Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-560162/2/BMa/Hk

Linz, 29.05.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der A R, R, W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 21. März 2012, SO-SH-22799-2012 Ju, wegen eines Antrags auf Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nach dem  Oö.BMSG zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Verhandlung und Entscheidung an den Magistrat der Stadt Wels zurückverwiesen wird.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 66 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011, iVm § 49 Abs.1 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö.BMSG, BGBl. Nr. 74/2011

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bw) auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs insofern zuerkannt, als der Bw der Mindeststandard für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, gemäß § 1 Abs.1 Z2 lit. a Oö. BMSV zuerkannt wurde. Als Begründung wurde lediglich angeführt, dem Antrag der Bw sei vollinhaltlich entsprochen worden.

 

1.2. Gegen diesen der Bw am 28. März 2012 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitig per E-Mail eingebrachte Berufung vom 01. April 2012.

 

1.3. Begründend führt die Berufung im Wesentlichen aus, dass die Bw keine "Mitbewohnerin" sei, weil sie weder in einer Partnerschaft noch in einer Wohngemeinschaft lebe. Ihre finanziellen Mitteln würden es ihr nicht erlauben, eine Wohnung anzumieten und so habe sie sich ein möbliertes Zimmer aus dem Internet gesucht und ein solches auch bei einer professionellen Vermieterin gefunden, zu der weder ein verwandtschaftliches, partnerschaftliches noch freundschaftliches Verhältnis bestehe. Sie sei daher nicht Mitbewohnerin und lebe auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Abschließend wurden von der Bw die monatlichen Kosten für ihren Lebensunterhalt den zugesprochenen 594,40 Euro pro Monat (Mindeststandard für Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben gem. § 1 Abs. 1 Z2 lit.a Oö. BMSV) gegenüber gestellt. Mit ihrem Vorbringen hat sie – konkludent – die Aufhebung des bekämpften Bescheids und die Zuerkennung des Mindeststandards für alleinstehende Personen beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrats Wels zu SO-SH-22799-2012 Ju. Weil sich bereits aus diesem ergab, dass die Angelegenheit zu ergänzen und von der erstinstanzlichen Behörde eine mündliche Verhandlung durchzuführen sein wird, bei der der Bw die Möglichkeit gegeben wird, ihre Lebenssituation darzulegen, und daher die Angelegenheit aufzuheben und zurückzuverweisen ist, hat ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu ergehen. Eine mündliche Verhandlung beim Unabhängigen Verwaltungssenat konnte damit entfallen (§ 67d Abs.4 AVG).

 

3. Der hat Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 49 Abs.1 Oö. BMSVG ist für die Erlassung von Bescheiden in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, soweit nicht anderes bestimmt ist.

 

Gemäß § 13 Abs.1 Oö. BMSVG erfolgt Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandard), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

Nach Abs.2 Z2 leg.cit. hat die Landesregierung durch Verordnung die näheren Kriterien zur Zuordnung der einzelnen Mindeststandardkategorien gemäß Abs.3 festzusetzen.

Die Verordnung der Oö. Landesregierung, über die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Einsatz der eigenen Mittel (Oö. Mindestsicherungsverordnung – Oö. BMSV) regelt in § 1 Abs.1 die Höhe der laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandard) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für

1.     alleinstehende oder alleinerziehende Personen,

2.     volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben

3.     unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben.

 

Gemäß § 66 Abs.2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

3.2. Die belangte Behörde hat sich in ihrem Bescheid nicht weiter damit auseinandergesetzt, aus welchem Grund sie von der Annahme ausgegangen ist, die Bw lebe in Haushaltsgemeinschaft. Sie hat jedoch die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs auf die Annahme, die Bw sei eine volljährige Person, die in Haushaltsgemeinschaft lebe, gestützt und nicht etwa auf der Grundlage, die Bw sei eine alleinstehende Person, entschieden.

Dem vorgelegten Akt angeschlossen ist ein Ausdruck des Internetauftritts der von der Bw in ihrer Berufung angegebenen Internetadresse "X". Aus diesem ergibt sich, dass drei Zimmer in W/L privat an Montagearbeiter (Zwischenmiete) von der Familie S vermietet werden. Die Einzelzimmer werden sowohl in Kurzzeitvermietung als auch in Langzeitvermietung mit eigener Waschmöglichkeit, Waschbecken, Dusche und WC angeboten. Inkludiert ist auch die Benützung eines Aufenthaltsraums, einer Internetecke und einer kostenlosen Küchenbenützung.

 

In ihrem Vorlageschreiben führt die belangte Behörde aus, die Zimmer, die von der Familie S vermietet würden, würden nur "Zwischenmietern" zur Verfügung stehen. Die Zimmer würden daher nicht langfristig vermietet und es gebe auch keinen Mietvertrag. Den Mietern der Zimmer stünden für die gemeinsame Nutzung eine Küche, eine Dusche, ein Umkleideraum und Toiletten zur Verfügung. Der Magistrat der Stadt Wels sei bei der Bescheiderlassung bei der Beurteilung des Sachverhalts von der konkreten Haushaltssituation ausgegangen und habe daher in der Berechnung für die Bw den Mindeststandard für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, herangezogen, weil sie über keine eigene Wohneinheit verfüge.

 

3.3. Dabei verkennt die belangte Behörde jedoch, dass das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft nach Kriterien zu beurteilen ist, die bereits vom Verwaltungsgerichtshof definiert wurden. So hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 26.09.2011, 2009/10/0265, ausgeführt, dass nach der (mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes übereinstimmenden) Judikatur (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 22. Dezember 2003, Zl. 2003/10/0216, mwN) das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand besteht, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtssprechung überragende Bedeutung zukommt.

Unter dem Begriff der "Wirtschaftsgemeinschaft" ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen.

 

Der in diesem Erkenntnis verwendete Begriff "Wirtschaftsgemeinschaft" deckt sich weitgehend mit dem nunmehr im Oö. BMSV verwendeten Begriff "Haushaltsgemeinschaft". So ergibt sich aus der Beilage 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtages XXVII. Gesetzgebungsperiode, B. Besonderer Teil, Zum 2. Hauptstück, Zu § 6, dass Ausgangspunkt und primärer Maßstab für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die soziale Notlage – ein Begriff, der aus § 7 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 übernommen wurde – ist. Durch Abs.1 wird deutlich gemacht, dass soziale Notlagen jeweils auf der Ebene eines Haushalts betrachtet werden. Das führt u.a. zum Ergebnis, dass in einem Mindestsicherungsverfahren eine allfällige soziale Notlage von Familienangehörigen, die in anderen Haushalten leben, keine Berücksichtigung finden kann, sondern nach Maßgabe der Problemstellung und der Ressourcen in deren Haushalt zu beurteilen ist.

Die Definitionen des Lebensunterhalts (Abs.2) und Wohnbedarfs (Abs.3) folgen der Systematik der Artikel 15a B-VG Vereinbarung, bringen aber inhaltlich keine Änderung im Vergleich mit der bestehenden Rechtslage mit sich (§ 7 Abs.2 Oö. Sozialhilfegesetz 1998).

 

3.4. Damit aber ist klargestellt, dass der Begriff der "Haushaltsgemeinschaft" (§ 1 Abs.1 Z2 Oö. BMSV) sich an der Judikatur zum Oö. SHG 1998 orientiert und nach den bereits festgelegten Kriterien zur Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zu prüfen ist.

Zu diesem Zweck scheint die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Befragung der Bw ebenso wie weiterer Personen, die darüber Auskunft geben können, ob die Bw in einer Haushaltsgemeinschaft (siehe oben zitierte Judikatur zum Oö. SHG 1998) lebt, unumgänglich.

 

Erst nach Vorliegen dieses entscheidungsrelevanten Sachverhalts kann beurteilt werden, ob der Bw Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für alleinstehende Personen oder für Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, zu gewähren ist.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag.a Bergmayr-Mann

 

 

 

 

VwSen-560162/2/BMa/Hk vom 25. Mai 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Oö. BMSV §1 Abs1 Z2

 

 

Der Begriff der "Haushaltsgemeinschaft" (§ 1 Abs 1 Z 2 Oö. BMSV) orientiert sich an der Judikatur zum Oö. SHG 1998 und ist nach den bereits vom VwGH festgelegten Kriterien zur "Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft" zu prüfen.

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum