Linz, 30.05.2012
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn P M T, geb. x, L, S V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding, vom 25. April 2012, Zl.: VerkR96-572-2011-Mg/Hel, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch in Abänderung zu lauten hat:
"Sie haben am 30.01.2011, um 11:56 Uhr, in Pupping, auf der B130 bei km 4,150, als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen x, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h überschritten."
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 16 Euro auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - VStG.
Zu II.: § 64 Abs.1 u.2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
1.1. Mit diesen Ausführungen ist die Behörde erster Instanz – abgesehen von dem unverständlichen und im Telegrammstil gehaltenen Spruch - im Recht!
2. Dem tritt der Berufungswerber jedoch mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
2.1. Mit diesen Ausführungen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit der wider ihn verhängten Geldstrafe nicht aufzuzeigen. Vielmehr räumt er damit den Regelverstoß expressis verbis ein.
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier mit Blick auf den ausdrücklich unbestritten bleibenden Tatvorwurf unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding, Zl.: VerkR96-572-2011-Mg/Hel, sowie durch schriftliche Darstellung der Sach- u. Rechtslage gegenüber dem Berufungswerber im Wege seiner E-Mailadresse, derer er sich bei der Übersendung des Rechtsmittels an die Behörde erster Instanz bediente. Der h. Mitteilung wurde ein Luftbild mit der darin dargestellten Messsituation mit dem Hinweis angeschlossen, dass der Berufung voraussichtlich nicht zu folgen sein werde.
Trotz nochmaliger Urgenz blieb eine Reaktion seitens des Berufungswerbers auf das h. Schreiben aus.
5. Die Faktenlage:
An sich unbestritten ist, dass der Berufungswerber angeblich im bezeichneten Ortsgebiet eine mit jedenfalls mit weniger als 50 km/h fahrende Zugmaschine mit zwei Anhängern überholte, wobei er die Fahrgeschwindigkeit im besagten Ausmaß noch deutlich im Ortsgebiet überschritt.
Hier befand sich der Berufungswerber laut beigeschafftem Luftbild an der Messstelle noch etwa 100 Meter im Ortsgebiet, auf der Höhe von links und rechts knapp an die Straße angrenzenden Liegenschaften mit der Hausnummern 9 u. 27. Dies ist selbst auf dem frontal aufgenommenen Radarfoto gut zu erkennen.
Seiner Rechtfertigung gegenüber der Behörde erster Instanz zur Folge, habe er die beiden Anhänger erst im Verlaufe des Überholvorganges bemerkt und habe er aus diesem Grund die Fahrgeschwindigkeit entsprechend erhöht. Dass er dabei niemanden gefährdet hat ist jedoch für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Regelverstoßes unbeachtlich. Wenn der Berufungswerber behauptet, sich keiner Schuld bewusst zu sein, übersieht er dabei, dass selbst die Unkenntnis der Rechtsvorschrift ihn auch nicht vor der Strafe zu schützen vermöchte. Als unerfindlich erweist sich überhaupt wie der Berufungswerber zur Auffassung gelangen kann, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung trotz einbekannter Rechtswidrigkeit beim Überholen nicht strafbar sein sollte.
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 erster Fall, darf, falls die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.
Nach § 99 Abs.3a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, . . . . .
Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Wenn der Berufungswerber die Ansicht zu vertreten scheint, sein Verhalten – der Überholentschluss und die dabei allenfalls erforderliche Geschwindigkeitsüberschreitung - sei nach § 6 VStG gerechtfertigt, übersieht er dabei, dass es nach der ständigen Rechtsprechung zum Wesen des Notstands gehört, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist (vgl. VwGH 20.4.2004, 2003/02/0076 mit Hinweis auf Walter/Thienel, a.a.O., S. 127, unter E 21 zu § 6 VStG angeführte Judikatur).
6.1. Die Spruchänderung diente der sprachlichen Klarstellung und inhaltlichen Präzisierung der Tatumschreibung iSd § 44a Z1 VStG. Zu bemerken ist, dass sich für den unbefangenen Betrachter die hier telegrammstilartige und mit dem Tatort, Tatzeit und Fahrzeugbenennung beginnende Umschreibung des Fehlverhaltens, die Lesbarkeit und das Verständnis des strafbaren Geschehens im Grunde deutlich erschwert. Dies gelangt immer wieder in diversen Rechtsmitteln Betroffener zum Ausdruck. Als überflüssig erweist sich insbesondere auch der Hinweis auf den Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz zu Gunsten des Betroffenen. Dieser Hinweis kann allenfalls zur Information in die Entscheidungsbegründung einfließen.
Die Behörden erster Instanz sollten zumindest im sogenannten ordentlichen Verfahren (im Straferkenntnis), den Tatvorwurf nicht in der wenig aussagekräftigen, wenngleich im sogenannten VStV-Lückentextsystem offenbar nicht besser fassbaren Formulierung unreflektiert übernehmen, sondern diesen in einem für den Bürger sprachlich lesbaren und allgemein verständlichen Stil neu verfassen.
6.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.3. Insbesondere im Falle von Geschwindigkeitsüberschreitungen in Ortsgebieten geht in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einher. Daher muss derartigen Übertretungen durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden. Die nachteiligen Folgen einer wie hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung sind empirisch darin zu erblicken, dass sich der Anhalteweg gegenüber der erlaubten Fahrgeschwindigkeit mit 28,13 m im Gegensatz zu der hier gefahrenen Geschwindigkeit auf immerhin 54 m verlängert. Dieser Schlussfolgerung wird eine als realistisch anzunehmende Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2 und eine Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden zu Grunde gelegt. Die Stelle, an der das Fahrzeug aus 50 km/h zum Stillstand gelangt, wird bei der hier gemessenen Geschwindigkeit noch knapp mit der Ausgangsgeschwindigkeit, nämlich mit etwa 71 km/h durchfahren (Berechnung mittels Analyzer Pro 4.5).
Der erstbehördlichen Straffestlegung mit 80 Euro kann daher mit Blick auf die oben genannten Überlegungen nicht entgegengetreten werden. Vor diesem Hintergrund ist die hier ausgesprochene als sehr milde bemessen zu erachten bzw. könnte in diesem Strafausspruch selbst bei dem vom Berufungswerber unrealistisch niedrig dargestellten Einkommen von nur 1.200 Euro in Verbindung mit dem Milderungsgrund dessen bisheriger Unbescholtenheit ein Ermessensfehler der Behörde erster Instanz jedenfalls nicht erblickt werden.
Dieses Strafausmaß ist insbesondere auch aus generalpräventiven Überlegungen als Signal an die Schnellfahrer an sich – selbst wenn es sich wie hier nur auf den Überholvorgang bezog - dennoch geboten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r