Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720303/6/SR/Jo

Linz, 29.05.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, rumänischer Staatsangehöriger, derzeit X, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 8. Juni 2011, GZ.: Sich40-12-1-2004, mit dem über den Berufungswerber ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber auf unbefristet erlassene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von zehn Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

II. Im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wird dem Berufungswerber kein Durchsetzungsaufschub erteilt.

 

Rechtsgrundlagen:

I.: § 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

II.: § 70 Abs. 3 FPG

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 8. Juni 2011, GZ.: Sich40-12-1-2004, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) gemäß § 86 Abs. 1 iVm. § 63 Abs. 1 und § 66 FPG idgF. ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, dass der Bw, ein rumänischer Staatsangehöriger, am X in X, Rumänien geboren sei und dort 9 Jahre die Grundschule besucht habe. Im Dezember 2003 sei er legal nach Österreich eingereist und seinem Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei am 24. März 2004 stattgegeben worden. Seit dieser Zeit befinde er sich rechtmäßig in Österreich und sei auch polizeilich gemeldet. Der Bw sei volljährig, ledig und habe in Österreich keine Unterhaltspflichten. Er gehe in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und könne kein regelmäßiges Einkommen nachweisen.

 

 

 

Während seines Aufenthaltes in Österreich sei er wiederholt straffällig geworden. Folgende Verurteilungen seien aktenkundig:

 

1.          LG Wels, 15 Hv 34/07d, rk mit 13.04.2007, gem. §§15 Abs1, 127, 130 (1.        Fall), 125 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

 

2.          BG Wels, 15 U 82/2008Y, rk mit 18.10.2008, gem. §27 Abs1 ZI (1. und 2.        Fall) und Abs2 SMG, Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 1 Jahr

 

3.          LG Wels, 25 HV 123/2008T vom 19.01.2009, rk 19.01.2009, gem. §§15 Abs1, 105 Abs1 StGB, Geldstrafe von 240,- Euro, 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

 

4.          LG Ried im Innkreis, 20 HV 31/2008D, rk 16.03.2009, gem. §§127, 128 Abs1 Z4, 130 (1. Fall) STGB, Freiheitsstrafe 9 Monate, davon 6 Monate   bedingt, Probezeit 3 Jahre

 

5.          LG Wels 25 HV 86/2009B, rk 07.07.2009, gem. §§ 15 Abs1, 127, 128      Abs1 Z4, 129 ZI, 130 (1. 3. und 4. Fall), 164 Abs1, 129 Z2,164 Abs 2 und       3 StGB, Freiheitsstrafe 12 Monate

 

6.          LG Wels, 25 HV 103/2009B, rk 14.08.2009, gem. §§297 Abs1 (2. Fall), 15        Abs1, 299 Abs1, 164 Abs 1,2 und 4 (2. Satz) StGB, Freiheitsstrafe 4      Monate

 

7.          LG Wels, 25 HV 143/2010M, rk 29.11.2010, gem. §§27 Abs1 ZI (8.Fall), 27 Abs1 ZI (1. und 2. Fall), 27 Abs2 SMG, Freiheitsstrafe 2 Monate

 

 

 

Derzeit befinde sich der Bf in der X in Untersuchungshaft wegen des Verdachtes auf Verletzung des §28a SMG. Weiters scheine eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung auf.

 

 

 

Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Bw ausgeführt, dass er in Österreich von 2004 bis 2005 den Polytechnischen Lehrgang und 2006 Deutschkurse am BFI besucht habe. In der Zeit von Mai 2007 bis Mai 2008 habe er bei der Firma X als Bäckerei- und Lagerarbeiter gearbeitet. 2010 sei er bei der Firma X beschäftigt gewesen. Somit habe er sich in Österreich eine prägende schulische und berufliche Ausbildung angeeignet. Seit der Einreise lebe er im gemeinsamen Haushalt mit dem Ziehvater X und der leiblichen Mutter. Diese sei bereits seit 1989 in Österreich und habe 2003 den Ziehvater geheiratet. Von den Eltern würde er umfassend versorgt und finanziell unterstützt. Der Lebensunterhalt sei jedenfalls gesichert. Es bestünde sohin ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis und zudem die Schutzwürdigkeit des Familienlebens.

 

Der leibliche Vater lebe in Rumänien. Sein genauer Aufenthalt sei nicht bekannt. Dieser habe sich nie um ihn gekümmert und es bestünde schon jahrelang kein Kontakt mehr. In Rumänien habe er keine Verwandten mehr, da die nahen Familienangehörigen schon seit Jahren in Österreich leben würden und zum Teil schon österreichische Staatsbürger seien.

 

Seit einigen Monaten befinde er sich in einer Lebensgemeinschaft mit der Österreicherin X. Diese werde er in absehbarer Zeit heiraten.

 

In Österreich sei er umfassend persönlich sozial integriert und verfüge über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Zum Herkunftsland bestehe keinerlei Bindung oder Kontakt mehr. In den Jahren 2008/09 habe er mehrmals strafbare Handlungen begangen, die auch zu gerichtlichen Verurteilungen geführt hätten, diese seien jedoch allesamt als Jugendlichenstraftaten zu werten. Zum Zeitpunkt der Tathandlungen sei das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet, er charakterlich nicht ausgereift und sich seiner sozialen Verantwortung noch nicht voll bewusst gewesen. Zwischenzeitlich habe aber ein Reifungsprozess eingesetzt, der durch die nunmehrige Verpflichtung der Lebensgefährtin gegenüber verstärkt worden sei.

 

Zudem habe er sich von seinen damaligen Freunden, welche einen sehr schlechten Einfluss ausgeübt hätten, völlig getrennt. Insgesamt sei daher eine positive Zukunftsprognose zu stellen.

 

Darüber hinaus sei eine Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn als EU-Bürger grundsätzlich nicht zulässig. Es bestehe keinerlei Grundlage zur Annahme, dass sein gesamtes persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren würde. Die angeführten Verurteilungen lägen einerseits schon länger zurück und seien andererseits in einem jugendlichen Alter verübt worden. Zwischenzeitig sei er geläutert und auch charakterlich gereift. Im Herkunftsland sei er völlig auf sich alleine gestellt und habe niemanden mehr, der ihn unterstützen oder betreuen könnte. Es würde ihm damit eine völlige Verwahrlosung drohen und sein  Fortkommen wäre ernsthaft gefährdet.

 

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben darstellen. Ein derartiger schwerwiegender Eingriff wäre auch durch keinerlei öffentliche Interessen gedeckt.

 

 

1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass der Bw als rumänischer Staatsangehöriger den Bestimmungen des § 86 FPG unterliege.

 

Unter Hinweis auf die §§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 66 FPG sowie im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten zu erachten.

 

Der Bw, ein rumänischer Staatsangehöriger, sei im Alter von 14 Jahren legal nach Österreich eingereist und halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Bereis 2007, also mit 17 Jahren, sei er mit den österreichischen Gesetzen in Konflikt geraten. Selbst rechtskräftige Verurteilungen hätten ihn nicht davon abbringen können, weitere strafbare Handlungen zu setzen. Im Laufe der Jahre sei er wegen Diebstahl, Sachbeschädigung, Nötigung, Hehlerei und Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz sieben Mal rechtskräftig verurteilt. Von Jänner 2009 bis Februar 2010 habe er den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafen in der JA Wels verbüßt. Sowohl das Ausmaß der über ihn verhängten Strafen, als auch die Anzahl und Art der Delikte, wegen denen er bestraft worden sei, lasse seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen. Sein persönliches Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Vor allem durch die Verbreitung von Suchtgiften gefährde er nicht nur erheblich die Gesundheit zahlreicher Menschen, sonder auch die Zukunft des höchsten Gutes einer Gesellschaft - deren Kinder und Jugendliche.

 

 

 

Von einer günstigen Prognose im Hinblick auf ein zukünftiges rechtstreues Verhalten könne keinesfalls ausgegangen werden. Entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme und der darin zum Ausdruck kommenden Zukunftsprognose habe sich der Bw nicht wohlverhalten und sei erneut gerichtlich verurteilt worden. Die Drogenabhängigkeit sei aktenkundig, eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung scheine auf und da sich der Bw zur Zeit in Untersuchungshaft befinde, bestehe der Verdacht, dass er erneut gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen habe. Gegen die Lebensgefährtin und zukünftige Braut X werde ebenfalls wegen SMG-Übertretungen ermittelt. Im Übrigen habe sich der Bw nicht von den damaligen Freunden getrennt, da auch in den jüngeren Strafhandlungen und Verdachtsfällen immer wieder die gleichen handelnden Personen in Erscheinung treten würden. Der Bw sei weiterhin nicht gewillt die Rechtsordnung der Republik Österreich zu beachten und stelle daher das angesprochene Gefährdungspotential dar.

 

 

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens seien die familiären Verhältnisse gewürdigt worden. Allerdings sei an dieser Stelle anzumerken, dass der Bw die erste Straftat, die zur Verurteilung geführt habe, gemeinsam mit dem in Österreich ansässigen Onkel begangen habe.

 

Auf Grund des langen Aufenthaltes in Österreich sei von einer gewissen sozialen Integration auszugehen, die durch die zahlreichen Verurteilungen geschmälert werde. Eine gewisse Bindung zum Heimatstaat sei gegeben, da der leibliche Vater in Rumänien lebe und der Bw die ersten prägenden 14 Jahre seines Lebens in Rumänien verbracht habe. Dem Bw sei sowohl die Sprache als auch die Kultur seines Heimatstaates bestens vertraut, er sei volljährig, ledig und für in Österreich lebende Personen nicht unterhaltspflichtig.

 

 

 

Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgeblich öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege, als das gegenläufig private Interesse des Fremden (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 14.1.1993, ZI. 92/18/0475).

 

 

 

Nach umfassender Abwägung stellte die belangte Behörde fest, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf Lebenssituation des Bw.

 

 

 

Auch im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei zum Schutze der in Österreich lebenden Bevölkerung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des § 66 und 86 Abs1 FPG zulässig.

 

 

 

Bei der Abwägung habe die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration und die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen berücksichtigt.

 

 

2. Gegen diesen dem Bw am 30. Juni 2011 zu eigenen Handen zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig vom Rechtsvertreter eingebrachte Berufung vom 12. Juli 2011, die am 13. Juli 2011 bei der belangten Behörde einlangte.

 

Einleitend macht der Rechtsvertreter des Bw Ausführungen zum Sachverhalt, der im Wesentlichen mit dem von der belangten Behörde festgestellten übereinstimmt.

 

Abweichend davon wird ausgeführt, dass sich der Bw zum Erlassungszeitpunkt des angefochtenen Bescheides nicht in Untersuchungshaft befunden habe. Der Bw sei ab Februar 2011 in Untersuchungshaft angehalten worden und die Enthaftung habe im Mai 2011 stattgefunden, da die strafrechtlichen Vorerhebungen kein Beweisergebnis erbracht hätten, die die Anklageschrift rechtfertigen würde. Der Bw befinde sich derzeit auf freiem Fuß und es habe die Unschuldsvermutung zu gelten.

Wie die amtsärztlichen Kontrollen ergeben hätten, sei der Bw nicht mehr drogenabhängig (Untersuchungsergebnisse im Führerscheinentzugsverfahren). Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe sich der Bw von den Mittätern und Freunden, die schlechten Einfluss auf ihn ausgeübt haben, abgenabelt.

Ohne darauf näher einzugehen, erachtet der Bw die Sachverhaltsfeststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen als nicht ausreichend. So wird als Vermutung abgetan, dass der leibliche Vater des Bw Rumäne sei und der Bw die prägenden Jahre (14) in Rumänien verbracht habe.

 

Nach Bezugnahme auf Bestimmungen des NAG und des FPG sieht der Rechtsvertreter den Bw als sozial integriert an. Im Herkunftsstaat wäre der Bw nicht sozial integriert und seine Existenz ernsthaft gefährdet. Einzig und allein könnten dem Bw seine Jugendstraftaten angelastet werden.

 

Ohne auf die Abwägungsgründe des § 61 Abs. 2 FPG einzugehen habe sich die belangte Behörde auf bloße Vermutungen und nicht auf Tatsachenfeststellungen gestützt und daher eine günstige Prognose ausgeschlossen. Die besondere Gefährlichkeit habe die belangte Behörde mit der Suchtgiftkriminalität des Bw begründet und dabei nicht bedacht, dass von den sieben rechtskräftigen Verurteilungen lediglich zwei nach § 27 SMG erfolgt seien.

 

Mangels zutreffender Beurteilung des Privat- und Familienlebens sei die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes unvertretbar.

 

Abschließend wies der Bw auf § 64 Abs. 2 FPG hin und argumentierte erschließbar, dass der Bw aufenthaltsverfestigt sei.

 

Neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragte der Bw die Aufhebung des angefochtenen Bescheides bzw. die Aufhebung und die Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung.

 

3.1.  Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 legte die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land den gegenständlichen Verwaltungsakt vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

3.2.1. Am 16. Mai 2012 gab der Rechtsvertreter den Verhandlungsverzicht bekannt.

 

Darüber hinaus konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

 

 

3.2.2. Am 29. März 2012 übermittelte die belangte Behörde einen Zwischenbericht der PI Thalheim bei Wels vom 26. März 2012, GZ B5/2069/2012-ES. Im Zwischenbericht, gerichtet an die StA Wels, wird der Bw wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 28a SMG und des Verdachtes des Vergehens nach § 50 Waffengesetz angezeigt.

 

 

 

Der Bw wurde am 25. März 2012 in 4600 Wels festgenommen und am 26. März 2012 um 17.45 Uhr über Anordnung der StA Wels, Dr. Mayer, in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Wels eingeliefert. Seit dem 29. März 2012 wird der Bw im X in Untersuchungshaft angehalten.

 

 

 

In der Anzeige wird dem Bw vorgeworfen, seit Mitte Jänner 2012 bis zuletzt (25. März 2012) ein Heroingeschäft in Wels organisiert, aufgezogen und unter seiner Leitung betrieben zu haben und dabei eine mehrfach die Grenzmenge übersteigende Menge an Heroin an teilweise bekannte und unbekannte Abnehmer im Stadtgebiet gewinnbringend in Verkehr gesetzt zu haben. Weiters wird dem Bw darin vorgeworfen, das Heroin besorgt und im Anschluss an seine Subverteiler zum gewinnbringenden Weiterverkauf übergeben zu haben.

 

 

3.2.3. Mit Schreiben vom 18. April 2012 übermittelte die belangte Behörde Unterlagen über die Untersuchungshaft, Anhalteprotokolle I, II, III und IV, Zwischenbericht an die StA Wels, Depositenbericht und einen Bericht der PI X vom 30. März 2012 (Reisepasssicherstellung).

 

Aus dem Anhalteprotokoll III (Polizeiamtsärztliches Gutachten) vom 25. März 2012 geht hervor, dass der Bw vor der Untersuchung jedenfalls Opiate zu sich genommen (weitere Aufzählung unleserlich), der Drogenharntest ein positives Ergebnis erbracht ("THC, Cocain, Morphine" und eine weitere unleserliche Aufzählung) und der Bw unter Entzugserscheinungen gelitten hat.

 

Laut dem angesprochenen Bericht vom 30. März 2012 sei der Reisepass des Bw, den dieser als verlustig gemeldet hatte und der im Kosovo missbräuchlich bei einem Heroinschmuggel verwendet worden war, am 16. März 2012 sichergestellt worden.

 

3.2.4. Mit Schreiben vom 3. Mai 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bescheid vom 24. April 2012, GZ Sich51-9-2012, mit dem über den Bw ein Waffenverbot verhängt worden ist.

 

3.2.5. Der Bw ist nach wie vor ledig und laut ZMR Anfrage vom 21. Mai 2012 zu keinem Zeitpunkt mit seiner "Lebensgefährtin" an einem gemeinsamen Wohnsitz gemeldet gewesen.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1., 1.2., 3.2.1. bis 3.2.5. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4 In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

 

4.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen rumänischen Staatsangehörigen, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er sich in Österreich niederließ, also um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises.

4.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden und das Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt.

 

Nachdem der Bw seit rund achteinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 2. Satz FPG zum Tragen. Eine Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 FPG liegt nicht vor.

 

4.2.2. Zunächst ist das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik näher auszulegen.

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Das FPG legt, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So verlangt § 67 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 64 Abs 4 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgelbliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603; E vom 3. April 2009, 2008/22/0913).

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft, dass darin gelegen ist, strafbare Handlungen gegen das StGB und das SMG zu verhindern.

 

Die mehrfach qualifizierten Straftaten des Bw wurden in den unter Punkt 1.1. wiedergegebenen Urteilen als Verbrechen und Vergehen eingestuft.

 

Im Sinne der wiedergegeben Judikatur (VwGH, EGMR, EuGH) ist nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Besonders aussagekräftig sind daher die einzelnen Strafzumessungsbegründungen. Diese lassen eindeutige Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bw zu.

 

Neben den Eigentums- und Gewaltdelikten sind besonders die Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz herauszugreifen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt (vgl. VwGH vom 4.10.2006, 2006/18/0306; VwGH vom 27.6.2006, 206/18/0092).

 

Aus dem Vorlageakt und der Berufung lassen sich Rückschlüsse auf den verwerflichen Charakter des Bw ziehen. Diese Beurteilung und die Gefährlichkeitsprognose konnte der Bw durch sein Vorbringen nicht entkräften.

 

Die strafbaren Handlungen des Bw zeigen die kriminelle Energie des Bw auf und lassen auch deutlich die massive Steigerung erkennen. Dem Vorlageakt ist zu entnehmen, dass der Bw im Zeitraum 2007 bis 2012 in 17 Fällen angezeigt wurde. Bemerkenswert ist dabei, dass dem Bw in einigen Anzeigen mehre Delikte und in einem Fall 14 Delikte (Verbrechen) zur Last gelegt wurden. Wie unter Punkt 1.1. dargestellt, wurde der Bw erstmalig 2007 und in der Folge in regelmäßigen Abständen rechtskräftig verurteilt. Aus dem Verhalten des Bw ist zu ersehen, dass die Einhaltung von Rechtsvorschriften für ihn keinen hohen Stellenwert einnimmt, da er trotz anfangs bedingter Strafen fortlaufend schwere Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz und das Strafgesetzbuch begangen hat. Die umsichtige Vorgangsweise der Strafgerichte läuterten den Bw nicht; er änderte seine Grundhaltung nicht, sondern beging in der Folge die oben dargestellten zahlreichen großteils einschlägigen Verbrechen und Vergehen. Die ständig zunehmende kriminelle Energie kommt besonders im Tatverhalten des Bw zu Ausdruck und veranlasste auch die Strafgerichte, zahlreiche unbedingte Freiheitsstrafen zu verhängen.

 

Betrachtet man den Zeitraum ab 2007, so ist kein längerer Zeitabschnitt erkennbar, in dem sich der Bw rechtskonform verhalten hat.

 

Nach der Berufungseinbringung wurde der Bw am 19. Juli 2011, vom LG Wels unter der Zahl 025 HV 170/2010g, rechtskräftig seit 29. November 2011, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten (§§ 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB;  §§ 27 Abs. 1 Z. 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall und 27 Abs. 2 SMG) verurteilt.

 

Auch wenn der Bw zu Recht aufzeigt, dass er wegen der Vorwürfe im Frühjahr 2011 (mehrmonatige Untersuchungshaft wegen des begründeten Verdachtes zahlreicher Verstöße gegen das SMG) nicht verurteilt worden sei und daher die Unschuldsvermutung zu gelten habe, lassen bereits die Anzeige und die mehrmonatige Untersuchungshaft erkennen, dass sich der Bw nicht von seinem kriminellen Umfeld gelöst hat.

 

Ende März 2012 wurde der Bw neuerlich wegen des Verdachtes der Verbrechen nach § 28a SMG festgenommen und wird bis dato in Untersuchungshaft angehalten. Die Haft wird damit begründet, dass der Bw seit Mitte Jänner 2012 in Wels ein Heroingeschäft organisiert, aufgezogen und unter seine Leitung betrieben habe. Im Zuge der Organisation und Abwicklung eines Suchtmittelgeschäftes wurde der Bw am 25. März 2012 festgenommen und über Anordnung der StA Wels am 26. März 2012 in das landesgerichtliche Gefangenenhaus eingeliefert.

 

Ebenso wenig ist haltbar, dass der Bw nicht (mehr) drogenabhängig sei. Zu Beweiszwecken wird auf Untersuchungen in einem Führerscheinentzugsverfahren verwiesen. Nach der Festnahme am 25. März 2012 wurde der Bw amtsärztlich untersucht. Im Anhalteprotokoll hielt der Polizeiarzt fest, dass der Drogenharntest positiv verlaufen sei ("pos. für: THC, Cocain, Morphine, und unleserliche Anführung) und der Bw Entzugserscheinungen aufweise.

 

Aus dem gravierenden Fehlverhalten des Bw, das über einen langen Zeitraum zu beobachten war und eine ständige Steigerung erfahren hat, resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt-, Suchtmittel- und Eigentumskriminalität (vgl.  VwGH vom 2. April 2009, 2009/18/0032, mwN; VwGH vom 11. Mai 2009, 2009/18/0134). Ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet würde eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.

 

Im Hinblick darauf, dass der Bw über einen sehr langen Zeitraum wiederholte Verstöße gegen das Strafgesetzbuch und das Suchtmittelgesetz gesetzt und sich die kriminelle Energie stetig gesteigert hat, zuletzt im Zuge eines von ihm organisierten und unter seiner Leitung ablaufenden Heroingeschäftes auf frischer Tat festgenommen worden ist, stellt sein Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Der Gesetzesbegriff "gegenwärtig" muss seiner Bedeutung nach im vorliegenden Fall naturgemäß vor allem auf den Zeitraum nach seiner Entlassung erstreckt werden, sofern der Bw, wie hier vorliegend, noch in Untersuchungshaft angehalten wird.

 

Mit seinem allgemein gehaltenen und teilweise aktenwidrigem Vorbringen ist es dem Bw aber nicht gelungen, darzulegen, dass das beschriebene Gefährdungspotential gegenwärtig und auch zukünftig von ihm nicht mehr ausgehen werde.

 

Die Tathandlungen und die nachfolgende Verantwortung lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen über einen langen Zeitraum (2007 bis 2012) auf, dass er nicht geneigt ist, die Rechtsordnung seines Gastlandes zu respektieren. Seine kriminelle Energie hat sich ständig gesteigert, und die kriminelle Motivation bestand nicht bloß punktuell und kurzfristig.

 

Ein geradezu klassisches Beispiel für eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr bildet fraglos der Suchtgifthandel. Dies hat nicht nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. "Die Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes  Interesse Angesichts dessen ist es nicht rechtswidrig, in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1" (nunmehr § 67 Abs. 1) "FPG anzusehen" (VwGH vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).

 

Dies gilt wohl nicht so sehr für den Drogen-Eigenkonsum, sondern insbesondere für den Handel mit Suchtgiften.

 

Es muss – ohne den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht zu lassen - auch weiterhin von einem akuten, nachhaltigen und besonders hohen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb die Tatbestände des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen sind.

 

Derzeit lässt das Persönlichkeitsbild des Bw keinesfalls den Schluss zu, dass er nunmehr als geläutert anzusehen ist.

 

Im in Rede stehenden Fall ist besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.2. Zur Aufenthaltsdauer des Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzuhalten, dass diese ca. achteinhalb Jahre beträgt. Der Aufenthalt des Bw ist durchgehend rechtmäßig.

 

4.4.3. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.

 

Den Angaben des Bw zufolge lebt er seit seiner Einreise in Österreich – abgesehen von den Haftzeiten – bei seiner Mutter. Der Stiefvater und weitere Verwandte halten sich in Österreich auf. Im Herkunftsstaat lebt der leibliche Vater des Bw. Die behauptete Eheschließung mit der "Lebensgefährtin" hat nicht stattgefunden und eine solche scheint auch in naher Zukunft nicht geplant zu sein. Ein gemeinsamer Wohnsitz besteht nicht und bestand auch nie.  

 

4.4.4. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine "Ausweisung" gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall ist der Bw seit ca. achteinhalb Jahren in der Republik Österreich aufhältig. Die in die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Bw einfließende Aufenthaltsdauer liegt damit noch deutlich unter der höchstgerichtlich judizierten Schwelle von etwa zehn Jahren.

 

Hinzu tritt, dass vom Beschwerdeführer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zudem neun Jahre lang ein Beruf in Österreich ausgeübt wurde und der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Integrationsmerkmale fordert. Laut aktuellem Versicherungsdatenauszug übte der Bw bis Mai 2008 lediglich einige Monate eine berufliche Tätigkeit aus. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete der Bw insgesamt nur mehr einige Tage. Es wird daher neben der unzureichenden Aufenthaltsdauer in Österreich auch das vom Verwaltungsgerichtshof als wesentlich angesehene Merkmal der Teilnahme am Erwerbsleben für eine alleinige positive Gesamtbeurteilung nicht erfüllt.

 

Schließlich ist – mangels gegenteiliger Hinweise im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis – davon auszugehen, dass im verwaltungsgerichtlich entschiedenen – und damit entgegen dem hier zu beurteilenden – Fall eine strafrechtliche Bescholtenheit des Beschwerdeführers nicht vorlag.

 

4.4.5. Merkmale für eine weitere soziale Integration des Bw in Österreich sind im Verfahren kaum hervorgekommen. Der Bw bringt zwar – was vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in keinster Weise angezweifelt wird – vor, Beziehungen zu Verwandten zu unterhalten. Wie die nahe Vergangenheit belegt, pflegt er überwiegend Kontakte zu gleichgesinnten "Freunden", mit denen er kriminelle Aktivitäten setzt.

Er vermag auch keine entsprechende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben (Vereinszugehörigkeit oä) nachzuweisen. Gegen die soziale Integration des Bw sprechen hingegen insbesondere die von ihm begangenen strafbaren Handlungen, bei welchen der Bw im erhofften künftigen Heimatstaat zumindest Suchtmittel missbrauchte und wiederholt massive Eigentumsdelikte beging.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung gelangt man daher zum Ergebnis, dass eine tiefgehende Integration des Bw ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht gegeben ist.

 

4.4.6. Festzustellen ist weiters, dass der heute knapp 23-jährige Bw den überwiegenden Teil seines Lebens, nämlich 14 Jahre, in dem von ihm bezeichneten Staat verbracht hat. Er beherrscht die dortige Sprache und sein leiblicher Vater lebt noch dort.

 

4.4.7. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben.

 

4.4.8. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.

 

4.4.9. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 4.4.1. bis 4.4.8. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

Einleitend ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist (siehe statt vieler VwGH 29.9.1994, 94/18/0370). Wie der vorliegende Fall auch aufzeigt, hat der Bw auch gewerbsmäßig zahlreiche Einbruchsdiebstähle begangen.

 

Bei den konkret vom Bw verübten Verbrechen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität". Es zeugt fraglos von immenser krimineller Energie und längerfristigem, eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, entsprechende Kontakte in der einschlägigen Szene anzubahnen, derartige wie die durchgeführten Verbrechen zu planen und diese dann auch auszuführen.

 

Das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Eigentumskriminalität und des Suchtgifthandels ist besonders hoch anzusiedeln. Im Fall der Suchtgiftkriminalität ging es nicht "bloß" um den Eigenbedarf.

 

Zwar ist dem Bw durch seine Aufenthaltsdauer im Inland von achteinhalb Jahren ein untergeordnetes Maß an Integration bzw. ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen. Die vorhandene, schwach ausgeprägte soziale Integration ist jedoch schon dadurch zu relativieren, als die Ausübung einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit kaum bestanden hat. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch vor allem, dass er durch die von ihm mit beachtlicher krimineller Energie verwirklichten strafrechtlichen Delikte unter Beweis gestellt hat, von einer Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung des Gastlandes weit entfernt zu sein. Darüber hinaus scheint eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht und über mehrere Jahre auch gearbeitet hat, keineswegs unzumutbar.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

4.5.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist auf § 67 Abs. 2 FPG zu verweisen.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.

 

Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde – gestützt auf die vorgehende Rechtslage – ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

 

4.5.2. In Anbetracht des Gefährdungspotentials und der besonders großen Verwerflichkeit des Tuns des Bw ist jedenfalls ein Zeitraum von 10 Jahren voll auszuschöpfen, um die Republik Österreich vor weiteren kriminellen Aktivitäten des Bw zu schützen. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass vor diesem Zeitpunkt eine positive Zukunftsprognose, betreffend das vom Bw ausgehende Gefährdungspotential, erstellt werden könnte.

 

4.6. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Aufgrund des oben dargelegten und als besonders groß zu bezeichnenden Gefährdungspotentials für die öffentliche Ordnung der Republik Österreich ist (ab Eintritt der Durchsetzbarkeit) eine sofortige Ausreise des Bw erforderlich.

4.7. Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da der Bw offenkundig der deutschen Sprache mächtig ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben werdenb. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Mag. Stierschneider

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VfGH vom 20. September 2012, Zl.: B 923/12-3

 

Beachte: 

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt. 

 

VwGH vom 16. November 2012, Zl.: 2012/21/0215-5

 

 

 

 

 

 

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