Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166794/2/Bi/Kr

Linz, 11.06.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, X, X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, X, X, vom 9. März 2012 gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 23. Februar 2012, VerkR96-1639-2011-Hof, wegen Übertretung des FSG, zu Recht erkannt:

 

    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 3 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Punkt 1) des oben bezeichneten Straferkenntnisses wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 1 Abs.3 iVm
37 Abs.1 und 4 Z1 FSG eine Geldstrafe von 730 Euro (336 Stunden EFS) verhängt, weil er am 21. Mai 2011, 22.30 Uhr, im Ortsgebiet X, Kreuzung X mit dem Sonnenweg die Zugmaschine X (A) auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeuge falle, gewesen sei, da ihm diese mit Bescheid der BH Rohrbach vom 28. September 2010, GZ:08/102438, entzogen worden sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 37 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, es liege insofern Verjährung vor, als sich der Vorfall am 21. Mai 2011 ereignet habe und ihm erstmalig mit Schreiben der Erstinstanz vom 7. Februar 2012 der ggst Tatvorwurf angelstet worden sei. Innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungszeit sei keine Verfolgungs­handlung gesetzt worden. Diese Frist sei auch durch das Abwarten des Ausgangs des Strafverfahrens nicht unterbrochen oder gehemmt worden. Die Anzeige sei auch nicht wegen Übertretung des FSG erfolgt. Die nunmehrige Bestrafung sei als unzulässige Doppelbestrafung anzusehen, weil im Tatvorwurf vor dem Landesgericht Linz zu 26 Hv 125/11v das Lenken der Zugmaschine ohne gültige Lenkberechtigung enthalten gewesen sei. Im Strafverfahren sei als erschwerend gewertet worden, dass er über keine gültige Lenkberechtigung verfügt habe, daher könne dieser Tatvorwurf nicht mehr Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsstrafver­fahrens sein. Der Spruch sei außerdem unvollständig, weil nicht ausgeführt sei, unter welche Klasse von Lenkberechtigung das Lenken des Traktors falle. Die Strafe sei überhöht, weil er nur 700 Euro Einkommen beziehe und Besitzer einer kleinen Landwirtschaft sei. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung, in eventu Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw zur Anzeige gebracht wurde, weil er am 21. Mai 2011 um 22.30 Uhr als Lenker des Traktors X auf dem X im Ortsgebiet von X in Fahrtrichtung X beim Haus X die ihm entgegenkommende Mofalenkerin X von der Fahrbahn abgedrängt habe. Diese habe die Polizei verständigt. Der Bw habe, als die Polizei bei seinem Haus erschienen sei, nicht geöffnet, sodass die Beamten am nächsten Tag erneut dort erschienen seien. Bei seiner Befragung habe der Bw angegeben, er sei zur oben angeführten Zeit mit der Zugmaschine heimgefahren. Aufgrund der Alkoholisierungssymptome und der Verweigerung des Vortests sei er zum Alkotest aufgefordert worden, der um 8.06 Uhr einen günstigsten AAG von 0,64 mg/l ergeben habe. Festgestellt wurde weiters, dass der Bw keine gültige Lenk­berechtigung besessen habe, weil ihm dieser bereits 2010 mit Bescheid entzogen worden war. Die an der Zugmaschine angebrachte Begutachtungsplakette war 2007 bereits abgelaufen. Der Bw gab an, er habe beim einem Bekannten ein paar Bier getrunken, eine Mofalenkerin habe er nicht wahrgenommen.

Mit Aktenvermerk von 24. Juni 2011 wurde seitens der Erstinstanz das Strafverfahren gemäß § 30 Abs.2 VStG bis zur rechtskräftigen Erledigung des gerichtlichen Strafverfahrens ausgesetzt.

 

Mit seit 3. September 2011 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30. August 2011, 26 Hv 125/11v, wurde der Bw des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (81 Abs.1 Z2) StGB schuldig erkannt, weil er am 21. Mai 2011, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, der Gesundheit oder die körperliche Sicherheit der RH herbeigeführt hat, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähig­keit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder vorhersehen hätte können, dass ihm eine Tätigkeit bevorsteht, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet ist, indem er auf dem Sonnweg als Lenker der Zugmaschine X ohne gültige Lenkberechtigung mit zumindest 2 Promille Blutalkoholkonzentration am linken Fahrbahnrand fuhr und ein Zusammenstoß mit der ihm entgegen­kommenden Mopedfahrerin RH lediglich dadurch verhindert werden konnte, dass diese auf die neben der Straße befindliche Böschung fuhr. Der Bw wurde hierfür zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 4 Euro, also gesamt 120 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Mildernd wurde die Unbescholtenheit, erschwerend fehlende Einsicht berücksichtigt.

Vom Vorwurf der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB gegen RH wurde der Bw mangels Schuldbeweis freigesprochen, weil er "Drohungen mit Beschim­pfungen vermengt habe, sodass ihm nicht bewusst war, dass er durch seine Äußerungen RH in Furcht und Unruhe versetzen könne."

Das Urteil langte erst auf ausdrückliches Ersuchen der Erstinstanz an das Landes­gericht Linz am 3. Februar 2012 dort ein.

 

Auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Februar 2012, zugestellt durch Hinterlegung, hat der Bw nicht reagiert, sodass das angefochtene Straferkenntnis erging. Die ihm im Punkt 2) vorgeworfene Übertretung des KFG 1967 in Form der abgelaufenen Begutachtungsplakette an der Zugmaschine hat der Bw in der Berufung ausdrücklich nicht bestritten.

 


In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, Z1 wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet; ... Z3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

§ 30 Abs.1 und 2 VStG lauten:

(1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.

2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

 

Gemäß § 89 StGB ist zu bestrafen, wer in den im § 81 Z1 bis 3 bezeichneten Fällen – 1. unter besonders gefährlichen Verhältnissen, 2. nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungs­fähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorher­gesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei, oder 3. dadurch, dass er, wenn auch nur fahrlässig, ein gefährliches Tier entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag hält, verwahrt oder führt – wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt.

 

Auf den ggst Vorfall bezogen war davon auszugehen, dass der Tatbestand des    § 89 (§ 81 Abs.1 Z2) StGB durch das Handeln des Bw insofern erfüllt war, als er, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Alkoholgenuss in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, ... wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführte, indem er eine Zugmaschine mit über 2 Promille Blutalkoholgehalt am linken Fahrbahnrand lenkte und ein Zusammenstoß mit der Mopedlenkerin RH aufgrund seines Fahrverhaltens nur dadurch verhindert werden konnte, dass diese über die Böschung fuhr.

 

Ob der Bw zum damaligen Zeitpunkt über eine gültige Lenkberechtigung verfügte, ist weder eine Frage der Gefährdung der körperlichen Sicherheit – hier ist nur sein Fahrverhalten relevant – noch eine Frage seines Rauschzustandes; dh mit anderen Worten: Der Besitz oder Nichtbesitz einer Lenkberechtigung für die Klasse F ist nicht Tatbestandsmerkmal eines Vergehens nach § 89 iVm
§ 81 Abs.1 Z2 StGB und hatte daher sowohl in der Anklage als auch im Urteil nichts verloren. Der Vorwurf des Nichtbesitzes einer gültigen Lenkberechtigung hätte vom Gericht auch nicht in irgend einer Weise gewertet werden dürfen – für die Behauptung des Bw, im Strafverfahren sei dieser Umstand straferschwerend herangezogen worden, findet sich auch kein Hinweis.

 

Tatsache ist aber, dass im gerichtlichen Strafverfahren der Umstand, dass der Bw über keine gültige Lenkberechtigung verfügte, ohne jede Rechtsgrundlage oder Notwendigkeit einfach mit eingeflossen ist und daher der Verfolgung durch die Verwaltungs­behörde auf der Grundlage des Art.4 7. ZPMRK entzogen war. Dabei ist auch zu bedenken, dass durch eine Unterbrechung gemäß § 30 VStG die Verjährungsfrist nicht gehemmt wird, dh die Erstinstanz eine rechtzeitige Verfolgungshandlung setzen hätte müssen – diese Frist begann mit 21. Mai 2011 und endete demnach mit 21. November 2011. Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil des Landesgerichts Linz bereits seit über 2 Monaten rechtskräftig, was aber der Erstinstanz mangels jeglicher Kommunikation von Gerichten mit Behörden nicht bekannt war, sodass bereits – übrigens ebenso wie beim Vorwurf der abgelaufenen Begutachtungsplakette; diesbezüglich wurde aber ausdrücklich keine Berufung erhoben und Punkt 2) des Straferkenntnisses damit rechtkräftig  – Verfolgungs­­verjährung eingetreten war.    

 

Im Urteil des Landesgerichts Linz wurde damit auch ein völlig irrelevanter Umstand in die Strafbemessung mit einbezogen und der Bw mit der nach dem Tagsatz­system für alle im Urteil angeführten "Anlastungen" festgesetzten Strafe nicht nur der Verfolgung durch die Erstinstanz entzogen sondern schon aufgrund der im § 37 Abs.4 FSG für das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung bei entzogener Lenkberechtigung vorgesehenen Mindeststrafe von 726 Euro bei Fehlen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG auch finanziell begünstigt. Da im vorliegenden Gerichtsurteil die fehlende Einsicht des Bw besonders hervorgehoben wurde, ist ihm dadurch auch kein Nachteil erwachsen – in spezialpräventiver Hinsicht ist diese Vorgangsweise aber gerade beim im Urteil vom Bw gezeichneten Persönlichkeitsbild höchst bedenklich.

Trotzdem war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrens­kostenbeiträge nicht anfallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Lenken ohne gültige Lenkberechtigung ist nicht Tatbestandsmerkmal des § 89

(§ 81 Abs.1 Z.2) StGB -> Anführung im Schuldspruch des Urteils entzog Bw Verfolgung durch Verwaltungsbehörde -> Einstellung

 

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