Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-700019/10/Gf/Rt

Linz, 24.05.2012

VwSen-700020/8/Gf/Rt

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VwSen-700027/8/Gf/Rt

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufungen der russischen Staatsangehörigen X, X, X, X, X, X, X, X und X, ha. vertreten durch den Verein "X", X, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 5. Mai 2009, Zlen. 905124, 905125, 905127, 905128, 905159, 905130, 905131, 905132 u. 905155, wegen Entzuges der Grundversorgung für Asylwerber zu Recht:

 

 

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 5. Mai 2009, Zlen. 905124, 905125, 905127, 905128, 905159, 905130, 905131, 905132 und 905155, wurde dem Erstbeschwerdeführer, seiner Gattin und seinen 7 Kindern die ihnen nach dem Grundversorgungsgesetz des Bundes, BGBl.Nr. I 405/1991, i.d.F. BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: GVG-B), seit dem 28. September 2008 gewährten Unterstützungsleistungen entzogen; gleichzeitig wurde festgestellt, dass den Rechtsmittelwerbern ab diesem Zeitpunkt lediglich der Zugang zur medizinischen Notversorgung gewährt wird.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Asylanträge der jeweils der tschetschenischen Volksgruppe angehörenden Beschwerdeführer abgewiesen und ihre damit verbundenen Ausweisungen jeweils am 16. März 2009 rechtskräftig geworden seien. Dessen ungeachtet hätten sie bereits am 30. April 2009 wiederum Asylanträge gestellt. Da sie sohin allseits unbestritten innerhalb von sechs Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens jeweils einen weiteren Asylantrag eingebracht hätten, seien sie folglich – was ihnen auf Grund des Umstandes, dass sie im Asylverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten wurden, auch bewusst habe sein müssen – gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B von der Grundversorgung auszuschließen gewesen. Außerdem seien Verwandte der Ehegattin in Österreich aufhältig, wobei notorisch sei, dass innerhalb der tschetschenischen Volksgruppe ein enger Zusammenhalt bestehe, sodass sie auch von diesen versorgt werden könnten.

1.2. Gegen diese ihnen am 7. Mai 2009 zugestellten Bescheide richten sich die vorliegenden, jeweils am 15. Mai 2009 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachten Berufungen.

Darin bringen die Rechtsmittelwerber vor, dass es sich bei § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG‑B lediglich um eine Ermessensbestimmung handle. Im gegenständlichen Fall erweise sich dieses Ermessen durch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl.Nr. 7/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. III 16/2003 (im Folgenden: ÜRK), jedenfalls insofern eingeschränkt, als Österreich nach Art. 6 Abs. 2 ÜRK dazu verpflichtet sei, das Überleben und die Entwicklung der Kinder des Erstbeschwerdeführers zu sichern. Außerdem könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass die in Österreich lebende Tante der Rechtsmittelwerber tatsächlich dazu in der Lage sei, sich selbst und eine neunköpfige Familie zu ernähren, zumal auch diese (offenbar ebenfalls eine Asylwerberin) derzeit noch in einer Pension untergebracht sei.

Daher wurde beantragt, die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass der gesamten Familie des Erstbeschwerdeführers weiterhin die Grundversorgung gewährt wird.

1.3. Mit Erkenntnis vom 27. Mai 2009, Zlen. VwSen-700019 bis 700027, hat der Oö. Verwaltungssenat den Berufungen mit der Wirkung stattgegeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben wurden.

 

Begründend wurde dazu aufgeführt, dass die Bestimmung des § 3 Abs. 1 GVG-B zufolge den Gesetzesmaterialien – wie dies im Gesetzestext ohnehin auch durch die Verwendung des Wortes "kann" deutlich zum Ausdruck gebracht werde –  zwar grundsätzlich eine Ermessensbestimmung darstelle; doch sei ein "Gesamtausschluss ..... immer nur i.S. einer ultima-ratio"-Maßnahme zulässig (vgl. StenProtNR, 22.GP, 55. Sitzung, S. 115). In Verbindung mit § 2 Abs. 1 GVG-B, wonach Asylwerbern nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern diesen darüber hinaus auch dann, wenn deren Antrag zurück- oder abgewiesen wurde, grundsätzlich so lange Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes geleistet wird, bis diese das Bundesgebiet verlassen, ergebe sich daraus insgesamt, dass ein Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Falle eines offensichtlichen und gleichzeitig erwiesenen Missbrauches erfolgen dürfe.

 

Im gegenständlichen Fall könne allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsmittelwerber die Grundversorgung missbräuchlich in Anspruch genommen hätten, im Gegenteil: Auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides gehe nämlich explizit hervor (vgl. S. 2), dass die Beschwerdeführer nicht darüber aufgeklärt gewesen seien, dass im Falle des Stellens von Folgeasylanträgen (unter Umständen) kein Anspruch auf weitere Grundversorgung bestehen könnte. Ein "Missbrauch" könnte ihnen daher allenfalls nur in Bezug auf die Stellung ihrer neuerlichen Asylanträge trotz bereits unmittelbar zuvor rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren angelastet werden. Hierbei handle es sich jedoch bloß um verfahrensrechtliche Formalakte, die in der Folge in aller Regel zu einer Zurückweisung führen und nicht unbedingt auch mit der Frage der Gewährung von Grundversorgung, die nach § 2 Abs. 1 GVG-B ja ausdrücklich auch im Falle der Zurückweisung von Asylanträgen solange zu gewähren ist, bis die Fremden das Bundesgebiet verlassen, etwas zu tun hätten.

 

Nur unter besonderen Umständen – wie etwa dann, wenn der Folgeantrag beispielsweise im Zuge einer illegalen Rückkehr ins Bundesgebiet und ausschließlich deshalb gestellt wurde, um sich die bereits zuvor eingestellten Leistungen aus der Grundversorgung wieder zu verschaffen, o.Ä. –, deren Vorliegen dann entsprechend konkret belegt sein müsste, könnte eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen vorliegen. Dies treffe jedoch im gegenständlichen Fall offensichtlich gerade deshalb nicht zu, weil hier bis zur Erlassung des Entzugsbescheides eine aufrechte Grundversorgung bestand, sodass die Stellung der Folgeanträge keineswegs bezweckt habe, in missbräuchlicher Weise Versorgungsleistungen zu erhalten. Wie bereits zuvor angesprochen, hätten die Rechtsmittelwerber davon, dass die Stellung von Folgeanträgen einen Ausschluss aus der Bundesbetreuung nach sich ziehen kann, schlicht und einfach keine Kenntnis gehabt.

 

Vor einem solchen Hintergrund sei das Ermessen daher dahin auszuüben, dass von einem Ausschluss der Rechtsmittelwerber aus der Bundesbetreuung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B abzusehen ist.

 

1.4. Mit Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2012/01/0026, hat der Verwaltungsgerichtshof einer dagegen von der Bundesministerin für Inneres erhobenen Amtsbeschwerde stattgegeben und die h. Entscheidung vom 27. Mai 2009, Zlen. VwSen-700019 u.a., wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das nach § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B eingeräumte Ermessen nicht in der vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommenen Weise, sondern entsprechend den Kriterien der Richtlinie 2003/9/EG auszuüben ist. Demnach ist eine Entscheidung über den Ausschluss von der Grundversorgung gemäß Art. 16 der RL 2003/9/EG jeweils auf Grund der besonderen Situation des konkreten Fremden zu treffen, wobei insbesondere zu untersuchen ist, ob sich der Ausschluss auf eine besonders bedürftige Person i.S.d. Art. 17 der RL 2003/9/EG bezieht, und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen ist.

 

2. An diese Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

 

Davon ausgehend sowie im Hinblick darauf, dass in den hier konkret vorliegenden Fällen einerseits die Rechtsmittelwerber den Vorhalt der belangten Behörde, dass sie von den in Österreich aufhältigen Verwandten der Zweitbeschwerdeführerin versorgt werden können, weder substantiell noch unter Vorlage entsprechender Beweismittel bestritten haben, und andererseits die medizinische Versorgung der Rechtsmittelwerber – insbesondere auch jene der minderjährigen Kinder – i.S.d. Art. 17 der RL 2003/9/EG ohnedies vom Ausschluss von der weiteren Versorgung explizit ausgenommen wurde, kann der Erstbehörde sohin auch nicht angelastet werden, das ihr gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GVG-B von vornherein bloß in engen Grenzen zukommende Ermessen nicht verhältnismäßig ausgeübt zu haben.

 

3. Die gegenständlichen Berufungen waren sohin gemäß § 66 Abs. 4 AVG abzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

 

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