Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401185/8/SR/Jo

Linz, 29.05.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, tunesischer Staatsangehöriger, derzeit Polizeianhaltezentrum X (PAZ), wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, Rechtswidrigkeit der Festnahme und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit dem 27. April 2012 durch den Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird      festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die   Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei          Bezirkshauptmann von Ried) den notwendigen         Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen      bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 49/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Bescheid vom 25. April 2012, Zl. Sich41-27-2012, ordnete die belangte Behörde auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Den Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung in eine für den Bf verständliche Sprache übersetzt wurde, hat der Bf am 26. April 2012 übernommen. Am 27. April 2012 wurde der Bf zum Vollzug der Schubhaft in das PAZ der Bundespolizeidirektion X überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid, dem Beschwerdevorbringen und der Aktenlage ergibt sich der folgende Sachverhalt:

 

Der Bf, laut eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Tunesien, verließ am 22. März 2011 aus wirtschaftlichen Gründen seinen Herkunftsstaat und reiste mit dem Boot nach Italien. Nach mehrmaliger erkennungsdienstlicher Behandlung stellten die italienischen Behörden dem Bf aus humanitären Gründen am 14. April 2011 eine bis 14. Oktober 2011 gültige Aufenthaltskarte (permesso di soggiorno) aus.

 

Ende April, Anfang Mai 2011 reiste der Bf über die Schweiz nach Deutschland. Im Zuge einer Kontrolle wurde der Bf von Beamten der Polizeistation X aufgegriffen. Dabei wies sich der Bf mit einem italienischen Aufenthaltstitel (sogenannte Berlusconi-Karte [Amnestie von Berlusconi für tunesische Flüchtlinge]) aus. Wegen fehlender Unterhaltsmittel wurde der Bf am 2. Mai 2011 mit dem Flugzeug nach Italien abgeschoben. Seinen Angaben zufolge begab sich der Bf zwischen dem 10. und 20. Mai 2011 nach X, verbrachte dort ca. eine Woche und reiste anschließend nach X weiter.

 

Weder in Italien noch in den durchreisten Staaten stellte der Bf einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Die erstmalige Antrags-stellung erfolgte in der Schubhaft in Kenntnis der bevorstehenden Abschiebung nach Tunesien.

 

Laut Angaben des Bf verlor er in X am 20. oder 21. Mai 2011 das ihm von den italienischen Behörden ausgestellte "Reisedokument".

 

Kurz nach seiner Ankunft in X wurde der Bf erstmals am 31. Mai 2011 nach dem SMG angezeigt. In der Folge wurde er neuerlich am 17. Juli 2011 nach dem SMG festgenommen und bis zum 26. August 2011 im gerichtlichen Gefangenenhaus angehalten.

 

Trotz Kenntnis des laufenden fremdenpolizeilichen Verfahrens gab der Bf nach der Entlassung aus der Haft seinen Aufenthaltsort nicht bekannt und hielt sich bis zum 8. September 2011 im Untergrund in X auf.

 

Am 29. August 2011 erließ der Polizeipräsident von X gegen den Bf eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbot. Mit 14. September 2011 erwuchs dieses in Rechtskraft.

 

Aufgrund eines neuerlichen Verstoßes gegen das SMG wurde der Bf am 8. September 2011 festgenommen, über ihn die Untersuchungshaft verhängt und er in der Folge verurteilt. Infolge der Rechtskraft der Verurteilungen verbüßte der Bf bis zum 27. April 2012 seine Haftstrafen (Urteile siehe Punkt 1.3.).

 

In Österreich kam der Bf zu keinem Zeitpunkt seiner Meldeverpflichtung nach.

 

Am 10. Jänner 2012 wurde der Bf im Stande der Strafhaft in die JA X im Innkreis verlegt.

 

Mit Schreiben vom 21. Februar 2012 teilte der Verein Menschenrechte Österreich mit, dass der Bf vor seiner Festnahme in Österreich in Italien aufhältig gewesen sei und freiwillig nach Italien ausreisen wolle. Eine Anmeldung zur freiwilligen Rückkehr (nach Italien) erfolgte am 1. März 2012.

 

Am 2. April 2012 teilte die JA X telefonisch mit, dass der Bf am 27. April 2012 vorzeitig bedingt entlassen werde. Der Protokolls- und Beschlussvermerk des LG Ried im Innkreis vom 2. April 2012, 25 BE 72/12 x, langte am 12. April 2012 bei der belangten Behörde ein.

 

Die Zuteilung eines Rechtsberaters der "ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe" erfolgte am 16. April 2012.

 

Bei der niederschriftlichen Befragung am 17. April 2012 schilderte der Bf gegenüber der belangen Behörde seine Reisebewegungen (siehe Punkt 1.3.), gab Auskünfte über seine persönlichen Verhältnisse und brachte vor, dass er eine Abschiebung nach Tunesien ablehne, weil er dort große wirtschaftliche Probleme habe. Politische oder religiöse Schwierigkeiten habe er nicht. Eine freiwillige Rückkehr nach Tunesien komme für ihn nicht in Frage. Nach Rücksprache mit der Rechtsberaterin hielt der Bf fest, dass er von einer Asylantragsstellung ausdrücklich absehe.

 

Abschließend wurde dem Bf eine vollständige Schubhaftinformation in arabischer Sprache ausgefolgt.

 

Am 17. April 2012 ersuchte die belangte Behörde das BMI um Beschaffung eines Heimreisezertifikates.

 

Mit Schreiben vom 18. April 2012 wurde der Bf von seiner Ausreiseverpflichtung und der Möglichkeit, auf freiwilliger Basis in den Herkunftsstaat zurückkehren zu können, in Kenntnis gesetzt.

 

1.3. Mit Bescheid vom 25. April 2012, GZ Sich41-27-2012, ordnete die belangte Behörde auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 1 FPG gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an.

 

Einleitend nahm die belangte Behörde Bezug auf die einschlägigen Bestimmungen und stellte ausführlich den relevanten Sachverhalt dar.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der niederschriftlichen Einvernahmen durch die Bundespolizeidirektion Wien am 22. September 2011 sowie durch die belangte Behörde am 17. April 2012 stehe folgender Sachverhalt fest:

 

Der Bf besitze nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sei tunesischer Staatsangehöriger und somit Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG.

 

Nach eigenen Angaben habe er den Heimatstaat Tunesien aus Anlass des Regierungssturzes am 22. März 2011 verlassen und sei per Boot ohne Papiere nach X gereist, wo er am selben Tag angekommen und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Am 26. März 2011 sei er nach X gebracht worden. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt. Nach neuerlicher erkennungsdienstlichen Behandlung sei ihm am 14. April 2011 in X, Italien, aus humanitären Gründen ein permesso di soggiorno, gültig bis 14. Oktober 2011, ausgestellt worden. Zudem habe ihm Italien am 14. April 2011 einen Pass ausgestellt, mit dem er in 27 europäische Staaten reisen habe können. In diesem Verfahren habe er den italienischen Behörden seine tunesische Geburtsurkunde nachgereicht. Ende April 2011/Anfang Mai 2011 habe der Bf Italien verlassen, sei vorerst in die Schweiz und nach ca. einer Woche Aufenthalt nach X in Deutschland gereist. Ca. 5 bis 6 Tage später habe der Bf den Zug bestiegen und sei damit nach X gefahren. Dort sei er zwischen 10. und 20. Mai 2011 angekommen. Etwa am 20. oder 21. Mai 2011 habe er in X das italienische Reisedokument verloren. Nach sieben Tagen Aufenthalt in X sei er nach X weitergereist.

 

Weder in der Schweiz noch in Deutschland habe der Bf einen Asylantrag eingebracht.

 

Am 31. Mai 2011 sei der Bf erstmals in X nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt und am 17. Juli 2011 nach dem SMG festgenommen worden. Bis zum 26. August 2011 habe sich der Bf in Gerichtshaft befunden.

 

Mit Bescheid vom 29. August 2011 habe die BPD Wien gegen den Bf eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem auf 5 Jahre befristeten Einreiseverbot, erlassen. Dieser Bescheid sei am 31. August 2011 durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zugestellt worden und am 14. September 2011 in Rechtskraft erwachsen. Die Hinterlegung sei erforderlich gewesen, da der Bf im Verfahren die Änderung Ihrer Abgabestelle nicht bekanntgegeben habe.

 

Am 8. September 2011 sei der Bf in X neuerlich nach dem SMG festgenommen worden. Seither befinde er sich durchgehend in Gerichtshaft.

 

Im Bundesgebiet scheinen gegen den Bf folgende Vorstrafen auf:

1) LG für Strafsachen Wien vom 26. August 2011, Zahl 81 Hv 88/2011 w, wegen § 27 Abs. 1 Ziffer 1 achter Fall und Abs. 3 SMG: 5 Monate Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen (rechtskräftig seit 26. August 2011).

2) LG für Strafsachen Wien vom 25. November 2011, Zahl 081 Hv 110/11f, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Ziffer 1 achter Fall und Abs. 3 SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs. 1 Ziffer 1 achter Fall und Abs. 3 SMG: 7 Monate Freiheitsstrafe (rechtskräftig seit 29. November 2011).

 

Zwischen 26. August 2011 und 08. September 2011 habe der Bf in X, neben dem X bei der X, gemeinsam mit einem anderen Tunesier von einem Ägypter eine Dachgeschoßwohnung gemietet und dort unangemeldet Unterkunft genommen. Die genaue Adresse könne der Bf nicht nennen. Der Mitbewohner, ein Landsmann heiße X und sei ebenfalls verurteilt worden.

 

Am 10. Jänner 2012 sei der Bf im Stand der Strafhaft in die Justizanstalt X überstellt worden. Am 27. April 2012 werde der Bf vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen.

 

Zu den persönlichen Verhältnissen habe der Bf ausgeführt, dass er ledig sei und keine Kinder habe. In Österreich hielten sich keine Verwandten auf, in Italien und Frankreich würde jeweils ein Bruder leben. Im Bundesgebiet habe er nicht gearbeitet, würde keinen gültigen tunesischen Reisepass besitzen und an Barmittel verfüge er derzeit über 0,39 Euro.

 

Auf den Vorhalt am 17. April 2012, dass der Bf mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen, von der belangten Behörde ein Heimreisezertifikat besorgt und er in den Herkunftsstaat Tunesien abgeschoben werde, habe der Bf zu Protokoll gegeben, dass er eine Abschiebung nach Tunesien ablehne, weil er dort große wirtschaftliche Probleme habe. Politische oder religiöse Probleme habe er in seinem Herkunftsstaat hingegen nicht. Eine freiwillige Rückkehr nach Tunesien sei für ihn kein Thema.

 

Ausdrücklich erklärte der Bf, keinen Asylantrag stellen zu wollen. Er rechne damit, dass er nach 2 bis 3 Wochen aus der Schubhaft entlassen werde und nach Italien zurückkehren könne.

 

Mit Bescheid vom 20. April 2012, Zahl III-1311639/FrB/12 habe die Bundespolizeidirektion Wien eine Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum, gegen den Bf erlassen. Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die rechtswirksame Zustellung des Bescheides sei am 20. April 2012 erfolgt und die Durchsetzbarkeit trete mit Beendigung des Vollzuges der Freiheitsstrafe ein.

 

Die Voraussetzungen für eine Zurückschiebung nach Italien lägen nicht vor, mit der Rückkehrentscheidung sei eine Ausreiseverpflichtung in einen Drittstaat verbunden.

 

Zur Schubhaftverhängung sei dem Bf am 16. April 2012 Rechtsberatung durch eine Vertreterin der ARGE Rechtsberatung gewährt worden.

 

Bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhaltes bestehe ernsthaft die Gefahr, dass sich der Bf mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die angeführten fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder wesentlich erschweren werde. Ein konkreter Sicherungsbedarf liege nun insofern vor, als sich der Bf illegal in Österreich aufhalte und im Bundesgebiet keine relevanten familiären, beruflichen oder sozialen Anknüpfungspunkte aufweise. Von Rückkehrbereitschaft könne überhaupt keine Rede sein. In X habe der Bf an einer nicht näher feststellbaren Adresse unangemeldet Unterschlupf bezogen, um auf kriminelle Weise die Mittel für seinen Lebensunterhalt aufzutreiben.

 

Der Zweck der Schubhaft könne dabei durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG nicht erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu befürchten wäre, dass der Bf in die Anonymität untertauchen und sich der Abschiebung entziehen werde. Bei der Nichtanwendung des gelinderen Mittels wäre vor allem darauf Bedacht zu nehmen, dass im Bundesgebiet jegliche soziale, berufliche oder familiäre Verankerung fehle und der Bf rückkehrunwillig sei. Abgesehen von einer allfälligen Entlassungshilfe besitze der Bf auch keine eigenen Mittel. Ein Antrag auf Ausstellung eines tunesischen Heimreisezertifikats sei bereits gestellt worden. In absehbarer Zeit sei mit der Übermittlung des Passersatzdokuments zu rechnen.

In diesem Sinne habe sich die Fluchtgefahr verdichtet, da der Bf zeitnah mit Abschiebung rechnen müsse.

Angesichts des bisherigen spezifischen Verhaltens des Bf und seines Vorbringens könne nicht davon ausgegangen werden, dass er sich im Rahmen eines gelinderen Mittels tatsächlich verfügbar halte oder eine Meldepflicht bei der Polizei verlässlich einhalten würde.

Im konkreten Fall könne speziell auch das Suchtgiftmilieu ein Untertauchen wesentlich erleichtern.

Im Übrigen würden die vom Bf begangenen Straftaten die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen lassen und könne von einem rechtskonformen Verhalten also keine Rede sein. Bei entsprechender Delinquenz erfahren die öffentlichen Interessen an einer effizienten Außerlandesschaffung eine maßgebliche Verstärkung. Es sei daher ernsthaft zu befürchten, dass der Bf mit Beendigung der Strafhaft untertauchen werde.

 

Der aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 1 FPG dringend gebotenen Abschiebung könne zielführend nur mit Schubhaft begegnet werden. Auf Grund des Vorbringens des Bf sei auch nicht anzunehmen, dass er seiner Verpflichtung zur legalen Ausreise in den Herkunftsstaat freiwillig nachkommen werde (§ 46 Abs. 1 Z. 3 FPG). Einzelfallbezogen sei daher insgesamt ein konkreter Sicherungsbedarf und die Notwendigkeit der Schubhaft gegeben.

 

Nach der Verhältnismäßigkeitsprüfung gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit des Bf im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht. Die öffentlichen Interessen an der Sicherung seiner Abschiebung würden wesentlich schwerer wiegen als die privaten Interessen des Bf an der Schonung der persönlichen Freiheit.

 

1.4. In der Zeit vom 1. Mai bis zum 2. Mai 2012 befand sich der Bf im Hungerstreik.

 

Am 4. Mai 2012 teilte die Rechtsberatung der belangten Behörde mit, dass der Bf seine Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr widerrufen habe und am 10. Mai 2012 brachte der Bf im Stande der Schubhaft einen Asylantrag ein.

 

Bei der Erstbefragung nach dem AsylG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Bf am 10. Mai 2012 aus, dass er den Asylantrag nur stelle, um schneller nach Italien zu kommen. Nach Tunesien wolle er auf keinen Fall abgeschoben werden.

Abweichend von den bisherigen Reisebeschreibungen machte der Bf nunmehr teilweise genauere zeitliche Angaben (Abreise aus Italien am 17. April 2011), verkürzte jedoch die Aufenthaltsdauer in der Schweiz, in Deutschland und in X um einige Tage und verlegte die Ankunft in X auf Ende Mai 2011.

Als Fluchtgrund führte der Bf den Umsturz und die schlechte Lage in Tunesien an. Politische Probleme oder Probleme mit der Polizei habe er nicht. Er wolle jedenfalls nie mehr nach Tunesien zurückkehren.

 

Im Aktenvermerk vom 10. Mai 2012 hielt die belangte Behörde fest, dass die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG vorliegen und die Schubhaft als gemäß     § 76 Abs. 2 FPG verhängt gelte.

 

Aufgrund der Vollmacht vom 9. Mai 2012 begehrte die Volkshilfe am 10. Mai 2012 Akteneinsicht.

 

Am 20. Mai 2012 trat der Bf neuerlich in Hungerstreik. Diesen hat er bis dato nicht beendet.

 

Über Ersuchen der belangten Behörde vom 16. Mai 2012 wurde der Bf am 21. Mai 2012 vom nunmehrigen Anhaltegrund (§ 76 Abs. 2 Z. 3 und 4 FPG) niederschriftlich informiert.

 

2.1. Mit der am 22. Mai 2012 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten, per Post (Poststempel X, 16. Mai 2012) übermittelten Eingabe vom 9. Mai 2012 erhob der Bf "Beschwerde gemäß § 82 FPG idgF" und stellte die Anträge, den Schubhaftbescheid, die Festnahme und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, die Verfahrenskosten zu ersetzten und in eventu die Anordnung eines gelinderen Mittels zu verfügen. Ausdrücklich wurde im Schriftsatz auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Einleitend gibt der Bf unter "Sachverhalt" den von der belangten Behörde festgestellten relevanten Sachverhalt und deren Erwägungen zum Sicherungsbedarf und der Verhältnismäßigkeitsprüfung wieder, wobei die Sachverhaltsfeststellungen vom Bf nicht in Frage gestellt werden.

 

Die Schubhaftverhängung und die Anhaltung werden als rechtswidrig angesehen. Begründend bringt der Bf dazu vor, dass er sich seines illegalen Aufenthaltes und der Verpflichtung, Österreich zu verlassen, bewusst sei. Da er sich seit der Erlassung des Bescheides der BPD Wien vom 20. April 2012, GZ III-1311636/FrB in Strafhaft befinde, habe er nachweislich seiner Ausreiseverpflichtung (die ihm durch die rechtskräftige Rückkehrentscheidung auferlegt worden sei) nicht nachkommen können. Das strafrechtliche Fehlverhalten bereue er, aus seinen Fehlern habe er gelernt und nunmehr beabsichtige er einen ordentlichen Lebenswandel zu führen.

 

Nach allgemein gehaltener Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses, Verhältnismäßigkeitsprüfung, ultima ratio der Schubhaft) bringt der Bf ohne ein konkretes Vorbringen zu erstatten vor, dass ein Sicherungsbedarf nicht bestehe, weil er sich den fremdenpolizeilichen Verfahren und Maßnahmen nicht entziehen werde. Die Schubhaft erweise sich als rechtswidrig, weil gelindere Mittel angewendet werden hätten können. Er wäre einer Meldeverpflichtung bzw. einer anderen Art des gelinderen Mittels nachgekommen.

 

2.2. Am 22. Mai 2012 teilte die belangte Behörde per E-Mail mit, dass sich die Anhaltung des Bf, der am 10. Mai 2012 einen Asylantrag gestellt habe, auf § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG stützte und auch die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG vorliegen würden. Die Gegenschrift und der Verwaltungsakt würden auf dem Postweg übermittelt.

 

Dem E-Mail wurde der Schubhaftbescheid vom 25. April 2012 angeschlossen.

 

Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 übermittelte die belangte Behörde den von ihr geführten Fremdenakt, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Einleitend führte die belangte Behörde aus, dass der Bf seit dem 27. April 2012 um 08.00 Uhr im PAZ X in Schubhaft angehalten werde. Die Schubhaft sei zunächst auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt worden. Seit der Einbringung des Asylantrages am 10. Mai 2012 basiere die Anhaltung auf § 76 Abs. 2 FPG (Hinweis auf den AV –ON 75). Jedenfalls würden die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG vorliegen. Darüber hinaus könne davon ausgegangen werden, dass der Asylantrag des Bf mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werde und auch der Anhaltegrund gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG vorliege.

 

Hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts, der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sowie der Nichtanwendung gelinderer Mittel werde, um Wiederholungen zu vermeiden, vorweg auf die ausführliche Begründung des Schubhaftbescheides verwiesen.

 

Dem Beschwerdevorbringen werde insofern entgegen getreten, als ein akuter Sicherungsbedarf bestehe. Daran könne auch der aus der Schubhaft heraus gestellte Asylantrag nichts ändern. Keineswegs könne mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen zur Erreichung des Sicherungszwecks gefunden werden, so dass die Anhaltung sehr wohl eine "ultima ratio"-Maßnahme darstelle. Wegen des spezifischen Verhaltens des Bf und seines Vorbringens bestehe weiterhin Grund zur Annahme, dass er sich bei Abstandnahme oder Aufhebung der Schubhaft dem Verfahren bzw. der Außerlandesschaffung entziehen werde: Zunächst sei festzustellen, dass sich der Bf, ein tunesischer Staatsangehöriger, seit seiner Einreise im Mai 2011 an keinem ordentlichen Wohnsitz polizeilich angemeldet habe. Obwohl er sich nach Entlassung aus der ersten Gerichtshaft am 26. August 2011 bereits rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe (Aufenthalt von mehr als drei Monaten im Bundesgebiet, Mittellosigkeit, in Verlust geratenes Reisedokument), sei der Bf seiner Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich nicht nachgekommen. Vielmehr habe er wiederum an einer nicht näher feststellbaren Adresse in X Unterschlupf bezogen. Hinzu komme, dass er im ersten Verfahren der BPD Wien zur Erlassung der Rückkehrentscheidung die Änderung der Abgabestelle nicht bekannt gegeben habe. Auch die beiden einschlägigen Verurteilungen ließen auf mangelndes rechtskonformes Verhalten schließen.

 

Bei dem Bf bestehe unbestritten keine Rückkehrbereitschaft in den Herkunftsstaat. Trotz entsprechender Aufforderung habe er sich nicht zur freiwilligen Rückkehr nach Tunesien angemeldet und dies auch anlässlich seiner Vernehmung dezidiert ausgeschlossen.

 

Die belangte Behörde vertrat in der Folge den Standpunkt, dass der Asylantrag am 10. Mai 2012 vorwiegend aus taktischen Gründen gestellt worden ist, um die zeitnah bevorstehende Abschiebung nach Tunesien zu vereiteln. Der Antrag sei nicht etwa unmittelbar nach der Einreise aus eigenem gestellt, sondern erst viel später und erst nach dem fremdenpolizeilichen Einschreiten. Maßgebliche Fluchtgründe dürften nicht vorliegen, habe doch der Fremde noch am 17. April 2012 zu Protokoll gegeben, keine politischen oder religiösen Probleme im Herkunftsland zu haben. Selbst bei der asylrechtlichen Erstbefragung habe er ausgeführt, in Tunesien weder politische Probleme noch Probleme mit der Polizei zu haben.

 

Im Fall der Abstandnahme bzw. Aufhebung der Schubhaft sei einzelfallbezogen zu fürchten, dass er sich nicht verfügbar halte, sondern entweder neuerlich in Österreich in die Anonymität untertauche – wie schon zuvor im August 2011 - oder illegal in einen anderen Mitgliedstaat der EU oder in die Schweiz weiterreise. Angesichts der Straffälligkeit in Österreich und der hier getroffenen Rückkehrentscheidung könne der Fremde auch in keinem anderen EU-Staat mehr mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels rechnen. Die Asylgewährung sei – wie oben dargelegt - unwahrscheinlich.

 

Im Hinblick auf die besonderen öffentlichen Interessen an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sei die Anhaltung in Schubhaft jedenfalls verhältnismäßig.

 

3.1. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche (unstrittige) Sachverhalt hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Darüber hat keine der Parteien einen Verhandlungsantrag gestellt und wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Bf ausdrücklich abgelehnt.

 

3.2. Der Bf hat die Sachverhaltsfeststellungen nicht bestritten. Im Hinblick auf den vorliegenden relevanten Sachverhalt ist den Absichtserklärungen des Bf nicht zu folgen. Die allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen, wonach sich der Bf den behördlichen Maßnahmen nicht entziehen werde und auch gelinderen Mitteln Folge leisten würde sind im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Bf nicht glaubhaft und stehen darüber hinaus auch mit seinen bisherigen Aussagen eindeutig in Widerspruch. Anzumerken ist auch, dass der Bf wesentliche Sachverhaltselemente (Abschiebung von Deutschland nach Italien) verschwiegen und damit seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt hat

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 112/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Es ist unbestritten, dass der Bf von der belangten Behörde seit dem 27. April 2012 in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

4.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG oder zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen, wenn

1. wenn gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare "Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot" erlassen worden ist oder

4. auf Grund der Ergebnisse der Befragung anzunehmen ist, dass der antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne vorausgegangener Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenzen hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird (§ 77 Abs. 4 FPG).

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 FPG vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von 10 Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung - in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die zum Entlassungszeitpunkt des Bf durchsetzbare Rückkehrentscheidung (Bescheid des Polizeipräsidenten von Wien vom 20. April 2012, GZ III-1311639/FrB/12, zugestellt am 20. April 2012 – Ausschluss der aufschiebenden Wirkungen einer allfälligen Berufung, rechtskräftig seit 5. Mai 2012) mit Recht auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 1 FPG abgestellt.

 

Unbestritten hält sich der Bf seit seiner Einreise illegal im Bundesgebiet auf.

 

Bereits während der Strafhaft des Bf nahm die belangte Behörde unter Inanspruchnahme des BMI mit der Vertretungsbehörde des Bf Kontakt auf, um zeitgerecht ein Heimreisezertifikat für den Bf zu erlangen. Zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung und Schubhaftverhängung konnte sie ganz zeitnah mit der Abschiebung des Bf rechnen.

 

Zu Recht bringt der Bf vor, dass die Schubhaft verhältnismäßig sein muss und ein Sicherungsbedarf vorausgesetzt ist. Die allgemein gehaltene Beschwerdebegründung ist jedoch nicht geeignet, die zutreffende Argumentation der belangten Behörde zu erschüttern und die ihre Darlegungen (Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit) in Frage zu stellen.

 

Auch wenn der Bf während der Schubhaft einen Asylantrag gestellt hat und schon durch die Antragstellung alleine eine politische Verfolgung im Herkunftsstaat geltend machen will, zeigt das bisherige Verhalten und Vorbringen gerade nicht auf eine derartige Verfolgung hin. Dezidiert wurde der Antrag von ihm nur gestellt, um eine Abschiebung nach Tunesien hintanzuhalten und um eine nach Italien zu erreichen.

 

Wie der Bf selbst ausführte, ist er aus seinem Heimatland nur aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist. Obwohl ihm Italien aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht zugestanden hat, schien dies dem Bf nicht ausreichend zu sein. Nur so ist zu erklären, dass er trotz gesicherter Versorgung Italien verlassen und sich über die Schweiz und Deutschland nach Österreich begeben hat. Im Verfahren verschwieg der Bf auch, dass er in Deutschland aufgegriffen und aufgrund seiner Mittellosigkeit am 2. Mai 2011 nach Italien abgeschoben worden ist. Nach seiner Ankunft in Österreich hielt sich der Bf, abgesehen von den Zeiten, in denen er in Gewahrsam war, durchgehend in der Illegalität auf. Das weitere Verhalten des Bf in Österreich und die wiederholten Verstöße gegen das SMG zeigen auf, dass der Bf weder an der Legalisierung seines Aufenthaltes in Österreich interessiert war noch um Schutz vor Verfolgung ansuchen wollte. Das erkennbare Bestreben des Bf war ausschließlich darauf ausgerichtet, sich den Lebensunterhalt durch illegale Betätigungen zu sichern. Dabei spielte für ihn die Sozialschädlichkeit der Suchtgiftkriminalität keine Rolle. Die Gleichgültigkeit des Bf, dass der Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen führt, ist auch daran zu erkennen, dass es bei ihm selbst nach der erstmaligen Anzeigeerstattung und Festnahme zu keinem Sinneswandel gekommen ist.

 

Die illegalen Aufenthalte in den durchreisten Staaten, das Meiden von Behördenkontakten, trotz Kenntnis eines laufenden Verfahrens die Nichtbekanntgabe einer Abgabestelle bzw. einer Kontaktadresse, das wiederholte Untertauchen, die Weigerung freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren und der mehrmalige Hungerstreik lassen eindeutig erkennen, dass der Bf mit allen Mitteln versuchen werde, eine Abschiebung zu verhindern.  

 

Insgesamt ist zu ersehen, dass der Bf an einem inhaltlich geführten Asylverfahren kein Interesse zeigt und nur an einem Weiterverbleib in von ihm ausgesuchten europäischen Staaten interessiert ist.  

 

Grundsätzlich rechtfertigt schon das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet das Risiko des Untertauchens und deutet auf einen konkreten Sicherungsbedarf hin. Im gegenständlichen Fall fehlen diese Anknüpfungspunkte gänzlich. Da der Bf eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verhindern möchte (Stellung eines Asylantrages um allenfalls nach Italien abgeschoben zu werden) und ein neuerliches Abtauchen in die Anonymität zu befürchten ist, bestand und besteht schon aus diesen Gründen ein konkretes Sicherungsbedürfnis. Verstärkt wird dieser Sicherungsbedarf durch die erhebliche Delinquenz des Bf.

 

Abgesehen vom vorliegenden konkreten Sicherungsbedürfnis ist die Anhaltung in Schubhaft auch verhältnismäßig und das Ziel erreichbar.

 

Die belangte Behörde hat bezogen auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles von der Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 FPG mit Recht Abstand genommen. Der Bf wird voraussichtlich weiterhin alles unternehmen, um die Abschiebung zu vereiteln. Durch das schon bisher unkooperative Verhalten des Bf ist nicht damit zu rechnen, dass er sich freiwillig zur Verfügung halten werde.

 

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens rechtfertigt eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen. Die Schubhaft erscheint auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verhältnismäßig.

 

Die belangte Behörde ist weiters verpflichtet, die Schubhaft nur so kurz wie möglich zu halten und darf diese darüber hinaus nur aufrechterhalten, wenn der Grund für ihre Anordnung nicht weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Darüber hinaus darf sie außer den gesetzlich bestimmten Fällen insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. § 80 Abs. 5 FPG sieht vor, dass die Schubhaft, die in den Fällen des § 76 Abs. 2 oder 2a FPG verhängt wurde, bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z. 1 bis 3 vor.

 

Wie aus den getroffenen Feststellungen hervorgeht, hat die belangte Behörde darauf hingewirkt, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Im vorliegenden Fall wird die Schubhaft knapp einen Monat aufrecht erhalten. Weder aus dem Vorbringen des Bf noch aus der Aktenlage ist zu ersehen, dass die belangte Behörde ihrer Verpflichtung, die Schubhaft so kurz wie möglich zu gestalten, nicht nachgekommen wäre.

 

Der Oö. Verwaltungssenat kann keine aktenkundigen Anhaltspunkte erkennen, wonach es auf Grund fremdenpolizeilicher Versäumnisse zu unangebrachten Verzögerungen gekommen wäre.

 

Die hervorgekommenen Verzögerungen hat ausschließlich der Bf zu vertreten. Mit der Asylantragstellung hat der Bf ein rechtliches Hindernis geschaffen, der es der belangten Behörde vorerst nicht ermöglicht, die Abschiebung des Bf durchzusetzen. Dass der Bf damit nur Zeit gewinnen wollte, ergibt sich nicht nur aus den im Asylverfahren angefertigten Protokollen sondern auch daraus, dass der Bf gegenüber der belangten Behörde im fremdenpolizeilichen Verfahren eine Asylantragsstellung dezidiert ausgeschlossen hat.

 

Der aus der Sicht des Bf geschickt gewählte Zeitpunkt der Asylantragstellung ändert nichts an der Zulässigkeit der Maßnahme. Zu Recht hat sich die belangte Behörde auf § 76 Abs. 6 und § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG bezogen.

 

Vor der Stellung des Asylantrages lag (zumindest) eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor. Die Anhaltung des Bf ist weiterhin notwendig und verhältnismäßig um zumindest das Verfahren zur Erlassung einer asylrechtlichen Ausweisung zu sichern, da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nach wie vor zu befürchten ist, dass sich der Bf den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde, sollte er sich in Freiheit befinden.

 

Wie die belangte Behörde auch richtig ausgeführt hat, stehen keine besonderen Umstände in der Person des Bf der Schubhaft entgegen. Da in der gegebenen Situation von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen ist, kommt beim Bf auch ein gelinderes Mittel nach § 77 FPG nicht in Betracht, zumal der Zweck der Schubhaft damit nicht erreichbar ist.

 

Im Ergebnis ist aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sowohl der Schubhaftbescheid, die Verhängung als auch die Aufrechterhaltung der Schubhaft des Bf rechtmäßig sind.

 

Gemäß dem § 83 Abs 4 FPG hatte der Oö. Verwaltungssenat daher auch festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt vorliegen.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren für die Beschwerde von insgesamt 14,30 Euro angefallen. Ein Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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