Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166850/2/Zo/REI

Linz, 29.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn R E, geb. x vom 01.04.2012 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 26.03.2012, Zl. S-3824/12, wegen einer Übertretung des KFG zu Recht erkannt:

 

 

 

I.              Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 sowie 45 Abs.1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 17.01.2012 um 17.35 Uhr in Linz auf der D in Fahrtrichtung stadtauswärts bis zur Kreuzung mit der L den PKW mit dem Kennzeichen X (Klasse M1) gelenkt habe und am KFZ Sommerreifen montiert waren, obwohl in der Zeit vom 01. November bis 15. April der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse M1 bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen das Fahrzeug nur in Betrieb nehmen darf, wenn an allen Rädern Winterreifen angebracht sind. Es wurde im Zuge der Unfallaufnahme um 17.25 Uhr festgestellt, dass eine Außentemperatur von minus 1 ° Celsius herrschte und die Fahrbahn salznass bzw. teilweise am Fahrbahnrand mit Eis- und Schnee bedeckt war.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass die Behörde die "winterlichen Fahrbahnverhältnisse" nicht bewiesen habe. Es seien lediglich Wetterbedingungen in den Morgenstunden angeführt worden, die jedoch mit seiner Fahrt in keinem Zusammenhang gestanden seien. Der Winterdienst sei im Bereich der X sicher nicht im Volleinsatz gewesen und es gäbe keine geeichten Temperaturmessungen vom konkreten Tatort zum besagten Zeitpunkt.

 

Auf den im Akt befindlichen Fotos seien Minimalreste von Schnee im Rinnsal ersichtlich, welches von keinem Menschen befahren oder begangen werde.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte am 17.01.2012 um 17.35 Uhr den im Spruch angeführten PKW in Linz auf der Kreuzung der D mit der L. Beim Einbiegen kam es zum Zusammenstoß mit einer Fußgängerin, welche den Schutzweg benutzt hatte. Im Zuge der Unfallaufnahme wurde festgestellt, dass am PKW des Berufungswerbers Sommerreifen montiert waren. Entsprechend der Unfallanzeige betrug die Außentemperatur minus 1 ° Celsius und die Fahrbahn war nass. Auf den im Akt befindlichen Fotos ist ersichtlich, dass in den Grünanlagen neben der Straße geringe Schneemengen liegen und auch am Bankett im unmittelbaren Straßenbereich minimale Schneereste vorhanden sind. Die Fahrbahn selbst war salznass.

 

Entsprechend einer Stellungnahme des ZAMG hatte es am gegenständlichen Tag bis etwa 08.00 Uhr früh zeitweise leicht geschneit, wobei im Laufe des Tages Teile der Schneedecke weggeschmolzen sind. Vom Winterdienst der Stadt Linz wurde noch mitgeteilt, dass an jenem Tag alle verfügbaren Fahrer im Einsatz waren. 

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 102 Abs.8a KFG darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klassen

1) N2 und N3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahrzeug während des Zeitraumes von jeweils 01. November bis 15. April oder

 2) M2 und M3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahrzeug von jeweils 01. November bis 15. März

nur verwenden, wenn zumindest an den Rädern einer Antriebsachse Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) angebracht sind. Dies gilt nicht für Fahrzeuge, bei denen bauartbedingt oder aufgrund ihres Verwendungszwecks Reifen mit der Verwendungsbestimmung "spezial" angebracht sind. Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Heeresfahrzeuge und Feuerwehrfahrzeuge, bei denen bauartbedingt oder wegen ihres überwiegenden Verwendungszweckes die Anbringung von Winterreifen nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist und Fahrzeuge, mit denen Probe- oder Überstellungsfahrten durchgeführt werden, sind von dieser Verpflichtung ausgenommen.

 

Weiters darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse M1 oder N1 während des in Ziffer 1 genannten Zeitraumes bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen wie insbesondere Schneefahrbahn, Schneematsch oder Eis, dieses Fahrzeug nur in Betrieb nehmen, wenn an allen Rädern Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) oder wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schnee- oder Eisschicht bedeckt ist, Schneeketten auf mindestens 2 Antriebsrädern angebracht sind.

 

5.2. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Winterreifenpflicht für PKW bei "winterlichen Fahrbahnverhältnissen" gilt. Als Beispiele dafür sind im Gesetz insbesondere Schneefahrbahn, Schneematsch oder Eis angeführt. Daneben können auch andere Witterungsbedingungen zu "winterlichen Fahrbahnbedingungen" führen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Fahrbahn durchgehend mit Schnee bedeckt ist sondern die Winterreifenpflicht besteht jedenfalls bereits dann, wenn dies auf nennenswerten Teilen der Fahrbahn der Fall ist. Im gegenständlichen Fall lagen jedoch lediglich ganz geringe Schneemengen am Straßenbankett. Aus den Fotos ist ersichtlich, dass es sich dabei um einen Straßenteil handelt, der bei normalem Verkehrsgeschehen von keinem Verkehrsteilnehmer befahren wird. Die Fahrbahn selbst war hingegen salznass.

 

Es ist zwar zutreffend, dass aufgrund der Außentemperaturen das Auftreten von stellenweiser Straßenglätte durchaus wahrscheinlich gewesen wäre, wenn der Winterdienst den gegenständlichen Bereich längere Zeit nicht mehr befahren hätte. Zum konkreten Tatzeitpunkt und am Tatort war jedoch keine Eisbildung vorhanden sondern die Fahrbahn war salznass. Der Umstand, dass zum damaligen Zeitpunkt generell winterliche Witterungsverhältnisse herrschten (Schneefall am Morgen und Temperaturen um den Gefrierpunkt) begründet nicht automatisch die Winterreifenpflicht. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf winterliche Fahrbahnverhältnisse abgestellt, sodass jeder Kraftfahrzeuglenker bei jedem Fahrtantritt neuerlich selbst zu beurteilen hat, ob derartige Verhältnisse vorliegen. Sollten diese während der Fahrt auftreten, so wäre ein Fahrzeuglenker, welcher sein Fahrzeug mit Sommerreifen ausgerüstet hat, sogar verpflichtet, die Fahrt so rasch als möglich abzubrechen und das Fahrzeug abzustellen. Im konkreten Fall waren die Fahrbahnverhältnisse jedoch nicht so eindeutig "winterlich", dass an der gegenständlichen Stelle zur Tatzeit die Verwendung von Winterreifen verpflichtend gewesen wäre.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

Beschlagwortung:

Winterreifenpflicht; salznasse Fahrbahn

 

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