Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253076/2/Kü/Ba

Linz, 25.05.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn C L, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. B G, G, L, vom 1. März 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Februar 2012, SV96-207-2011, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:       § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

Zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Februar 2012, SV96-207-2011, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 iVm § 111 Abs.1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 49 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als Außenvertretungsbefugter der A-Agentur für S GmbH, mit Sitz in T, B, gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Dienstgeber

  1. Herrn Y A, geb. X, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (370,00 Euro pro Monat) als Security im Ausmaß von 20 Stunden im Monat zumindest seit 24.10.2011 beschäftigt hat, ohne vor Arbeitsantritt (24.10.2011, 19.00 Uhr),
  2. Herrn F K, geb. X, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (370,00 Euro pro Monat) als Security im Ausmaß von 20 Stunden im Monat zumindest seit 19.11.2011 beschäftigt hat, ohne vor Arbeitsantritt (19.11.2011, 22.00 Uhr),

eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete  Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten.

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Linz bei einer Kontrolle am 11.12.2011 um ca. 1.00 Uhr im 'C' in L, K, indem oa. Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit als Security betreten wurden, festgestellt. Die oa. Dienstnehmer waren nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen. Sie haben somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen, zumal die verpflichtende Meldung für Herrn A verspätet erst am 27.10.2011 um 16.54 Uhr und für Herrn K verspätet erst am 26.11.2011 um 16.19 Uhr erstattet wurden."

 

2. Dagegen richtet sich die am 1. März 2012 und somit rechtzeitig eingebrachte Berufung, welche durch Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 13.3.2012 entsprechend ergänzt wurde. In der Berufung wird die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass es richtig sei, dass am 11.12.2011 um ca. 1.00 Uhr von Organen des Finanzamtes Linz im C in L, K, eine Kontrolle durchgeführt worden sei. Im Zuge dieser Kontrolle seien die Dienstnehmer des Bw, Herr Y A und Herr F K, befragt worden, seit wann ein Dienstverhältnis zur A-Agentur für S GmbH bestehe. Aus den Aussagen der Dienstnehmer hätte sich sodann ergeben, dass der Zeitpunkt deren Diensteintrittes und die Vornahme der Meldung durch die A-Agentur für S GmbH beim zuständigen Krankenversicherungsträger zeitlich inkongruent seien. Die diesbezüglichen Aussagen müssten jedoch unter Anbetracht der Umstände dieser Kontrolle gewertet werden: Die Kontrolle sei um 1.00 Uhr nachts erfolgt, nach einigen Stunden aufreibender Arbeit in einem lauten und stark frequentierten Lokal, beide Dienstnehmer hätten keinerlei Möglichkeit, ihre Aussagen anhand persönlicher Aufzeichnungen zu überprüfen, sodass sie im Zuge der Befragung den vermuteten Arbeitsantrittstermin angegeben hätten. Insbesondere die in der Begründung angeführten Formulie­rungen "zumindest seit 24.10.2011" und "zumindest seit 19.11.2011" würden zeigen, dass keinem der beiden die Nennung eines genauen Datums möglich gewesen sei, sondern deren Angaben auf einer ungefähren Schätzung beruhen würden.

 

Die Behörde stütze sich in ihrer Beweiswürdigung ausschließlich auf die ursprüng­lichen Aussagen der beiden Dienstnehmer, ohne die vom Bw getätigten Klarstellungen in irgendeiner Weise zu würdigen oder diese im Wege der Einvernahme mit der gegenteiligen Aussage des Bw zu konfrontieren.

 

Die belangte Behörde habe es unterlassen, den Bw als auch andere Zeugen, so etwa die Mitarbeiter des Verwaltungsbereiches der A-Agentur für S GmbH, welche die Meldung nach dem ASVG vornehmen würden, und auch die angeblich unangemeldet beschäftigten Dienstnehmer einzuvernehmen und diese Aussagen in ihre Beweiswürdigung einfließen zu lassen. Aus diesen Aussagen hätte sich ergeben, dass der Bw keine Verwaltungsübertretung begangen habe. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, Einsicht in die durch die Mitarbeiter der A-Agentur für S GmbH angelegten und als Beweis angebotenen Stammdatenblätter der Dienstnehmer sowie den protokollarischen Aufzeichnungen über die Arbeitsbekleidungsausgabe zu nehmen, aus welchen unweigerlich hervorgehe, dass der Dienstantritt der Dienstnehmer Y A und F K zeitgleich mit der diesbezüglichen Meldung gemäß § 33 ASVG durch die A-Agentur für S GmbH erfolgt sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 15. März 2012 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akten­einsichtnahme.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Aus dem vorgelegten Verfahrensakt, insbesondere dem Strafantrag des Finanzamtes Linz vom 16. Dezember 2011, ergibt sich, dass von Erhebungs- und Ermittlungsorganen in Zusammenarbeit mit dem Erhebungsdienst des Magistrates Linz am 11.12.2011 um 1.00 Uhr an der Adresse C, K, L, bei der Firma A-Agentur für S GmbH eine Kontrolle durchgeführt worden ist. Bei dieser Kontrolle wurden die beiden anwesenden Arbeitnehmer der A-Agentur für S GmbH, Herr Y A sowie Herr F K, aufgefordert, ein Personenblatt auszufüllen. Ein Blick auf das von Herrn Y A ausgefüllte Personenblatt zeigt, dass in diesem ursprüngliche Angaben zur derzeitigen Firma wieder durchgestrichen wurden und durch die Firma A ersetzt wurden. Ebenso betrifft dies das Datum des Arbeitsbeginns, bei dem die ursprüngliche Angabe durchgestrichen und sodann durch 24.10.2011 ersetzt worden ist. Auch im Personenblatt von Herrn F K findet sich bei der Rubrik Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist, ursprünglich eine andere Angabe. Außerdem ist festzuhalten, dass die Angabe des Beginns an der Arbeitsstelle, und zwar der 19.11.2011, nicht mit der Zeitangabe, wonach Herr F K diese Tätigkeit bereits seit einem Monat ausübt, zusammenstimmt. Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass Herr F K zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht nur bei der A-Agentur für S GmbH in einem meldepflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden ist. Ebenso zeigt der Versicherungsdatenauszug des Dienstnehmers Y A, dass auch dieser von mehr als einer meldepflichtigen Stelle zur Sozialversicherung gemeldet wurde. All diese Umstände verdeutlichen, warum es den beiden im Zuge der Kontrolle um 1.00 Uhr nachts scheinbar nicht möglich gewesen ist, eindeutige Angaben zu ihrer Tätigkeit für die A-Agentur für S GmbH zu machen. Aus dem Verfahrensakt, und zwar den Aufzeich­nungen der A-Agentur für S GmbH hinsichtlich der Ausgabe der Uniformen für die beiden Dienstnehmer, ergibt sich, dass das in den Aufzeich­nungen enthaltene Datum nicht mit dem im Personenblatt übereinstimmt. Zudem ergibt sich aus dem vom Bw vorgelegten Schreiben der bei der A-Agentur für S GmbH für die Einteilung des Personals Zuständigen, Frau S S, dass Herr A am 25.10.2011 zur Einschulung im A-Büro gewesen ist und zu diesem Zeitpunkt auch seine Uniform erhalten hat. Der erste Arbeitseinsatz ist sodann nach der Einschulung am 29.10.2011 erfolgt. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint der erste Arbeitseinsatz des Herrn A, wie von ihm im Personenblatt festgehalten, am 24.10.2011 als sehr unwahrscheinlich, zumal zu diesem Zeitpunkt eine Einschulung nicht stattge­funden hat bzw. Herr A auch nicht im Besitz der Uniform für die Ausübung seiner Tätigkeit gewesen ist. Ebenso hat Herr F K, obwohl er bereits am 2.11.2011 seine Einschulung für den Dienst erhalten hat, erst am 25.11.2011 die Uniform zur Dienstausübung erhalten und ist dieser am 26.11.2011 gemäß der schriftlichen Angaben der Personalverantwortlichen als Ersatz für einen Kollegen zum Dienst eingeteilt worden. Zudem erklären die beiden Dienstnehmer in schriftlichen Stellungnahmen, dass sie aufgrund der Kontrollsituation nicht in der Lage gewesen sind, eindeutige Angaben zum Dienstbeginn zu machen und sie sich bei dem angegebenen Daten geirrt haben.

 

Aufgrund des Umstandes, dass die Kontrolle erst zu einem späteren Zeitpunkt am 11.12.2011 stattgefunden hat, kann daher aufgrund des oben dargestellten Sachverhaltes nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen S festgestellt werden, dass eine Beschäftigung der beiden Dienstnehmer bereits vor der Anmeldung zur Sozialversicherung durch die A-Agentur für S GmbH auch tatsächlich stattgefunden hat. Die vom Bw bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen lassen erhebliche Zweifel an den in den Personenblättern dargestellten Daten erkennen. Insbesondere lässt auch die Art und Weise der Ausfüllung des Personenblattes durch die beiden Dienstnehmer, und zwar das Vorhandensein von durchge­strichenen Angaben, Zweifel darüber aufkommen, dass hier von exakten Daten hinsichtlich des Arbeitsbeginnes ausgegangen werden kann.

 

Für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates ergibt sich daher bereits aus dem vorliegenden Strafantrag, dass den Angaben des Bw nicht wirksam entgegengetreten werden kann und aus diesem Blickwinkel auch die Angaben der beiden Dienstnehmer im Zuge der Kontrolle zu sehen sind, weshalb kein stichhaltiger Beweis für eine durch den Bw zu verantwortende Verwaltungsübertretung vorliegt. Insofern war daher im Sinne des Art. 6 Abs.2 EMRK bereits aufgrund der vorliegenden Aktenlage der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

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