Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401040/16/Gf/RT

Linz, 12.04.2012

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des E B, vertreten durch RA Dr. H B, wegen seiner Festnahme und Anhaltung durch den Polizeidirektor von Linz am 29. und 30. November 2009 zu Recht:

 

In Spruchpunkt I. des h. Erkenntnisses vom 11. Jänner 2010, Zl. VwSen-401040/6/Gf/Mu, hat die Wendung "insoweit stattgegeben, als die Festnahme des Beschwerdeführers am 29. November 2009 und dessen nachfolgende Anhaltung von 18.35 Uhr bis 20.15 als rechtswidrig festgestellt werden; im Übrigen wird diese hingegen" zu entfallen, sodass dieser nunmehr sprachlich korrekt zu lauten hat: "Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen".

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 63 Abs. 1 VwGG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 25. Dezember 2009 hatte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ein zwar ausdrücklich als "Schubhaftbeschwerde" bezeichnetes,  offensichtlich aber auf § 82 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, i.d.F. BGBl.Nr. I 29/2009 (zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 38/2011, im Folgenden: FPG), gestütztes Rechtsmittel erhoben.

Darin wurde vorgebracht, dass er am 29. November 2009 von Organen der BPD Linz festgenommen und in das PAZ Linz verbracht worden sei. Über ihn sei die Schubhaft verhängt und ihm gleichzeitig mitgeteilt worden, dass er am 30. November 2009 auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben werde, obwohl er zuvor einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht und der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW2009/21/0149, die Auffassung vertreten habe, dass der Ausgang eines derartigen Verfahrens selbst im Falle einer aufrechten Ausweisung im Inland abgewartet werden dürfe. Daher sei er gezwungen gewesen, einen Asylantrag zu stellen, woraufhin er "am 30.11.2009 enthaftet" worden sei.

Deshalb wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung und Anhaltung beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat am 8. Jänner 2010 den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

In dieser wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber lediglich auf Grund eines Festnahmeantrages angehalten worden sei, sich jedoch nicht in Schubhaft befunden habe.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung bzw. Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu Zl. 10/FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Mit ho. Erkenntnis vom 11. Jänner 2010, Zl. VwSen-401040/6/Gf/Mu, hat der Oö. Verwaltungssenat dieser Beschwerde insoweit stattgegeben, als die Festnahme des Rechtsmittelwerbers am 29. November 2009 und dessen nachfolgende Anhaltung von 18:35 Uhr bis 20:15 Uhr als rechtswidrig festgestellt wurde; im Übrigen wurde diese hingegen als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. Juli 2008, Zl. 10/FRB, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 66 FPG ausgewiesen und ihm dieser Bescheid 3. Juli 2008 zu Handen seiner damaligen Rechtsvertreter zugestellt worden sei; da dieser Bescheid unbekämpft geblieben sei, sei er sohin ab dem 18. Juli 2008 in Rechtskraft erwachsen. Am 15. Juli 2008 habe der Rechtsmittelwerber einen Asylantrag gestellt; dieser sei abgewiesen worden, wobei der dementsprechende Bescheid des Bundesasylamtes und die damit verbundene (neuerliche) Ausweisung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat am 19. November 2008 in Rechtskraft erwachsen seien. Mit diesem Tag hätte der Beschwerdeführer daher nach § 67 Abs. 1 FPG unverzüglich auszureisen gehabt; dessen ungeachtet habe er sich jedoch bis zum 30. November 2009, also über 1 Jahr lang, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Dies sei erstmals am 12. Februar 2009 festgestellt worden (vgl. die Anzeige der BPD Linz vom selben Tag, GZ 10). Daraufhin sei in der Folge gegen den Rechtsmittelwerber mehrfach – zuletzt mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 17. September 2009, Zl. 10/FRB – gemäß § 77 FPG zur Sicherung der Abschiebung das (im Verhältnis zur Verhängung der Schubhaft) gelindere Mittel der periodischen Meldung bei einer Polizeiinspektion angeordnet worden, wobei jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass er dadurch an einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht gehindert wäre. Am 25. August 2009 habe der Beschwerdeführer beim Magistrat Linz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Mit Schriftsatz vom 26. November 2009, Zl. 1-10/FRB/09, habe der Polizeidirektor von Linz gemäß § 74 Abs. 2 Z. 3 FPG einen Festnahmeauftrag zur Durchführung der Abschiebung des Rechtsmittelwerbers erlassen. In Vollziehung dieses Auftrages sowie des (offensichtlich) auf § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG gestützten Abschiebeauftrages des Polizeidirektors von Linz vom 26. November 2009, Zl. 10/FRB, sei der Beschwerdeführer am 29. November 2009 um 18.35 Uhr in den Räumlichkeiten der PI Linz festgenommen und in das PAZ Linz verbracht worden. Knapp 11/2 Stunden später, nämlich um 20.15 Uhr desselben Tages, sei die Anhaltung wieder beendet worden, weil er einen Asylantrag gestellt habe (vgl. den "Entlassungsschein/Haftbestätigung" des PAZ Linz vom 29. November 2009).

 

Aus all dem ergebe sich zunächst, dass im gegenständlichen Fall die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers, der seiner Ausreiseverpflichtung seit dem 19. November 2008 nicht nachgekommen ist, grundsätzlich durch § 74 Abs. 2 Z. 3 i.V.m. § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG gedeckt gewesen sei.

In seinem Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149, habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch festgehalten, dass einem Fremden im Falle einer Antragstellung nach § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.F. BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: NAG), sowohl die Befugnis zur Inlandsantragstellung als auch das Recht, die Entscheidung im Inland abzuwarten zukomme, weil nach dieser Bestimmung das Verlassen des Bundesgebietes stets zwingend die Abweisung dieses Antrages zur Folge hätte (es sei denn, dass ein derartiger Antrag zurückzuweisen ist); in diesem Fall bestehe also trotz vollstreckbarer Ausweisung weder eine Ausreiseverpflichtung noch die Möglichkeit der Abschiebung des Fremden.

Gegenständlich habe der Rechtsmittelwerber einen Antrag gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt. Da diese Bestimmung aber in gleicher Weise wie § 44 Abs. 4 NAG darauf abstelle, dass sich der Fremde tatsächlich im Bundesgebiet aufhält, habe somit auch eine derartige Antragstellung zur Folge, dass er während dieses Verfahrens nach dem zuvor zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes selbst dann weder zur Ausreise verpflichtet sei noch zwangsweise abgeschoben werden dürfe, wenn ein vollstreckbares Aufenthaltsverbot besteht.

Wie sich aus dem e-mail der BPD Linz vom 22. Oktober 2009 (an die Sicherheitsdirektion Oberösterreich) ergebe, habe die belangte Behörde sowohl tatsächlich Kenntnis von der Antragstellung des Beschwerdeführers gemäß § 43 Abs. 2 NAG als auch – wie dem im Akt befindlichen Schreiben an den Beschwerdeführer vom 23. Oktober 2009 zu entnehmen sei – von der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehabt.

Angesichts dieser konkreten Umstände hätte daher im gegenständlichen Fall weder ein Festnahme- noch ein Abschiebeauftrag erlassen werden dürfen, sodass die belangte Behörde die Rechtswidrigkeit der Festnahme und nachfolgenden Anhaltung des Beschwerdeführers zu vertreten habe; Anderes könnte hingegen nur dann gelten, wenn der Behörde der Umstand der Antragstellung nach § 43 Abs. 2 NAG nicht bekannt gewesen wäre, indem der Beschwerdeführer insoweit jegliche Information unterlassen und damit im Ergebnis der ihn treffenden Mitwirkungsverpflichtung nicht entsprochen hätte.

4. Gegen diese Entscheidung hat die Sicherheitsdirektion des Landes Oberösterreich insoweit eine Amtsbeschwerde erhoben, "als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurde". Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser Beschwerde mit Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0062, stattgegeben und den ho. Bescheid vom 11. Jänner 2010 "im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben".

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abschiebung eines Fremden in Durchsetzung einer bestehenden Ausweisung während eines anhängigen Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nur dann unzulässig sei, wenn dieser Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen ist. Da sich aber im vorliegenden Fall hätte ergeben können, dass der Antrag gemäß § 43 Abs. 2 NAG (zwar nicht jedenfalls, aber) möglicherweise mangels maßgeblicher Sachverhaltsänderung zurückzuweisen gewesen wäre, hätte der Oö. Verwaltungssenat sohin als Vorfrage zu prüfen gehabt, ob sich dieser Antrag als (voraussichtlich) zulässig darstellt, weil nur in diesem Fall die Festnahme des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen wäre. Da eine entsprechende Überprüfung jedoch unterblieben sei, erweise sich die Erklärung der Rechtswidrigkeit der Festnahme als rechtswidrig.

5. An diese Rechtsmeinung ist der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

Davon ausgehend war daher zu verfügen, dass in Spruchpunkt I. des h. Erkenntnisses vom 11. Jänner 2010, Zl. VwSen-401040/6/Gf/Mu, die Wendung "insoweit stattgegeben, als die Festnahme des Beschwerdeführers am 29. November 2009 und dessen nachfolgende Anhaltung von 18.35 Uhr bis 20.15 als rechtswidrig festgestellt werden; im Übrigen wird diese hingegen" zu entfallen hat, sodass dieser nunmehr sprachlich korrekt zu lauten hat: "Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen".

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

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