Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560134/33/BMa/Th

Linz, 09.05.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, vom 8. November 2011 gegen Spruchpunkt II des Bescheids des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Oktober 2011, 301-12-2/1ASJF, wegen Zuerkennung eines Betrages nach dem Oö. BMSG, abzüglich des Betrags der Unterhaltsleistung, auf die verzichtet wurde, und des Eigeneinkommens, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Spruchpunkt lautet: Es wird Ihnen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen in der Höhe von 160 Euro zur unmittelbaren erforderlichen Bedarfsdeckung für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Dezember 2011 und ab Mai 2012 gewährt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 49 und § 7 des Landesgesetzes mit dem das Gesetz über die bedarfsorientierte Mindestsicherung in Oberösterreich erlassen wird (Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG), LBGl. Nr. 74/2011


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Spruchpunkt II des in der Präambel angeführten Bescheides wurde wie folgt abgesprochen:

 

"Spruch II.

Es wird Ihnen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen ab 1.10.2011 wie folgt zuerkannt:

 

X, geb. X, Mindeststandard für Alleinstehende Personen gemäß § 1 Abs 1 Z 1 Oö. Mindestsicherungsverordnung in Höhe von € 821,50 abzüglich des Betrages der Unterhaltsleistung in Höhe von € 306,23 mtl., auf die verzichtet wurde und des Eigeneinkommens.

 

Rechtsgrundlagen: §§ 13, 27, 31 und 53 Oö. BMSG und § 1 Oö. BMSV"

 

1.2. Begründend wird zu Spruchpunkt II im Wesentlichen ausgeführt, für die erforderliche Bedarfsdeckung seien nach Angaben der Bw insgesamt 270 Euro zu berücksichtigen. Damit würden der Bw bei Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung in der für sie aufgrund des gegebenen Sachverhalts vorgesehenen Höhe monatlich 245,27 Euro für den restlichen Lebensunterhalt verbleiben. Damit sei die unmittelbare Bedarfsdeckung sicher gestellt. Abschließend wurde die Berechnung zur Festsetzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung ab 1.10.2011 in Höhe von 160 Euro monatlich dargestellt: "Dieser Betrag ergibt sich wie folgt:

Mindeststandard nach § 1 Abs 1 Z 1          € 821,50 (12 mal)

abzgl. des Eigeneinkommens in Höhe von € 355,27

abzgl. UH-Anteil, auf den verzichtet wurde € 306,23

Somit gesamt monatlich                             € 160,--"

 

1.3. Dieser Bescheid wurde gemäß der Aktenlage und zusätzlichen Erhebungen durch den Unabhängigen Verwaltungssenat X am 27. Oktober 2011 persönlich übergeben. Dagegen richtet sich die – rechtzeitige – Berufung vom
8. November 2011.

 

1.4. Die Berufung führt im Wesentlichen aus, die Bw sei zum Zeitpunkt der Scheidung von ihrem Exmann bedroht worden und mit der Situation nicht mehr klar gekommen. Ihr seien Antidepressiva und Halcion wegen ihrer Schlafstörungen verordnet worden. Dies habe ihre Denkweise eingeschränkt und sie habe befürchtet, ihr Ehegatte würde sich nicht scheiden lassen, wenn sie weiterhin auf dem Unterhalt bestehen würde. Abschließend wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheids aufgrund psychischer Einschränkung zum Zeitpunkt der Scheidung von ihrem Ehegatten gestellt (gemeint offensichtlich: weil sie auf ihren bereits bestehenden Unterhalt verzichtet hat).

 

Der Berufung angeschlossen wurde eine Bestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin, wonach ihr ein psychisches Belastungssyndrom wegen schwerwiegender Auseinandersetzungen mit ihrem Gatten ebenso wie die Verordnung eines Antidepressivums und Halcion bescheinigt wurden.

 

2. Die Berufung wurde von der belangten Behörde zuständigkeitshalber dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde und hat am 23. April 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die Bw in rechtsfreundlicher Vertretung und Vertreterinnen der belangten Behörde gekommen sind. Als Zeuge wurde über Antrag der Bw Mag. X von der Abteilung Soziales vom  Amt der Oö. Landesregierung geladen, auf seine Einvernahme wurde aber in der mündlichen Verhandlung von der Bw verzichtet.

Nachträglich wurden von der Bw mit Schreiben vom 8. Mai 2012 Bestätigungen der Dompfarre Linz vom 7. Mai 2012, der Caritas vom 24. April 2012 und ihrer Schwester vom 7. Mai 2012 vorgelegt.

Der belangten Behörde wurde dazu Parteiengehör eingeräumt. Von dieser wurde im Wesentlichen auf den Akteninhalt verwiesen und die Unterlagen wurden zur Kenntnis genommen. Weil sich aus dieser Stellungnahme keine neuen Aspekte ergeben haben, konnte die Einräumung von Parteiengehör zur Stellungnahme der belangten Behörde aus verfahrensökonomischen Gründen unterbleiben.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

 

Am 29. Dezember 2010 gab X beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz niederschriftlich an, sie habe zur Kenntnis genommen, dass sie, bevor Sozialhilfe in Anspruch genommen werden könne, bei Gericht den ihr zustehenden Unterhalt in aufrechter Ehe einzuklagen habe. Weiters nehme sie zur Kenntnis, dass sie bei Scheidung nicht auf Unterhaltszahlungen von Herrn X verzichten dürfe.

Noch am selben Tag brachte die Bw, in rechtsfreundlicher Vertretung, die Klage gegen den Ehegatten auf Unterhaltsleistung und den Antrag auf Auferlegung eines vorläufigen Unterhalts beim Bezirksgericht ein.

Am 5. Jänner 2011 gab die Bw niederschriftlich beim Amt für Soziales, Jugend und Familie des Magistrats der Landeshauptstadt Linz an, sie habe nachweislich beim Bezirksgericht den Unterhaltsanspruch in derzeit noch aufrechter Ehe und in weiterer Folge auch bei Scheidung eingeklagt.

Aus einem Aktenvermerk des Amts für soziale Angelegenheiten vom 3. Februar 2011 geht hervor, dass die Bw zum Amt gekommen sei und bekannt gegeben habe, sie sei geschieden und habe freiwillig auf Unterhalt verzichtet.

 

Gegen die durch ihre rechtsfreundliche Vertretung eingebrachte Unterhaltsklage vom 22.02.2011 erging am 19.05.2011 vom Bezirksgericht Linz eine abweisenden Entscheidung. Diesem Urteil liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

 

"Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Beklagten wurde am 26.01.2011 mit Urteil des BG Linz zu 5 C 23/10i gemäß § 49 EHeG rechtskräftig geschieden, wobei das alleinige Verschulden den Beklagten zugesprochen wurde.

 

In der Scheidungsverhandlung vom 26.01.2011 verzichtete die Klägerin ausdrücklich und trotz (protokollierter) Belehrung über eine mögliche Anfechtung wegen Sittenwidrigkeit gegenüber dem Beklagten auf alle Unterhaltsansprüche für jedweden Fall. Dieser Verzicht wurde auch für den Fall einer Gesetzesänderung, des Eintritts einer unverschuldeten Notsituation oder des Eintritts einer Änderung der Verhältnisse ausgesprochen. Im Zuge dieses Verzichtes wurde der klagenden Partei überdies die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Anfechtung wegen Sittenwidrigkeit) von der Richterin zur Kenntnis gebracht, worauf die Klägerin auch diesbezüglich ausdrücklich auf die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Beklagten verzichtete. Eine Belehrung des Beklagten über die unterhaltsrechtlichen Folgen eines ihm zugesprochenen Alleinverschuldens erfolgte nicht. Im Hinblick auf diesen Verzicht erklärte die Klägerin in der Scheidungsverhandlung außerdem, dass sie die zu 5 C1/11 f beim BG Linz anhängige Unterhaltsklage gegenüber dem Beklagten unter Anspruchsverzicht zurückzieht. In diesem Verfahren zog sie darüber hinaus – anwaltlich vertreten – die Unterhaltsklage mit Schriftsatz vom 03.02.2011 noch ausdrücklich zurück.

 

Der Beklagte übte vor der Verhandlung keinen Druck auf die Klägerin aus, vor allem nicht im Sinne einer Drohung mit massiven Konsequenzen oder körperlichen Übergriffen. Er sagte lediglich zur Klägerin, dass er ihr keinen Unterhalt zahlen wird, da er selbst kein Geld hat. Über einen Unterhaltsverzicht wurde vor der Verhandlung nicht gesprochen, zum Zeitpunkt der Scheidungsverhandlung hatte die Klägerin auch keine Angst vor dem Beklagten.

 

Der gesundheitliche Zustand der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nicht sehr gut. Die Klägerin war durch die eheliche Situation sehr belastet und nahm aus diesem Grund auch Medikamente. Sie wollte die Scheidung so schnell wie möglich hinter sich bringen und dachte aus diesem Grund in der Scheidungsverhandlung nicht darüber nach, was ein Unterhaltsverzicht bedeutet. Sie bekam die Ausführungen der Richterin aber mit, passte jedoch nicht wirklich auf, um aus dem ganzen herauszukommen. Eine mangelnde Einsicht- und Urteilsfähigkeit in dem abgegebenen Verzicht ist nicht feststellbar."

 

Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurden Erhebungen zum Einkommen der Bw getätigt. Aus den von ihr vorgelegten Kontoauszügen ist wiederholt ein Eigenerlag der Bw ersichtlich. Aus der Befragung des Schwiegersohns am 6. April 2012 bei der Abteilung Soziales des Amtes der Oö. Landesregierung ergibt sich, dass dieser der Bw monatlich bis April 2012 zwischen 400 Euro und 600 Euro geliehen hat.

Befragt zu den Eigenerlägen auf ihrem Kontoauszug gibt die Bw in der mündlichen Verhandlung am 23. April 2012 an, sie habe 1075 Euro im Oktober 2011 von ihrem Schwiegersohn bekommen, bei diesem habe sie Schulden in Höhe von insgesamt ca. 4000 Euro. Das restliche Geld habe sie von der Caritas und der Dompfarre bekommen.

Aus dem vorgelegten Kontoauszug von 3. Oktober 2011 bis 10. April 2012 ergeben sich folgende Zahlungen, die die Bw als "Eigenerlag" auf ihr Konto eingezahlt hat:

Oktober 2011: insgesamt 1075 Euro

November 2011: insgesamt 500 Euro

Dezember 2011: 150 Euro

Jänner 2012: insgesamt 600 Euro

März 2012: insgesamt 500 Euro

bis 10. April 2012: 260 Euro

 

Mit Schreiben vom 8. Mai 2012 hat die Bw Bestätigungen der Dompfarre Linz vom 7. Mai 2012, wonach sie in den Monaten Jänner bis April Beträge von 400 Euro erhalten hat, der Caritas vom 24. April 2012, wonach sie vom 6. Februar bis 3. April 2012 Zuwendungen von 340 Euro erhalten hat, sowie eine Bestätigung ihrer Schwester vom 7. Mai 2012, wonach sie sich 400 Euro im Zeitraum Jänner 2012 bis April 2012 ausgeborgt hat, vorgelegt. Dass sich die Bw auch von ihrer Schwester Geld geliehen hat, hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht erwähnt.

 

Nicht festgestellt werden kann, in welchem Monat Beträge in welcher Höhe von der Caritas und der Dompfarre der Bw gewährt wurden. Weiters kann nicht festgestellt werden, in welchen Monaten Beträge in welcher Höhe vom Schwiegersohn und der Schwester der Bw an diese geleistet wurden. Dabei ist anzumerken, dass die Aussage des Schwiegersohns, er habe der Bw monatlich zwischen 400 und 600 Euro geliehen, mit der Aussage der Bw, sie habe vom Schwiegersohn im Oktober 1075 Euro erhalten, im Widerspruch steht.

 

3.2. Dieser entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen der Bw und den ergänzenden Erhebungen durch den Unabhängigen Verwaltungssenat.

 

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, die Bw hat entgegen dem Vorbringen in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 28.04.2011 (ON 6), selbst angegeben, dass sie keine Angst vor ihrem geschiedenen Gatten gehabt und die Ausführungen der Richterin mitbekommen habe, jedoch nicht wirklich aufgepasst habe. Die rechtliche Beurteilung moniert, dass die Bw trotz ausdrücklicher Belehrung (auch) über die oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit einen wirksamen Unterhaltsverzicht erklärt habe, Willensmängel seien aufgrund des festgestellten Sachverhalt nicht erkennbar.

 

Aus einem Aktenvermerk vom 19. Oktober 2011 geht hervor, dass Frau X gegenüber der zuständigen Bearbeiterin angegeben habe, dass die Scheidung belastend gewesen sei und ihr Mann damals nicht mehr bei ihr gewohnt habe, sondern bereits am 1. Oktober 2010 ausgezogen sei.

 

Zu den als "Eigenerlag" in ihren Kontoauszügen ersichtlichen Zahlungen, die in Widerspruch zu ihren Angaben, es habe Leistungen Dritter nicht gegeben, stehen, gab die Bw in der mündlichen Verhandlung an, sie habe diese Leistungen nicht angegeben, weil sie sich "fürs Betteln gehen geschämt habe" (Seite 2 des Tonbandprotokolls vom 23. April 2012).

Diese Aussage ist glaubwürdig, hat die Bw damit doch eine Aussage gemacht, die ihrem Berufungsbegehren zuwiderläuft und sie hat über nochmalige Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass diese Aussage die richtige ist.

 

Aufgrund von Widersprüchen in den Angaben der Bw und jenen des Schwiegersohns sowie der nicht vollständigen Klärung der als Eigenerlag eingezahlten Beiträge ist zu Gunsten der Bw davon auszugehen, dass sie keine zusätzlichen Einnahmen mit Ausnahme der angegebenen insgesamt 740 Euro von der Dompfarre und der Caritas von Jänner bis 3. April 2012 hatte, sondern die übrigen Beträge lediglich geliehen waren.

 

3.3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 13 Abs.1 erfolgt Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandard), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung hat die Landesregierung durch Verordnung

        1. jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs.1 und

        2. die näheren Kriterien zur Zuordnung zu einzelnen 

           Mindeststandardkategorien gemäß Abs.3

festzusetzen: sie hat dabei auf die Höhe der um die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung reduzierte Ausgleichzulage nach den pensionsver­sicherungs­rechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen. Nach Abs.3 dieser Bestimmung sind Mindeststandards nach Abs.2 in folgenden Relationen bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen–Richtsatz für Alleinstehende jedenfalls festzusetzen für

1. alleinstehende und alleinerziehende hilfebedürftige Personen mind.    100 %

2. für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen

a) pro Person mindestens 75 %.

 

Nach § 1 Abs.1 der Oö. Mindestsicherungsverordnung (Oö. BMSV) idgF betragen die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für

1. alleinstehende oder alleinerziehende Personen                         843,70 Euro

2. .....

 

Gemäß § 7 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientiert Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Anwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühungspflicht ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinne des Abs.1 gelten insbesondere:

1.     der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8-10

2.     der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;

3.     die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre, sowie

4.     die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragener Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage. (Abs.2 leg.cit)

 

Nach Abs.3 des § 7 Oö. BMSG ist die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung sicherzustellen, sofern Ansprüche gemäß Abs.2 Z3 nicht ausdrücklich verfolgt werden, unbeschadet des § 8 Abs.4.

 

Gemäß § 8 Abs.1 hat die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung unter Berücksichtigung

1.     des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person sowie

2.     tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter zu erfolgen.

 

3.3. Das mit 01.10.2011 in Kraft getretene Oö. Mindestsicherungsgesetz regelt Grundsätze und Voraussetzungen für die Leistung und Erbringung bedarfsorientierter Mindestsicherung. Die aufgrund dieses Gesetzes ergangene Oö. Mindestsicherungsverordnung legt in § 1 Abs.1 die Höhe der monatlichen Geldleistungen nach Personengruppen fest. Demnach soll ab 01.01.2012 zB. eine alleinstehende oder alleinerziehende Person 843,70 Euro erhalten. Die in § 1 Abs.1 der Verordnung jeweilig angeführten Richtsätze stellen die insgesamt gewährte Geldleistung dar und sollen Lebensunterhalt und Wohnbedarf abdecken.

 

§ 8 Abs.1 Z2 Oö. BMSG betont, dass nur tatsächlich zur Verfügung stehe Leistungen Dritter bei der Berechnung der bedarfsorientierten Mindestsicherung zu berücksichtigen sind.

 

Die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der Unterhaltsanteil, auf den verzichtet wurde, von dem Mindeststandard nach § 1 Abs.1 Z1 abzuziehen ist, entspricht damit nicht der geltenden Rechtslage.

 

Der belangten Behörde ist aber beizupflichten, dass die Bw ihrer Bemühungspflicht im Sinne des § 7 Oö. BMSG nicht nachgekommen ist.

Aus dem besonderen Teil der Beilage 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtags XXVII. Gesetzgebungsperiode zu § 7 ergibt sich, dass die Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung vom Fehlen einer ausreichenden Deckung des jeweiligen Bedarfs durch eigene Mittel oder durch Leistungen Dritter sowie von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig gemacht wird. Die Bemühungspflicht (als eine Obliegenheit) richtet sich an alle Hilfsbedürftigen bzw. leistungsbeziehenden Personen in einem Haushalt. Diese Bemühungspflicht wird eingeschränkt auf angemessene, mögliche und zumutbare Aktivitäten. Die Aufzählung der Fälle der Bemühungspflicht in Abs.2 ist keine abschließende. Zu § 7 Abs.2 Z3 Oö. BMSG wird festgehalten, dass diese Bestimmung dem § 8 Abs.2 Z3 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 vollinhaltlich entspricht. Auch hier gilt es, Angemessenheit, Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rechtsverfolgung zu berücksichtigen.  

 

Im konkreten Fall besteht für die Bw zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung keine Möglichkeit mehr, die Ansprüche gegen ihren geschiedenen Ehemann durchzusetzen, wurde ihre Klage auf Zahlung des rückständigen und laufenden Unterhalts doch mit dem Urteil vom 19.05.2011 abgewiesen, weil sie auf ihren Unterhalt gegenüber ihrem geschiedenen Gatten verzichtet hat und darüber hinaus eine anhängige Unterhaltsklage noch ausdrücklich zurückgezogen hat. Eine Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde eingebracht, ein Ende des Verfahrens ist derzeit aber noch nicht absehbar.

 

Der Verzicht auf Ansprüche gegen Dritte, die in der Vergangenheit gelegen sind und noch Auswirkungen auf zukünftige Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung haben, sind dennoch von der Z3 des Abs.2 des § 7 Oö. BMSG erfasst, ist die Aufzählung in diesem Absatz doch nur eine demonstrative. Dass die Verfolgung ihrer Ansprüche der Bw nicht angemessen, möglich oder zumutbar gewesen wäre, dafür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Bw erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Oö.BMSG.

 

Weil der vorliegende Fall unter § 7 Abs.2 Z3 Oö. BMSG zu subsumieren ist, ist dennoch nach der lex spezialis des § 7 Abs.3 Oö. BMSG die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung sicherzustellen.

Die belangte Behörde hat die erforderliche Bedarfsdeckung der Bw in der Begründung des bekämpften Bescheides aufgrund deren eigenen Angaben dargestellt. Die Bw hat gegen diese Darstellung nichts vorgebracht. Sie hat sich auch nicht gegen die Aussage in der Begründung gewandt, dass bei Verbleib von 245,27 Euro für den restlichen Lebensunterhalt (Eigeneinkommen in der Höhe von 355,27 Euro zuzüglich 160 Euro auf der Grundlage des Oö. BMSG, abzüglich 270 Euro für Miete und Wohnen), die unmittelbare Bedarfsdeckung sicher gestellt ist.

Dass sich die Bw zur Finanzierung ihres Lebens wiederholt Geld leiht (siehe Seite 5 dieses Erkenntnisses), vermag einen höheren als den errechneten Betrag zur unmittelbaren Bedarfsdeckung nicht zu rechtfertigen.

Sollte die Bw einen höheren Betrag zur unmittelbaren Bedarfsdeckung benötigen, so liegt es an ihr, diesen entsprechend nachzuweisen.

Weil die Bw von Jänner bis 3. April 2012 Leistungen von Dritter Seite in Höhe von 740 Euro, die sie nicht mehr zurückzahlen muss, bekommen hat, und damit in jedem dieser Monate durchschnittlich 185 Euro an zusätzlichem Einkommen hatte, war ihr für diese Monate kein Betrag zur unmittelbaren Bedarfsdeckung zuzusprechen.

 

Der Spruch des bekämpften Bescheides war entsprechend den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Zahlungen von dritter Seite zu korrigieren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag.a Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

VwSen-560134/33/BMa/Th vom 9. Mai 2012

 

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Oö. BMSG §7 Abs2 Z3;

Oö. BMSG §7 Abs3

 

Durch den Verzicht auf einen bestehenden Unterhalt gegenüber ihren geschiedenen Gatten ist die Bw ihrer Bemühungspflicht im Sinne des § 7 Oö. BMSG nicht nachgekommen.

Der Verzicht auf Ansprüche gegen Dritte, die in der Vergangenheit gelegen sind und noch Auswirkungen auf zukünftige Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung haben, sind dennoch von der Z 3 des § 7 Abs 2 Oö. BMSG erfasst, ist die Aufzählung in diesem Absatz doch nur eine demonstrative.

Weil der vorliegende Fall unter § 7 Abs 2 Z 3 Oö. BMSG zu subsumieren ist, ist dennoch nach der lex spezialis des § 7 Abs 3 Oö. BMSG die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung sicherzustellen.

Dass sich die Bw zur Finanzierung ihres Lebens wiederholt Geld leiht, vermag einen höheren als den errechneten Betrag zur unmittelbaren Bedarfsdeckung nicht zu rechtfertigen.

 

 

 

 

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