Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252749/16/Lg/Ba

Linz, 23.05.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 16. Februar 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung der S K, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W W N, Dr. T K, P, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Wels-Land vom 17. Februar 2011, Zl. SV96-38-2009/La, wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:

 

 

I.         Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Strafer­kenntnis bestätigt. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird jedoch auf 34 Stunden je illegal beschäftigter Ausländerin herabgesetzt.

 

II.        Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) vier Geldstrafen in Höhe von je 2.000 Euro bzw. vier Ersatzfrei­heitsstrafen in Höhe von je 66 Stunden verhängt, weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als die gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung Berufene der Firma S Tanz-Bar GesmbH mit Sitz in L, B, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass diese Firma die ungarischen Staatsangehörigen H Z B, M T, M J und O J Z am 24.6.2009 als Prostituierte beschäftigt habe, ohne dass die für eine legale Ausländerbe­schäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

 

In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf den Straf­antrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 26.8.2009, die Stellungnahme der Bw vom 15.4.2010, die Stellungnahme des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 2.7.2010 sowie auf eine Stellungnahme der Bw vom 10.9.2010.

 

Beweiswürdigend wird festgehalten, dass aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes Grieskirchen Wels von einer Beschäftigung in Form einer arbeit­nehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen sei.

 

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"'In Ansehung der Übertretung nach § 28 Abs.1 Z 1 lit. a AuslBG muss für die Unterbrechung der Verjährung unverwechselbar feststehen, wann, wo und für welche Ausländer der Beschuldigte als Arbeitgeber unerlaubt beschäftigt hat.' (VwGH 93/09/0423). Diesem Erfordernis entspricht die angefochtene Entscheidung nicht:

Der Nachtclub S befindet sich nicht in L, B, bei welchem Objekt es sich um ein nicht öffentlich zugängliches Wohnhaus handelt, sondern in L, B, wie dies durch die an den beiden Häusern angebrachten Hausnummern jederzeit ersichtlich ist.

 

Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei Sachverhaltsfeststellungen, sondern lediglich einen Verweis auf die Anzeige, der jedoch behördliche Tatsachen­feststellungen nicht substituieren kann und den Begründungserfordernissen für einen Bescheid nicht genügt und eine Überprüfung der Entscheidung aufgrund des Fehlens einer Subsumptionsgrundlage ausschließt, was notwendiger Weise die Bescheidaufhebung zur Folge haben muss (vgl. VwGH 2006/09/0202 mwN). Die Personenblätter wären auch gar nicht in der Lage, zur Abklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes einen adäquaten Beitrag zu leisten, und dies nicht nur aufgrund der mangelnden Sprachkompetenz der ungarischen Prostituierten. Die diffizilen Abgrenzungen bei der Beurteilung der Arbeitnehmerähnlichkeit sind sogar juristischen Laien mit deutscher Muttersprache schwer verständlich und können bei Befragungen nur nach entsprechenden aufklärenden Erläuterungen und Belehrungen aussagekräftige, richtige und verlässliche Ergebnisse erwartet werden. Das schematische Ausfüllen eines Formulars, das die entscheidungswesentlichen Kriterien nicht einmal enthält (vgl. VwGH 2005/09/0012 und die dort angeführten 10 Abgrenzungskriterien, die im Personenblatt des FA fast vollständig fehlen !) kann diesen Anforderungen in keiner Weise genügen und wären für eine genaue und präzise Befragung die Deutschkenntnisse der Prostituierten nicht ausreichend gewesen. Wie der VwGH in 2000/09/0115 ausgesprochen hat berechtigt der Umstand, dass eine Person mit nichtdeutscher Muttersprache sich im normalen Leben verständigen kann, nicht zu dem Schluss, dass sie auch in der Lage ist, ihr gegenüber gebrauchte rechtliche Ausdrücke zu verstehen und deren Auswirkungen zu begreifen. Dies trifft im vorliegenden Fall uneingeschränkt zu. Auch wenn es sich bei diesem Personenblatt nicht um eine Niederschrift handelt ist deren Verwertung als belastendes Beweismaterial in einem Strafverfahren in Anbetracht von deren Zustandekommen insbesondere durch Unterlassung der Beiziehung eines Dolmetschers eine Verletzung der rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien.

 

Ich habe auch im gegenständlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass die Prostituierten, die sich im Nachtclub S aufhalten bzw. aufgehalten haben, nicht bei der S Tanz-Bar GmbH als Dienstgeber beschäftigt sind, sondern Selbständige sind, die ihr Gewerbe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausüben, sich selbst bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichern und unter einer eigenen Steuernummer beim FA veranlagt sind. Bei der geschilderten Vorgangsweise handelte es sich auch nicht um einen speziellen Einzelfall, sondern um die den zuständigen Behörden und Sozialversicherungs­trägern bekannte und nicht beanstandete Praxis, die auch mit der einschlägigen Lebensrealität übereinstimmte. Es kann unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung aber nicht einerseits von der Wirksamkeit und Zulässigkeit der entsprechenden Sozialversicherungsmeldungen und finanzbe­hörd­­lichen Anzeigen und steuerlichen Erklärungen sowie andererseits von der Unzulässigkeit und Strafbarkeit des zugrunde liegenden Verhaltens ausgegangen werden.

In jedem Fall bin ich deshalb auch berechtigter Weise davon ausgegangen, dass die auch von den zuständigen Behörden und Sozialversicherungsträgern akzeptierte Qualifikation der Prostituierten als selbständige Gewerbetreibende (anders als die angestellten Kellnerinnen und das Barpersonal im Nachtclub S) richtig ist und ich mich rechtmäßig verhalte.

 

In Anbetracht der bereits erwähnten Kriterien der Arbeitnehmerähnlichkeit ist diese Beurteilung auch zutreffend, weil die S Tanz-Bar GmbH gegenüber den erwähnten Prostituierten keine Arbeitgeberpflichten trafen und diese auch nicht als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren waren, womit sich die erstinstanzliche Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt hat: So gab es weder Dienstpflichten noch Anweisungen, es gab weder eine Unternehmensbindung oder ein Konkurrenzverbot, keine Weisungsgebundenheit und keine Berichterstattungspflicht und überhaupt keine Pflicht zu einem bestimmten Handeln. Dass nach der Art der Gewerbetätigkeit keine Stellvertretung in Betracht kommt schadet nicht; jedenfalls haben die Prostituierten die von ihnen benötigten Utensilien selbst beigestellt. In den entscheidenden Punkten unterscheidet sich die Sachlage hier auch von dem Sachverhalt, den der VwGH zu 98/09/0334 zu entscheiden hatte und auf den gestützt die Anzeigerin und die erste Instanz fälschlicher Weise die Arbeitnehmerähnlichkeit abgeleitet haben:

Keine Differenzierung zwischen angestellten und selbständigen Prostituierten, rasche Fluktuation und nur kurze Dauer des Aufenthaltes sowie die nach eigenem Gutdünken selbst bestimmte Leistung pro Tag, die mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht in Einklang zu bringen ist, da dadurch keinerlei Hinderung gegeben ist, die Arbeitskraft für anderweitige Erwerbszwecke einzusetzen."

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Der Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels enthält folgende Sachver­haltsdarstellung:

 

"Am 24.6.2009 gegen 0.15 Uhr wurde durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Abt. KIAB (S, W), mit Unterstützung von Beamten der BPK Wels Land im Bordell S in L, B eine Kontrolle nach dem AuslBG durchgeführt.

 

Im Gastraum wurden 5 ausl. Prostituierte in typischer Clubbekleidung sowie der Kellner P J, geb. X, geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, betreten. Da von den anwesenden Prostituierten 4 Damen nicht im Besitz einer arbeitsmarktrechtlichen Genehmigung sind, erfolgte jeweils die Aufnahme eines mehrsprachigen Personenblattes:

 

1)      M T, ung. StA.: Sie gibt an, dass sie im S L als 'Ballerina' seit 22.6.2009 tätig ist. Die Arbeitszeit ist 5 Tage in der Woche jeweils von 18.00 bis 04.00 Uhr. Die Entlohnung beträgt € 1.200,-/Monat.     

2)      B H, ung. StA.: Sie gibt an, dass sie im S L als 'Ballerina' seit 22.5.2009 tätig ist. Die Arbeitszeit ist 5 Tage in der Woche jeweils von 18.00 bis 04.00 Uhr, 8 bis 10 Stunden. Die Entlohnung beträgt € 1.200,-/Monat Der Tarif für eine Stunde Geschlechtsverkehr beträgt € 165,- und für die halbe Stunde € 95,-.

3)      O J, ung. StA.: Sie gibt an, dass sie im S L seit 20.4.2009 tätig ist. Die Arbeitszeit ist 5 Tage in der Woche jeweils 8 bis 10 Stunden. Die Entlohnung beträgt € 1.200,-/Monat.

4)      M J, ung. StA.: Sie gibt an, dass sie im S L als 'Ballerina' seit 9.5.2009 tätig ist. Die Arbeitszeit ist 5 Tage in der Woche jeweils 8 Stunden. Die Entlohnung beträgt € 1.200,-/Monat.

 

Alle Damen erhalten am Standort des Bordells eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt.

 

Der Kellner J P wurde vom Leiter der Amtshandlung hinsichtlich der Preise und eventueller Umsatzbeteiligung der Damen befragt. Er gibt an, dass eine Stunde Geschlechtsverkehr € 165,- und eine halbe Stunde € 95,- kostet. Zur Umsatzbeteiligung sagt er aus, dass diese üblich sei, die Höhe aber nicht bekannt gegeben wird. Weiteres Nachfragen ergab, dass der Gast für einen Piccolo € 23,- bezahlt, wovon die Prostituierte € 4,- als Umsatzbeteiligung erhält. Die Mädchen müssten für die Zimmerbenützung 20 % des Satzes abliefern. Weitere Fragen wollte P nicht beantworten, da er 'zu müde sei'.

 

Im Gastraum ist eine Werbetafel gestaltet, wo zum Zeitpunkt der Kontrolle ein 'Jubiläumsknüller 25 Jahre' mit bis zu € 20,- verbilligten Zimmerpreisen beworben wurde (lt. beil. Foto)."

 

In den Personenblättern gaben die Ausländerinnen an, 1.200 Euro pro Monat als Lohn zu erhalten. Die tägliche Arbeitszeit sei von 18.00 bis 4.00 Uhr bzw. 8 bis 10 Stunden, 5 Tage pro Woche. Das Feld "Wohnung" ist bei O angekreuzt. Das Feld "Chef hier heißt" ist bei allen Ausländerinnen freigelassen.

 

Mit Schreiben vom 15.4.2010 nahm die Bw wie folgt Stellung:

 

"Ich verweise vorweg auf meine Stellungnahmen vom 31.8.09 und 15.12.09 im Verfahren SV98-83-2008/La, in der ich den Sachverhalt allgemein geschildert habe, und die von mir vollinhaltlich aufrecht erhalten wird.

Die von der Anzeigerin behauptete Arbeitnehmerähnlichkeit ist beim gegenständlichen Sachverhalt gerade nicht gegeben. Sämtliche Prostituierte, die sich im Nachtclub S aufhalten, sind Selbständige, die ihr Gewerbe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausüben, sich selbst bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichern und unter einer eigenen Steuernummer beim FA veranlagt sind, wobei die Zusammenarbeit mit dem Nachtclub S seit jeher so organisiert ist, dass es weder eine persönliche noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit gibt, was aufgrund der einschlägigen Meldungen und Abgabenentrichtungen allen zuständigen Institutionen bekannt war und ist. Nur zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung 'Ballerina' nur eine euphemistische Umschreibung ohne tatsächliches Substrat ist, um das Wort 'Prostituierte' zu vermeiden und daraus kein Fehlschluss auf tänzerische Aktivitäten gezogen werden darf.

Entsprechend den bisherigen Usancen sind auch die hier gegenständlichen Prostituierten aus freien Stücken nach wenigen Wochen abgereist, um ihr Gewerbe anderswo auszuüben.

Beweis:           meine Einvernahme, Akt SV98-83-2008/La der BH Wels-Land,                             beizuschaffende Akten der Prostituierten von der SVA der                             gewerblichen Wirtschaft und vom FA Grieskirchen-Wels

 

Ich stelle daher den

 

ANTRAG,

 

das gegen mich geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

Mit Schreiben vom 2.7.2010 nahm das Finanzamt Grieskirchen Wels wie folgt Stellung:

 

"In der Rechtfertigung der Beschuldigten wird behauptet, dass sämtliche Prostituierte im Nachtclub S Selbständige seien, welche ihr Gewerbe auf eigene Rechnung ausüben, sich bei der SVA der gewerbl. Wirtschaft versichern und mit eigener Steuernummer beim Finanzamt veranlagt seien.

 

Zur Betrachtungsweise der Selbständigkeit durch Steuer- bzw. Sozialver­sicherungs­recht einerseits und Ausländerbeschäftigungsrecht andererseits, wird auf die Spezialität des AuslBG hingewiesen, wie sie auch in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1999, 98/09/0331, und vom 18. No­vember 1998, 96/09/0366, zum Ausdruck gebracht wird. Es ist demnach nicht maßgeblich, wie Ausländer steuerlich oder sozialversicherungsrechtlich eingestuft sind; entscheidend ist vielmehr unter welchen arbeitsrechtlich relevanten Bedingungen sie ihre Tätigkeit entfalten (siehe auch Oö. Verwaltungssenat VwSen-251094).

 

Die kontrollierten Damen üben im Nachtklub die Prostitution zu bestimmten Lokalöffnungszeiten aus und erhalten für die im Clubraum stattfindende Animiertätigkeit Provisionen. Es werden Räumlichkeiten (siehe Zimmer Jubiläumsknaller bis € 20,- verbilligt) zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung gestellt, ebenso erhalten sie Wohnmöglichkeit auf dem Areal des Nachtklubs (jeweils Hauptwohnsitz lt. ZMR).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen entschieden, dass die Animiertätigkeit von Ausländerinnen (allenfalls bei gleichzeitiger Ausübung der Prostitution) in einem Nachtclub oder ähnlichen Lokalitäten unter Beteiligung am Umsatz (auch an den verkauften Getränken) auf Grund der wirtschaftlichen Gestaltung eines solchen Beschäftigungs­verhältnisses als Verwendung unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer (und damit arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG) zu qualifizieren ist (vgl. das Erkenntnis vom 29. Mai 2006, Zl. 2004/09/0043, mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur, neuere Erkenntnisse des VwGH v. 29. Jänner 2009, ZI. 2007/09/0368 und 26. Februar 2009, Zl. 2007/09/0359)

 

In diesem Sinne kommt es nicht darauf an, ob die Ausländer als 'Animierdamen', 'Tänzerinnen' oder 'Prostituierte' auftreten (vgl. VwGH 99/09/0156 vom 4.4.2001). In der Gesamtbetrachtung ist von einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen."

 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung verwies der Vertreter der nicht erschienenen Bw auf deren Darstellung des Sachverhalts in der Berufungsver­handlung zu VwSen-252764 (Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 20. Juni 2011). Es habe sich an der Betriebspraxis bis zum hier gegenständ­lichen Zeitpunkt nichts geändert.

 

Von den betroffenen Ausländerinnen war nur die Zustelladresse von T M bekannt. M sagte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zeugenschaft­lich aus, sie sei ca. drei Monate im gegenständlichen Etablissement tätig gewesen. Sie sei damals Alkoholikerin gewesen und erinnere sich daher nur sehr schlecht. Zum Zeitpunkt der Kontrolle sei sie betrunken gewesen. Die 1.200 Euro pro Monat Entlohnung würden sicher nicht stimmen.

 

Die Zeugin habe "eine Wohngelegenheit gehabt", das sei aber nicht das Zimmer gewesen, wo sie "das Geschäft ausgeübt" habe. Daran, ob sie eine Zimmermiete für die Wohngelegenheit bezahlt habe, könne sie sich nicht mehr erinnern. Das Zimmer, in dem "wir wohnten", sei in sehr schlechtem Zustand gewesen. Sie glaube, dass sie für die Benützung des Zimmers zur Ausübung der Prostitution außer einem Betrag von 50 Euro pro Monat für die Reinigung der Bettwäsche nichts bezahlen habe müssen. Daran, ob das Zimmer zur Ausübung der Prostitution den einzelnen Damen zugeteilt war oder ob jeweils das Zimmer benutzt wurde, das gerade frei gewesen sei, könne sie sich nicht mehr erinnern.

 

Es habe keine Weisungen gegeben, sie habe machen können, was sie wolle. Ob es seitens des Lokals festgelegte Tarife gegeben habe, wisse sie nicht mehr.

 

Der Barbetrieb habe der Anbahnung des Geschlechtsverkehrs gedient. Dort sei die Zeugin natürlich von Gästen zu Getränken eingeladen worden. Ob es eine Getränkeumsatzbeteiligung gegeben habe, wisse sie nicht mehr.

 

Zur Frage der Arbeitszeit sagte die Zeugin: "Prinzipiell war schon vorgegeben, dass wir um 20.00 Uhr dort sein mussten". Sie habe diese Zeiten aber nicht immer eingehalten. Sie sei oft betrunken gewesen und sei dann gar nicht zur Arbeit gegangen, weil sie geschlafen habe. "Deshalb bin ich auch von dort weggegangen, weil es ihnen schon lästig war, dass ich nicht zurechnungsfähig war." Sie sei der Meinung gewesen, "wenn es ihnen nicht passt, suche ich mir einen anderen Arbeitsplatz".

 

Die 250 Euro pro Monat für das Finanzamt habe sie der Thekenkraft gegeben und dafür einen Beleg bekommen.

 

Das Kontrollorgan S sagte aus, der Kellner habe die Auskunft gegeben, dass die Damen, die um 13.00 Uhr kommen, bis 21.00 Uhr und jene, die um 20.00 Uhr kommen, bis 4.00 Uhr Dienst hätten. Der Kellner habe auch gesagt, dass die Damen 4 Euro pro Piccolo Getränke Umsatzbeteiligung hätten. Außerdem habe der Kellner die Tarife bekanntgegeben, und zwar 165 Euro und 95 Euro.

 

Außerdem könne das Kontrollorgan bezeugen, dass sich zum Zeitpunkt der Kontrolle ein Plakat mit dem Text "Zimmer bis zu 20 € verbilligt; Jubiläums­knüller, 25 Jahre" sichtbar gewesen sei. Dazu legte der Zeuge ein Foto vor.

 

5. In der Sachverhaltsdarstellung der Bw zu VwSen-252462, auf die der Vertreter der Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung als auch für den gegenständlichen Fall maßgebend verwies, führte diese aus:

 

Beim gegenständlichen Nachtclub handle es sich um einen Bordellbetrieb. Die Damen würden sich über Inserat melden und erhielten eine Wohngelegenheit für 40 Euro pro Monat (bzw. entsprechend weniger bei kürzerer Bleibedauer). Die Wohngelegenheit bestehe aus mit Kolleginnen zu teilenden möblierten Schlaf­zimmern mit Gemeinschaftsküche in einem Nachbarhaus. Dort würden sich die Damen auch für ihre Tätigkeit im Bordell umkleiden. Damals hätten alle Damen bei der Bw gewohnt.

 

Im Lokal gebe es "allgemeine Tarife". Dabei handle es sich um einen unver­bindlichen Vorschlag. Die Damen könnten verlangen, was sie wollten. Das Geld für Prostitutionsleistungen werde von den Damen selbst kassiert. Am Morgen werde vom Kellner mit den Damen abgerechnet, bis die Arbeitszimmermiete vollständig geleistet sei.

 

Für das Arbeitszimmer bezahlen die Damen 560 Euro pro Monat. Vom Liebes­lohn würden jeweils 100 Euro abgezogen, bis die 560 Euro erreicht seien. Analog verhalte es sich mit den 60 bzw. 40 Euro. Von diesem Betrag bezahle die Bw das Pauschale an das Finanzamt und die Versicherung. Die Zimmer stünden den Damen nicht exklusiv zur Verfügung, sondern jede Dame nutze im Bedarfsfall jeweils ein gerade freies Zimmer. Das Lokal verfüge über sieben Arbeitszimmer, im Lokal würden in der Regel sechs bis acht Damen arbeiten. Wenn eine Dame auf das Zimmer gehe, sage sie dem Kellner, ob sie das Zimmer 20 Minuten oder länger brauche, was der Kellner notiere.

 

Die Damen hielten sich im eigenen Interesse weitgehend an die Öffnungszeiten, eine Anwesenheitspflicht bestehe jedoch nicht… Wenn die Damen "frei" haben wollen, sagen sie es vorher, dann würde weder das Geld für das Arbeitszimmer noch die Wohngelegenheit kassiert.

 

Die im Akt auftauchenden Getränkekosten (z.B. 0,75 Sekt € 70/€ 15) seien geplant gewesen, jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zur Getränkeumsatzbeteiligung nicht durchgeführt worden. Die von den Damen konsumierten Getränke bezahle der Gast.

 

In den Arbeitszimmern befänden sich Badewannen. Für die Damen gebe es im Lokal eine eigene Toilette. Die Beistellung der Hygieneartikel, der Bettwäsche und der Handtücher in den Arbeitszimmern erfolge durch das Lokal. Eine Pflicht zur Kondombenützung bestehe nicht. Bekleidungsvorschriften bestünden ebenfalls nicht. Im Jahre 2009 habe es eine Homepage-Werbung gegeben, in der Damen präsentiert worden seien und für die die Bw die Kosten getragen habe. Diese Werbung sei mittlerweile wieder aufgegeben worden. Die Damen seien verpflichtet, die Gesundheitsbücher für den Fall der Kontrolle zu hinterlegen.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Hinsichtlich des Sachverhalts ist der Darstellung der Bw mit folgenden Ausnahmen zu folgen: Wie schon im Erkenntnis VwSen-252462 ist von einer Getränkeumsatzbeteilung auszugehen, zumal der Tarif (4 €/Piccolo) derselbe geblieben ist. Dies ergibt sich aus der Auskunft des Kellners gegenüber dem Kontrollorgan S, wobei kein Grund besteht, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Abweichend vom Vorerkenntnis ist auch keine Freiheit der Tarifgestaltung hinsichtlich der Prostitutionspreise anzunehmen: Die Auskunft des Kellners gegenüber dem Zeugen S erfolgte ohne die Einschränkung, dass es sich dabei nur um unverbindliche Vorschläge handeln würde. Bestätigt wird der Einfluss der Lokalbetreiberin auf die Preisbildung durch die vom Kontrollorgan S bezeugten und durch Foto dokumentierte Werbeplakate.

 

Was die Frage der Arbeitszeit betrifft, ist auf die Aussage der Zeugin T M von der "prinzipiellen" Pflicht zur Anwesenheit um 20.00 Uhr sowie den vom Kellner dargestellten "Schichtbetrieb" zu verweisen, was ebenfalls entsprechende betriebsorganisatorische Regelungsmöglichkeiten nahelegt.

 

Hinsichtlich des Zeugen S, dessen Aussage während der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Übrigen im Detail unbestritten blieb, ist festzuhalten, dass dieser aufgrund seiner Stellung als Zeuge und staatliches Organ zur Objektivität verpflichtet ist, er verfügt über einschlägige berufliche Erfahrung und trat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung überzeugend auf, wobei seine Aussage durch den Akteninhalt gestützt wird.

 

Demnach sind folgende für die Selbstständigkeit der Ausländerinnen sprechende Momente auszumachen: Weisungsunabhängigkeit bestand hinsichtlich des Ob und des Wie der sexuellen Dienstleistung. Als neutral ist die (nach Darstellung der Bw nicht kostenlosen) Nutzung der Wohngelegenheit einzustufen. Gegen die Selbstständigkeit sprechen die vorgegebene Tarifgestaltung hinsichtlich des Liebeslohns und die Eingliederung in die Betriebsorganisation durch Anwesen­heitspflicht ab 20.00 Uhr. Das in der ständigen Rechtsprechung der Verwal­tungsgerichtshofes ausschlaggebende Moment der Getränkeumsatzbeteiligung lag auch hier vor. Die Miete des Arbeitszimmers zu einem Fixbetrag (diesbezüglich ist die Darstellung der Bw der unsicheren Aussage der Zeugin M der Vorzug zu geben) erscheint wirtschaftlich als Beteiligung am Liebenslohn, weil dem nicht die Miete eines bestimmten Zimmers für einen bestimmten Zeitraum gegenüber­stand. Darüber hinaus genossen die Damen die Vorteile des Barbetriebs und der sonstigen Infrastruktureinrichtungen des Lokals, die Unterstützung in Behörden­angelegenheiten (z.B. gegenüber dem Finanzamt) und die von der Bw finan­zierte Homepage-Werbung zur Präsentation der Damen, wie umgekehrt die Präsenz der Damen den Umsatz des Barbetriebs steigerten. Die Pflicht zur Hinterlegung der Gesundheitsbücher ist als Weisung anzusehen. Aus diesen Gründen ist von einem Überwiegen der für die Arbeitnehmerähnlichkeit sprechenden Momente auszu­gehen.

 

Die Taten sind daher der Bw in objektiver und, da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Als Schuldform ist wegen eventuell fehlender Rechtskenntnisse Fahrlässigkeit anzunehmen.

 

Hinsichtlich der Bemessung der Strafhöhe ist festzustellen, dass im angefochte­nen Straferkenntnis ohnedies die gesetzlich vorgesehene Mindestgeldstrafe verhängt wurde. Den zur Anwendung gelangten Strafbemessungskriterien entspricht jedoch eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 34 Stunden je illegal beschäftigter Ausländerin. Diese Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe erspart der Bw die Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Taten bleiben auch nicht soweit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass an eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG zu denken wäre.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 4. Oktober 2012, Zl.: 2012/09/0094-3

 

 

 

 

 

 

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