Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166491/2/Bi/Kr

Linz, 24.05.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau G O, E,  A, vom 11. November 2011 gegen das  Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Wels-Land vom 24. Oktober 2011, VerkR96-7712-2011, wegen Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1  und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß jeweils §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 4 Abs.2 und 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 80 Euro (33 Stunden EFS) und
2) 200 Euro (90 Stunden EFS) verhängt, weil sie als Verantwortliche der X GmbH – diese sei Zulassungsbesitzerin des Lkw X – nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand bzw die Ladung des genannten Kfz den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen habe. Das Fahrzeug sei am 18. Juli 2011 um 14.00 Uhr (Kontrollzeitpunkt) von J P gelenkt worden, wobei in Niederwaldkirchen, B127 Rohrbacher Straße bei km 30.300 (Kontrollort), festgestellt worden sei, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Kraftfahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des KFG entsprochen hätten, da festgestellt worden sei, dass

1) die Aufbauschrauben beidseitig vorne locker gewesen seien, und

2) die Einstiege des Führerhauses beidseitig durchgerostet gewesen seien.

Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von 1) 8 Euro und 2) 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Mängel stellten keine solchen dar, die geeignet gewesen wären, den verkehrs- oder betriebssicheren Zustand zu gefährden. Sie habe bereits am 15. September 2011 verlangt, dass dies von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen geprüft werden müsse. Sich auf einen anderen SV zu stützen, reiche ihres Erachtens nicht aus. Sie werde ein solches Gutachten vorlegen. Das Straferkenntnis sei zu beheben.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

 

Daraus geht hervor, dass der auf die X GmbH, G in O bei S zugelassene Lkw am 18. Juli 2011, 14.00 Uhr in Niederwaldkirchen, B127 bei km 30.3, kontrolliert wurde, wobei der Meldungsleger B Z, PI R, die Einstiege fotografiert hat. Dass diese beidseitig durchgerostet waren, ist laienhaft am jeweiligen Loch im Blech erkennbar.  

Laut Gutachten über eine Teileuntersuchung gemäß § 58 KFG 1967 des technischen Amtssachverständigen der Abteilung Verkehr beim Amt der Oö. Landesregierung, Herrn Mag. S vom 18. Juli 2011 stellte dieser fest, dass bei einem Km-Stand von 657.779, Erstzulassung 2/2000, der Lkw zwei schwere Mängel aufwies, nämlich waren beidseitig vorne die Aufbauschrauben locker und das Führerhaus war beidseitig beim Einstieg durchgerostet. Der 2. angeführte Mangel sei auch für den Lenker  erkennbar gewesen.

Aus dem Gutachten bzw der Anzeige geht nicht hervor, dass der Lkw aus dem Verkehr gezogen worden wäre; solches wurde auch nicht behauptet.

 


Laut Firmenbuch ist die Bw handelsrechtliche Geschäftsführerin der genannten GmbH, weshalb an sie die Strafverfügung wegen zweier Übertretungen des KFG gemäß §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 4 Abs.2 KFG 1967 erging. Im Einspruch vom
11. August 2011 legte die Bw ein Gutachten gemäß § 57a Abs.4 KFG vom 3. Februar 2011 – Begutachtungsstelle Nr.X, Fa S GmbH, W S in A – vor, aus dem ersichtlich ist, dass der genannten Lkw bei einem damaligen km-Stand von 726.382 einen leichten Mangel unter Nr.6.2.1 Führerhaus/Karosserie – allg. Zustand gehabt habe.

Die Bw macht geltend, in der Firma gebe es einen eigenen Mechaniker, der für den technischen Zustand der Fahrzeuge zuständig sei. Sie glaube, mit der Einhaltung der gesetzlichen Prüfvorschriften und der technischen Wartung der Fahrzeuge durch die Werkstätte den Vorschriften des KFG genüge zu tun.

 

Die BH Rohrbach trat das Verfahren an die nunmehrige Erstinstanz ab, die daraufhin mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1. September 2011 "glaubhafte Nachweise über ein wirksames Kontrollsystem im Unternehmen verlangte, das sicherstelle, dass von Mitarbeitern derartige Übertretungen des KFG nicht begangen werden könnten."

 

Die Bw, vertreten durch den Gatten A O, machte dazu am
15. September 2011 geltend, in der Firma würde eine hauseigene Reparatur­werkstätte für hauseigene Fahrzeuge betrieben, in der ua zwei namentlich genannte Kfz-Meister beschäftigt seien, die für den Service der Fahrzeuge und die periodische Überprüfung gemäß KFG verantwortlich seien. Das beanstandete Fahrzeug sei am 3. Februar 2011 mit positivem Befund gemäß § 57a Ab.4 KFG begutachtet worden. Für den Fahrzeughalter sei es unmöglich, sich um den technischen Zustand zu kümmern – dies werde von Mechanikern durchgeführt und die § 57a KFG-Überprüfungen fristgerecht veranlasst. Die Feststellung, ob die beanstandeten Mängel am Fahrzeug die Verkehrssicherheit beeinträchtigten, obliege eine beeideten Sachverständigen für Kfz-Technik. Den Verpflichtungen als Zulassungsbesitzer sei nachgekommen worden.

Daraufhin erging das angefochtene Straferkenntnis.   

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbescha­det allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen­en Verordnungen entspricht.

Gemäß § 4 Abs.2 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körper­liche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

 

Gemäß § 10 Abs.2 Z3 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) sind als Mängelgruppe "schwere Mängel" anzusehen: Fahrzeuge mit Mängeln, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinträchtigen oder Fahr­zeuge, die übermäßigen Lärm, Rauch, üblen Geruch oder schädliche Luft­verunreinigungen verursachen. Diese Fahrzeuge weisen nicht die Voraussetzung zur Erlangung einer Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs. 5 KFG 1967 bzw. der Bestätigung gemäß § 57 Abs. 6 KFG 1967 auf. Bei Fahrzeugen mit schweren Mängeln ist der Fahrzeuglenker oder Zulassungs­besitzer darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug auf Grund des festgestellten Mangels nicht verkehrs- und betriebssicher ist und diese Mängel bei der nächsten in Betracht kommenden Werkstätte behoben werden müssen.

Gemäß § 10 Abs.2 Z4 PBStV sind als Mängelgruppe "Mängel mit Gefahr im Verzug" anzusehen: Fahrzeuge mit Mängeln, die zu einer direkten und unmittelbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen oder mit denen eine unzumutbare Belästigung durch Lärm, Rauch, üblem Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden. Der Lenker des Fahrzeuges ist darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug auf Grund des festgestellten Mangels nicht verkehrs- und betriebssicher ist und eine weitere Verwendung des Fahrzeuges eine direkte und unmittelbare Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt. Solche Mängel sind umgehend zu beheben. Wird ein solcher Mangel im Zuge einer Prüfung an Ort und Stelle gemäß § 58 KFG 1967 festgestellt, so sind im Sinne des § 58 Abs.2 letzter Satz KFG 1967 Zulassungsschein und Kennzeichen­tafeln abzunehmen.

 

Zu unterscheiden ist die Beurteilung, ob der Lenker mit einem schweren Mangel behafteten Kraftfahrzeug zwar keine Begutachtungsplakette mehr erhält aber weiterhin am Straßenverkehr teil­nehmen darf oder ob er wegen des festgestellten Mangels das Lenken sofort zu unterlassen hat – in diesem Fall hätte aber der Lkw wegen Gefahr im Verzug aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

 

Die beiden Löcher in den Einstiegen sind auf dem Foto unschwer zu erkennen und lassen Schlüsse auf einen einigermaßen desolaten Zustand der gesamten Karosserie zu. Ob sie am 3. Februar 2011 schon vorhanden waren, geht aus dem von der Bw vorgelegten Gutachten nicht hervor, weil darin nur vom allgemeinen Zustand der Karosserie die Rede ist. Allerdings ist ein beidseitiges Durchrosten in offensichtlich gleichem Ausmaß eher als Verschleißerscheinung im Sinne einer Materialermüdung bei winterlichen Bedingungen zu sehen, die im Februar 2011 durchaus noch nicht derart gravierend gewesen sein kann, wie sie dann im Juli 2011 in Erscheinung getreten ist. Abgesehen davon, dass bei den beiden Gutachten die Km-Stände nicht kompatibel sind (was aber auch an einem Schreib- oder Ablesefehler gelegen sein kann, was geklärt werden müsste), kann bei einem derart alten Fahrzeug – Erstzulassung 2/2000 – ein Zeitraum von
5 Monaten durchaus eine ernsthafte Verschlechterung bedeuten, dh der Zulassungsbesitzer darf sich nicht darauf verlassen, dass das Fahrzeug sich für die gesamte gesetzlich vorgesehen Frist bis zur nächsten Überprüfung in dem Zustand befindet wie zur Zeit der letzten Gutachtenserstellung – noch dazu wenn er die Löcher im Einstiegsblech beidseitig ohne Zuziehung eines Mechanikers nicht nur sehen sondern sogar greifen kann. Wenn der Lenker bzw Beifahrer beim Ein- und Aussteigen über die durchgerosteten Teile, die offensichtlich nicht den Rahmen betreffen, steigt, besteht von der Größe des Lochs her noch keine Gefahr des Durchbrechens.   

Lockere Aufbauschrauben bedeuten auch noch nicht zwingend, dass diese bereits im Februar 2011 locker gewesen sein müssen, bedeuten aber auch nicht eine konkrete Gefahr in dem Sinn, dass der Aufbau nicht mehr verkehrssicher wäre.

Die Qualifikation beider Mängel als "schwer" ergibt sich aus dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen, wobei die Einstufung als leichter (LM) oder schwerer (SM) Mangel oder solcher mit Gefahr im Verzug (GV) von der Intensität im Prüfzeitpunkt abhängt; von "Gefahr im Verzug" war im ggst Fall keine Rede.

Dass vom Lkw aufgrund der festgestellten schweren Mängel im Sinne des der Bw zur Last gelegten § 4 Abs.2 KFG 1967 beim sachgemäßen Betrieb Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen oder übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luft­verun­reinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge bestanden hätten, wurde nicht festgestellt und wären derartige Gefahren auch konkret zu  begründen (vgl VwGH  24.8.2001, 2001/02/0146).

 

Aus dieser Überlegung war spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskosten­beiträge fallen dabei naturgemäß nicht an.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Keine Gefahr im Verzug (LKW Blech beim Einstieg links + rechts Rostloch + Aufbauschrauben locker) -> Einstellung § 4 Abs.2 KFG

 

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