Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523113/10/Bi/Rei

Linz, 24.04.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau R R, N,  G, vertreten durch Frau Mag. C H, x, vom 7. März 2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 20. Februar 2012, VerkR21-35-2012, wegen der Anordnung, sich im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen  B und F amtsärztlich untersuchen zu lassen, aufgrund des Ergebnisses der am 5. und 24. April 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung), zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die Berufungswerberin (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.2 FSG aufgefordert, sich "innerhalb eines Monats, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, bei der BH Urfahr-Umgebung amts­ärztlich untersuchen zu lassen."  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 29. Februar 2012.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 5. und 24. April 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit der Bw, ihrer Rechtsvertreterin Frau Mag. C H und der Zeugen Meldungsleger GI C Z (Ml) und Frau L G (L) durchgeführt. Ein Vertreter der Erstinstanz war nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, der Bescheid sei wegen des Vorfalls vom 21.12.2011 ergangen. Es heiße, sie hätte die Unfallsbeteiligte gesehen, aber die Bremse hätte nicht funktioniert. Das sei so nicht richtig. Sie sei von der Klosterstraße nach links abgebogen und plötzlich sei es zur Kollision mit der Zeugin L gekommen. Diese sei seitlich von der Richtung des Schachbretts auf ihr Fahrzeug zu. Sie habe anhalten wollen und sei nach ca 50 m stehengeblieben. Sie sei zu Fuß zur Zeugin zurückgegangen, da sei schon die Polizei informiert gewesen und Passanten hätten sich um die Zeugin L gekümmert. Die Polizei habe den Unfall aufgenommen und sie habe später mit der Zeugin L telefoniert, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut gehe. Der Vorfall tue ihr sehr leid.   

Sie sei normalerweise eine sehr aufmerksame Lenkerin, habe bisher keinen Unfall gehabt und sei vollkommen schockiert gewesen, als die junge Frau plötzlich gegen das Fahrzeug gefallen sei. Sie habe nur so schnell wie möglich einen Platz zum Abstellen des Fahrzeuges gesucht, damit nicht noch etwas passiere und sei deshalb ein Stück weitergerollt. Sie habe sich dann aber wieder gefasst und sei auch später selbst heimgefahren.

Die Erstinstanz habe im Aufforderungsbescheid ihre Bedenken nachvollziehbar darzulegen. Das Alter alleine sei nach der Judikatur des VwGH aber nicht ausreichend, um Bedenken gegen die geistige bzw körperliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges zu begründen. Die Bedenken der Erstinstanz erscheinten weder ausreichend noch seien sie nachvollziehbar begründet. Daher wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Verfahrenseinstellung beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Bw und ihre Rechtsvertreterin  gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides berücksichtigt und der Ml sowie die beim Unfall verletzte Zeugin L unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einver­nommen wurden. Die Bw war am 5. April 2012 wegen ihres Kuraufenthalts entschuldigt, erschien aber am 24. April 2012 persönlich.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Zeugin L besuchte am Abend des 21. Dezember 2011 nach der Arbeit den Christkindlmarkt am Linzer Hauptplatz und beabsichtigte, zu Fuß zum Bahnhof zu gehen, weil sie noch Zeit hatte. Nach ihren Angaben ging sie, als die gelben Drehlichter das Herannahen einer von der Haltestelle Hauptplatz kommenden Straßenbahn ankündigten, vom Christkindlmarkt vor einem Pkw über die Klosterstraße in Richtung Schmidtorstraße, weil sie der Meinung war, der Pkw müsse ohnehin wegen der Straßenbahn anhalten. Sie habe sich, stadtauswärts gesehen,  auf der rechten Seite der Straßenbahnschienen befunden. Der Pkw sei nicht stehengeblieben und sie habe sich vom Fahrzeug weggedreht, weil sie dachte, der Lenker wolle sie erschrecken. Das Fahrzeug habe sie aber von hinten erfasst und sie auf der Motorhaube über die Schienen bis auf die andere Seite "mitgenommen", wo sie dann nach rechts hinuntergerutscht sei. Sie sei am Boden gelegen, der Pkw sei weitergerollt und Passanten hätten sich um sie gekümmert. Allerdings habe sich dann herausgestellt, dass niemand der Anwesenden den Sturz selbst sondern nur die Zeugin am Boden gesehen habe. Die Frau, die den Pkw gelenkt habe, sei zurückgekommen und habe gesagt, die Bremse sei nicht gegangen. Sie habe ihr wunschgemäß ihren Namen und die Telefonnummer genannt und die Bw habe sie später auch angerufen. Die Polizei sei offenbar von Passanten verständigt worden. Sie habe sich das Steißbein verletzt und sei ins UKH eingeliefert worden; sie habe lange Schmerzen gehabt, sie habe erst mit April 2012 wieder zu arbeiten begonnen. Sie könne sich vorstellen, dass die Bw vielleicht Brems- und Gaspedal verwechselt habe.

 

Der Ml gab an, der Unfall habe sich kurz vor 20.00 Uhr bei Dunkelheit und Nieselregen ereignet. Er sei erst hingekommen, als die Verletzte sich schon in der Rettung befunden habe, die Personalien hätten seine Kollegen schon aufgenommen gehabt. Die Bw sei nach seinem Eindruck sehr aufgeregt gewesen und unfallbedingt geschockt. Er habe anfangs gemeint, sie wisse gar nicht, was genau passiert war. Sie habe gesagt, da müsse etwas mit der Bremse sein, diese habe nicht ordnungsgemäß funktioniert. Er habe herausgefunden, dass niemand der anwesenden Passanten den Unfall selbst bzw dessen Zustandekommen beobachtet hat, die Leute hätten nur dessen Folgen wahrgenommen. Es sei nicht klar gewesen, ob die Zeugin L vom Christkindlmarkt kommend über die Klosterstraße in Richtung Schmidtorstraße gegangen ist oder doch vom Christkindlmarkt in Richtung Schachspiel. Die Zeugin L sei schon in der Rettung gewesen, er habe nicht mit ihr sprechen können. Die Bw habe dazu nichts sagen können. Er und sein Kollege hätten mit deren Einverständnis eine Bremsprobe gemacht, die Bremse habe anstandslos funktioniert. Er habe sich das auch deswegen nicht vorstellen können, weil die Bw ja vom Pöstlingberg zum Unfallort gefahren sei und dabei die Bremse ständig gebraucht habe. Er vermute, dass sie im Schreck über den Menschen auf ihrer Motorhaube statt der Bremse die Kupplung erwischt und Gas gegeben habe. Nach der Bremsprobe habe ihm die Bw gesagt, sie fahre jetzt heim. Er habe sie gefragt, ob sie sich in der Lage sehe selbst zu fahren, was die Bw bejaht habe. Er habe persönlich überhaupt keine Bedenken gehabt, sie alleine heimfahren zu lassen, und auch sie habe keinerlei Zweifel diesbezüglich gehabt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Bremse in Ordnung war.     

 

Die Bw hat bei ihrer Einvernahme ausgeführt, sie habe das offenbar im Schock gesagt, aber die Bremse sei bei der Probe völlig in Ordnung gewesen. Sie habe die Zeugin L erst kurz zuvor gesehen, als sie bei der Klosterstraße nach links eingebogen sei und die Zeugin schräg auf sie zugekommen sei. Sie habe gebremst und nach links auszuweichen versucht. Sie müsse die Zeugin L mit der rechten vorderen Fahrzeugecke gestreift haben, weil sie keine Erschütterung gespürt habe. Die Zeugin sei zuerst gestanden und dann plötzlich sei sie am Boden gelegen. Sie habe zuerst nicht gewusst, wo sie ihr Fahrzeug abstellen solle, damit nicht noch etwas passiert und sie sei ein paar Meter weiter vorne stehengeblieben, Sie sei sofort zu Fuß zur Zeugin L zurückgegangen, aber diese sei nicht ansprechbar gewesen, sie habe nicht reagiert. Passanten seien hinge­kommen, aber niemand habe den Unfall selbst gesehen. Rettung und Polizei seien fast gleichzeitig gekommen und die Zeugin L sei ins Krankenhaus gebracht worden. Sie habe aber noch ihren Namen und die Telefonnummer erfahren. Der Ml habe sie ins Polizeifahrzeug setzen lassen, weil sie so fertig gewesen sei, dort hätten sie geredet. Die Bremsen hätten ordnungsgemäß funktioniert, wie sich herausgestellt habe; dass sie defekt seien, habe sie offenbar im Schock gesagt. Die Bw schloss dezidiert aus, dass sie die Pedale verwechselt haben könnte. Sie sei nur weitergerollt, weil sie einen Platz zum gefahrlosen Stehenbleiben gesucht habe und geschockt gewesen sei. Sie habe gleich nach dem Krieg den Führerschein gemacht und sei bislang unfallfrei gefahren. Die Verkehrssituation beim Christkindlmarkt sei ihr schon bewusst gewesen, sie habe sich auf die nasse Fahrbahn und die dunkelgekleideten Leute schon eingestellt. Sie schloss dezidiert aus, dass die Zeugin L auf der Motorhaube um die Kurve "mitgefahren" sei, diese sei ihr aus Richtung des Schachspiels schräg entgegengekommen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist zum Unfallshergang zu sagen, dass die Angaben über den Berührungspunkt zwischen der Bw und der Zeugin L divergieren und auch keine objektiven Anhaltspunkte aus dem vorgelegten Verfahrensakt zu finden sind, weil offenbar den Unfallhergang selbst niemand beobachtet hat. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die nach Aussagen der Bw dunkelgekleidete Zeugin L erst kurz vor dem Pkw der Bw die Fahrbahn betreten hat. Die Bw hat kein Drehlicht der Straßenbahn in Erinnerung und die Zeugin L hat ausgeführt, sie habe wegen des Drehlichtes angenommen, der Pkw werde stehenbleiben. Damit ist aber durchaus denkbar, dass die Zeugin L noch unmittelbar vor dem Pkw der Bw die Fahrbahn überqueren wollte und die Situation hinsichtlich Fahrlinie und Geschwindigkeit falsch eingeschätzt hat – die Zeugin L besitzt keine Lenkberechtigung.

 

Die Bw ist nach eigenen Angaben seit mehr als 60 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung und hat in der Berufungsverhandlung einen absolut gefestigten und in Bezug auf das Lenken und Beherrschen eines Kraftfahrzeugen sicheren Eindruck gemacht; ebenso hat der Ml zeugenschaftlich bestätigt, dass er keinerlei Bedenken hatte, die Bw nach dem Unfall alleine heimfahren zu lassen, wobei er das nicht nur auf die ordnungsgemäß funktionierenden Bremsen bezogen hat.      

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen. ... Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahr­prüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine (neuerliche) Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Dabei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungs­voraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforder­ungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl VwGH 22.6.2010, 2010/11/0067; 16.4.2009, 2009/11/0020, 22.6.2010, 2010/11/0076; 17.10.2006, 2003/11/0302; 13.8.2003, 2002/11/0103; 30.9.2002, 2002/11/0120; uva).

 

Auf den ggst Fall bezogen ist zusammenfassend auszuführen, dass nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens beim Unabhängigen Verwaltungssenat keinerlei Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung der am 22.11.1926 geborenen Bw bestehen, die eine Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG begründen könnten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

§ 24 / 4 FSG-Aufforderung – Bedenken nicht begründbar -> Aufhebung

 

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