Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720310/4/SR/WU

Linz, 11.06.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, bulgarische Staatsangehörige, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 30. August 2011, AZ.: 1-1027566/FP/11, mit dem über die Berufungswerberin ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 30. August 2011, AZ.: 1-1027566/FP/11, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) gemäß      § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG idgF. ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG sind Sie Fremder, weil Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

Dass Sie einem vom Gesetzes wegen begünstigten Personenkreis angehören, steht der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Gemäß § 67 und § 65b FPG kann auch gegen den Personenkreis der unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger, begünstigten Drittstaatsangehörigen, und Familienangehörigen von Österreichern, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

 

Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach Ansicht der Behörde liegt eine derartige Gefährdung vor, wobei die Gründe dafür in diesem Bescheid dargelegt sind. Nach der bisherigen ständigen Rechtssprechung galt der Kriterienkatalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 ebenso als Orientierungsmaßstab bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Personenkreis der freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger, begünstigten Drittstaatsangehörigen, und Familienangehörigen von Österreichern. Nachdem dieser Kriterienkatalog in den nunmehrigen § 53 Abs. 2 und 3 FPG idgF aufgegangen ist, steht außer Zweifel, dass dieser nun bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger, begünstigten Drittstaatsangehörigen, und Familienangehörigen von Österreichern herangezogen werden kann.

 

Die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

 

Die Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes entspricht jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein anfälliger positiver Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zu den Österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden kann.

 

Laut Aktenlage wurden Sie am 07.11.2010 gegen 15.00 Uhr anlässlich einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Abt. Finanzpolizei, im Lokal X bei der Arbeit (Pizzazubereitung) betreten und festgestellt, dass Sie nicht im Besitz von arbeitsmarktrechtlich gültigen Papieren sind. Es wurde ein Strafantrag, GZ: 054/72119/2010 gestellt und gegen X, X, vom Magistrat Wels am 19.04.2011 ein Straferkenntnis wegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl 218/1975 idgF. in der Höhe von 2.000,00 + Verfahrenskosten sowie ein Straferkenntnis vom 06.07.2011 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 111 iVm. § 33 Abs. 2 ASVG idgF. in der Höhe von 365,00 Euro + Verfahrenskosten erlassen.

 

Am 25.03.2011 um 19:38 Uhr anlässlich einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Abt. Finanzpolizei und durch Organe der PI Wels auf Einhaltung der Bestimmungen nach dem AuslB und gem. § 89 (§) EStG im Lokal X in X, wurden Sie dabei betreten, wie Sie sich hinter der Schank aufgehalten und Aufzeichnungen gemacht haben.

Da Sie sind nicht im Besitz von arbeitsmarktrechtlich gültigen Papieren sind, liegt ein Verstoß nach dem AuslB vor.

Vom Finanzamt Grieskirchen Wels wurde ein Strafantrag, FA-GZ: 054/77060/3/2011 an den Magistrat Wels gestellt und gegen X, X, vom Magistrat Wels am 07.07.2011 ein Straferkenntnis wegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm. § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl 218/1975 idgF. in der Höhe von 2.000,00 + Verfahrenskosten sowie ein Straferkenntnis vom 07.07.2011 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 111 iVm. § 33 Abs. 2 ASVG idgF. in der Höhe von 730,00 Euro + Verfahrenskosten erlassen.

 

Am 18.07.2011 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Stellungnahme bezüglich der beabsichtigten Erlassung eines auf die Dauer von 5 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes übermittelt.

 

Sie hatten die Möglichkeit, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, zu der beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes schriftlich bei der Bundespolizeidirektion Weis, Fremdenpolizei, Stellung zu nehmen und damit Ihre Rechte und rechtlichen Interessen zu wahren. Sollten Sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, werde das Verfahren ohne Ihre weitere Anhörung beendet werden.

 

Darüber hinaus wurden Sie aufgefordert, innerhalb o.g. Frist schriftlich an die Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Angaben über Ihre familiären, sozialen und beruflichen Bindungen in Österreich zu machen. Andernfalls könne auf Ihre Angaben im gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahren nicht eingegangen werden.

 

Am 27.07.2011 langte eine Vertretungsanzeige und Stellungnahme Ihres Rechtsanwaltes X bei der hsg. Behörde ein.

 

Sie gaben an, es sei vorweg festzuhalten, dass keine strafgerichtlichen Verurteilungen gegen Sie vorlägen. Die Anlastungen in der Aufforderung zur Stellungnahme würden daher gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen.

Es lägen keine konkreten und bestimmten Tatsachen, die ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 1 FPG rechtfertigen können, vor. Sie hätten keinerlei Verhalten gesetzt, das die Annahme rechtfertigen könnte, dass durch Ihren Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Zur Kontrolle am 25.03.2011 bestreiten Sie die behördliche Anlastung, dass Sie einen Verstoß nach dem AuslBG begangen haben. Der Sachverhalt sei unrichtig. Sie hätten sich als Gast im Lokal X in der X in X aufgehalten und keinerlei Arbeiten im Lokal verrichtet. Sie beantragten zeugenschaftliche Einvernahmen und die Beischaffung des Magistratsaktes.

Es sei vielmehr richtig zu stellen, dass Sie als Gast im Lokal waren. Sie hätten keinerlei Arbeiten verrichtet. Sie hätten am 25.03.2011 mit Frau X und Herrn X einen Gesellschaftsvertrag geschlossen und könnten nicht als Betriebsfremde angesehen werden.

Zur Kontrolle am 07.11.2010 seien Sie als Gast ins Lokal gekommen und seien von Herrn X, der dringend das Lokal verlassen musste, gebeten worden, kurz im Lokal aufzupassen und allenfalls in der Küche auszuhelfen. Sie hätten aufgrund Ihres mehrmaligen Aufenthaltes als Gast im Lokal die wesentlichen Arbeitsabläufe gekannt. Aufgrund der Nahebeziehung zu Herrn X wäre natürlich auch die diesbezügliche Vertrauenswürdigkeit gegenüber Ihnen gegeben, dass Sie eigenständig und ohne konkrete Weisungen in der kurzen Abwesenheit zurecht kämen. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass diese kurzfristige Aushilfstätigkeit (ca. 1 Stunde) freiwillig und völlig unentgeltlich und nur als „Freundschaftsdienst" ausgeübt wurde. Sie beantragten Ihre persönliche Einvernahme, Zeugeneinvernahmen und die Beischaffung des Magistratsaktes.

 

Sie seien im Bundesgebiet beruflich verankert und übten eine selbständige Tätigkeit aus. Weiters seien Sie umfassend sozialversichert.

Sie gaben an, seit 22.09.2010 rechtmäßig in Österreich aufhältig zu sein, eine Wohnung in der X, gemietet zu haben. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich derzeit eindeutig und ausschließlich im Bundesgebiet. Sie könnten in Österreich als umfassen sozial und persönlich integriert angesehen werden.

Durch Ihre Mitarbeit im Unternehmen sei gewährleistet, dass eine vertrauenswürdige und befähigte Person die Geschäftsführungs-Aufgaben im Betrieb wahrnehme.

 

Sie beantragten, das gegenständliche Verfahren ersatzlos einzustellen.

 

 

Die Behörde hat erwogen:

 

Gemäß § 53 NAG haben EWR-Bürger, denen das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, wenn Sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

Laut Auskunft der Stadt Wels, Aufenthaltswesen, vom 05.04.2011, haben Sie rechtzeitig um Erteilung einer Anmeldebescheinigung angesucht, allerdings die dafür erforderliche Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung vom AMS nicht bekommen. Ansuchen beim AMS vom 19.03.2010, 27.04.2010, 22.09.2010 und 25.10.2010 um eine Beschäftigungsbewilligung für Sie sind jeweils negativ entschieden worden.

 

Nach der bisherigen ständigen Rechtssprechung galt der Kriterienkatalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 ebenso als Orientierungsmaßstab bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Personenkreis der freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger, begünstigten Drittstaatsangehörigen, und Familienangehörigen von Österreichern. Nachdem dieser Kriterienkatalog in den nunmehrigen § 53 Abs. 2 und 3 FPG idgF aufgegangen ist, steht außer Zweifel, dass dieser nun bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger, begünstigten Drittstaatsangehörigen, und Familienangehörigen von Österreichern herangezogen werden kann.

 

Die Tatsache, dass Sie bei der Ausübung einer Arbeitstätigkeit betreten wurden, die Sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ohne eine entsprechende Bewilligung nicht hätten ausüben dürfen ("Schwarzarbeit"), rechtfertigt die Annahme, dass Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte, zumal Sie davon unbeeindruckt nach Ihrer Betretung am 07.11.2010 abermals am 25.03.2011 von Organen der Finanzpolizei bei der Ausübung einer Beschäftigung, die Sie nach dem AuslBG nicht ausüben hätten dürfen, betreten wurden. Laut Angaben des Herrn X in seiner Niederschrift am Magistrat Wels (siehe Straferkenntnis 054/72119/2010) hat er für Ihre Arbeitsleistung Ihre Lebenserhaltungskosten, wie Wohnung, Essen, Zigaretten usw. bezahlt.

 

Dass mit Ihnen am 25.03.2011, also am Kontrolltag des 2. Vorfalles, ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde, in welchem Sie zur persönlich haftenden Gesellschafterin bestellt wurden, wurde bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei weder von Herrn X noch von Ihnen erwähnt. Die Unterzeichnung der Verträge beim Notar erfolgte erst am 31.03.2011, der Antrag auf Änderung ist erst mit 12.04.2011 beim Firmenbuch eingelangt (siehe Straferkenntnis 054/77061/2011).

 

Da Sie über Ihre sozialen und privaten Bindungen keine Angaben gemacht haben, konnte darauf nicht Bedacht genommen werden.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes konnte die der Behörde zur Verfügung stehende Ermessensentscheidung nicht zu Ihren Gunsten getroffen werden.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.        die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.        anderen im Art. 8 Abs. 2 der EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 61 FPG ist für den Fall, dass das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreifen würde, ein solches nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8 Abs. 2 der EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Artikel 8 Abs. 2 der EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot nach § 67 höchstens für die Dauer von 10 Jahren, in den Fällen des § 67 Abs. 3 Zi. 1 bis 4 FPG auch unbefristet erlassen werden.

 

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgebenden Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 kann auf den Kriterienkatalog des § 53 Abs. 2 und 3 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden. In Ihrem Fall liegt jener Tatbestand des § 53 Abs. 2 Zi. 7 FPG vor, wenn ein Fremder bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Fremde hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Fremde betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen.

 

Die Tatsache, dass Sie bei der Ausübung einer Arbeitstätigkeit betreten wurden, die Sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ohne eine entsprechende Bewilligung nicht hätten ausüben dürfen ("Schwarzarbeit"), rechtfertigt die Annahme, dass Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, sohin zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten.

 

Überdies besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

2. Gegen diesen, dem vormaligen Rechtsvertreter der Bw am 5. September 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig vom nunmehrigen Rechtsvertreter per Post am 15. September 2011 eingebrachte Berufung.

 

Einleitend verwies der Rechtsvertreter auf das bisherige Vorbringen. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen.

 

Das Aufenthaltsverbot hätte auch nicht auf die vorliegenden Umstände gestützt werden können, da der Tatbestand der Schwarzarbeit nicht rechtskräftig festgestellt worden sei.

 

Die Tätigkeit der Bw am 25. März 2011 falle nicht unter das AuslBG. Wie dem vorgelegten Beschluss des Firmenbuchgerichts zu entnehmen sei, handle es sich bei der Bw um eine unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma X. Nach Auskunft des zuständigen AMS gebe es im Falle eines EU-Bürgers keine Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG, die unselbständige Tätigkeit könne daher ohne Vorliegen eines entsprechenden AMS-Bescheides auch ohne Beschäftigungsbewilligung ausgeübt werden. Das Vorgehen am 25. März 2011 sei daher rechtens und stelle keine bestimmte Tatsache dar, wegen der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt sein könnte. Der Bescheid der belangten Behörde verstoße daher gegen einschlägiges Gemeinschaftsrecht.

 

U.a. wird die ersatzlose Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragt.

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 19. September 2011 dem Unabhängigen Verwaltungssenat vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Über telefonisches Ersuchen gab das AMS-Linz am 11. Juni 2012 bekannt, dass auf die Bw, eine Unionsbürgerin, die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X ist, § 2 Abs. 4 AuslBG keine Anwendung finde und ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG nicht erlassen werde.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, dieser nicht bestritten wurde, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifende Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1., 2. und 3.1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 49/2012, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

4.2. Bei der Bw handelt es sich um eine bulgarische Staatsangehörige, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht, also um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises.

 

Im Spruch des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde auf die einschlägigen Normen. In der Bescheidbegründung bezog sie sich auf § 63 Abs. 1 FPG, zitierte allgemein gehalten § 67 FPG und stellte im Wesentlichen auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG ab.

 

Abgesehen von der Berufung auf § 63 FPG könnte der belangten Behörde grundsätzlich gefolgt werden, wenn sie auf den besonderen Regelungsinhalt des § 67 FPG Bedacht genommen hätte.

 

Das FPG legt, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So verlangt § 67 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 63 Abs 1 FPG (Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) ein deutlich höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603 und 3. April 2009, 2008/22/0913 zur vergleichbaren Rechtslage vor dem FRÄG 2011).

 

Um den Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG gerecht zu werden, reicht ein Gefährdungspotential, das dem im § 63 Abs. 1 FPG umschriebenen entspricht, zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Unionsbürgen nicht aus.

 

Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ersehen lässt, wurde die Bw ausschließlich bei "Arbeitstätigkeiten" für die X im Lokal "X" in X, angetroffen, die sie (laut Ansicht der belangten Behörde) zu den genannten Kontrollzeiten nicht ausüben hätte dürfen. In zumindest einem Fall wurde die verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche, X, wegen einer Übertretung nach dem AuslBG (fehlende Beschäftigungsbewilligung für die Bw) rechtskräftig bestraft.

 

Unbestritten ist die Bw seit März 2011 persönlich haftende Gesellschafterin der Firma X. Als solche bedarf sie laut Auskünften des zuständigen AMS (Anfrage durch den Rechtsvertreter [siehe Berufungsschrift] und durch das erkennende Mitglied am 11. Juni 2012) als "Selbständige" keines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG und unterliegt somit nicht dem AuslBG.

 

Auch wenn das Verhalten der Bw vor der unstrittigen und wesentlichen Sachverhaltsänderung eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dargestellt haben mag, kann das einschlägige Verhalten der Bw, bedingt durch ihre nunmehrige Stellung, zum Entscheidungszeitpunkt keinesfalls eine "gegenwärtige" und "erhebliche" Gefahr begründen. Dass die Bw seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides bei einer Beschäftigung betreten worden wäre, die sie nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, ist nicht hervorgekommen und auch von der belangten Behörde nicht behauptet worden.

 

4.3. Da das persönliche Verhalten der Bw keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Mag. Stierschneider

 

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