.

 

Schon aus der eigenen Sachverhaltsdarstellung der Bf ist weder eine tatsächlich erfolgte, noch eine konkret bevorstehende Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ableitbar. Damit steht bereits fest, dass - abgesehen von der ohnehin nicht bekämpften vorläufigen Beschlagnahme - eine faktische Amtshandlung, bei der physischer Zwang gegen die Bf tatsächlich ausgeübt wurde oder der Bf unmittelbar bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte, nicht angenommen werden kann. Eine bloße Kontrolltätigkeit kann noch nicht als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt angesehen werden.

 

Bloße Aufforderungen oder Anordnungen im Rahmen von Amtshandlungen oder Kontrollen stellen nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts noch keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar. Erst wenn der Adressat bei Nichtbefolgung mit zwangsweiser Realisierung zu rechnen hat, wobei eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen muss, kann begrifflich von einem Akt der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gesprochen werden (vgl dazu die Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998], E 61 und E 80 zu § 67a AVG). Die Weisung eines Sicherheitswachebeamten, eine bestimmte Straßenstelle zu verlassen, stellt noch keine faktische Amtshandlung dar, wenn kein unmittelbarer Zwang ausgeübt oder angedroht wurde. Die Androhung einer Strafanzeige schafft noch keine entsprechende Situation (vgl VwGH 28.2.1997, 96/02/0299). Der von Organen der Straßenaufsicht durch Zeichen iSd § 97 Abs 5 StVO 1960 mitgeteilten Aufforderung zum Anhalten hat der Fahrzeuglenker zwar Folge zu leisten. Deshalb handelt es sich dabei aber noch nicht um Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt. Die Nichtbefolgung solcher Zeichen stellt lediglich eine Verwaltungsübertretung dar (vgl § 99 Abs 3 lit j) StVO 1960). Steht es dem Betroffenen frei, einer Anordnung keine Folge zu leisten und die Frage ihrer Rechtmäßigkeit im Verwaltungsstrafverfahren auszutragen, so liegt keine "faktische Amtshandlung" vor (vgl etwa zur Aufforderung zum Alkoholtest oder Blutabnahme u.A. VwGH 25.3.1992, Zl. 91/02/0150; VwGH 25.3.1992, Zl. 91/03/0253; VwGH 19.1.1994, Zl. 93/03/0251; VwGH 22.4.1994, Zl. 94/02/0020; VfSlg 7.509/1975).

 

3.3. Dem Sachvorbringen in den Beschwerdegründen wird aus prozessökonomischen Gründen entgegen gehalten:

 

Gemäß § 50 Abs 2 Satz 2 GSpG gehören zu den im Strafverfahren mitwirkenden Organen der öffentlichen Aufsicht neben den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ausdrücklich auch die Organe der Abgabenbehörden. Zur Überwachung der Einhaltung des Glückspielgesetzes sind diese Organe auch aus eigenem Antrieb berechtigt (§ 50 Abs 3 GSpG). Dabei haben sie gemäß § 50 Abs 4 GSpG die zur Überwachung erforderlichen Betretungsrechte hinsichtlich Betriebsstätten und Räumlichkeiten und bestehen bestimmte Mitwirkungspflichten. Nach Ansicht des UVS Oberösterreich handeln auf Grund dieser Regelung die Organe der Abgabenbehörden im Rahmen von Glücksspielkontrollen ebenso wie die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Hilfsorgane der Verwaltungsstrafbehörden und nicht der Abgabenbehörden.

 

Das AVOG 2010 (StF BGBl I Nr. 9/2010, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 111/2010) regelt Aufbau und Zuständigkeiten der Abgabenverwaltung.

 

Im § 12 Abs 1 AVOG 2010 wird unter der Überschrift "Finanzpolizei" bestimmt, dass Organe der Abgabenbehörden einerseits für Zwecke der Abgabenerhebung und andererseits auch zur Wahrnehmung anderer durch Unionsrecht oder durch Bundesgesetz (vgl zB § 50 Glücksspielgesetz) übertragenen Aufgaben tätig werden können. In den einzelnen Absätzen werden Organbefugnisse geregelt. Nach § 12 Abs 5 AVOG 2010 können die Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen zur Überwachung des Glücksspielgesetzes von allen Finanzämtern vorgenommen werden. Dabei steht dem jeweils durchführenden Finanzamt ohne Rücksicht auf die örtliche Zuständigkeit die Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren zu.

 

Entgegen der Behauptung der Beschwerde handelt es sich dabei nicht um eine bloße sachliche Zuständigkeit der Finanzämter. Die Finanzpolizei als die Gesamtheit der Organe der Abgabenbehörden sollte vielmehr in Verwaltungsstrafverfahren wegen illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung oder wegen illegalen Glücksspiels allgemein für Kontroll- und Beweissicherungsmaßnahmen zuständig sein. Wie sich insofern aus den Materialen zur gleichgelagerten Stammfassung des AVOG 2010 (vgl RV 477 BlgNR 24. GP, 6 "Zu § 12 AVOG 2010") eindeutig ergibt, bezweckte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 12 AVOG eine allgemeine Zuständigkeit der Finanzpolizei, wenn dazu ausdrücklich festgehalten wird: "Die komplexe Frage, ob das Kontrollorgan noch innerhalb seines Amtsbereiches, aber bereist außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches tätig wird, kann fortan entfallen.". Daraus folgt, dass gerade keine Unterscheidung zwischen sachlicher und örtlicher Zuständigkeit beim Einschreiten der Organe der Finanzpolizei erforderlich sein sollte.

 

Damit im Einklang stehen die Verfahrensbestimmungen des § 50 GSpG (idFd GSpG-Novelle 2008, BGBl I Nr. 54/2010), aus denen abzuleiten ist, dass die Organe der Abgabenbehörden als Hilfsorgane im Verwaltungsstrafverfahren der Bezirksverwaltungsbehörden anzusehen sind und nach dem § 50 Abs 5 GSpG - losgelöst von einer örtlichen Zuständigkeit - jene Abgabenbehörde Parteistellung hat, von der die Anzeige vorliegt.

 

Auf die Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des AVOG 2010 (BGBl II Nr. 165/2010), welche nur für den Bereich der Steuer und Zollverwaltung den Sitz und Amtsbereich der Finanzämter regelt, kommt es nach der oben dargestellten Gesetzeslage gar nicht mehr an.

 

4. Im Ergebnis war die vorliegende Beschwerde – der Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenates folgend (Oö. UVS 25.4.2012 VwSen-420731/Wei) – mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurückzuweisen, weil nach dem Inhalt der Beschwerde schon begrifflich von einer Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt keine Rede sein kann.

 

Eine Kostenentscheidung zugunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs 3 AVG im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, weil die belangte Behörde nicht ins Verfahren eingebunden war und daher noch keine Kosten entstanden sind.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

A s t r i d  L u k a s

 

 

Beachte:

 

 

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

 

 

VfGH vom 24. September 2012, Zl.: B 814/12-3

 

 

 

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt.

 

VwGH vom 30.01.2013, Zl.: 2012/17/0499-5

 

 

 

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